Gene Wolfe – Der Zauberer (Mythgarthr 2)

Die Mythgarthr-Saga:
Band 1: Der Ritter
Band 2: Der Zauberer

Sir Able, der Held unserer Geschichte, ist tot – gefallen im Kampf gegen den Drachen Gengram. Zwanzig Jahre verbringt er im himmlischen Reich des Walvaters, ohne zu altern, ohne an seine geliebte Disiri zu denken. Als er sich schließlich doch wieder an sie erinnert, kehrt seine Sehnsucht nach ihr mit Macht zurück, und er bittet den Walvater, ihn wieder nach Mythgarthr zu entlassen.

Das wird ihm gewährt, aber er muß ein Gelübde ablegen, keinen Gebauch von seinen magischen Fähigkeiten zu machen. Und so kehrt Able als mächtigster Zauberer seiner Zeit in die Welt der Menschen und Feen, der Riesen und Oger zurück – als ein Zauberer, der seine Macht nicht einsetzen darf! Und dabei könnte er seine magischen Kräfte im Kampf gegen die Frostriesen des Nordens und die Drachen von Muspel dringend gebrauchen… (Verlagsinfo)

Gene Wolfe (1931-2019), bekannt für seine ungewöhnlichen und anspruchsvollen Interpretationen von Fantasy- und Sagenstoffen, schließt mit „Der Zauberer“ seine Mythgarthr-Saga ab.

Auch bei der Fortsetzung der Abenteuer Sir Ables geht er ungewöhnliche Wege; die erwartete Rettung Königin Disiris wandelt er kurzerhand in die Suche nach einer verlorenen Liebe um: Denn Able verbrachte zwanzig Jahre in den Hallen Walvater Odins, ohne sich des Verstreichens der Zeit bewusst zu werden, ohne auch nur einen Gedanken an Disiri zu verschwenden. Er bittet Odin, nach Mythgarthr zurückkehren zu dürfen, was ihm auch gewährt wird. Allerdings muss er das Gelübde ablegen, keinen Gebrauch von den mächtigen magischen Fähigkeiten zu machen, die er während seiner Zeit in Walhall erworben hat. Able ist ein Zauberer sondergleichen, der gerade diese Fähigkeiten so nötig hätte bei seiner Suche, verdammt dazu, nur mit den Mitteln gewöhnlicher Sterblicher seine Geliebte wiederzufinden. Doch wie kann er als kleiner Mensch gegen Drachen und Frostriesen bestehen?

Mein Eindruck

Bei Gene Wolfe muss man einfach mit allem rechnen. Wer mit festen Erwartungshaltungen an seine Romane herangeht, wird bereits auf den ersten Seiten radikal zurechtgestutzt. So rechnete ich mit einer Fortsetzung der Geschichte um Disiri und Able, was Wolfe ja auch tut. Wie er dies allerdings tut, ist wie bereits geschildert sehr überraschend und weniger eine Fortsetzung als ein fast eigenständiger Roman. Treu bleibt er seiner einzigartigen Interpretationsweise von Sagenstoffen und einem daraus inspirierten Weltentwurf, der seiner Märchenwelt ganz eigenen Stil und Klasse verleiht.

Der zweite Band ist mit 652 Seiten in nur 40 Kapiteln (zum Vergleich: Der erste hatte 69 Kapitel bei 564 Seiten) umfangreicher, die einzelnen Kapitel auffallend länger. Dies hat leider nicht einen möglicherweise erhofften positiven Einfluss auf den Lesefluss, denn Wolfe setzt eine Unsitte des ersten Bandes fort, deren negative Auswirkungen leider verstärkt zum Tragen kommen: Wo ist hier bitte der rote Faden? Die Handlung ist zweigeteilt und wird leider nicht so sehr von Able getragen als vielmehr von seinen Dienern und Gefährten, wie Toug. Wer ist Toug überhaupt? Für den Handlungsverlauf ist sie von Bedeutung, in das überbordende Personenverzeichnis hat sie es leider jedoch nicht geschafft. Die Fülle an Personen sorgt für Orientierungslosigkeit, was auch daran liegt, dass die Charaktere nicht konsistent sind; sie neigen zu sprunghaftem und oft irrationalem Verhalten. Dies kann natürlich ein Stilmittel sein, denn gegen Ende mehren sich Hinweise, dass Art (Sir Able) alles nur in einem Fiebertraum erlebt hat. Entsprechend verworren zu schreiben, ist jedoch alles andere als vergnüglich für den Leser!

Glänzen kann Wolfe mit vielen amüsanten und sehr märchenhaften Einfällen, die er stets untypisch und überraschend auflöst. Als Beispiel sei hier eine Kammer genannt, in der man seine verlorene Liebe finden kann. Able findet hier natürlich nichts, denn er liebt Disiri immer noch. Erneut gilt: Wer Überraschungen liebt, wird sie im Übermaß geboten bekommen, doch oft sind auch recht willkürlich und hemmen den Lesefluss. Einige Kapitel gingen mir sehr gegen den Strich, waren inhaltlich eher uninteressant und bis zum Ende nicht mit der schwächelnden Handlungsführung vereinbar.

Dass Wolfe sich so sehr auf bisherige Nebencharaktere konzentrierte statt auf den wesentlich interessanteren Sir Able, ist mir ein Rätsel. Able begleitete den Leser durch den ersten Band, und Wolfe zu folgen, ist des Öfteren sehr anstrengend. Warum dieser Wechsel? Mit diesen Eskapaden verwirrte er mich zu oft, teilweise veranlassten mich die entsprechenden Kapitel, das Buch tagelang zur Seite zu legen.

Fazit

Gene Wolfe bietet eine fantastische Welt mit viel Licht, aber auch viel Schatten. Wer einen zweiten „Herr der Ringe“ erwartet, da das Werk in der |Hobbit-Presse| des |Klett-Cotta|-Verlags erscheint, sollte sich entsprechende Vorstellungen abschminken. Wolfe ist Wolfe, und Wolfe ist eben etwas Einzigartiges. So wie er schreibt kein Anderer. Das mag für viele Fantasy-Fans Grund genug sein, es zu wagen, sich in seine faszinierenden Welten zu stürzen. Massenkompatibel sind diese allerdings nicht; wer sich vom üblichen Fantasyeinerlei jedoch gelangweilt zeigt, sollte Wolfe ruhig eine Chance geben, denn auf seine Art ist er eben unvergleichlich – leider im Guten wie im Schlechten.

Gebunden: 652 Seiten.
O-Titel: The Wizard. Book Two of the Wizard Knight (2004)
Aus dem Englischen von Jürgen Langowski.
ISBN-13: 9783608937763

www.klett-cotta.de

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