Wilson, Charles – Sharks! Gefahr aus der Tiefe

An der Küste des US-Staates Mississippi, dort, wo der gleichnamige Fluss sein riesiges Delta bildet, bevor er in den Golf von Mexiko und damit ins offene Meer mündet, treibt ein Untier sein Unwesen. Die ersten beiden Opfer sind zwei Kinder, und dann erwischt es zwei Fischer, bevor die Behörden aufmerksam werden.

Matt Rhiner von der Küstenwache beschäftigt seit einiger Zeit eine Reihe eigentümlicher Wrackfunde vor der Küste; die Schiffskörper sehen aus, als seien sie auf offener See in eine Schrottpresse geraten. Admiral Vandiver, der Direktor des US- Marinenachrichtendienstes, liebäugelt dagegen mit einer abenteuerlichen Theorie: Was wäre, wenn der sagenhafte Megalodon, eine Haifischart, von der die Wissenschaft vermutet, dass sie mehr als 30 Meter Länge erreichte, nicht wie bisher vermutet vor Millionen von Jahren ausgestorben ist, sondern in der unerforschten Tiefsee überleben konnte und nun durch eine Laune der Natur in die flachen Küstengewässer vertrieben wurde?

Leider hält sich Vandiver, der nicht ohne Grund um seinen Ruf bangen müsste, wenn die Marine von seinem Steckenpferd (bzw. Monsterhai) erführe, sehr bedeckt. Trotzdem ordnet er eine Untersuchung an, weiht aber nur seinen Neffen, den Leutnant zur See Douglas Williams, in seine Theorie ein und schickt ihn an die Küste, um sich dort quasi inkognito umzusehen. So bleibt die Bevölkerung ungewarnt und ahnungslos, während sich einige wahrlich ungeheuerliche Gäste aus der Urzeit der Küste nähern …

Willkommen im Haifischbecken des Fast-Food-Unterhaltungsromans, wo es gilt, möglichst viele Leser zu schnappen, bevor sie merken, dass sie einem Raubfisch in die Falle gegangen sind, der es auf ihr Geld abgesehen hat. Dann ist es meist zu spät, und das Opfer bleibt belämmert und um eine trübe Erfahrung reicher mit einem Buch in der Hand zurück, das es zu Hause verschämt in eine möglichst dunkle Ecke des Regals schiebt.

Dies ist das Biotop, in dem Geschöpfe wie der Autor Charles Wilson prächtig gedeihen. Er hat noch niemals in seiner offensichtlich recht erfolgreichen Karriere einen eigenen Gedanken gehabt und ist stets prächtig damit gefahren, erfolgreiche Vorbilder einfach abzukupfern. Auf seiner Veröffentlichungsliste finden sich außer den \“Sharks\“ das obligatorischen Garn vom dämonischen Serienkiller (\“Ein stiller Zeuge\“) sowie gleich zwei dreiste Rip-offs des Preston/Child-Bestsellers \“Relic – Museum der Angst\“ (\“Ahnherr des Bösen\“ und \“Expedition ins Grauen\“), wobei sich der Autor auch großzügig bei Philip Kerr (\“Esau\“) und selbstverständlich Michael Crichton (\“Congo\“) bedient.

Für \“Sharks!\“ plündert Wilson nun einen anerkannten Klassiker (natürlich ist Peter Benchleys \“Der weiße Hai\“/\“Jaws\“ von 1974 gemeint) und eine echte Gurke (Steve Altens \“Meg – Die Angst aus der Tiefe\“/\“Meg\“, 1997; zwei Jahre später kongenial schundig fortgesetzt mit \“Höllenschlund\“/\“The Trench\“). Man muss ihn schon wieder bewundern, denn wer außer einem wahrlich unerschrockenen Geist würde es wagen, dieses ausgefahrene Gleis anzusteuern? Die Geschichte vom bösen Hai, dem Monster, das aus der Tiefe kommt, den Menschen dort angreift, wo er fremd ist und daher verletzlich, und dadurch beinahe instinktive Urängste weckt, lässt sich nur geringfügig variieren: Hai taucht auf – frisst Schwimmer, Angler, Taucher – wird entdeckt und gejagt – frisst mindestens einen der Häscher – wird gestellt & nach hartem Kampf erlegt. Welche Abweichungen sind von diesem Plot schon möglich? Peter Benchley hat es selbst einmal versucht und dabei den eigenen Klassiker anscheinend auf die Schippe genommen, als er in \“Shark\“ (\“White Shark\“, auch \“Peter Benchley\’s Creature\“, 1995) einen Nazi-\’Wissenschaftler\‘ Menschen- und Haifisch-Gene mischen und ein Ungeheuer erschaffen ließ, das sogar auf dem festen Land umhergeistern konnte.

Wilson ist freilich nicht so souverän. Er geht auf Nummer sicher, und das heißt: mehr Haie, und größer werden sie auch. Nur kennen wir auch die Geschichte vom Baby-Monster, das in die Enge getrieben wird, was seine ungleich größeren Eltern auf den Plan ruft, ebenfalls nur zu gut. Seien wir außerdem ehrlich: Was ist erschreckend an einem 60 (!) Meter langen Hai? Das ist ein derartig übertriebenes Angstbild, dass es sich sofort in sein Gegenteil und damit ins Lächerliche verkehrt.

Der Leser, der vom \“Weißen Hai\“ noch nie gehört haben sollte, wird sich freilich recht gut unterhalten fühlen. Die zusammengeklau(b)ten Versatzstücke montiert Wilson zu einem routiniert geschriebenen Abenteuergarn. Die obligatorische Liebesgeschichte und die Kind-in-Gefahr-Szene fehlen ebenso wenig wie allerlei pseudowissenschaftliche \’Erklärungen\‘ dafür, wieso plötzlich ausgerechnet vor der Mündung des Mississippi luftschiffgroße Urzeithaie auftauchen.

Den schwachsinnigen \’deutschen\‘ Titel hat \“Sharks!\“ freilich nicht verdient. Hier ist Charles Wilson mit \“Extinct\“ (= \“Auslöschung\“) eine viel schönere und dem Rummelplatzcharakter der Geschichte angemessene Kopfzeile eingefallen.

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