_Der Autor_
Jan Costin Wagner wurde 1972 in Langen bei Frankfurt geboren. Er studierte Germanistik und Geschichte in Frankfurt. Für sein Debüt „Nachtfahrt“ erhielt Jan Costin Wagner den Marlowe-Preis 2002 für den besten Krimi. Sein zweiter Roman „Eismond“ brachte den internationalen Durchbruch. 2004 wurde er mit dem Förderpreis des Kulturkreises der deutschen Wirtschaft ausgezeichnet.
_Die Geschichte_
Das Leben des Protagonisten, der die Erzählung hier hier aus der Ich-Perspektive wiedergibt, ändert sich über Nacht komplett. Er verliert alles: sein Haus, seine Familie, seine Firma – und sein Augenlicht. Doch am Tag des größten Unglücks trifft er im Krankenhaus seine Jugendliebe Mara wieder und beginnt mit ihr auf einer traumhaften Insel ein neues Leben. In einem roten Holzhaus, umgeben von Wasser und Himmel, startet er in der idyllischen Umgebung ein neues Leben, wird aber nach und nach vom Schatten seiner Vergangenheit eingeholt – und das von dem Moment an, an dem ein Mann auf mysteriöse Art und Weise bei einem Feurwerk von den Klippen gestoßen wurde.
In immer kürzeren Abständen bedrohen ihn die Bilder aus seinem alten Leben, jedoch gelingt es ihm nicht, die Momentaufnahmen und Erinnerungen zu einem Puzzle zusammenzubringen. Damit verbunden sind ebenfalls Ängste. Vor dem Scheitern; davor, dass Mara ihn verlässt, und vor dem seltsamen Kommissar vom Festland, der ihm nicht sagen will, wie sein Kinderbild in die Brieftasche des Mordopfers gelangt ist. Das Resultat der Verwirrung: Eine Tour de Force der Seele, an welcher der Protagonist zu zerbechen droht …
_Der Eindruck_
Gerade einmal 180 Seiten hat der Autor benötigt, um ein sehr beklemmendes Spannungsbild aufzubauen, das sich am Ende radikal auflöst und die ganze Handlung auf den Kopf stellt. Was uns in dieser Seitenspanne begegnet, fasziniert von Anfang bis Ende, und dafür ist einzig und allein der ungewöhnliche Erzählstil von Wagner verantwortlich. In stetig wiederkehrenden Rückblicken verarbeitet der Hauptdarsteller seine Vergangenheit, ist aber anfangs nicht in der Lage, sich einen genauen Überblick über sein ‚altes‘ Leben zu verschaffen. Doch die Anzahl der Erinnerungen steigt von Stunde zu Stunde, nur wollen sich keine Zusammenhänge erschließen lassen. Wagner wechselt so ständig zwischen der Gedankenwelt des Protagonisten und der Realität auf der paradiesischen Insel und treibt solcherart auch mit den Lesern ein Spielchen, das zunächst noch für Verwirrung sorgt, aber stetig an Farbe hinzugewinnt und auf ein merkwürdiges Ende hinzusteuert. Stellenweise fühlt man sich dabei tatsächlich wie der zerstreute und gebeutelte Mann. Unsicherheit macht sich breit, und im Hinblick auf den Leser überträgt sich diese insofern, als dass man nach einiger Zeit Realität und Fiktion nur noch schwerlich auseinanderhalten kann.
Bei der Charakterisierung des seltsamen Mannes hat Wagner einen Volltreffer gelandet. Zerbrechlich, ängstlich und schließlich in einer surrealen Welt gefangen, fällt es ihm immer schwerer, die Ereignisse in seiner Umwelt passend einzuordnen. Der Aspekt der Kriminalgeschichte geht dabei bewusst oft verloren, macht „Schattentag“ aber letztendlich auch erst zu dem Ereignis, das der Roman nun mal ist. Ein Krimi, bei dem sich die Frage nach dem Grund für das Schicksal des Mannes erst einmal klären muss, bevor die Rahmenhandlung sich entwickeln kann. Doch erstaunlicherweise gelingt es Wagner sehr fließend, die beiden Plots nebeneinander laufen zu lassen, ohne dass man den Anschluss verliert. Und beide parallel erzählte Stränge haben es in sich und sorgen in der poetischen Variante, die Wagner für diesen Roman gewählt hat, des Öfteren für Gänsehaut.
In seinem Genre ist „Schattentag“ wahrhaftig einzigartig und daher auch dringend empfehlenswert. So tief wie dieser Autor sind nur wenige Schriftsteller je in das Seelenleben eines Menschen eingedrungen, und Wagner hat dies hier mit einer Überzeugungskraft gemeistert, vor der man nur den Hut ziehen kann. Ich wittere bereits die nächste Auszeichnung für diesen aufstrebenden Autor …
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