Wachlin, Oliver G. (Roman); Pflüger, Andreas (Drehbuch) – TATORT: Blinder Glaube

Den TATORT kennt heute selbst jedes Kind. Kaum ein Format kann auf eine längere und erfolgreichere Geschichte im deutschen Fernsehen zurückblicken als die legendäre Krimiserie der ARD. Nun zündete man eine weitere Stufe der Vermarktung. Die beliebtesten Kommissare bzw. Ermittlungsteams gehen nun auch in Buchform auf Verbrecherjagd. Als Vorlage dienen bereits im TV ausgestrahlte Fälle. Derzeit sind es deren Sechs, mit den Mordkommissionen aus Köln, Saarbrücken, Berlin, Bremen, Leipzig und München. Die jeweils 160 bzw 176 Seiten starken Bücher erscheinen seit Ende September 2009 als Broschur bei |Emons| und kosten 8,95 Euro pro Band. Wegen des großen Erfolges ist bereits eine zweite Tranche für Anfang 2010 angekündigt.

_Zur Story_

Ein etwas peinlicher „Arbeitsunfall“ führt die Hauptkommissare Felix Stark und Till Ritter in die Berliner Uni-Augenklinik. Dort treffen sie flüchtig auf eine blinde Patientin, die ebenso wie die Klinik selbst bald Teil ihrer Ermittlungsarbeit werden soll. Die Frau bekommt an diesem Tag, quasi als freiwilliges Versuchskaninchen, einen neuartigen Chip implantiert, der ihr das Sehen wieder ermöglichen soll. Das hoffen alle am prestigeschwangeren „Phydra“-Forschungsprojekt Involvierten jedenfalls. Es wäre eine medizinische Sensation und selbstverständlich ein lukratives Geschäft gleichermaßen. Allerdings erscheint die Chefärztin Dr. Katja Manteuffel nicht zum OP-Termin, weswegen ihre Assistenzärztin Dr. Andresen den anspruchsvollen Eingriff letztendlich vornimmt.

Katja Manteuffel wird zwei Tage später von einigen Jugendlichen tot im Kofferraum ihres Wagens entdeckt. Erschlagen. Bei ihren Nachforschungen treffen Stark und Ritter auf ein wahres Dickicht von Verwandtschaftsverhältnissen, Affären und teils alten Seilschaften zwischen den Doktoren, Firmenrepräsentanten der Cordea AG und dem Forschungsministerium. Diese ganzen Querverbindungen machen es den beiden nicht leichter, überhaupt das Motiv zu finden. Beziehungstat, gekränkte Eitelkeit und Rache – oder wusste Frau Doktor einfach zu viel? Wenn ja: Was? Alles scheint möglich. Zudem mauern alle Beteiligten und machen sich dadurch natürlich erst recht verdächtig. Der Schlüssel zum Rätsel scheint aber der revolutionäre Chip-Prototyp zu sein.

_Eindrücke_

Die vom RBB produzierte TV-Fassung wurde im August 2008 erstmals ausgestrahlt und erweist sich damit als ein recht aktueller Fall mit ebensolcher Thematik. Passend dazu präsentiert sich der moderne Schreibstil, mit welchem Oliver G. Wachlin das Originaldrehbuch von Andreas Pflüger in die Romanform transformiert. Das ist für sich genommen schon keine leichte Aufgabe, da immer die Gefahr besteht, mit den auf dem Bildschirm bereits fest etablierten Filmcharakteren zu kollidieren. Das Ermittlergespann funktioniert in dieser Form immerhin schon seit 2001. Und das sehr erfolgreich. Ein „Aufbohren“ von Drehbüchern ist also eine diffizile Angelegenheit.

Ein Roman erfordert andere Erzählstrukturen und Mittel als die Schauspielerei – und umgekehrt. Die Umsetzung funktioniert hier nicht immer ganz reibungslos. Zwar harmonieren die Figuren recht gut mit ihren Fernsehvorbildern, es herrscht aber ein leichtes Ungleichgewicht zu Gunsten des ewig blanken Möchtegern-Playboys Till Ritter. Dessen Figurenzeichnung fällt wesentlich detaillierter aus als bei seinem stilleren Partner. Der interessantere Typ ist in der Fernsehserie aber eigentlich der ausgeglichene Felix Stark, was er (bzw. Boris Aljinovic) zu einem Gutteil allein mit Gestik und Mimik erzeugt. Das ist etwas, was – im Gegensatz zu Ritters (Dominic Raacke) doch plakativerem Gehabe – im Roman nur sehr schwer abzubilden ist.

Die Story an sich krankt ein wenig am fehlenden Actionanteil und verliert sich aber zuweilen in prinzipiell unnötigen Berliner (Rand-)Geschichtchen. Vielleicht ist es auch nicht unbedingt der am besten geeignete Fall, das ansonsten dynamischere Hauptstadtduo in die Literatur zu entlassen. Eigentlich ist es sogar ein Trio, denn der Oberkommissar Weber (in der Serie: Ernst Georg Schwill) darf logischerweise nicht fehlen. Der kauzige Kriminaltechniker mit der Schiebermütze berlinert sich auch hier bissig-respektlos durch die Ermittlungen und sorgt somit für die nötige Portion Lokalkolorit mit einer Prise Humor. Der kommt im Übrigen auch so nicht zu kurz. Die Schreibe ist insgesamt locker und überaus angenehm zu lesen.

_Fazit_

Steigerungsfähig. Handwerklich ist dem Buch nichts anzulasten, im Gegenteil, es wertet die Vorlage sogar noch auf. Über mehr als solides Mittelmaß kommt „Blinder Glaube“ trotz der durchaus redlichen Bemühungen bei der Umsetzung zum Roman aber nicht hinaus. Er bleibt leichte und schnell verdauliche Krimikost für mal eben zwischendurch, welche natürlich in erster Linie Tatort-Junkies anspricht, grundsätzlich jedoch nicht allein auf diesen Kreis beschränkt ist. Die haben allerdings den tröstlichen Vorteil zu wissen, dass es weitaus bessere Fälle des Berliner Teams gibt, die noch der potentiellen Transformation harren. Der Anfang ist aber gemacht.

_Die Buchdaten auf einen Blick:_

Oliver G. Wachlin: „Blinder Glaube“
Begleitbuch zur gleichnamigen ARD-Serie „Tatort-Berlin“
Nach einem Drehbuch von Andreas Pflüger
[Emons-Verlag]http://www.emons-verlag.de/ , September 2009
ISBN-10: 3897056607
ISBN-13: 978-3-89705-660-2
160 Seiten, Broschur

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