Vaughn, Osanna – Schrei des Falken, Der (Das Erbe der Runen)

_Die Autorin_

Osanna Vaughn wurde auf der Insel Jersey geboren, spricht Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch und lebt seit 19 Jahren mit ihrer Familie in Deutschland.

Die Lyrikerin, Übersetzerin und Texterin arbeitete davor bereits in Spanien, Frankreich, Australien und in den U.S.A. Mit ihrem außergewöhnlichen Sprachtalent und ihrer schriftstellerischen Begabung sammelte sie über viele Jahre Erfahrungen in verschiedensten literarischen Disziplinen: Übersetzungen, eigene Artikel, Poesie, Kurzgeschichten, Drehbücher und Songtexte.

_Neue Abenteuer in bekannten Welten_

Osanna Vaughns neuer Roman spielt in der bereits etablierten Welt Nymath, die Monika Felten schon in den beiden Büchern „Die Nebelsängerin“ und „Die Feuerpriesterin“ im Rahmen der Saga „Das Erbe der Runen“ erschaffen hat. Zu einem wesentlichen Teil dazu kreiert, um der jungen Sängerin Anna Kristina einen Unterbau für ihre Musik zu verschaffen, hat sich die Geschichte fortan weiterentwickelt und liefert nun auch die Basis für eine weitere Erzählung aus der Welt Nymath. Allerdings bezieht sich Osanna Vaughn nur auf das Gerüst, das Monika Felten geschaffen hat; die Handlung an sich indes muss völlig losgelöst betrachtet werden und steht komplett für sich alleine – was allerdings nicht heißt, dass ‚erfahrene Leser‘ keinen Vorteil hätten, schließlich tauchen später Figuren wie die Nebelsängerin auf, die man ja bereits aus den vorherigen Romanen kennt.

_Das neue Abenteuer_

Alduin ist der Sohn einer Amazone und eines Raiden und gilt daher als Halbblut. Der Junge lebt gemeinsam mit seiner Mutter in einer einsamen Hütte mitten im Wald und ist dort auch glücklich – bis er eines Tages das Küken eines Falken entdeckt, das sein Leben schlagartig verändern soll. Schnell entwickelt er eine innere Bindung zu dem Vogel, was darauf schließen lässt, dass sich das Erbe seines Vaters immer stärker durchsetzt. Nachdem dieser Bund immer stärker geworden ist, erfährt Alduin von seiner Mutter dann auch, dass sein Vater über die Fähigkeiten eines Raidens verfügte und nicht nur mit den Falken kommunizieren, sondern auch durch deren Augen sehen konnte. Trotzdem ist die Beziehung zwischen Alduin und dem Falken Rihscha äußerst merkwürdig. Alduin ist eigentlich noch viel zu jung, um seine neu entdeckten Eigenschaften zu besitzen, und das bereitet seiner Mutter zunehmend Sorgen. Trotzdem unterstützt sie ihren Jungen und begleitet ihn ein wenig missmutig in die Stadt Sanforan, in der er eine richtige Ausbildung zum Falkner machen soll. Unterwegs dorthin treffen sie auf einen alten Freund von Alduins Vater: Bardelph.

Zu dritt setzt die Gemeinschaft ihre Reise nach Sanforan fort und kommt nach dem kurzen Verschwinden des Falken endlich in der Stadt an.
Vor Ort fühlt Alduin sich allerdings nicht sonderlich wohl: Skepsis wird dem jungen Falknerschüler entgegengebracht, und auch wenn er große Fortschritte im Umgang mit seinem Tier macht, brandet ihm von überall her Neid wegen seines tollen Falken entgegen. Doch das Halbblut setzt sich durch und gewinnt schließlich doch noch neue Freunde. Als dann alles perfekt zu sein scheint, beginnen nächtliche Visionen den Jungen zu quälen. Immer schlimmer werden seine Albträume und alsbald realisiert er, dass ihm auch die Fähigkeiten seiner Mutter vererbt wurden. Alduin hat das zweite Gesicht, mit dem er sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft sehen kann. Und mit dieser Gabe liegt es nun in seiner Hand, Nymath vor der nächsten großen Bedrohung zu retten …

_Meine Meinung_

Nun, erst einmal muss ich sagen, dass ich ausgesprochen erleichtert bin, denn nach den beiden durchschnittlichen Vorstellungen, die im Rahmen dieser Reihe bislang erschienen sind, ist „Der Schrei des Falken“ ein vorzüglicher Fantasy-Roman, der neben durchgängiger Spannung vor allem mit einer sehr abenteuerlichen Atmosphäre auftrumpft, die man in den Büchern von Monika Felten meist vergeblich suchte. Dazu ist es aber auch wichtig zu wissen, dass Osanna Vaughn hier primär auf ein ganz anderes Lesepublikum abzielt. „Der Schrei des Falken“ ist nämlich schon eher ein Jugendroman, dessen junger Hauptcharakter sehr schnell zu einer Identifikationsfigur für die angesprochene Leserschaft werden soll und es schlussendlich auch wird – was aber natürlich nicht heißen soll, dass das Buch daher für Erwachsene weniger empfehlenswert wäre. Das genaue Gegenteil ist der Fall: Osanna Vaughn bewahrt sich durch ihren jugendlich-frischen Schreibstil eine ganz wichtige Eigenschaft, nämlich die Motivation, seine eigene Vorstellungskraft immer wieder aufs Neue zu bemühen und so auch Aspekte eines modernen Märchens in die Geschichte mit einfließen zu lassen.

Besonders gelungen sind der Autorin dabei die Beschreibungen der Beziehung Alduins zum Falken sowie die Charakterisierung der beiden vererbten Fähigkeiten. Der weise Falkner und der mysteriöse Seher – Alduin verinnerlicht zwei Eigenschaften, die in diesem Roman eine sehr schöne Entwicklung durchleben, bei der man erst gar nicht auf die Idee kommt, sie irgendwie in Frage zu stellen. Und ist dies nicht gerade die besondere Kunst in einem Buch für das etwas jüngere Publikum?

Apropos Jugendroman: Das bekannte Szenario eines ’normalen‘ Fantasyromans, also groß angelegte Schlachten, wirlklich finstere Mächte und üble Beschwörungen, findet man in „Der Schrei des Falken“ nicht. Stattdessen wendet sich das Buch eher an die Träumer unter den Lesern; diejenigen, die einfach ein spannendes Abenteuer erleben wollen und in ihrer Fantasywelt auch nur Elemente dulden, die einem solchen Abenteuersinn zuträglich sind.

Osanna Vaughn hat hier eine nahezu perfekte Balance gefunden; sie nutzt die bereits vorhandenen Eckpunkte der Welt Nymath, indem sie die zauberhaften Eigenschaften hervorhebt, kreiert in den jüngeren Figuren echte Identifikationsfiguren und erzählt so eine Geschichte, die frei von Gewalt, Krieg und Bösartigkeit zu fesseln vermag. Und genau damit gelingt ihr das, was Monika Felten in „Die Feuerpriesterin“ und „Die Nebelsängerin“ nicht erreicht hat, nämlich den Leser zu keiner Sekunde zu langweilen und das Buch nicht zu vorhersehbar zu gestalten.

Wer also von den ersten beiden Teilen von „Das Erbe der Runen“ enttäuscht war, sollte hier trotzdem mal reinschauen, denn in „Der Schrei des Falken“ wird der Ruf der Serie wieder erheblich aufgebessert.

Dem Buch liegt auch wieder eine CD mit drei mystischen Kompositionen bei, die als Soundtrack zur Erzählung fungieren. Wiederum hat Anna Kristine hier den Part der Sängerin übernommen, deren Texte übrigens aus der Feder der Autorin stammen. Ebenso wie beim Buch, dem bald eine zwingend erforderliche Fortsetzung folgen soll, wünscht man sich hier sehr schnell mehr.

Fazit: Ein rundum gelungenes, jugendlich frisches Fantasy-Buch mit tollen Charakteren, einer herrlichen Atmosphäre und einer durch und durch spannenden Handlung.

|Ergänzende Rezensionen:|
[Die Nebelsängerin 635
[Die Feuerpriesterin 2017

http://www.daserbederrunen.de/

Schreibe einen Kommentar