Ulrich, Stefan – Quattro Stagioni. Ein Jahr in Rom

Den Traum vom Aussteigen, vom Leben im sonnigen und vielleicht sorgenlosen Ausland hegt wohl jeder einmal. Doch Träume können manchmal auch zu Schäumen werden und sich schlimmstenfalls in Alpträume verwandeln. Leben und Arbeiten in einer kulturellen Metropole wie beispielsweise Rom versprechen viel Sonne, eine hervorragende Gastronomie und nette Menschen. Doch vergessen wir oftmals, dass es auch bürokratische Hürden gibt und dass Nationen in ganz natürlicher Weise eine andere Mentalität haben, die wir erst dann begreifen, wenn wir uns anpassen müssen oder resigniert umkehren und uns geschlagen geben.

Man kann nicht überall und zu allem eine |bella figura| abgeben, jedenfalls könnte es manchmal schwerfallen. Es gibt unzählige Einzelschicksale von Menschen, die um ihren Traum gekämpft und verloren haben, andere hingegen waren entweder intelligenter oder einfach praktischer veranlagt, sie passten sich der Mentalität, der Lebensart, der Sprache an und fanden neue Wurzeln in einem fernen Land.

Rom ist nicht nur die Zentrale des katholischen Glaubens sondern hat natürlich geschichtlich und kulturell mehr aufzubieten als jede andere Hauptstadt Europas. Insbesondere für Menschen, die im Journalismus und Kulturbereich tätig sind, ist diese Stadt wohl die Perle eines jeden Reporters.

Der Autor Stefan Ulrich ist mit seiner Frau und seinen beiden Kindern als Journalist einer großen Münchner Tageszeitung auf Bitten und Drängen nach Rom gezogen. In seinem Roman „Quattro Stagioni. Ein Jahr in Rom“ erzählt er von den ersten Schritten auf römischem Boden und allerhand Schwierigkeiten, aber auch von herzlichen Begegnungen mit Menschen und urkomischen Alltagssituationen.

_Story_

„Habt ihr’s gut“, hört Familie Ulrich von ihren Freunden ständig, als diese erfahren, dass die vierköpfige Familie in die italienische Hauptstadt Rom zieht. Stefan Ulrich wird dort als Korrespondent für seine Münchner Tageszeitung tätig sein. Ein Jugendtraum wird wahr: Dolce Vita in Bella Italia.

Doch schon die Anreise ist per Auto über den Brenner ein kleines Abenteuer für sich, und bereits das angemietete Haus im Zentrum der ewigen Stadt überrascht die freiwilligen Emigranten: ein kleiner Vorgeschmack auf das Leben in Rom. Der Palazzo der Familie Ulrich liegt in Prati, einem Stadtviertel am Tiberufer unweit des Vatikans; ein schmuckes Mehrfamilienhaus, das im römischen Hochsommer von einem Hausmeisterehepaar behütet und gewartet wird.

Zwar werden die Ulrichs herzlich und liebevoll empfangen, doch die geräumige Wohnung kommt den neuen Römern eher vor wie eine altägyptische Grabkammer: Fehlendes warmes Wasser und Strom sind nur die ersten Willkommensgeschenke. Doch auch das wird mit Hilfe des netten Hausmeisters Filippo fürs Erste geregelt. Der Bürokratismus ist in der Stadt, die diese Organisationsform praktischg erfunden hat, vielfältiger als in Deutschland, und so gibt es für die junge Familie noch vieles zu meistern.

Stefan und Antonia Ulrich fühlen sich unter den Römern wie Exoten, und teilweise werden sie auch so behandelt, aber das nur im positiven Sinne. Die Deutschen haben eher eine ruhigere Mentalität gegenüber den impulsiven, aber immer lebensfrohen Italiener. Schnell finden Sie Freunde und Anschluss, und auch die |bambini| haben alles andere als Kommunikationsschwierigkeiten und entwickeln sich prächtig zwischen den Welten. Die Ulrichs überleben einen italienischen Kindergeburtstag, der ein klein wenig ausartet, wobei die italienischen Freunde auf dem Schlachtfeld eher noch begeistert in die Hände klatschen.

Als die junge Tochter Bernadette sich ein Meerschweinchen als Haustier halten möchte, wird der notwendige Besuch bei einem Tierarzt zur einer Expedition ins Tierreich. Es wird nicht nur teuer, sondern die Operation verläuft auch alles andere als erfolgreich, und wenig später gibt es deswegen eben nicht nur ein Meerschweinchen bei den Ulrichs. Also, da hilft nur eines: Der Dottore wird wohl drumherum kommen, Alimente zahlen zu müssen. Schlimm genug, dass dieser promovierte Tierarzt zu allem Überfluss auch noch das Meerschweinchen für eine Ratte hält.

Aber das römische Leben ist auch anderweitig vielseitig. Zum Schlemmen fährt man in die romantische Toskana, und wenn man Skifahren möchte, so fegt man in den Abruzzen über die Pisten. Selbst an den römischen Stadtverkehr gewöhnt man sich schnell, wenn man begreift, dass ein Auto nur das Mittel zum Zweck ist, um möglichst schnell sein Ziel zu erreichen.

Stefan Ulrich erzählt von Ertruskerschätzen und zugleich von archäologischer Grabschändung; er verherrlicht die Metropole Rom und seine Erlebnisse in ihr nicht nur, sondern schildert die Schwierigkeiten, die auftreten, wenn zwei unterschiedliche Mentalitäten wie die deutsche und die italienische auf aufeinandertreffen. Es gibt mit Sicherheit viele Reibungspunkte und Meinungsverschiedenheiten, doch augenzwinkernd verrät der Autor, wie man sich in der Großstadt Rom verhält und lebt und was das Leben in der Traumstadt so einmalig schön macht.

_Kritik_

„Quattro Stagioni. Ein Jahr in Rom“ ist ein autobiografischer Roman. Mit viel tiefgründigem Humor fängt die Erzählung bei der Anreise und den ersten Schwierigkeiten und Anforderungen an. Wer schon einmal längere Zeit im Ausland gelebt und gearbeitet hat, wird sich in manchen Situationen, lustigen wie nervenaufreibenden, wiederfinden. Wenn wir so über die Bürokratie auf deutschen Ämtern nachdenken und schließlich diejenige unserer südeuropäischen Nachbarn kennenlernen, so werden wir herbe Unterschiede erkennen, wie wir sie uns in unseren schlimmsten Träumen nicht vorstellen könnten.

Der Roman bietet witzige und unterhaltsame Lektüre und gibt sogar nützliche Tipps für neurömische Bürger – ein hilfreicher Insiderbericht, der augenzwinkernd warnt und Hilfestellung gibt. Stefan Ulrich übernimmt aber in keinem Kapitel jeweils die Pro- oder Kontraposition. Er überlässt es schlauerweise dem Leser, sich ein Bild vom Leben in Rom zu machen. Von allen Daheimgebliebenen beneidet – sicherlich auch von manchem Leser -, erleben die Ulrichs eine wahre, amüsante, aber auch ernsthafte Odyssee.

_Fazit_

„Quattro Stagioni. Ein Jahr in Rom“ eignet sich hervorragend für den nächsten Sommerurlaub in „Bella Italia“. Es ist ein angenehmer, unterhaltsamer Roman, erzählt in abwechslungsreichen Passagen, und die Protagonisten agieren zweifelsfrei glaubwürdig, doch viel mehr ist das Buch nicht. Oberflächliche Erzählungen in einzelnen Momentaufnahmen werden zwar witzig geschildert, aber so amüsant dieser Roman auch ist, so schnell wird der Leser ihn wieder vergessen haben.

_Der Autor_

Stefan Ulrich wurde 1963 in Starnberg geboren. Im August 2005 zog er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern von München nach Rom um. Von dort berichtet er als Korrespondent der |Süddeutschen Zeitung| über Rom, Italien und den Vatikan.

|297 Seiten|
http://www.ullsteinbuchverlage.de

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