J. R. R. Tolkien / Christopher Tolkien – Die Kinder Húrins

Anlass zum Ärgern: Tolkien Heldenepos in deutscher Übersetzung

Die böse Macht Morgoths, des Dunklen Herrn, breitet sich immer stärker über Beleriand aus. Horden von Orks und der fürchterliche Drache Glaurung bedrohen Elben und Menschen … Während der menschliche Patriarch Húrin von Morgoth gefangen gehalten wird, nimmt sein tapferer Sohn Túrin den Kampf gegen das Böse auf. Doch seine Bemühungen scheinen unter einem Unstern zu stehen …

Der Autor

John Ronald Reuel Tolkien wird am 3. Januar 1892 in Bloemfontein in Südafrika geboren. Bei einem Verwandtenbesuch in England im Jahre 1896 stirbt Johns Vater an den Folgen eines Blutsturzes. Die Tolkiens, John, sein älterer Halbbruder Hilary und seine Mutter Mabel, bleiben daraufhin in England und werden von ihrer Familie finanziell unterstützt. Im Jahre 1900 entscheidet Mabel sich dazu, vom Protestantismus zum katholischen Glauben zu wechseln. Das empört ihre Familie, die ihr daraufhin den Geldhahn zudreht.

Vier Jahre später, am 14. November 1904, stirbt Mabel in einem diabetischen Koma. John und sein Halbbruder werden von einer Tante aufgenommen, und John geht an eine königliche Schule und bekommt ein Stipendium für das Exeter College in Oxford, das er 1913 mit Auszeichnung verlässt. Während dieser Zeit lernt er auch Edith Bratt kennen, die er 1916 heiratet. Kurz nach der Heirat muss er aber für das Königreich in den Ersten Weltkrieg ziehen. 1916 ist er in Frankreich stationiert und wird schwer krank. Dieser Krankheit hat er zu verdanken, dass er im gleichen Jahr nach Hause kann und nie mehr in den Krieg ziehen muss. Schon während dieser Zeit beginnt er an dem [„Silmarillion“ 4483 zu arbeiten.

1918 bringt Edith das erste von fünf Kindern zur Welt: John Francis. Die drei ziehen nach Oxford, wo Tolkien sein angefangenes Sprachstudium wieder aufnimmt und beendet. Im Oktober 1920 kommt der zweite Sohn Michael zur Welt. Im selben Jahr zieht die Familie nach Leeds, weil John dort einen Platz als Dozent an der Uni bekommt. 1924 wird John zum Professor berufen und sein dritter Sohn Christopher kommt zur Welt. Dieser sorgt nach dem Tod seines Vaters dafür, dass alle Manuskripte vervollständigt und veröffentlicht werden. Ein Jahr später gewinnt John die Wahl zum Angelsächsischen Professor an der Uni in Oxford. Die Familie zieht wieder zurück nach Oxford.

1929 legt Tolkien den Grundstein zu [„Der Hobbit“. 481 Außerdem wird seine erste Tochter geboren: Priscilla. Im folgenden Jahr beginnt Tolkien mit dem Manuskript zum „Hobbit“. Sieben Jahre später, am 21. September 1937, erscheint dann der „Hobbit“ bei |Unwin| und erhält viele positive Buchkritiken. Das Buch wird unter anderem mit dem „New York Herald Tribune“- Jugendpreis ausgezeichnet.

Im nächsten Jahr hat Tolkien schon konkrete Vorstellungen vom [„Herrn der Ringe“, 1330 weil Raynor Unwin um eine Fortsetzung des „Hobbits“ gebeten hatte. Tolkien unternimmt mehrere Anläufe und schreibt jedes Mal den Anfang komplett neu. Nach dem Start herrscht aber wegen des Zweiten Weltkriegs, in dem zwei seiner Söhne dienen, erst einmal eine künstlerische Pause, die bis 1947 dauert. Erst jetzt fängt er wieder an, am „Herrn der Ringe“ zu arbeiten. Zwei Jahre später ist das Buch dann fertig, wird aber erst 1954/55 veröffentlicht, da Tolkien den „Herrn der Ringe“ zusammen mit dem „Silmarillion“ und mit allen Anhängen herausbringen wollte. Der Verlag verlangt aus Kostengründen (Papier war rationiert und teuer), dass das Buch in drei Teile aufgeteilt wird, die nacheinander erscheinen.

Am Anfang sind die Bücher nicht besonders erfolgreich, werden als absurd und schwer verständlich eingestuft. Erst nach dem |Ace|-Raubdruck ca. 1966 wird das Buch vor allem bei amerikanischen Studenten beliebt und schließlich zweimal verfilmt.

Im Jahre 1968 zieht Tolkien wegen seiner Frau noch einmal um, und zwar ins das Seebad Bournemouth, welches die Familie aus Urlaubsbesuchen kennt. Am 19. November 1971 verstirbt Edith an den Folgen einer Gallenblasenentzündung. Tolkien zieht wieder nach Oxford um, wo er als Ehrenmitglied auf dem Unigelände wohnt. Er erhält von der Queen den „Kommandeursorden des Britischen Empires“ (CBE). Außerdem hat er die Hoffnung, sein Lebenswerk, das „Silmarillion“, noch vor seinem Tod fertigstellen zu können. Aber Tolkien stirbt am 2. September 1973 achtzigjährig im Krankenhaus, als er gerade ein paar Freunde besucht. Im Jahre 1977 veröffentlicht sein Sohn Christopher das „Silmarillion“ nach radikaler Überarbeitung und bringt noch andere Bücher seines Vaters heraus.

J. R. R. Tolkien (1892-1973) verschlang schon als Schüler „Beowulf“ und die Abenteuer des Artus-Ritters [Sir Gawain 479 auf Mittelenglisch. Tolkien studierte in Oxford und wurde mit 32 Jahren zum Professor für mittelalterliche englische Literatur. Er lehrte nahezu 40 Jahre lang und gab u. a. ein mittelenglisches Wörterbuch heraus, das bis heute auf diesem Gebiet zu den Standardwerken zählt. Sein besonderes Interesse galt jedoch der Mythologie, den Sagen und Märchen. Tolkien zufolge spiegeln all diese Geschichten – auch die von ihm selbst erdachten – einen Funken ewiger Wahrheit wider.

Handlung

Nach Jahrhunderten des bewachten Friedens nach der Dagor Bragollach erfahren die Elben und ihren Freunde, die edlen Menschen der Edain, dass Morgoth einen erneuten Angriff wagen will. In der folgenden Schlacht geht der Plan der Elben, Zwerge und Edain leider nicht auf, möglicherweise durch Verrat. In der westlichen Schlacht fallen die wichtigsten Fürsten, und Húrin, Túrins Vater, wird beim Versuch, König Turgon von Gondolins Rückzug zu decken, gefangen genommen und nach Angband verschleppt.

Dort fordert er den dunklen Herrscher heraus, dass sich erweisen werde, wie stark die Menschen gegenüber dem Bösen und seinen Schergen, den Orks und Drachen, seien. Doch Morgoth setzt ihn daraufhin gefesselt auf einer Zinne seiner Aschenberge auf einen Thron und spricht: „Merke! Der Schatten meines Trachtens wird über ihnen [Húrins Kindern und ihren Nachkommen] lasten, wo immer sie sind, und mein Hass wird sie bis ans Ende der Welt verfolgen!“ Und Húrin solle ihren Untergang von seiner hohen Warte aus mitansehen müssen.

Fremder in fremdem Land

Túrin, Húrins und Morwens Sohn, wächst in einem Land auf, das von den Ostlingen erobert worden ist, und hier sind er und seine Familie, Morwen und seine kleine Schwester Nienor, nur Überbleibsel von vergangenem Ruhm. Also flieht er aus Dor-lómin über die bewachten Grenzen in jenes Land, das ihm Schutz verspricht. Das Königreich Doriath wird von König Thingol Graumantel und der Maia Melian regiert. Seine Grenzen sind mit einem Zauber gegen unerwünschte Eindringlinge geschützt. Morwen schickt das Erbstück seines Vaters, den Drachenhelm, nach, mit dem er später Ruhm erlangen wird (siehe Titelbild).

In Doriath kämpft er an der Seite des großen Bogenschützen Beleg Cuthalion gegen die Orks, die jetzt das Land außerhalb Doriaths unbehelligt verwüsten. Doch ein Ehrenhändel mit dem Grauelben Saeros, dem Ratgeber des Königs, führt dazu, dass er lieber Doriath verlässt, statt sich dem Schiedsspruch Thingols wegen Saeros‘ Tod zu stellen. Er schließt sich den Geächteten an, die ebenfalls die Orks bekämpfen. In den Bergen Dorthonions erlangt er das schwarze Schwert Gurthang („Todeseisen“), das aus Meteoreisen geschmiedet wurde, von einem anderen Krieger und muss vor Orks fliehen.

Er gelangt jenseits des Waldes von Brethil und des Flusses Teiglin zum Roten Berg, auf dem der Zwerg Mim und seine Sippschaft wohnen. Hier findet ihn Beleg Cuthalion sowie eine Reihe von Geächteten, und von hier aus jagen sie die Orks, bis das Land den Beinamen „Das Land von Helm und Bogen“ erwirbt. Doch der Verrat ist auch hier nicht weit: Die Zwerge werden ermordet, und Beleg wird aus Versehen von Túrin getötet. Túrin muss weiterziehen.

Nargothrond

In Doriath glaubt er sich nicht mehr erwünscht, nach Dor-lómin kann er nicht, und so ist das nächstgelegene Königreich, das eine Bastion gegen Morgoth bildet, das Reich des in der Schlacht gefallenen Königs Finrod Felagund: Nargothrond. Die unterirdisch gelegene Festung birgt viele Elben, darunter großartige Kämpfer. Doch Túrin, der Mensch, tut sich unter ihnen durch seine Wut und sein schwarzes Schwert hervor. Zudem gibt er sich nicht als Húrins Sohn aus, der mit den Elben verwandt ist (siehe Stammtafeln), sondern als ein gewisser Mormegil.

Doch sein Hochmut führt auch Nargothrond ins Verhängnis. Denn er verleitet den neuen König dazu, eine Brücke über den reißenden Narog zu bauen, der bislang einen natürlichen Schutzall gebildet hat, und Vorstöße zu wagen. Der Unterschlupf der Elben, das zweite der drei verborgenen Königreiche (Nummer drei ist Gondolin), ist nun für den Feind sichtbar geworden.

Als der Drache Glaurung das Land jenseits des Narog mit seinem Feueratem verwüstet, kann nichts ihm widerstehen, und so dauert es nicht lange, bis er das Tor zur Elbenstadt bequem über die neue Brücke durchbrechen kann. Jeder Blick in Glaurungs hypnotische Augen wird dem Betrachter zum Verhängnis, und so ergeht es auch Túrin Mormegil. Unter dem Bann des Drachen muss er reglos mitansehen, wie seine Geliebte, Prinzessin Finduilas, von den Orks weggeführt wird. (Dieses dramatische Bild findet sich in einem der Tolkien-Kalender.)

Der Wald von Brethil und Glaurungs Ende

Sobald er wieder aus Glaurungs Bann entlassen ist, um all sein Elend „genießen“ zu können, flüchtet Túrin zu den Menschen des Waldes Brethil. Dort erfüllt sich sein Schicksal. Denn seine Schwester Níenor, die von Glaurung mit Vergessen geschlagen wurde, verirrt sich nach Brethil, wo sie sich in Túrin verliebt und von ihm ein Kind empfängt. Als Glaurung vor Brethil auftaucht, um den Attacken Túrins auf die Orks ein Ende zu bereiten, kommt es zu einer verhängnisvollen Verkettung von Lüge, Wahrheit und Unvernunft.

Das verfluchte Schwert Gurthang, mit Blut gewonnen und mit Drachenblut getauft, spielt seine letzte Rolle in diesem Kampf, bis es auch das Blut Túrins trinkt: „Ja, freudig trinken will ich dein Blut, dass ich das Blut Belegs, meines Herrn, vergessen mag und das Blut Brandirs, des zu Unrecht Erschlagenen. Ich will dich rasch töten.“

Húrins Rückkehr

Und was wurde aus Húrin, mit dem das ganze Lied begonnen hat? Morgoth lässt ihn frei, nachdem er nun mitangesehen hat, wie sein Sohn und und seine Tochter gestorben sind. An deren großem Grabmal findet er eine elende Frauengestalt vor: Morwen.

Mein Eindruck vom Roman

Túrin hat schon einige Züge Elrics von Melniboné insofern, als er in einer zwiespältigen Beziehung zu seinem eigenen Schicksal und seinem schwarzen Schwert steht. Ist es bei Elric das verfluchte Schwert „Sturmbringer“, das Seelen verschlingt, so trägt Túrin die gestohlene Klinge Gurthang, in die er sich schließlich stürzt. Túrin ist ein Held, wie man ihn sich verschiedener von [Beowulf,]http://de.wikipedia.org/wiki/Beowulf dem christlich inspirierten Drachenbezwinger, kaum vorstellen kann: Er ist von Rachedurst und Hass so verblendet, dass ihn schließlich das Einzige umbringt, was mächtiger ist: die Wahrheit.

Die ganze Geschichte der Kinder Húrins ist eine aus Stolz und Angst gezeugte Kette von Verhängnissen. Warum ist das so? Túrin hat stets Angst um seine geliebte Mutter, die er sich, nach den Schilderungen eines alten Freundes, als nackt durch die Wälder hetzend vorstellen kann. An diesem Bild ist seine Angst schuld, die Morwen durch ihre stolz und im Widerspruch zu Húrins expliziter Anweisung getroffene Entscheidung hervorgerufen hat, nicht mit ihm zu gehen, sondern zurückzubleiben. Als Saeros Túrins Mutter mit einer solchen Beschreibung schmäht, brechen in Túrin Angst und Jähzorn durch, so dass er den Frevler erschlägt.

Noch viele Male handelt Túrin, der sich hochmütig „Meister des Schicksals“ nennt, auf diese Weise: voreilig, impulsiv, jähzornig. Ist dies auf seine eigene Verfassung zurückzuführen – oder ist dies das Wirken Morgoths, der sich ebenfalls Meister des Schicksals und Herr über Arda nennt? Tolkien hat, wie Tom Shippey in [„J. R. R. Tolkien – Autor des Jahrhunderts“ 1653 gezeigt hat, mehrmals doppelte Erklärungen eingeflochten, die beide Deutungen zulassen: das Handeln des Menschen und das Wirken Morgoths. Das Resultat ist das gleiche, doch für die Schuldfrage ist die Ursache von entscheidender Bedeutung. Konnte Túrin nicht anders, als in sein Unglück zu rennen? Oder wurde er insgeheim so geführt, dass er das Verderben herbeiführen musste?

Er ist eine völlig andere Figur als etwa [Siegfried,]http://de.wikipedia.org/wiki/Siegfried__der__Drachent%C3%B6ter obgleich beide einen Drachen erschlagen. Doch von Siegfried ist nicht bekannt, dass er seine eigene Schwester geheiratet und geschwängert hätte, wohl aber von Túrin (dies tat er natürlich unwissentlich). Für das Verbrechen, das Inzesttabu gebrochen zu haben, gibt er sich selbst den Tod. Doch er heiratete die bei Brandirs Volk untergeschlüpfte Nienor, die unter Amnesie leidet, aus dem Wunsch heraus, die Schuld am Verlust Finduilas‘ wiedergutzumachen und eben jenes Schreckbild einer durch die Wälder gehetzten Frau zu verbannen.

Aus beiden frommen Wünschen erwächst bemerkenswerterweise das Gegenteil. Ist dies auf das Wirken des in die Welt gekommenen Satans Morgoth zurückzuführen? Glaurung ist bekanntlich dessen böse Kreatur und agiert in dessen Auftrag. Stets sind es bestimmte Worte und Botschaften, mit denen Glaurung oder andere Agenten wie Mablung das Verhängnis herbeiführen. Möglicherweise will Tolkien damit andeuten, dass Menschen, im Gegensatz zu Göttern, nichts endgültig wissen können, ständig in Irrtümern befangen sind und so schließlich unausweichlich den eigenen Taten zum Opfer fallen müssen.

Das ist eine sehr pessimistische Sicht der |conditio humana|, doch Tolkien hat sich an dieser Geschichte regelrecht abgearbeitet, von 1919 mindestens bis 1951, als die längste Fassung entstand. Ihr Gegenstück dichtete er fast ebenso häufig mit der Geschichte um Beren und Lúthien, die die drei Simaril zurückerlangten. Ihre Tochter ist Elwing, und sie heiratete Earendil, den Sohn Tuors und der Tochter König Turgons. Nur einer der drei Silmaril gereichte den Elben zum Segen, nämlich als Earendil ihn ins Segensreich Aman trug, um die Mächte der Valar um Beistand gegen Morgoth anzuflehen, der sich ganz Arda untertan gemacht hat. Seine Bitte findet ausnahmsweise Gehör. In der Folge verbannen die Mächte den dunklen Herrscher in die äußeren Bezirke des Universums. Doch seine Saat in Gestalt von Sauron können sie nicht mehr eliminieren.

Nur die göttliche Macht also kann die Menschen vor der Vernichtung retten. Darin erweist sich der Glaube des katholischen Tolkien, der im Alter von vier Jahren seinen Vater und mit zwölf seine Mutter verlor. Wie sehr er sich mit der Geschichte von Beren und Lúthien identifizierte, die Flucht vor Tod wie auch Flucht vor Unsterblichkeit beinhaltet, belegt sein Grabstein. Darauf stehen die Namen Beren und Lúthien neben den Namen John und Edith Tolkien (siehe die Biografie von H. Carpenter, Klett-Cotta, S. 294).

Die Anhänge

1) Stammbäume

Diese vier Stammbäume sind exakt die gleichen wie in der ersten Veröffentlichung von „Das Silmarillion“ anno 1977. Wer jene schon wie im Schlaf auswendig aufzusagen weiß, braucht also diese nicht auch noch anzuschauen. Allen anderen werden sie eine willkommene Orientierungshilfe sein.

2) Namenliste

Das „elbische Telefonbuch“, wie es schon im [„Silmarillion“ 4483 zu finden ist, aber hier mit noch ausführlicheren Erläuterungen, die zum Verständnis beitragen.

3) Landkarte

Dies ist eine recht detailreiche Darstellung der südwestlichen Regionen [Beleriands 1673 vor seinem Untergang. Sehr schön sind sämtliche Königreiche der Elben eingetragen, aber auch wichtige Landmarken wie etwa das Fenn von Serech, wo die erste Schlacht entbrennt, und die Teiglin-Stege, wo Túrin und Glaurung den Tod finden. Die Regionen von Ossiriand und Ered Luin im Osten sowie Taur-im-Duinath im Süden sind nicht eingezeichnet, weil sie in dieser Geschichte keine Rolle spielen. Angband ist auch auf der Silmarillion-Karte nicht eingezeichnet.

4) „Die Entwicklung der großen Geschichten“

Die Seiten 287-301 liefern nichts Geringeres als eine Genese des „Silmarillion“ (mit besonderer Berücksichtigung der Geschichte der Kinder Húrins) vom Ende der „Verschollenen Geschichten“ (1916) und den ersten Fassungen des Túrin-Stoffes (1919-1925) bis zu deren letzten Bearbeitungen vor Tolkiens Tod 1973. Das ist ein gewaltiger Zeitraum von rund 50 Jahren, abzüglich der 13 Jahre, die er für die Produktion des [„Hobbits“ 481 und des „Herrn der Ringe“ benötigte. Dieser Abschnitt ist vor allem für Tolkien-Quellenforscher interessant.

5) „Die Zusammenstellung des Textes“

Hier rechtfertigt Christopher Tolkien die endgültige Textform, die er „Die Kinder Húrins“, gab, gegenüber jener älteren Fassung, die in „Nachrichten aus Mittelerde“ zu finden ist. Aus seinen Erläuterungen ergibt sich für den Leser der Grund, warum er „Kinder Húrins“ jenem Fragment vorziehen sollte. Der Vorteil ergibt sich vor allem aus der schlüssigeren und vollständigeren Chronologie des umfangreiches Abschnittes „Túrin bei den Geächteten“ (nach seiner Flucht aus Doriath, Thongols Reich).

Aber auch viele andere Kapitel, die Christopher Tolkien einzeln aufzählt, folgen der Urfassung, die sein Vater extra für die Veröffentlichung eines separaten Buches namens „Narn i Chin Húrin“ vorgesehen hatte: des vorliegenden Buches. Die andere Fassung findet sich heute im „Silmarillion“ von 1977. Diese Liste lässt sich schier endlos fortsetzen. Das Kapitel umfasst die Seiten 302-311. Äußerst hilfreich erweist sich zu guter Letzt noch die Revision der Minikarte, die die Vorgänge an den Teiglin-Stegen beschreibt. Schon im „Silmarillion“ hat mich die Geografie dieser Gegend verwirrt – hier endlich wird der Sachverhalt eindeutig.

6) Mittelerde in den Ältesten Tagen

In dieser Einführung erfährt der Leser, der bislang noch nicht mit dem „Silmarillion“ in Berührung gekommen ist, die Vorgeschichte, die er für das Verständnis von Túrins Geschichte unbedingt wissen sollte. Diese Vorgeschichte reicht von den ältesten Tagen Valinors am Anfang des Ersten Zeitalters bis über die Verbannung der Noldor und ihren Exodus nach Beleriand, um Morgorth die geraubten Silmaril wieder abzujagen.

Nur vor diesem Hintergrund ist unter anderem zu verstehen, wie es zu den wiederholten Schlachten gegen Morgoth und dessen Festung Angband im Norden Beleriands kommt. Denn eine entscheidende Schlacht eröffnet das Buch: Nirnaeth Arnoediad, jene Schlacht, in welcher der Hochkönig Fingon fiel und Húrin, Túrins Vater, gefangengesetzt wurde.

7) Anmerkungen zur Aussprache

So sollten Konsonanten (Mitlaute) und Vokale (Selbstlaute) im Elbischen ausgesprochen werden. Daran hat sich beispielsweise auch Achim Höppner bei seiner großartigen Lesung des „Silmarillion“ konsequent gehalten.

Die Illustrationen

Einer der größten Vorzüge dieses Buches liegt in seinen wunderschönen Illustrationen von Alan Lee. Bekanntlich sind ja weder „Das Silmarillion“ noch „Nachrichten aus Mittelerde“ mit Grafiken ausgestattet worden (mal von Landkarten und Emblemen der Herrscher abgesehen). Daher bilden Alan Lees Illustrationen, gedruckt auf hochwertigem Glanzpapier, eine wertvolle Bereicherung und machen allein schon dadurch dieses Buch zu einem Sammlerstück.

Die Übersetzung

Mann, was habe ich mich über die schlampige Textkorrektur an diesem Buch geärgert. Nach zwölf Vorkommnissen habe ich das Zählen aufgegeben. Glücklicherweise sind die meisten Fehler einfach nur schlechtes Deutsch, die sich in den falschen Kasusendungen äußern. Genitiv, Nominativ und Akkusativ, vom Dativ ganz zu schweigen – wer brachte sie je so durcheinander? Schwamm drüber.

Aber bei Sachfehlern hört der Spaß wirklich auf. Schon auf Seite 17 stößt der Tolkienkenner verblüfft auf die Aussage, dass die Hauptstadt von Doriath in Dor-lómin liegen soll. Wie geht das denn?

Der zweite Schock wird dem Kenner von den Ausspracheregeln versetzt. Heißt es doch auf Seite 31 tatsächlich, man solle OE wie in Arnoediad wie das deutsche Ö aussprechen. Dies widerspricht auf eklatante Weise den Ausspracheregeln, die Tolkien im Silmarillion (Originalausgabe, Seite 310) aufgestellt hat. OE sollte wie das deutsche EU ausgesprochen werden. Achim Höppner machte dies in seiner „Silmarillion“-Lesung richtig, und diese erschien bereits 2005.

Auf Seite 89 fehlt in dem Satz „Und mit deiner Erlaubnis erhebe [ich] jetzt Anspruch auf den Drachenhelm meiner Väter“ das nicht ganz unwichtige Wörtchen „ich“. Gleich darauf folgt wieder ein Kasusfehler. Auf Seite 103 sollte es „Nan Elmoth“ statt „Nal Elmoth“ heißen. Auf Seite 137 muss man sich selber vorstellen, wie wohl eine „schiere Felswand“ aussehen könnte. Das ist eine daneben gegangene Eins-zu-eins-Übersetzung des englischen „sheer“, was „steil emporragend“ bedeutet. Bei uns bedeutet „schier“ jedoch so viel wie „fast“ („schier unmöglich“ usw.).

Auf Seite 147 sollte es wohl nicht „fand“ heißen, und auf Seite 151 fehlt das Wörtchen „an“. Auf Seite 161 ereilt den Kenner wieder mal ein Schlag ins Gesicht. Statt Amon Rudh, dem Roten Berg des Zwergen Mim, begegnet ihm hier der Amon Hen, welcher ja bekanntlich etliche tausend Meilen weiter östlich am Ufer des Stromes Anduin steht. Dort erblickt Frodo das Auge Saurons und dessen Schwarzen Turm. Auf Seite 243 gibt es diesmal das Wörtchen „seine“ einmal zu viel, sowie auf Seite 81 das Wörtchen „in“.

Nun reicht’s aber. Die anderen Druckfehler müsst ihr selber suchen.

Unterm Strich

Endlich liegt die beste Heldenstory, die Tolkien für seine Privatmythologie geschrieben hat, in einer flüssig zu lesenden und doch stimmigen Fassung vor. Man kann sie schnell und in einem Stück lesen, was man von drei früheren Versionen (s. o.) aufgrund der vielen Fußnoten nicht unbedingt behaupten konnte. Tolkienkenner werden zudem mit einem erklärenden Apparat aus Vorwörter und Anhängen zufriedengestellt, so dass diese Spezialisten ebenfalls auf ihre Kosten kommen.

Einer der größten Vorzüge dieser Ausgabe liegt sich in den wunderbaren Illustrationen , die Alan Lee, der Art Director bei Peter Jacksons Tolkien-Verfilmung, geschaffen hat. Gedruckt auf Hochglanzpapier, verleihen sie dieser Ausgabe nicht nur hohen optischen Wert, sondern auch die Wertschätzung, die man einem Sammlerstück entgegenbringt. Vielleicht regen diese Bilder eines fernen Tages, wenn auch der „Hobbit“ den Weg auf die Leinwand gefunden hat, einen Regisseur zu einer Verfilmung an. Einen Regisseur allerdings, der nicht vor dem Thema des Inzests zurückschreckt. Den wird man schätzungsweise noch länger suchen müssen.

Die zahlreichen Druckfehler kann man ja vielleicht noch hinnehmen, aber bei den Sachfehlern hört der Spaß endgültig auf. Der Verlag sollte den Text entsprechend überarbeiten, wenn eine weitere Auflage veröffentlicht wird.

Gebunden: 334 Seiten
Originaltitel: The Children of Húrin, 2007
Aus dem Englischen von Hans J. Schütz und Helmut W. Pesch
ISBN-13: 9783608936032

www.hobbitpresse.de

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