„Doom“ als Brettspiel? Diese Idee schien vor wenigen Jahren noch undenkbar, nicht zuletzt, da sowohl die cineastische als auch die literarischen Adaptionen so richtig in den Sand gesetzt wurden und man sich gemeinhin kaum vorstellen konnte, dass die Monsterhatz auf dem Spielbrett einen gewissen Anspruch vorweisen könnte. Als Kevin Wilson den Titel dann 2005 aufs Brett brachte, rieben sich viele Skeptiker verwundert die Augen: Das Spiel hatte weitaus mehr Potenzial, als man vorher erahnen konnte (oder wollte), und wies später den Weg für durchschlagskräftige, erfolgreiche Dungeon-Games wie beispielsweise [„Descent“. 3316
Mittlerweile ist [„Doom – The Boardgame“ 3099 eine feste Größe im |Fantasy Flight Games|-Programm und auch hierzulande ein hochgeschätzter Titel. Dementsprechend ist es weniger verwunderlich, dass der |Heidelberger Spieleverlag| sich dazu entschlossen hat, die in den Staaten bereits länger veröffentlichte Expansion auch in deutscher Sprache zu veröffentlichen. Und als wäre dies nicht schon genug, hat man der Erweiterung neben den fünf neuen Standardszenarien noch zwei gänzlich neue Spielmodi geschenkt. Gründe genug also, um sich einmal näher mit der Fortsetzung zu beschäftigen, die sich eventuell sogar zum heimlichen Sommerhighlight im Verlagsprogramm mausern könnte.
_Spielidee_
Auch in der Erweiterung kämpfen maximal drei Marines gegen die außerirdischen Kreaturen, die mit einem hohen Gewaltpotenzial ihre Invasion vorbereiten. Die Marines nutzen ihr Wissen in fünf neuen Missionen, um die UAC-Marsbasis zu infiltrieren und die Feinde auszurotten. Allerdings haben ihre Gegner sich radikal vermehrt. Sechs neue Monstertypen haben die Eindringlinge verstärkt, darunter die mächtigen Vagarys. Zudem wird die Atemluft für die Marines deutlich dünner. Luftleere Bereiche und Flammenmeere machen den ausgesandten Kämpfern das Leben zur Hölle und beeinträchtigen die Bedingungen, unter denen die irdischen Männer hier um den Sieg fechten müssen. Andererseits können die Marines auf ein noch breiteres Waffenarsenal zurückgreifen. Unter anderem können sie über Robogeschütze und einen ultimativen Tötungsmechanismus verfügen.
Unter verschärften Vorgaben gehen die Gefechte also in eine bzw. fünf neue Runden. Doch dies ist noch nicht alles. In einem Deathmatch können bis zu sechs Spieler gegeneinander antreten und um eine vorher abgestimmte Anzahl Kills spielen. Und direkt aus dem Videospiel hat man die „Capture The Flag“-Idee übernommen, die von zwei Dreierteams (unabhängig von der Spielerzahl) aufgegriffen und ausgetragen wird.
_Spielmaterial_
• 1 Regel- und Szenarienhandbuch
• 4 Übersichtstafeln
• 3 Marinefiguren mit Kettensägen
• 3 Vagary Figuren
• 3 Cacodemon Figuren
• 6 Revenant Figuren
• 6 Cherub Figuren
• 3 Maggot Figuren
• 12 Zombie Commando Figuren
• 66 Eindringlingskarten
• 10 Marine-Karten
• 5 Schwierigkeitsgradkarten
• 3 Ersatzkarten Blindgänger
• 3 Ausrüstungsbehälter der Marines
• 5 luftleere Korridore
• 1 luftleerer Winkel
• 2 luftleere Verbindungen
• 2 luftleere Sackgassen
• 1 Raum
• 1 Verbindung
• 1 Winkel
• 4 Hindernisse
• 4 Luftschleusen
• 4 Standfüße für Luftschleusen
• 2 Basen
• 4 Flammenstrahlen
• 2 Teleporter
• 8 Spielsteine Verletzung
• 6 Spielsteine Rüstung
• 9 Spielsteine Befehle für Marines
• 10 Spielsteine Robogeschütz
• 34 Zerfetztmarker
• 6 Marker Wiedereintrittspunkt
• 6 Spielzugmarker
• 8 Waffen
• 5 Seelenmarker
• 8 Sauerstoffflaschen
• 4 Unsichtbarkeitsmarker
• 4 Vitalbooster
• 4 Berserker
Wie gehabt ist die Schachtel auch bei der Erweiterung wieder richtig prall gefüllt. Neue Spielplanteile, dutzendfach neue Marker, vor allem aber auch wieder unzählige Plastikminiaturen zieren das Innere des Kartons und erfüllen rein quantitativ den Sinn einer Erweiterung ohne jegliche Zweifel. Allerdings ist das Material nicht beliebig gewählt; wieder einmal hat die |FFG|-Grafikabteilung Spitzenarbeit geleistet, sowohl bei den Designs der Monster als auch bei den Illustrationen auf den Karten und Markern. Doch auch für die Eigenreflektion des Teams verdienen die Entwickler an dieser Stelle Lob. Einige Marker aus dem Grundspiel wurden erneuert und können nun ausgetauscht werden. Perfektion als Maßstab – das gefällt!
_Die Erweiterung_
Am Spielverlauf hat sich jedoch zunächst einmal nichts verändert. Die Marines haben immer noch den Auftrag, die Region zu säubern, die Kreaturen zur Hölle zu jagen und rechtzeitig zu entwischen, während den Eindringlingen eine szenarienabhängige Anzahl von Killpunkten genügt, um den Sieg nach Hause zu bringen. Allerdings haben sich die Rahmenbedingungen entscheidend verändert, und zwar auf beiden Seiten:
Auf Seiten der Marines gibt es unter anderem Vorteile durch die neuen Waffensysteme. Die Robogeschütze können am Ende eines Spielzugs zusätzlich zu den eigenen Offensiv-Bemühungen aktiviert und eingesetzt werden, wohingegen der so genannte ‚Soul Cube‘ die Seelen der Monster sammelt und später in einem tödlichen Gewaltangriff wieder entlädt. Außerdem gibt es natürlich einen neuen Kartensatz, der ergänzend zu den bereits vorhandenen Karten aus dem Grundspiel verwendet wird und wieder neue Optionen für die Heldenfraktion bietet.
Diesen Vorteilen stehen einige räumlich bedingte Hindernisse in der Marsstation entgegen. Den Beginn macht hier ein gefährliches Fallensystem, bestehend aus einem Flammenmeer, welches immer wieder neu aktiviert wird und großen Schaden anrichtet. Ferner gibt es luftleere Räume, die nur mit einer Sauerstoffflasche betreten werden dürfen und gegebenenfalls zur tödlichen Falle für die Marines geraten können. Und natürlich kommen auch wieder neue Monster zum Einsatz, wobei der Spieler nun die Wahl hat, ob er die Kreaturen aus dem Grundspiel, die neuen oder doch eine Mischung aus beiden für sein Spiel wählt. Die meisten neuen Figuren sind in ihrer Wertigkeit ihren Vorgängern gleich und können somit beliebig gemischt werden. Lediglich die Vagarys machen hier einen Unterschied.
Der Spielablauf ändert sich dementsprechend nur geringfügig. Der Spieler, der die Eindringlinge steuert, muss sich anfangs nur dafür entscheiden, mit welchem Kartensatz er spielt und welche Kreaturen in seinen Startersatz gehören. Die Aufteilung der Spielzüge und das Rundensystem wurden indes nicht geändert. Abgesehen von einigen speziellen Modi, die in den fünf neuen Szenarien noch einmal genauer beschrieben sind, bleibt spielmechanisch alles beim Alten – nur eben mit dem Unterschied, dass man aufgrund der zahlreichen frischen Utensilien nun noch eine ganze Menge mehr beachten muss!
_Deathmatch_
Die Voraussetzungen für das Deathmatch sind hingegen grundlegend anders. Bevor das eigentliche Spiel beginnt und die Teilnehmerzahl bestimmt wird, wird das Zerfetzungslimit festgelegt. Dieses besagt, wie viele feindliche Kills man verbuchen muss, bevor man das Spiel als Sieger verlassen kann. Anschließend wählt man eines der drei Szenarien für diesen Modus aus dem Handbuch und rüstet seine Spielfigur aus.
Jeder Marine erhält nun einen Ausrüstungsbehälter mit fünf Verletzungs- und zwei Rüstungsmarkern. Bestimmte Marines-Karten werden anschließend aussortiert, der verbleibende Stapel danach gemischt. Jeder Spieler erhält zwei Karten. Als Letztes werden die Figuren auf einen der Wiedereintrittspunkte gesetzt, von wo aus sie nun starten. Sollten nur zwei oder drei Spieler beteiligt sein, steuert jeder Spieler zwei Marines und wählt dabei diejenigen mit Schusswaffen oder einen Marine mit Kettensäge.
Das Spiel verläuft nun reihum im Uhrzeigersinn, und zwar so lange, bis das Spielziel erreicht ist. Bei fünf festgelegten Zerfetzungspunkten ist also genau dann Schluss, wenn ein Spieler fünf feindliche Marines besiegt hat. Allerdings ist eine Vernichtung nicht endgültig. Die Spieler können ihre Figuren über einen Wiedereintrittspunkt erneut zurückbringen, jedoch schwächer bestückt als zuvor.
Änderungen im Spielverlauf gegenüber dem Hauptspiel bestehen derweil nur in der Aufnahme der Ausrüstung. Waffen können nur limitiert eingesetzt und müssen später wieder abgeworfen werden. Außerdem bleiben die Waffenmarker liegen, so dass die Instrumente ständig für alle Spieler verfügbar sind. Waffennachschub gibt es nämlich stets aus der Auslage.
Sollte es den Spielern nicht gelingen, das gesteckte Limit zu erreichen, bevor der Timer – dargestellt durch einen Eindringlings-Nachziehstapel – abgelaufen ist, endet das Spiel beim endgültigen Verbrauch des Kartenstapels. In diesem Fall siegt derjenige Spieler, der die meisten Punkte vorweisen kann.
_Capture The Flag_
Auch im „Capture The Flag“-Modus gibt es drei unterschiedliche Karten, auf denen alle sechs Marines-Figuren gleichzeitig agieren. Die Teams werden mit jeweils drei Söldnern besetzt (Kettensägen vs. Blaster) und bemühen sich, die Flagge des Gegners von dessen Hauptquartier zur eigenen Basis zu bringen. Auch hier wird vorab eine gewisse Anzahl von Punkten festgelegt, die definiert, wie oft die Flagge gesichert werden muss. Der Eindringlingskartenstapel dient wiederum als Timer und läutet das alternative Ende ein.
Im Gegensatz zum Deathmatch sind Zerfetzungen eines Marines hier unerheblich, können allerdings wichtig sein, wenn dieser Marine gerade eine Flagge trägt. Tödliche Salven oder ein Kettensägenmassaker sind bisweilen nämlich die einzige Möglichkeit, den Gegner von seiner erbeuteten Flagge loszueisen.
_Weitere Szenarien_
Insgesamt sind im Expansion-Pack fünf neue Missionen und jeweils drei Karten für die neuen Spielmodi verfügbar. Darüber hinaus bietet das Regelwerk jedoch noch eine Vielzahl zusätzlicher Mods, die man manuell in die einzelnen Partien integrieren kann. Der Schwierigkeitsgrad kann beispielsweise durch spezielle Karten modifiziert werden und etwas mehr zu einer bestimmten Seite schwenken. Darüber hinaus können Waffen über unendliche Munition verfügen, und natürlich kann man auch Einfluss auf das Kartenmaterial nehmen. Auch für Deathmatch und Capture The Flag hat man individuelle Eingriffe als Vorschlag aufgeführt, wie etwa die Kürzung oder Streckung des Timers. Mit diesen Optionen kann man das Spiel vor allem immer dann anpassen, wenn unerfahrene, neue Spieler hinzustoßen, die noch nicht so recht mit der Materie vertraut sind. Und schließlich ist auch dies Sinn und Zweck einer Erweiterung.
_Persönlicher Eindruck_
Die Erweiterung zu „Doom – Das Brettspiel“ erfüllt nun wirklich alle Voraussetzung, die eine solche Ergänzung vorweisen sollte. Eine Vielzahl neuer Spielelemente kommt hinzu, die Mechanismen werden noch einmal optimiert – hier vor allem mit Hinblick auf kleine Regellücken des Basisspiels – und mit den beiden frischen Spielmodi stoßen zwei Systeme hinzu, die man gar nicht genügend ausreizen kann. Dementsprechend sind gerade die Inhalte, die man anfangs noch für die wichtigsten befunden hätte (nämlich die fünf neuen Missionen samt neuer Spielfiguren), fast noch diejenigen, die am wenigsten ins Gewicht fallen – und das will schon was heißen. Doch ganz langsam …
Die Basiserweiterung alleine ist schon richtig stark. Alle Missionen bieten runderneuerte Komplexe, teils sogar mit noch höherem Anspruch, bedingt durch den Ausbau der Rahmenbedingungen des Spiels. Es ist zwar nicht ganz zu verstehen, warum das Gros der neuen Figuren keine eigenen Charaktersheets bekommt und nur als gleichwertig zu bekannten Kreaturen aufgeführt wird, jedoch ist dies auch schon die einzige Ungereimtheit, die der Fan letzten Endes schlucken muss. Dafür gefallen jedoch die frischen Anordnungen wie etwa die luftleeren Räume und die Flammenmeere, die den Marines das Spiel unheimlich erschweren. Aber auch das neue Kartendeck der Eindringlinge zeigt erfreulicherweise jede Menge neuer Optionen und sorgt somit gerade auf Seiten der Feinde für einen größeren Schatz an Handlungsmöglichkeiten.
Wer nun jedoch glaubt, das Spiel würde nur auf einer Seite Prioritäten setzen und das Gewicht somit verschieben, sieht sich aber getäuscht. Es gibt nämlich genügend neue Waffen, die den gerade angeführten Vorteil wieder ausmerzen und die Balance wiederherstellen. Und in allergrößter Not kann man immer noch mit unterschiedlichen Startvoraussetzungen beginnen, indem man die Karten für die Schwierigkeitsgrade bemüht. Ergo: Hier wurde wirklich an alles gedacht!
Unerschöpflich ist indes das Potenzial der beiden Bonus-Games. Mit dem „Deathmatch“ macht ein bewährtes PC-Vorbild erstmals Schule auf dem Brett und zeigt sich hier erwartungsgemäß souverän. Insgesamt drei Pläne für diesen Systemtypen wurden ins Handbuch eingeschoben, wobei die Matches eigentlich unabhängig von den Karten ablaufen. Schließlich kämpft hier jeder gegen jeden – und da kann der Raum manchmal nicht eng genug sein.
Ähnlich sieht dies beim zweiten Extra, dem „Capture The Flag“-Modus, aus. Abgesehen davon, dass man im Team agiert, kommt hier ebenfalls ganz schnell eine „Alle gegen alle“-Mentalität auf, die dem Spiel eine Brisanz verleiht, wie man sie sonst wahrscheinlich wirklich nur vom PC kennt. Und auch hier gilt: Es sind zwar nur drei Karten, doch da sich der Spielverlauf immer wieder ändern wird und man mit den unterschiedlichsten Taktiken agieren kann, könnte man womöglich Jahre mit diesem System verbringen, ohne dass es Langeweile brächte – und falls doch, denkt man einfach nur mal darüber nach, vielleicht auch in diese Modi Eindringlinge hineinzuschiffen – auch wenn dies wohl nur Freaks vorbehalten ist … Fazit an dieser Stelle: Spitzen-Ergänzungen, die „Doom – Das Brettspiel“ qualitativ und quantitativ enorm bereichern!
Das Resümee muss dementsprechend ebenso positiv sein. Mit der Erweiterung zum viel gelobten Brettspiel setzt Kevin Wilson auf seine bereits erprobte, starke Spielidee noch einen drauf. Das Gesamtsystem ist noch eine Spur ausgereifter, die beiden Extra-Optionen sorgen für Abwechslung und summa summarum wurde so ein ohnehin schon vielseitiges Brettspiel noch facettenreicher gestaltet. Dass eine Erweiterung noch einmal so viele neue Ideen bringt, ist schon außergewöhnlich, verdient aber umso mehr Lob. Und auch wenn dies wie die Worte eines bekehrten Fans klingen mag: An dieser Expansion sowie am [Basisspiel 3099 generell führt absolut kein Weg vorbei!
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