Trugenberger, Luca – magische Dorn, Der (Die Wege des Drachen 1)

Wenn die Einwohner von Waelton nicht seit langem schon wüssten, dass Kinder mit roten Haaren grundsätzlich ein wenig seltsam sind, dann hätten sie es spätestens im Zusammenhang mit Damlo Rindgren herausgefunden. Damlo scheint sogar noch eine ganze Portion seltsamer zu sein! Denn im Gegensatz zu allen anderen Rothaarigen in Waelton hat er den ersten Krampfanfall, den diese Kinder mit spätestens sieben oder acht Jahren bekommen, überlebt. Inzwischen ist er fast vierzehn, beinahe erwachsen, und treibt seine Tante Neila mit seiner chronischen Unpünktlichkeit und seinen Träumereien schier in die Verzweiflung.

Damlo selbst erhofft sich von seinem vierzehnten Geburtstag, dem Tag, an dem er erwachsen wird, eine radikale Verbesserung seiner Lage. Er glaubt, die Legion – eine Bande gleichaltriger Jungs, die mit ihm zur Schule gehen und ihm ständig auflauern, um ihn zu verprügeln – wird ihn dann endlich als gleichberechtigt anerkennen, ihn sogar in ihre Reihen aufnehmen. Ein fataler Irrtum mit überraschenden Folgen! Denn als Damlo nach einer weiteren der immer wiederkehrenden Verfolgungen die Augen wieder öffnet, liegt er auf dem Karren zweier Fremder mit gefesselten Handgelenken und einem Verband um den Kopf …

Damlo ist der typische Provinzler, der unerwartet und gegen seinen Willen in ein Abenteuer stolpert. Trotzdem ist der Junge ein äußerst sympathischer Zeitgenosse, unter anderem deshalb, weil er offen zugibt, Angst zu haben. Damlo ist ein Feigling, daran führt kein Weg vorbei, und wenn er sich auch noch so sehr dafür schämt. Immer wieder stellt er fest, dass er in Augenblicken der Gefahr kläglich versagt, dass ihm die Knie weich werden, die Stimme streikt und ähnliche Peinlichkeiten. Umso verwunderlicher, dass ihn gelegentlich geradezu der Übermut reitet und er dann die erstaunlichsten Dinge zustande bringt. Schon bald ist dem Leser klar, dass Damlo noch weit seltsamer ist, als die Waeltoner sich träumen ließen. Doch Damlo ist sich seiner Fähigkeiten nicht bewusst. Bisher errang er all seine Siege nur in seiner geradezu überschäumenden Fantasie.

Immerhin zeigt sich, dass Damlo nicht dumm ist. Nachdem er auf seiner unfreiwilligen Reise die Bekanntschaft der Zwerge Clevas und Irgenas gemacht hat, fängt er an, seine Umgebung zu beobachten. Und er lernt schnell.

Clevas und Irgenas macht es offenbar Spaß, dem Jungen die Welt zu erklären. Auch wenn sie eigentlich äußerst ernste Angelegenheiten zu erledigen haben, bleibt ihnen immer Zeit für gutmütige Neckereien und Scherze. Der alte Clevas nutzt jeden noch so kleinen Anlass, um laut lamentierend den Beleidigten zu spielen, und Irgenas macht sich einen Spaß daraus, ihm regelmäßig solche Anlässe zu liefern. Was nicht heißen soll, dass die beiden harmlose Zeitgenossen wären. Immerhin sind sie Zwerge und als solche kampferprobt und zäh. In ihrer Begleitung nimmt Damlo den Kampf gegen Wolfsrudel und Räuberbanden auf, nicht ahnend, dass ihn bald noch weit größere Schwierigkeiten erwarten.

Denn über der Welt hängt ein Schatten, der die Zwerge mit ziemlicher Sorge erfüllt. Sie befürchten, der Fürst der Finsternis könnte einen neuen Ersten Diener gefunden haben und nun versuchen, im ewigen Kampf zwischen Gut und Böse erneut die Oberhand über die Welt zugewinnen. Und je weiter die Reisenden kommen, desto mehr erhärtet sich der Verdacht. Trolle und Orks scheinen unterwegs, geheimnisvolle Fremde mit schwarzen Degen tauchen auf und jemand will sogar einen Drachen gesehen haben, obgleich diese Tiere schon lange ausgestorben sind! Sollte sich der Verdacht der Zwerge bewahrheiten, gibt es nur eine Möglichkeit, das Unheil abzuwenden: Sie müssen den Ersten Diener finden und unschädlich machen!

Die Zutaten zu diesem ersten Band der Damlo-Saga scheinen vorerst alle dem Standard-Repertoire zu entstammen: Zwerge, Elfen, Trolle, Orks und Drachen sind der Fantasy-Leserschaft inzwischen so vertraut, dass diese sich wohl nicht einmal mehr wundern würde, wenn sie einem von ihnen auf der Straße begegnete. Es tauchen aber auch noch andere Wesen auf, die Damlo zunächst nur aus dem Augenwinkel verschwommen wahrnimmt und die er nur als unverständliches Raunen hören kann. Mit der Zeit werden diese Wahrnehmungen immer deutlicher. Man könnte die geheimnisvollen Geschöpfe als Naturgeister bezeichnen.

Trotz der gängigen Zutaten fand ich die Geschichte sehr gelungen. Die Charaktere besitzen trotz der engen Grenzen, die ihnen durch die Zugehörigkeit ihrer Rasse und ihre Rolle innerhalb der Handlung gesetzt sind, jeder ein persönliches Profil. Die Handlung wechselt gekonnt zwischen spannenden Momenten – wie im Kampf mit den Wölfen – und ruhigeren Passagen, die der Entwicklung von Damlos Persönlichkeit oder aber der Entstehung des Puzzles dienen. Denn wie so oft, ist es auch hier so, dass die alten Legenden, von deren Wahrheitsgehalt Damlo so überzeugt ist, von den Zwergen erst einmal ein wenig geradegerückt werden müssen. Der Spannungsbogen ist dadurch zwar nicht ununterbrochen straff gespannt, es wird aber auch niemals langweilig. Der augenzwinkernde Humor, der in den Neckereien der Zwerge, aber auch in der Dummheit der Räuber oder den Listen des Elfen Uwaen durchscheint, lockert das Geschehen auf.

Und in der Fortsetzung des Zyklus dürfte den Leser noch eine Menge Neues erwarten. Die Reisenden haben die Stadt erreicht, ein für Damlo vollkommen fremdes Pflaster. Abgesehen von den Schwierigkeiten, die allein damit einhergehen, tritt nun auch die Politik auf den Plan. Die Magie droht verstärkt eine Rolle zu spielen und das Rätsel um die schwarzen Degen muss gelöst werden. Jetzt fehlt nur noch ein hübsches Mädchen, das den armen Damlo vollends aus dem Konzept bringt!

Kurz und gut: ein liebenswertes und unterhaltsames Buch für Leser zwischen zwölf und neunundneunzig Jahren.

Luca Trugenberger lebt in Italien. Nach seinem Medizinstudium arbeitete er einige Zeit als Schauspieler, um dann doch wieder zur Medizin zurückzukehren. Heute ist er in Rom als Psychotherapeut tätig, doch die künstlerische Ader ist immer noch vorhanden. „Der magische Dorn“ ist sein erster Roman und war sofort erfolgreich. Der zweite Band der Damlo-Saga erscheint im Mai dieses Jahres unter dem Titel „Das Siegel des Schicksals“.

http://www.piper.de

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