Veloso, Ana – Mädchen am Rio Paraíso, Das

Im Jahr 1826 findet Gaucho Raúl Almeida am Ufer des Rio Paraíso ein junges blondes Mädchen. Er rettet das bewusstlose und verletzte Mädchen, nimmt es mit zu sich nach Hause und lässt es von seiner Sklavin Teresa liebevoll pflegen und versorgen. Als das Mädchen erwacht, kann es sich an nichts erinnern. Die junge Frau weiß nicht, wer sie ist, woher sie kommt und was passiert ist. Zu all dem Unglück versteht sie kein Wort von dem, was die Menschen um sie herum sagen. Erst nach und nach kehren Erinnerungsfetzen zurück, das Mädchen kann sich an seinen eigenen Namen erinnern – Klara. Doch bis zuletzt erinnert sie sich nicht daran, was am Tage ihres Unfalls passiert ist.

Raúl Almeida und Teresa denken derweil, dass das Mädchen schwachsinnig ist, weil es zunächst gar nicht spricht und danach nur wirres Zeug von sich gibt. Sie ahnen noch nicht, dass es sich bei dem Mädchen um eine deutsche Auswanderin aus dem Hunsrück handelt, die einst mit ihrem Mann Hannes nach Südbrasilien ausgewandert ist, um dort ihr Glück zu suchen. Die beiden richten sich ein kleines und bescheidenes Häuschen ein und bekommen zu ihrem großen Glück eine kleine Tochter. Doch dann geschieht etwas, das das Leben der beiden auf den Kopf stellt und alles verändert.

Während Klaras Erinnerungen langsam zurückkehren, notiert sie sich fleißig alle Worte, die Teresa oder Raúl aussprechen, sie lernt immer besser portugiesisch und kann sich schon bald notdürftig verständigen. Dass sie sich nach und nach an ihre Vergangenheit erinnert, verschweigt sie den beiden aber zunächst. Raúl fühlt sich immer mehr zu dem geheimnisvollen und exotischen Mädchen hingezogen. Als er aber auf eigene Faust Nachforschungen anstellt, erfährt er, dass Klaras Mann ermordet wurde und Klara seitdem als vermisst gilt. Handelt es sich bei Klara womöglich um eine Mörderin?

_Erinnerungsfetzen_

Das Buch beginnt damit, dass Klara aus ihrer Ohnmacht erwacht und sich an wirklich nichts erinnert. Sie kommt bei fremden Menschen zu sich und kann sich nicht einmal ihres Namen entsinnen. Im steten Wechsel lernen wir Klara in der Gegenwart bzw. in ihrer Vergangenheit genauer kennen. So springen wir im zweiten Kapitel in die Vergangenheit und erfahren mehr über ihre Kindheit in Deutschland, über ihre Familie und die Streitereien mit ihrem älteren Bruder. Ganz langsam setzt sich ein Bild von Klara Wagner zusammen, die Raúl Almeida 1826 am Rio Paraíso rettet. Doch springt Ana Veloso zunächst so weit in die Vergangenheit, dass wir uns lange gedulden müssen, um zu erfahren, wie Klara überhaupt nach Brasilien gelangt ist, wie sie dort gelebt hat und wie es ihr in Brasilien ergangen ist.

Das stete Wechselspiel aus Kapiteln, die in der Gegenwart bzw. in der Vergangenheit geschrieben sind, treibt immer mehr die Spannung in die Höhe. Zunächst gilt es zu durchschauen, um wen es sich bei dem unbekannten blonden Mädchen handelt, und später brennt es einem unter den Fingern zu erfahren, was zwischen Hannes und Klara vorgefallen ist und wie es zu dem Unfall kommen konnte, bei dem Klara am Rio Paraíso ihr Bewusstsein verlor. Und natürlich beginnt es zwischen Raúl und Klara immer mehr zu knistern, nur leider erfährt der gut aussehende Gaucho dann, dass Klaras Mann ermordet wurde und plagt sich fortan mit Zweifeln, ob er nicht doch einer gelungenen Täuschung aufgesessen ist und es sich bei Klara um eine Mörderin handelt. Die Spannung steigt immer mehr, vor allem die Geschichte in Klaras Vergangenheit nimmt Fahrt auf, nachdem ein Ereignis ihres und Hannes‘ Leben auf den Kopf stellt und plötzlich nichts mehr ist wie zuvor.

Bei allen Geheimnissen, die sich um Klara ranken und die die Spannung voran treiben, gibt es doch eines, das man nie in Frage stellt, und zwar das erwartete Happyend zwischen Raúl und Klara. Auch wenn es lange dauert, bis die beiden Gefühle für einander entwickeln, und noch viel länger, bis sie diesen nachgeben, so steht doch von der ersten Buchseite an fest, dass die beiden ein Paar werden – das sollte man sich gleich klar machen.

_Eine Deutsche in Brasilien_

Ana Veloso erzählt die packende Geschichte eines deutschen Auswandererpaares, das in Brasilien sein Glück sucht. Doch während die Schilderungen der Werber in Deutschland noch so farbenfroh und erfolgversprechend klangen, merken Klara und Hannes in Brasilien schnell, wie hart die Wirklichkeit ist. Sie leben in einfachsten Verhältnissen und arbeiten von früh bis spät – selbst als Klara hochschwanger mit ihrer gemeinsamen Tochter ist. Nichts ist so, wie sie sich das vorgestellt hatten, sodass Klara doch mitunter von Heimweh befallen wird. Diese Geschichte fand ich unglaublich interessant, zumal in diesem Handlungsstrang eben nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen ist.

Charakterlich überzeugt vor allem Klara, die uns in Deutschland zunächst wie ein ziemlich verwöhntes Gör erscheint. Allerdings wächst sie mit einem Haufen älterer Geschwister auf und muss lernen, sich gegen sie durchzusetzen, und auch die Zeiten in Deutschland sind nicht immer einfach. Als sie von Hannes‘ Plänen auszuwandern erfährt, wirkt es, als würde sie beschließen, sich in ihn zu verlieben, um mit ihm aus Deutschland herauszukommen. An Format gewinnt sie in Brasilien, wo sie harte Arbeit, ein Baby und einen schwierigen Ehemann gleichzeitig meistert und dennoch nicht verzweifelt.

Raúl Almeida ist ihr faszinierender Gegenpart. Zunächst ist Raúl ihr schrecklich unsympathisch, da er immer eine finstere Miene zieht, doch je länger Klara bei ihm im Hause wohnt, umso mehr entdeckt sie seine liebenswerten und interessanten Seiten. Seine Gefühle ihr gegenüber kamen für mich etwas unvermittelt. Hat er erst noch mit einer Brasilianerin herum geschäkert, so braucht es nur einen Blick auf Klara in einem schöneren Kleid, um ihn davon zu überzeugen, dass Klara eine attraktive Frau ist. Dieser Wandel kam leider etwas plötzlich.

_Exotisch mit Happyend_

Das vorliegende Buch erzählt eine sehr reizvolle und interessante Geschichte, die insbesondere durch den Wechsel zwischen den Zeitebenen an Spannung gewinnt. Ana Veloso schildert Klaras Geschichte detailreich und in farbenfrohen Worten; so entführt sie uns beim Lesen ins exotische Brasilien. Leider ist das Happyend bereits absehbar und auch die Charakterentwicklung nicht immer nachvollziehbar, sodass das Buch nicht an den [„Duft der Kaffeeblüte“ 3872 heranreicht. Aber immerhin: Gute Unterhaltung bekommt man dennoch geboten.

|543 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-426-66340-0|
http://www.knaur.de

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