Wiesler, André – Hexenmacher (Die Chroniken des Hagen von Stein, Buch 1)

_Handlung_

Spätmittelalter: Hagen von Stein wächst als Waisenkind auf Burg Aichelberg auf. Dort hat er die uneingeschränkte Liebe seiner Ziehmutter, der Gräfin von Neuenburg. Die hat er auch nötig, denn Hagen ist ein Wariwulf (Werwolf), ein von Gott als Beschützer der Christenheit geschaffenes Wesen. Sein Ziehbruder Albrecht sieht das allerdings ganz anders, denn dieser hasst Hagen, wegen dessen Perfektion und der Liebe, die seine Mutter dem Wariwulf und nicht ihm entgegenbringt. Dieser Zwist zwischen den beiden wird immer größer, und mit zunehmendem Alter schließen sich die beiden Kontrahenten verschiedenen Königen an, die beide nach der Krone des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nationen streben. Nun bekämpfen sich die beiden auf einer völlig anderen, großen und epischen Ebene.

Gegenwart: Georg von Vitzthum kämpft gegen Werwölfe und Hexen. Er ist ein moderner Inquisitor, der für die Kirche gegen die verderbten übernatürlichen Wesen kämpft. Dafür sucht er die Chroniken des Hagen von Stein, da er sich daraus neue Erkenntnisse erhofft.

_Der Autor_

André Wiesler wurde am 25.9.1974 in Wuppertal geboren, wo er bis heute mit seiner Frau Janina lebt. Nach einem Studium der Germanistik und einigen Jahren der Autorenschaft fürs Fernsehen ist er heute als freiberuflicher Übersetzer und Schriftsteller tätig. Bekannt wurde er hauptsächlich durch seine zahlreichen „Shadowrun“-Romane, als Chefredakteur des Rollenspiels „LodlanD“ sowie des monatlichen Rollenspiel Magazins „Envoyer“ und der Spielreihe „Zeit der Helden“ beim |Pegasus|-Verlag.

„Hexenmacher“ ist der Auftakt der „Chroniken des Hagen von Stein“, die mit „Teufelshatz“ im Frühjahr 2008 fortgesetzt werden.

_Mein Eindruck_

„Hexenmacher“ ist ein, wie man im neudeutschen so unschön sagt, „Urban-Fantasy“-Roman, der fiktive Fantasy- und Horror-Elemente mit historischen Fakten und Gegebenheiten kombiniert. Hierbei verschlägt es den Leser in zwei parallelen Handlungen in die Gegenwart und ins Spätmittelalter. Dabei überzeugt Wiesler gerade bei seiner Schilderung des Spätmittelalters. Besonders gelungen sind hier zum einen die Wahl der Zeit sowie deren sprachliche Besonderheiten. Als Handlungszeitraum für den Roman hat sich Wiesler die Zeit der Hussitenkriege und des ersten Prager Fenstersturzes geschickt gewählt. Zum einen eignet sich diese Epoche perfekt, um die Werwölfe (Wariwulf) als christliche Geheimgesellschaft glaubhaft darzustellen, etwa im Kampf gegen die Husiten, und zum anderen bieten die beiden streitenden Könige Wenzel von Böhmen und Sigismund von Luxemburg, die übrigens auch Brüder sind, die perfekte Möglichkeit, den „Bruderzwist“ zwischen Hagen und Albrecht auf eine ganz andere politische Ebene zu heben.

Das Motiv des Bruderkrieges ist ja in der Literatur weitreichend bekannt, wird aber von Wiesler gleich dreifach bedient: einmal der Kampf der beiden Ziehbrüder Hagen und Albrecht, dann jener der beiden Könige Wenzel und Sigismund um die Krone sowie der Kampf der „normalen“ Christen gegen die ketzerischen Hussiten. So weitet sich das Ganze zu einem umfassenden Kampf aus, in dem die Seiten von Hagen (Sigismund und Christen) gegen Albrecht (Wenzel und Hussiten) klar abgesteckt sind.

Die Fakten sind alles in allem sehr gut recherchiert, so dass sie sich hinter keinem historischen Roman verstecken zu brauchen. Durch das Einstreuen von mittelhochdeutschen Wörtern wie „Bletzer“ oder „Wariwulf“ und das Belassen lateinischer Litaneien in ihrem Originalwortlaut wird eine erstaunliche Stimmung erzeugt, die den Leser sofort fesselt. Wer dabei der lateinischen Sprache nicht mächtig ist, braucht sich nicht abschrecken zu lassen, denn in einem Glossar am Ende des Buches liegen diese Wendungen als Übersetzung vor.

Die zwei parallel laufenden Handlungsstränge finden also im Spätmittelalter und in der Gegenwart ihren Platz, wobei das Hauptaugenmerk eindeutig auf dem Mittelalter liegt. Die Passagen in der Gegenwart sind immer wieder eingeschobene Interludien. Diese lockern das Ganze erfreulich auf und geben schon einen Ausblick auf das, was in der Zukunft geschehen wird. Die Handlung im Mittelalter ist nicht fortlaufend beschrieben, sondern in Jahre unterteilt, wobei Sprünge von teilweise mehreren Jahren gemacht werden, was dem Ganzen wirklich die Gestalt einer Chronik gibt. Dies beschleunigt den Lesefluss ungemein und macht den Roman ausgesprochen kurzweilig. Allerdings erzählt Wiesler so gekonnt und anschaulich, dass „Hexenmacher“ ruhig noch deutlich länger hätte sein dürfen …

Viel möchte ich vom Ende nicht verraten. Nur so viel: Ein tragischeres Ende habe ich selten gelesen und unterstelle dem Autor hiermit eine leicht sadistische Ader.

Die Charaktere im Roman sind ihm ebenfalls sehr gut gelungen, wobei die Motivation der Personen – selbst die des Bösewichts Albrecht – komplett nachvollziehbar sind. Beim Aussehen der beiden bricht Wiesler aber mit den gängigen Konventionen, indem der „gute“ Hagen schwarze Haare hat und der „böse“ Albrecht blond ist. Hier zeigt er dem Leser klar auf, wie gefangen man häufig in der Stereotypenbildung ist.

Sehr positiv aufgefallen ist mir die von Wiesler selbst ausgedachte Mythologie, welche die Werwölfe in der christlichen Glaubensgemeinschaft verankert. Das Zusammenfügen von Fakten und Fiktion ist allgemein eine große Stärke dieses Romans, denn ich konnte zu keiner Zeit irgendwelche Ungereimtheiten erkennen, was von guter Recherchearbeit und Kreativität des Autors zeugt. Auch muss ich dem |Heyne|-Verlag ein Kompliment aussprechen, denn die Aufmachung des Covers und das Layout sind ebenfalls ausgesprochen gut gelungen.

_Fazit_

„Hexenmacher“ überzeugt mit seiner Mischung aus Historienroman und fiktiven Horror- und Fantasyelementen voll. André Wiesler erzählt hier eine sehr actionreiche, aber auch tragische Geschichte, die definitiv Hunger auf den nächsten Teil „Teufelshatz“ macht. Für Freunde von Werwolf- und/oder Vampirromanen ist „Hexenmacher“ ein absoluter Pflichtkauf.

http://www.heyne.de
http://www.andrewiesler.de/

|Siehe ergänzend dazu auch das parallel veröffentlichte [Interview]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=79 mit André Wiesler.|

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