Willingham, Bill / Buckingham, Mark – Fables 2 – Farm der Tiere

Band 1: [„Legenden im Exil“ 3175

Comics sind angeblich Geschmackssache. Kein Werk darf als „gut“ oder „schlecht“ bezeichnet werden, höchstens als „anders“. So grenzt man sich ab, bewertet aber nicht. Vielleicht handelt es sich ja bei dem betrachteten Objekt um das Lieblingsstück meines Gegenübers … Was da so resistent durch die Chatrooms und Foren geistert, behauptet gerne, eine Meinung oder ein Standpunkt zu sein. Tatsächlich ist es aber nicht mehr und nicht weniger als ein respektvoller und höflicher Umgangston, der sich verkleidet hat und das Urteilen scheut. Sicher, das ist politisch korrekt und enorm wichtig für die Kommunikation. Schließlich sind viele empfindliche Gemüter unterwegs. Aber es ist nur ein Teil der Wahrheit.

Wenn man einen Augenblick lang nachdenkt, fällt einem sicherlich das eine oder andere Kriterium ein, mit dem man einen Comic bewerten könnte. Zeichnungen, Plot, Cover, Kolorierung – um nur ein paar Beispiele zu nennen. Wenn bald wieder in San Diego die alljährlichen |Eisner Awards| verliehen werden, hat sich die Jury im Vorfeld lange über solche Dinge Gedanken gemacht. Und es hat dann nichts mit einem Mangel an Höflichkeit oder Respekt zu tun, wenn die Frage des persönlichen Geschmacks außen vor bleiben muss.

In diesem Jahr unterhält man sich in San Diego auch wieder über „Fables“. Die Fantasy-Serie des Autors Bill Willingham gehört zu den Senkrechtstartern der letzten Jahre und hat schon in früheren Preisverleihungen den einen oder anderen |Eisner| mit nach Hause nehmen dürfen. In Deutschland erscheint die Serie bei |Panini|. Der zweite Band wurde im März veröffentlicht und trägt den Titel „Farm der Tiere“. Es handelte sich dabei um die US-Hefte 6-10, die erstmals bei |DC/Vertigo| erschienen sind (12/2002 – 04/2003).

Hierzulande wird auf dem Cover damit geworben, dass „Fables“ bereits mit fünf |Eisner Awards| ausgezeichnet wurde. Die Trophäen gab es unter anderem in der Kategorie Best New Series, allerdings hat die sechsteilige Storyline „Animal Farm“ keine davon abbekommen. Das sollte aber nicht davon abhalten, hineinzublättern und sich über die Qualität der Geschichte zu unterhalten.

„Farm der Tiere“ setzt sich im Wesentlichen aus zwei Handlungssträngen zusammen. Eine Linie handelt von der schwierigen Beziehung zwischen den Schwestern Snow White und Rose Red. Beide sind sich im Laufe der Jahrhunderte fremd geworden und können einander nicht besonders gut leiden. Die Unterschiedlichkeit ihrer Wesensarten macht es ihnen dabei nicht gerade leichter. Snow White ist eine kühle, selbstbehrrschte Führungspersönlichkeit, Rose Red hingegen ist ein Punk, sexy und mit frechem Mundwerk.

Eine andere Linie handelt von umstürzlerischen Schweinen und Bären. Die Bewohner der Farm fühlen sich von den Städtern eingesperrt. Sie dürfen nicht in die Welt der Menschen, damit die geheime Märchengemeinde nicht auffliegt und in Gefahr gebracht wird. Beide Erzählstränge sind miteinander verwoben, wechseln einander gleichmäßig ab und beeinflussen sich gegenseitig. Persönliches verschmilzt hier mit Politischem zu einem interessanten Amalgam. Anspielungen auf literarische Vorlagen wie „Animal Farm“ von George Orwell oder „Lord of the Flies“ von William Golding sind absolut beabsichtigt. Dankenswerterweise behält der Leser dabei allzeit den Überblick. Man könnte also sagen, Willingham versteht sein Handwerk als Autor.

Auch Zeichner Mark Buckingham versteht sein Handwerk. Die vielen unterschiedlichen Menschen und Tiere wirken plastisch und haben Substanz. Diffuse Schatten und andere offene Formen gehören nicht zu seinem Repertoire. Buckinghams Strich ist ruhig und klar. Die sehr aufgeräumten, sauberen Panels erinnern ein wenig an „Tim und Struppi“ und andere Werke der französischen |Ligne claire|. Die Figuren allerdings sind amerikanisch und könnten auch jedes beliebige Superhelden-Szenario bevölkern. Ausbaufähig ist sicherlich die Kolorierung. Der Umgang mit Licht und Schatten ist toll, was aber zu kurz kommt, ist die Stofflichkeit der Objekte. Alles ist irgendwie glatt. Ein Türrahmen sieht aus wie eine Motorhaube sieht aus wie das Fell eines Bären…

Als letztes Bewertungskriterium stand das Cover auf unserer Liste. Der von James Jean gestaltete Umschlag ist voll, aber nicht überfüllt. Die Formen fließen ineinader, ohne jedoch an Schärfe zu verlieren oder das gesamte Gleichgewicht zu stören. Ein Mittelpunkt oder eindeutiger Blickfang ist nur schwer zu bestimmen. Der Blick wandert hin und her, geht tief hinein in die Ebenen des Covers und wieder zurück.

Ob nun der zweite Band von „Fables“ an dieser Stelle gut beobachtet wurde, sei dahingestellt. Ebenso ließe sich darüber streiten, ob dieser Text hier klar und deutlich genug formuliert wurde. Lässt man sich jedoch einmal darauf ein und folgt dem eingeschlagenen Pfad, wird erkennbar, dass es sich bei „Farm der Tiere“ um einen extrem gut gemachten Comic handelt – persönlicher Geschmack hin oder her. Der bleibt an dieser Stelle nämlich draußen.

http://www.paninicomics.de

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