Weinert, Simon – Drache regt sich, Der. Eine phantastische Erzählung

Der Meister des Gagaismus, wie Simon Weinert seine dadaistisch-skurrilen Streifzüge durch gleichermaßen Phantastik und Gesellschaftskritik selbst bezeichnet, legt mit „Der Drache regt sich“ eine „geile Fantasygeschichte“ (S. 81) vor. So können wir aus dem Buch erfahren, was die Studentin Golde und eine Familie im Venedigurlaub mit Fantasyliteratur zu tun haben. Weinert verknüpft nicht nur phantastische Elemente mit Sarkasmus und scharfer Kritik an der einen oder anderen Einrichtung unserer Informationsgesellschaft, sondern zieht konsequent die Facetten und Phrasen des Fantasygenres durch den Kakao. Alle müssen dran glauben: Black-Metal-Fans, potente Drachtöter, die sich Sexsklavinnen halten, Live-Rollenspieler, Handy-Zombies, abgestumpfte TV-Jünger und J. R. R. Tolkien.

Simon Weinert liefert mit seinem Buch aber keine hohle Abrechnung mit den rückwärtsgewandten und wirklichkeitsfremden Aspekten diverser Fantasy-Geschmacklosigkeiten, vielmehr gelingt es ihm mit seiner mitunter gewöhnungsbedürftigen Erzählform – eine, die zum Denken anregt und den Leser gerade nicht mit altbekannten und x-fach wiederholten Vampir-Drachen-Helden-Abziehbildern einlullt – zu zeigen, dass ein Drache mehr sein kann als ein „Phantasiewesen aus albernen Fantasyromanen“ (S. 55).

Man wird wirklich überrascht sein, etwa wenn Golde das sagenumwobene „schwarze Land“ in Bayern vermutet, die geheimnisvollen Hallen des heldenhaften Drachentöters in Venedig zu finden sind und der Drache, der menschlicher ist, als es dem Leser vielleicht lieb sein könnte, auf einer Ostseeinsel haust.

Simon Weinerts Buch „Der Drache regt sich“ ist aber auch deshalb ein gelungenes Werk, weil es in einem Verlag für phantastische Literatur erschienen ist! Die |Edition Medusenblut| bewegt sich in die richtige Richtung: Die notwendig gewordene Kritik am Fantasygenre wird durch intelligente Selbstironie nicht nur zugelassen, sondern scheint ein wichtiger Bestandteil des Verlagsprogramms zu sein. „Der Drache regt sich“ bereichert Boris Kochs |Edition Medusenblut| enorm, weil das Buch phantastische Literatur ist, die sich nicht auf kitschige Stereotype stürzt, sondern dabei hilft, Phantastik wieder als ernst zu nehmende Literaturform begreifen zu können.

http://www.medusenblut.de/

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