Wood, N. Lee – In Erwartung des Mahdi

Kriegsberichterstatter und Androiden

Ein spannender politischer Thriller, der auch eine gehörige Portion Action vorweisen kann. Parallelen zu den Vorgängen in Afghanistan 2001 drängen sich auf.

Die Autorin ist die Frau des Science-Fiction-Autors Norman Spinrad, der sich mit seiner Kritik an den Medien, der virtuellen Welt bzw. der katholischen Kirche [(„Deus X“) 1515 einen Namen gemacht hat. N. Lee Wood versteht sehr viel von der Arbeitsweise der modernen Medien, des Internet und der Gremien internationaler Politik.

_Handlung_

Die Amerikanerin arabischer Abstammung K. B. Sulaiman ist Anfang des 21. Jahrhunderts in einem ruhigen Schreibtisch-Job beschäftigt, als ihr Chef sie im Auftrag des US-Geheimdienstes wieder zurück in das Land ihrer schlimmsten Albträume schickt: Khuruchabja.

Zehn Jahre zuvor berichtete K. B. dort aus dem Bürgerkrieg, der eine Art dritter (aus heutiger Sicht vierter) Golfkrieg geworden war und in dem schließlich die Intervention der internationalen Truppen große Verluste unter der Zivilbevölkerung gefordert hatte. Seit damals wird K. B. als Heldin der Kriegsberichterstatter angesehen – genau wie Mark Arnett von CNN, der aus Bagdad berichtet hatte, als die Alliierten im zweiten Golfkrieg den Irak angriffen.

K. B.’s Job ist es, das Biokonstrukt Halton in die Leibwache des neuen Machthabers von Khuruchabja, Raschid, einzuschleusen. Der Rest sei Sache von Halton und dessen Dienstherrn, dem Geheimdienst, wird ihr gesagt. Das Biokonstrukt ist nach den neuesten Techniken geklont und mit Nanos ausgestattet worden. Wie sich zeigt, ist es seinem Ausbilder zu bedingungslosem Gehorsam verpflichtet.

Als K. B. im Bestimmungsland eintrifft, kommt natürlich alles anders als geplant. Sie steckt ihre Nase einmal zu tief in die mysteriöse Angelegenheit der streitenden politischen Parteien des Landes wie auch des US-Geheimdienstes und muss um ihr Leben rennen. Sie verbündet sich mit dem Biokonstrukt, das ebenfalls nach ausgeführtem Auftrag zur Vernichtung bestimmt ist. Sie verliebt sich und schläft mit Halton. Beide sind gejagte Außenseiter, doch mit etwas Glück erbeuten sie das Videoband mit der Aufnahme, die amerikanische Geheimdienstler und Haltons Doppelgänger beim Töten Raschids zeigt. Nun kann K. B. einen Deal machen. Die Bilder werden unter falschen Vorzeichen gezeigt – ironischerweise wird sie wieder einmal Kriegsheldin!

Wenig später zeigt sich in Khuruchabja ein Mahdi, ein geistig-religiöser Führer, der die Legitimation vorweisen kann, vom Erzengel Gabriel persönlich angekündigt worden zu sein. Dieser Engel war eine intelligente Holografie. Halton hatte sie auf einer Chip-Platine ins Land geschmuggelt. (Wunder sind machbar, Herr Nachbar!) Nun unterbreitet dieser neue Mahdi sehr interessante Vorschläge, die schließlich zu einer Stabilisierung des Nahen Ostens führen. Die Ironie dabei: Ausgerechnet die Israelis beschützen Khuruchabja vor seinen gierigen arabischen Nachbarn!

_Mein Eindruck_

Die Autorin verbindet ihre große, eindrucksvoll dargestellte Sachkenntnis mit einer spannenden Handlung, die von den zwei lebendig gezeichneten Hauptfiguren getragen wird. Vor allem K. B. Sulaiman ist eine Wucht: Ohne gewisse weibliche Attribute ausgestattet, reist sie als Mann verkleidet ins Land der arabischen Machos ein, stets in Angst vor Entdeckung. Sie ist einfach cool und tough. Ihre einzigartige Position erlaubt ihr genaue Beobachtungen der Situation der dort lebenden Frauen und Männer. So entstehen seltene Innenansichten eines uns fremd gewordenen Kulturkreises: des Islam und seiner arabischen Mitgliedsländer.

Halton ist als Biokonstrukt der Aufhänger für eine Horrorvision auf die Zukunft, in der Regierungen rechtlose menschliche Wesen auf Knopfdruck zeugen, modellieren, kopieren und wieder löschen können. Der Faschismus Hitlers war nichts dagegen. Dass genau dies gerade geschieht, weiß das Buch gut zu vermitteln.

Die Medien sind jedoch nur ein Werkzeug der Mächtigen. Ihr erstes Opfer ist – wie in jedem Krieg – die Wahrheit. Gezeigt wird nur, was bestimmten Interessen dient. Immerhin weist die Autorin mahnend darauf hin, wie die US-Militärs im zweiten Golfkrieg gegen Saddam Hussein die Videoaufnahmen manipuliert hatten. Sie hatten ihren Fehler aus dem Vietnamkrieg nicht wiederholt, aber die Medien trotzdem bedient: leider nur mit getürktem Material.

„In Erwartung des Mahdi“ ist ein Gewinn für den politisch interessierten Leser, in jeder Hinsicht.

|Originaltitel: Looking for the Mahdi, 1996
Aus dem Englischen übertragen von Walter Brumm|

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