Ying, Hong – Pfau weint, Der

Hong Yings „Der Pfau weint“ verbindet die Schicksale von drei Frauen verschiedener Generationen untereinander und taucht dabei tief in die Geschichte des Landes ein.

Die Wissenschaftlerin Liu Cui ist mit Li verheiratet, welcher Direktor des großen Jangtsestaudammprojekts ist und den sie so gut wie nie sieht. Eines Tages schickt er ihr ein Geschenk. Ein teures Parfüm, obwohl er ihr noch nie Geschenke geschickt hat. Sie versteht nicht, was das soll, doch ihre praktische Mutter hat sofort eine Lösung parat: Das Geschenk ist eine Herausforderung, um zu sehen, ob Liu immer noch eine Frau ist, die sich für ihren Mann interessiert. Ihre Mutter drängt sie, zum Jangtse zu fahren und Li zu besuchen, doch als sie dort ankommt, muss sie die bittere Erkenntnis akzeptieren, dass ihr Mann sie betrügt.

Sie hält es nicht länger an diesem Ort aus und fährt stattdessen zum Kreis Liang, wo sie geboren wurde. Aufgewachsen ist sie allerdings in der Stadt und die Umstände ihrer Geburt kennt sie nicht. Auf Bitte ihrer Mutter besucht sie deren alte Freundin Tante Chen, zu der sie seit Jahren keinen Kontakt mehr hat. Doch während Lius Mutter das dankbare Leben der Pekinger Mittelschicht führt, schlägt sich Tante Chen mit Armut herum. Liu ist geschockt, in welchen Zuständen die Freundin ihrer Mutter lebt, doch als Tante Chen beginnt, aus der gemeinsamen Vergangenheit zu erzählen, ist Liu noch geschockter.

Denn plötzlich wandelt sich das Bild, das sie von ihrem Vater, der damals Präfekt des Kreises war, hat, und gleichzeitig geschehen Dinge im Kreis Liang, die zudem den Glauben an ihren Ehemann erschüttern. Der Kreis Liang liegt nämlich in dem Bereich, der in ein paar Monaten von den Fluten des Jangtse verschlungen werden wird, doch die Dorfbewohner sind alles andere als einverstanden damit …

Das Verbinden von Geschichte und Neuzeit durch das tragische Schicksal eines kleinen Menschen, der zu jung ist, um die Begleitumstände zu verstehen, ist sicherlich nichts Neues. Allerdings gibt es eine lange Liste von Autoren, die es besser gemacht haben als Hong Ying.

Es beginnt schon damit, dass der Grund, warum Liu an den Stausee fährt, an den Haaren herbeigezogen ist. Mir erschließt sich, um ehrlich zu sein, nicht, wie ein Parfüm ein Hinweis darauf sein kann, dass der Ehemann fremdgeht. Der Roman baut also auf sehr unsicherem Gelände auf.

Was folgt, ist auch nicht gerade mit Spannung geschwängert. Abgesehen davon, dass es dem Buch an Emotionalität fehlt und es leblos wirkt, ist die Handlung an vielen Stellen sehr fade. Es kommt selten Spannung auf, einige Elemente sind nicht nachvollziehbar und die Absicht, die hinter der Geschichte steckt, nämlich die Schicksale dreier Frauen im Kreis Liang literarisch darzustellen, ist kaum erkennbar.

Die bereits erwähnte Leblosigkeit findet man nicht nur in der Handlung. Auch die Personen selbst wirken blutleer und scheinen keine wirklichen Gefühle zu besitzen. Liu Cui präsentiert sich als prüde Ehefrau, die nur wenige Interessen hat und deren Wut auf ihren Mann wirkt wie Wattebauschwerfen. Hong Ying gelingt es nicht, den Protagonisten authentische Ecken und Kanten zu verpassen. Selbst Tante Chen, von der man denken könnte, sie wäre nach all den Jahren von der Armut gezeichnet, wirkt merkwürdig oberflächlich. Ähnliches gilt für Liu Cuis Mutter, die Dritte im Bunde, deren aktive Rolle allerdings sehr klein gehalten ist.

Der Schreibstil Yings erinnert an den typisch asiatischen Prototyp: Glatt und uninteressant. Sie benutzt ein gehobeneres Vokabular, das sie manchmal in umständliche Satzbauten einbettet. Metaphern wie „Der Himmel war plötzlich bleich wie die Augen eines toten Fisches.“ (Seite 89) oder „Das Fenster war wie bestickt mit Millionen Wasserperlen …“ (Seite 44) wirken sich nicht gerade positiv aufs Gesamtbild aus, ebensowenig wie die teilweise sehr üppigen Beschreibungen.

„Der Pfau weint“ ist zwar handwerklich perfekt ausgearbeitet, wie sich in dem sauberen Schreibstil zeigt, aber genau das ist das Problem. Ein steriler Schreibstil ist nicht besonders gut geeignet, um Gefühle beim Leser hervorzurufen und auch nicht gerade das beste Fundament, um eine Geschichte spannend herüberzubringen. Da es in diesem Fall aber nichts Spannendes herüberzubringen gibt, kann man dieses Argument unter den Tisch fallen lassen.

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