Williams, Tad – Shadowmarch: Die Grenze

Es schien wie in einem vergessenen Zeitalter, dass die Wesen jenseits des undurchdringlichen Nebels sich regten und die Lande der Menschen mit Krieg überzogen. Doch der Konflikt hatte nur ausgesetzt. Noch immer forderten die Elben die Gebiete zurück, die ihnen vor langer Zeit an die Menschen verloren gingen. Sie hatten sich nur hinter ihren Zauberwall aus Nebelschwaden und grausamen Illusionen zurückgezogen, um nun das zu beanspruchen, was in ihren Augen schon immer ihnen gehörte.

Die Menschen und auch die Funderlinge in der Südmark haben dabei ihre eigenen Probleme. Ihr Herrscher ist einer Hinterlist zum Opfer gefallen und wird gegen Lösegeld vom Lordprotektor von Hierosol festgehalten. Immer abenteuerlicher werden die Forderungen. Schließlich wagt es der Entführer, die Hand der Fürstentochter zu beanspruchen. Briony Eddon ist davon wenig begeistert und auch ihr Zwillingsbruder hält nicht viel davon. Doch was sind die Überlegungen von Kendrick, der als Stellvertreter seines Vaters über die Mark wacht? Die verschiedenen Berater, Vasallen und Verbündeten bedrängen den jungen Mann. Doch bevor er seine Überlegungen kundtun kann, wird er grausam ermordet. Ausgerechnet der Schwertmeister soll der Attentäter gewesen sein.

Schlimmer könnte es kaum kommen. Die Feinde vor den Toren der Stadt, die Intrigen im Reich und zwei junge Menschen, die sich den Thron und die schwere Bürde teilen müssen, den unmöglichen Aufgaben gerecht zu werden. Doch es |kommt| noch schlimmer.

Die Geschichte der Schattenmark beschäftigt sich nicht nur mit den Erlebnissen der Herrschenden, sondern bezieht eine Vielzahl von Figuren mit ein, deren Schicksal direkt, indirekt oder scheinbar gar nicht mit dem des Landes verbunden ist. Die Rollen der Protagonisten reichen von dem zwergenähnlichen Funderling Chert Blauquarz bis hin zu Qinnitan, der hundertsten Frau des mächtigen Herrschers des Reiches Xand.

Tad Williams begnügt sich nicht damit, die Geschichte einiger weniger Persönlichkeiten und ihres Landes zu erzählen, er zeichnet das Schicksal einer ganzen Welt in seiner neuen Serie. Der vorliegende erste Band ist nur der Anfang, aber ein ereignis- und umfangreicher.

Irritiert mag der geübte Fantasyleser von den „neu“ erfundenen Spezies sein, die doch so sehr dem typischen Zwerg oder dem typischen Dunkelelf oder sonst einer bekannten Fantasyspezies ähneln. Natürlich leben die Pseudozwerge unter der Erde, natürlich haben sie Steine lieb und auch das Gold und sind auch nicht besonders groß. Aber sie Zwerge zu nennen – so das Buch – wäre eine infame Beleidigung. Nach kurzem Nachdenken und einem amüsierten Kopfschütteln gewöhnt man sich daran, die Zwerge halt jetzt Funderlinge zu nennen.

Die Schilderung der Protagonisten ist dem Autor nur bedingt gelungen. Die psychischen Probleme des albtraumgeplagten Barrick kommen genauso wie die emanzipatorischen Wünsche von Briony nur hölzern und klischeehaft herüber. Das mag daran liegen, dass Williams einen strengen und regelmäßigen Wechsel zwischen den Handlungssträngen und Protagonisten durchzieht und gleichzeitig einen hohe Geschwindigkeit der Handlung vorantreibt. Da bleibt scheinbar wenig Raum für die glaubhafte und überzeugende Darstellung des Innenlebens der handelnden Personen.

Tad Williams ist, wie vorauszusehen war, ein sehr gutes, unterhaltsames und spannendes Buch gelungen. Doch stellt es inhaltlich und auch vom Stil her keine Besonderheit dar. Es ist ein gutes Fantasybuch geworden, das es in der Qualität und dem Einfallsreichtum vielfach auf dem Literaturmarkt gibt. Die Erwartungen an den Autor nach der grandiosen „Otherland“-Serie haben sich nur zum Teil erfüllt. Trotzdem kann man jedem Fantasyfan das Buch und vermutlich auch die Folgebände anraten, denn in Hinsicht auf gut lesbare Unterhaltung und Spannung bekommt man hier garantiertes Lesevergnügen geboten.

© _Jens Peter Kleinau_
|Diese Rezension wurde mit freundlicher Genehmigung unseres Partnermagazins [X-Zine]http://www.X-Zine.de/ veröffentlicht.|

http://www.shadowmarch.de

Schreibe einen Kommentar