Torres Blandina, Alberto – Salvador und der Club der unerhörten Wünsche

_Inhalt_

Seit drei Jahrzehnten schon fegt Salvador den Flughafen. Er kennt sich aus mit den Reisenden, weiß, wer wohin fliegt und was in ihnen vorgeht. Ab und zu unterbricht er gern seine Arbeit, um mit den Menschen zu plaudern. Er tröstet, unterhält, gibt Tipps und Warnungen. Gern spricht er auch mit dem übrigen Flughafenpersonal, speziell mit der hübschen Frau am Kiosk.

Salvador hat für jeden die passende Geschichte auf Lager, und sein Fundus vergrößert sich mit der Zeit: Seine Gesprächspartner revanchieren sich gern. Und so lernt Salvador durch die schönen, traurigen, absurden und melancholischen Geschichten in seinem Mikrokosmos Flughafen die ganze Welt kennen. Er gibt sie weiter an alle, die sie haben wollen. Ob es um die Liebe geht oder um Menschen, die mit der Welt nicht klarkommen, ob es um Grenzgänger geht oder um den ominösen Club der unerhörten Wünsche: Salvadors Gehirn ist ein wohlgeordnetes Regal mit vielen kleinen Bändchen voller Anekdoten, die zum Nachdenken anregen, zum Schmunzeln, zum Seufzen oder zum Schaudern.

Salvador ist der Kitt, der den Flughafen zusammenhält und zu einer Einheit formt, er ist der Zauberer, der den Menschen durch seine Zuwendung ein Lächeln aufs Gesicht malt. Und sie hier und da um eine Zigarette bittet. Obwohl er ja nicht raucht, eigentlich. Nur hin und wieder.

_Kritik_

„Salvador und der Club der unerhörten Wünsche“ ist ein langer Monolog des Kehrers. Was seine Gesprächspartner antworten, geht aus dem hervor, was Salvador sagt. Der Fokus liegt klar auf dem älteren Herrn – und doch erfahren wir nicht nur über ihn, sein Leben und seine verstorbene Frau eine Menge, sondern auch über die Menschen, die auf dem Flughafen sitzen und auf ihre Flüge warten. Und über Salvadors Kollegen, die Tag für Tag mit ihm dafür sorgen, dass der Betrieb reibungslos läuft.

Die Geschichten sind kurz gehalten, in einzelnen Kapitelchen reihen sie sich aneinander, bauen aufeinander auf. Manchmal gibt es Fortsetzungen, die erst nach anderen Anekdoten folgen, so wie auch die Informationen über den Protagonisten nur häppchenweise preisgegeben werden. Das führt dazu, dass man theoretisch viele Einschnitte hätte, an denen man das Buch aus der Hand legen könnte – tut man aber nicht. Viel zu gern möchte man wissen, was weiterhin passiert, wie es zu bestimmten Umständen kommen konnte. Spannung und Leichtigkeit mischen sich in der Anekdotensammlung mit Freude, Trauer, Wehmut, Sehnsucht, Abscheu und Reisefieber zu einem filigranen, vielschichtigen Gewebe, aus dem die Figur des Salvador bescheiden wie facettenreich hervortritt.

Der Stil des Buches ist dem Rahmen angemessen. Er hält sich strikt an das Medium der Erzählung, ohne Capricen und Ausfälle, so dass die Figur des Sprechenden nicht nur glaubwürdig erscheint, sondern fast vor dem Leserauge Gestalt annehmen möchte: Zwinkernd, lächelnd, auf den Besen gestützt.

Es ist schwer zu glauben, dass Alberto Torres Blandina erst 1976 geboren wurde: Seine Geschichten sind von so tiefer Weisheit und trotz den teilweise abstrusen, gemeinen und traurigen Einsprengseln von so umfassender Philanthropie, dass die Erzählergestalt des älteren Herren Salvador viel besser zu ihnen passt als die eines so jungen Mannes.

_Fazit_

„Salvador und der Club der unerhörten Wünsche“ ist ein zauberhaftes Buch. Es ist keine schwere Lektüre und nicht von eherner Wucht, aber sein zarter Abdruck im Gehirn ist deutlich und hält lange vor. Man erinnert sich und lächelt, und man kann nicht anders, als den Kehrer ein bisschen lieb zu gewinnen. Tatsächlich ist das kleine Buch eines der schönsten, die ich seit langem gelesen habe, und ich werde es noch oft zur Hand nehmen: Zum Wiederlesen, zum Verschenken.
Ich kann es nur jedem ans Herz legen, ebenso, wie das weitere Schaffen des jungen Autors mitzuverfolgen: Das vorliegende Buch war sein preisgekrönter Erstling, und in Spanien wurden seine nächsten beiden ebenfalls mit Preisen ausgezeichnet. Es wird sich lohnen, auf die Übersetzungen zu lauern und sofort zuzuschlagen

|Gebundene Ausgabe: 224 Seiten
Originaltitel: Cosas que nunca occurirían en Tokio
Aus dem Spanischen von Petra Zickmann
ISBN-13: 978-3421044488|
[www.randomhouse.de/dva]http://www.randomhouse.de/dva/

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