Wallace, Martin – Tempus

_Spielidee_

In „Tempus“ wird die Geschichte der Menschheit anhand wichtiger Errungenschaften im Laufe verschiedener Epochen spielerisch nachempfunden. Während die Menschen zu Beginn noch in primitiven Hütten quer über die ganze Welt verstreut leben und nur durch die Befriedigung ihrer Triebe überleben können, machen sie Schritt für Schritt Fortschritte und Entwicklungen, lernen so zum Beispiel die Schrift kennen, bauen irgendwann die ersten Städte, betreiben Handel und kommen über Seefahrt und Industrie schließlich zur Luftfahrt, dem modernsten und letzten Entwicklungsschritt in ihrer epochalen Fortbildung.

Während alle Menschen diese Entwicklungen durchleben, gilt es für die Spieler, sich auf der ganzen Welt zu verteilen, Städte zu bauen und die Gegner durch Kampf zu dezimieren bzw. ihren Anteil am Fortschritt zu verringern. Dies ist jedoch gar nicht mal so leicht, denn keine Zivilisation gerät dabei weit in Rückstand, weil jeder Fortschritt auch schnell auf den Rest der Menschheit übergreift.

_Spielmaterial_

• 1 Spielbrett
• 12 Spielplanteile mit je 7 Landfeldern
• 5 Sätze mit je 8 Stadtplättchen
• 5 Sätze mit je 16 Bevölkerungssteinen
• 5 Sätze mit je 6 Aktionsmarkern
• 5 Epochenwürfel, pro Spieler jeweils einer
• 54 Fortschrittskarten
• 5 Spielhilfen
• 1 Startspielermarker

Der Blick aufs Spielmaterial erbringt normalerweise auch den ersten Eindruck eines Spiels, und der war im Falle von „Tempus“ zunächst gar nicht gut. In vielerlei Hinsicht wird hier der Eindruck erweckt, dass man sich bei Gestaltung und Zusammenstellung der Spielmittel nicht sonderlich viele Gedanken gemacht hat. So zum Beispiel sind die Aktions- und Städtekarten der Farben lila, blau und schwarz gar nicht mal so leicht voneinander zu unterscheiden, was besonders zu einem späteren Zeitpunkt zu Unübersichtlichkeiten auf dem Spielplan führen kann und wird. Hinzu kommt, dass man das Material anscheinend nicht mehr auf eventuelle Schönheitsfehler geprüft hat. Ich finde es jedenfalls recht peinlich, dass sich gleich mehrere Rechtschreibfehler ins Kartenmaterial eingeschlichen haben. Auch auf den Spielhilfen sind derartige Fehler zu entdecken. Auf eben jenen taucht zuletzt dann noch ein Feld auf (nämlich „Reichweite“), welches weder erklärt wird, noch dem Spiel einen Sinn geben würde. Man könnte dort einen Aktionsmarker ablegen, aber wozu? Hier scheint auch irgendetwas schiefgelaufen zu sein. Alles in allem also schon recht merkwürdig, mit wie wenig Liebe zum Detail hier gearbeitet wurde!

_Spielziel_

Bei „Tempus“ geht es letztendlich darum, so viele Siegpunkte wie eben möglich zu erzielen. Diese werden jedoch erst zum Ende des Spiels verteilt, so dass man langfristig denken und auch einmal einige zwischenzeitliche Rückschläge in Kauf nehmen muss, um am Ende siegreich zu sein.

Siegpunkte gibt es zum Schluss für jede Landschaft, auf die man einen Bevölkerungsstein gesetzt hat (1 Siegpunkt), für jede Stadt (Siegpunkte entsprechend der Ziffer, die auf der Stadt abgebildet ist) und dafür, dass man in der letzten Runde über die Phase ‚Fortschritt‘ die Entwicklung ‚Luftfahrt‘ erreicht hat (3 Siegpunkte). Wer am Ende die größte Summe an Siegpunkten hat, gewinnt das Spiel.

_Vor dem Spiel – Die Epochentafel_

Der Spielplan von „Tempus“ ist entgegen manch anderem Spielmaterial recht übersichtlich gestaltet und enthält grundlegend alle wichtigen Informationen, die man für seinen jeweils aktuellen Spielzug benötigt. Neben dem eigentlichen Spielfeld, der Landschaft, ist nämlich die Epochentafel abgebildet, die einerseits anzeigt, in welcher Epoche man sich gerade befindet, und andererseits, welche Möglichkeiten dem Spieler in eben dieser Epoche zur Verfügung stehen. Für jede Epoche ist somit abgebildet, wie viele Bevölkerungssteine ein Spieler pro Aktion setzen darf, wie weit er sie bewegen kann, wie viel Nachwuchs (also neue Bevölkerungssteine) er auf eine von ihm besetzte Graslandschaft bewegen kann, wie viele Bevölkerungssteine auf einem Landschaftsfeld erlaubt sind und zudem die Anzahl der Aktionen und Fortschrittskarten, die man durchführen bzw. ziehen kann. Als Letztes ist noch erwähnt, ob man die Seefahrt nutzen darf oder nicht.

_Spielvorbereitungen_

Vor jedem Spiel bekommt jeder Spieler die Städte- und Bevölkerungssteinsätze in seiner Farbe ausgehändigt sowie den Epochenstein, den er links der Epochentafel auf das vorgegebene Feld setzt. Außerdem erhält jeder noch die dazu passenden Aktionsmarker und jeweils eine Spielhilfe.

Abhängig von der Spielerzahl werden nun Spielplanteile aussortiert. Bei drei Spielern sind dies acht, bei vier Spielern zehn und bei fünf Spielern zwölf Spielplananteile. Beginnend mit dem Startspieler (das ist derjenige, der als Letzter einen großen Fortschritt erzielt hat), zieht nun jeder Spieler vom verdeckten Stapel der Landfelder reihum genau einen und legt ihn auf die Landschaft des Spielbretts. Nachdem das erste Landfeld gelegt wurde, muss beachtet werden, dass jedes weitere zumindest mit einer Ecke an ein anderes angrenzt. Sobald dies erledigt ist, muss noch jeder Spieler drei Bevölkerungssteine auf Teile der so entstandenen Landschaft setzen, allerdings müssen diese Steine auf angrenzenden Feldern stehen und eine Einheit bilden. Nun kann das eigentliche Spiel beginnen.

_Der erste Zug_

In der ersten Runde stehen jedem Spieler genau drei Aktionen zur Verfügung. Als Erstes nimmt sich nun der Startspieler den Aktionsmarker mit der Nr. 1 und setzt ihn auf seiner Spielhilfe auf eines der Aktionsfelder. Ihm stehen dabei die Optionen ‚Bewegung‘, ‚Nachwuchs‘, ‚Kampf‘, ‚Fortschritt ziehen‘ und ‚Städtebau‘ zur Verfügung, deren einzelne Bewandtnisse hier kurz erläutert werden sollen:

|1.) Bewegung|

Es gibt drei verschiedene Formen der Bewegung, nämlich die über Land, Binnensee und Meer. Die Landbewegung ist dabei die am häufigsten vorkommende. Je nach Epoche ist auf der Epochentafel erwähnt, wie viele Bevölkerungssteine man nun abhängig von der dort ebenfalls abgebildeten Reichweite ziehen darf. In der ersten Runde darf man einen Stein um genau ein Feld weit ziehen. Hierbei ist zu beachten, dass der Bewegungszug immer auf einem leer stehenden Feld enden muss. Man darf weder in einer Stadt noch auf dem Feld eines Gegners landen.

Die Überquerung eines Binnensees verläuft ähnlich. Binnenseen entstehen zu Beginn beim Auslegen der Landfelder und sind diejenigen Wasserfelder, die komplett von Land um schlossen sind. Einen Binnensee kann man nur dann überqueren, wenn man direkt an dessen Ufer steht. Unabhängig von seiner Größe kostet die Durchfahrt jeweils die komplette Zahl der Bewegungspunkte.

Auf offener See kann man seine Zivilisation erst dann bewegen, wenn die Epoche ‚Seefahrt‘ durchlaufen wurde. Man darf dabei an jedes Feld reisen, das an der offenen Küste dieses Meers liegt. Der Ablauf ist derselbe wie bei der Fahrt über einen Binnensee.

Die Bewegung kann übrigens auch noch verstärkt bzw. ergänzt werden. Wer nämlich die Fortschrittskarte ‚Transport‘ einsetzt, kann eventuell noch größere Bewegungen vornehmen.

|2.) Nachwuchs|

Damit man die eigene Bevölkerung vermehren kann, steht die Option ‚Nachwuchs‘ zur Auswahl. Je nachdem, was die Epochentafel anzeigt, kann man auf jeder eigenen Graslandschaft einen oder zwei neue Bevölkerungssteine als Nachwuchs bekommen, wobei zu beachten ist, wie viele Steine man pro Landschaftsfeld einsetzen darf. Wird das Limit überschritten (zu Beginn sind dies genau zwei Steine pro Feld), ist dieser Zug nicht möglich.

Weiterhin gilt, dass man pro Graslandschaft immer nur einen neuen Bewegungsstein einsetzen darf, auch wenn die Nachwuchsanzeige zwei Steine ermöglicht.
Ist der Vorrat der Bevölkerungssteine aufgebraucht, ist dieser Schritt nicht mehr möglich. Durch den Bau einer Stadt erhält man allerdings wieder Bevölkerungssteine zurück in den Vorrat.

|3.) Kampf|

In der Kampfphase kann der Spieler einen seiner Konkurrenten auf einem benachbarten Feld angreifen. Die Regeln hierfür sind ein wenig komplexer, denn es stehen sowohl beim Angriff als auch bei der Verteidigung eine ganze Reihe verschiedener Strategien zur Auswahl, die selbst eine unterlegen wirkende Zivilisation zum Sieg führen können.

Vor jedem Kampf wird die Kampfstärke ermittelt. Diese setzt sich zusammen aus der Anzahl der jeweiligen Bevölkerungssteine, den eingesetzten Angriffs- und Verteidigungskarten und eventuell eingesetzten Landschaftskarten. Letztere ergeben sich aus den Hintergründen der verschiedenen Fortschrittskarten, auf der alle möglichen Landschaften des Spielplans abgebildet sein können. Ausgehend vom Landschaftstyp des Verteidigers zählt nun jeder damit übereinstimmende Hintergrund einer Fortschrittskarte einen weiteren Punkt.

Der Kampf läuft danach so ab, dass der Angreifer sein Angriffsziel benennt und verdeckt Fortschrittskarten zur Erhöhung der Kampfkraft ablegt. Nun reagiert der Verteidiger, indem er seine Fortschrittskarten, sofern er welche einsetzt, offen ablegt und sie mit den anschließend aufgedeckten Karten des Verteidigers vergleicht. Die höhere Kampfkraft siegt, bei Gleichstand geht der Kampf zugunsten des Verteidigers aus. Im Falle eines Sieges des Angreifers wird die angegriffene Landschaft eingenommen und die darauf befindlichen Bevölkerungssteine werden vom Plan genommen. Im gegensätzlichen Fall verliert der Angreifer lediglich einen Bevölkerungsstein.

Es ist auch möglich, Städte anzugreifen. Beim Bau einer Stadt muss jeder Spieler die Landschaft nennen, mit der er diese Stadt im Fall eines Kampfes verteidigen will. Nun zählt für den Verteidiger die Stärke der Stadt plus die Fortschrittskarten der benannten Landschaft. Für den Angreifer bleibt alles wie gehabt.

|4.) Fortschrittskarten|

In der ersten Spielrunde darf ein Spieler pro Aktion ‚Fortschritt‘ eine Karte ziehen. Diese Zahl steigt bereits in der nächsten Epoche, allerdings ist auch pro Epoche ein bestimmtes Handkartenlimit vorgegeben, so dass man diese Karten auch wieder zügig ausspielen sollte.

Das Ausspielen einer Fortschrittskarte ist im Übrigen keine Aktion; dies kann im eigenen Zug auch zwischendurch geschehen.

Jede Karte hat gleich mehrere Bedeutungen. Ausschlaggebend ist zunächst einmal der Text. Dieser stellt heraus, ob die Karte eine Sonderfunktion hat oder lediglich auf eine Kampfsituation ausgerichtet ist, wie zum Beispiel bei Waffen- und Befestigungskarten. Für genau diese Situation sind schließlich auch die Hintergrundbilder (zusammengesetzt aus den im Spiel vorkommenden Landschaften) interessant und können wie eben beschrieben im Kampf eingesetzt werden

|5.) Städtebau|

In der Aktion Städtebau kann man eine seiner acht Städte auf den Spielplan setzen. Diese Städte haben eine unterschiedliche Wertigkeit zwischen zwei und vier. Entsprechend diesem Wert müssen Bevölkerungssteine auf einem Landschaftsfeld stehen, um sie mit einer Stadt zu ersetzen. Hat man zum Beispiel auf einer Landschaft drei Bevölkerungssteine platziert, kann man nun ein Dreier-Städteplättchen nehmen und es in dieser Aktion dort absetzen. Die Bevölkerungssteine gehen dann zurück in den eigenen Vorrat.

Der Vorteil einer Stadt ist, dass sie am Ende des Spiels auf einem einzigen Feld mehrere Siegpunkte erzielt. Gleichermaßen zählt sie in der anschließenden Fortschrittsphase ebenfalls genau einen Punkt.

Nachdem reihum alle möglichen Aktionen gespielt wurden, kommt es zur Fortschrittsphase. Auf der Epochentafel ist jede einzelne Epoche mit einem speziellen Landschaftsfeld versehen. Um einen Fortschritt zu erzielen, ist es nun nötig, möglichst viele Bevölkerungssteine auf diesem Landschaftstyp platziert zu haben, denn jeder Stein, der auf einem solchen Feld steht, zählt nun einen Punkt. Gleiches gilt für jede Stadt. Am Ende werden nun diese Punkte addiert. Diejenigen Spieler, die hier am besten abschneiden, rücken in die nächste Epoche vor. Für die anderen heißt dies jedoch nicht, dass sie in der jetzigen Epoche stecken bleiben. In der nächsten Spielrunde rücken sie nämlich vor dem Ausspielen des Fortschritts wieder nach und spielen schon um die nächste Epoche mit. Allerdings können sie bis dahin die neuen Vorteile nicht nutzen.

_Spielende_

Nachdem die Spieler die verschiedenen Epochen durchlaufen und sich auf der Landschaft verbreitet haben, gelangen sie irgendwann in die Epoche ‚Luftfahrt‘. Sobald einer oder mehrere Spieler dies geschafft haben, ist das Spiel zu Ende. Nun wird gewertet. Jede Stadt zählt den entsprechenden Wert, jedes besetzte Landschaftsfeld gibt einen weiteren Siegpunkt (unabhängig davon, wie viele Bevölkerungssteine sich darauf befinden), außer es handelt sich dabei um ein Gebirge, und all diejenigen, die es bis zur ‚Luftfahrt‘ geschafft haben, bekommen noch einmal einen Bonus von drei Punkten. Der Spieler mit den meisten Siegpunkten sichert sich den Sieg. Bei Gleichstand wird erst die Menge der Fortschrittskarten auf der Hand, dann die der Städte verglichen. Fällt auch hier keine Entscheidung, teilen sich zwei Spieler den Sieg.

_Meine Meinung_

Nach dem erschreckend schwachen Eindruck des lieblos bearbeiteten Spielmaterials – wobei die tolle Grafik hier außen vor bleibt und sehr gefällig ist – bin ich letztendlich doch noch sehr überrascht vom gehörigen Potenzial, welches dieses Spiel bietet. Das Motto ‚Seid fruchtbar und mehret euch‘ ist in „Tempus“ nämlich gar nicht so leicht umzusetzen, zumal die Eroberung anderer Felder nicht zur Willkür wird und immer eine Aktion voraussetzt. Es ist also nicht möglich, seine Überlegenheit zu zeigen, indem man bestialisch über das Spielfeld wildert und alles zunichte macht, weil einem hierzu die Aktionsmöglichkeiten fehlen.

Spielautor Martin Wallace war beim Erstellen des Spielkonzepts merklich darum bemüht, bis zum Spielende eine permanente Chancengleichheit herzustellen, so dass am Ende derjenige gewinnen wird, der über mehrere Spielzüge gedacht und sich dadurch die beste Strategie ausgedacht hat. Klar verschafft es einem einen Vorteil, wenn man Schritt für Schritt bei der Verteilung des Fortschritts siegreich ist, doch ist all dies noch kein Garant für den Gesamtsieg. Und das finde ich persönlich sehr gut.

Das Einzige, woran es dem Spiel manchmal mangelt, ist die Übersichtlichkeit. Wenn zum Beispiel eine Stadt angegriffen wird, muss man sich wieder zurückerinnern, mit welcher Landschaft die Stadt verteidigt wird. Gerade wenn man schon viele Städte gebaut hat, kann dies manchmal schwierig sein, weil es nirgendwo angezeigt wird und man ggf. verschiedene Städte mit unterschiedlichen Landschaften verteidigt. Auch die Spielhilfen verwirren im oberen Abschnitt (Aktionsfelder) ein wenig, wohingegen sie wenige Spalten tiefer bei der Darstellung der verschiedenen Fortschritte und der dazugehörigen Karten tatsächlich eine echte Hilfe sind.

Was das Spielprinzip indes anbetrifft, ist „Tempus“ wirklich ein tolles Strategiespiel, bei dem das taktische Vorgehen und die langfristige Planung ganz oben anstehen, während sich der Faktor Glück lediglich auf das Nachziehen der Fortschrittskarten beschränkt. Davon abgesehen, muss man sich wirklich bei jeder Aktion doppelt überlegen, oben man sie wirklich durchführen soll, weil die Anzahl begrenzt und jede Handlungsmöglichkeit deshalb sehr wertvoll ist. Ein falscher Schritt oder ein schlecht überlegter Gedanke können einem so schnell zum Verhängnis werden.

Insofern entwickelt sich auch sehr schnell ein gehöriger Spielspaß, der den anfänglichen Ärger über das teils mäßige Spielmaterial im Nu verdrängt. Letztendlich siegt hier nämlich das starke Konzept, das selbst nach mehreren Runden immer wieder neue Möglichkeiten offenbart und „Tempus“ trotz aller Schönheitsfehler bei entsprechendem Preis (das Spiel wurde bereits unter 20 € entdeckt) zu einer echten Empfehlung für Fans strategischer Entwicklungsspiele macht.

http://www.proludo.de/

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