Zatz, André / Halaban, Sergio – Hart an der Grenze

Neben den beiden Branchenprimussen [„Die Säulen der Erde“ 3072 und „Kampf um Rom“ hatte es „Hart an der Grenze“ auf der Liste der Neuveröffentlichungen vom |Kosmos|-Spieleverlag in diesem Jahr ziemlich schwer und wurde vor allem auf der Messe in Essen kaum beachtet. Dabei hätte das kurzweilige Spiel aus der Feder von André Zatz und Sergio Halaban definitiv etwas mehr Aufmerksamkeit verdient, denn auch wenn hier (im Gegensatz zu den genannten Titeln) keine Materialschlacht ausgetragen wird, so überzeugt „Hart an der Grenze“ immer noch durch eine gelungene, wenn auch auf ähnliche Art und Weise bereits bewährte Spielidee, die besonders in der größeren Gruppe ein echter Garant für langen Spielspaß ist.

_Spielidee_

Im mexikanischen Grenzgebiet kann man so manche illegale Ware erstehen. Seien es nun goldene Statuen, zollpflichtige Zigarren oder eben doch hochprozentiger Tequila – die Bandbreite der verbotenen Güter, die man zwischen Krügen, Maracas und Sombreros über die Grenze schmuggeln kann, ist recht groß und lädt geradezu dazu ein, den Zöllner zu betrügen, schließlich winkt jenseits der Grenze ein satter Erlös. Aber wehe, man wird vom Sheriff erwischt! Dann nämlich werden die Waren beschlagnahmt und der Schmuggel mit einer empfindlichen Geldstrafe belegt. Es sei denn, der Sheriff lässt sich mit Hilfe von ein wenig Kleingeld vom Gegenteil überzeugen …

_Spielmaterial_

• 100 Geldscheine in den Werten von 1-100 Dollar
• 139 Warenkarten
• 1 Übersichtskarte
• 6 Spielsteine Beschlagnahme
• 6 Spielsteine Zusatzkontrolle
• 6 verschiedene Reisekoffer
• 1 Sheriff-Stern

Bei den Spielmaterialien haben sich die Entwickler nicht lumpen lassen, wobei natürlich zunächst die schmucken Blechdosen (Reisekoffer) ins Auge stechen, auf denen neben verschiedenen Mustern auch eine Catan-Hommage abgebildet ist. Dem entgegen ist das Spielgeld eher mäßig aufgemacht und erinnert qualitativ leider an das schnell abgenutzte Zahlungsmittel von „Monopoly“. Auch der Sheriff-Stern, der an einer Wäscheklammer haftet, ist eher mäßig verarbeitet und wird mit Sicherheit auf lange Sicht kein ständiger Begleiter sein. Spielsteine und Karten sind indes qualitativer |Kosmos|-Standard, weshalb es diesbezüglich auch nichts zu meckern gibt.

_Spielziel_

Das Ziel des Spiels ist ganz einfach definiert; es gilt, so viele Waren wie möglich legal oder illegal über die Grenze zu bringen und sich an den entsprechenden Zahltagen dafür entlohnen zu lassen. Wer nach insgesamt drei Runden die meisten Dollars verdient hat, gewinnt das Spiel.

_Vorbereitungen_

Die Warenkarten werden gründlich gemischt und verdeckt auf den Tisch gelegt. Jeder Spieler zieht nun fünf Karten, die anschließend sein Handkontingent bilden. Weiterhin bekommt jeder 30 Dollar, einen Reisekoffer sowie einen roten Spielstein „Beschlagnahme“. Sollten fünf oder sechs Spieler an der Partie beteiligt sein, wird außerdem noch an jeden Spieler jeweils ein weißer Spielstein „Zusatzkontrolle“ ausgegeben. In die Mitte des Tisches wird nun noch die Übersichtstafel für alle Spieler klar sichtbar ausgelegt. Anschließend wird der ehrlichste Spieler bestimmt, der dann den Sheriff-Stern erhält und somit zum Startspieler erklärt wird.

_Die Warenkarten_

Die Warenkarten sind das wichtigste aktive Spielmittel in „Hart an der Grenze“ und werden unterteilt in legale und illegale Waren. Ihr Status ist entscheidend für den Fall, dass man beim Schmuggeln erwischt wird, denn wenn man falsch bezichtigt wird, erhält man für den legalen Transport der zuvor angesagten Warenkarten eine finanzielle Entschädigung. Andererseits fällt die Strafe für fälschlich angesagte legale Waren nicht ganz so empfindlich aus. Wird man indes beim Schmuggel von Zigarren, Tequila oder einer Status erwischt, ist die Strafe richtig saftig.

Genau umgekehrt sieht es natürlich mit dem Wert aus; illegale Waren machen sich bei den Abrechnungen zum Schluss einer Runde viel besser und bringen einen weitaus höheren Erlös. Sombreros, Maracas und Krüge hingegen sind nicht so gefragt und werden dementsprechend schlechter bezahlt.

Auf den Karten sowie auf der Übersichtstafel steht noch einmal genau aufgelistet, welche Strafen/Entschädigungen fällig sind, wenn der Sheriff den Schmuggler durchsucht.

_Der Spielverlauf_

Der Verlauf eines Spiels ist abhängig von der Spielerzahl. „Hart an der Grenze“ kann von drei bis sechs Spielern gespielt werden, wobei eine wachsende Spielerzahl auch die Spielzeit verlängert, weil nämlich jedwede Variante über genau drei Runden geht und jeder Spieler pro Runde einmal die Rolle des Sheriffs übernommen haben muss.

Eine Runde ist dabei so aufgebaut, dass von Spielzug zu Spielzug der Sheriff-Stern an den linken Nachbarn weitergegeben wird, bis ihn schließlich jeder einmal getragen hat. Sobald der Stern einmal reihum durchgelaufen ist, folgt eine Wertung, in der jeder Spieler nun seine geschmuggelten Gegenstände verkaufen kann. Er hat jedoch die Möglichkeit, pro Runde bis zu drei Gegenstände zurückzuhalten, die er eventuell zum Ende für den doppelten Wert verkaufen kann. Allerdings muss er hierbei (mit einem Blick auf die Übersichtstafel in seinem Reisekoffer) beachten, dass am Schluss nur eine vorgeschriebene Gesamtzahl der verschiedenen Waren zum doppelten Preis abgesetzt werden kann und man eventuell auf seinen Waren sitzen bleibt.

_Ein Spielzug_

Vor jedem Zug füllen die Spieler ihr Handkartenkontingent wieder auf den Anfangswert von fünf Karten auf. Der Sheriff-Spieler steckt sich den Stern an die Brust und legt seine Handkarten verdeckt ab, weil er sie in diesem Zug nicht mehr brauchen wird. Dann wählen die anderen Spieler eine bis fünf Karten aus ihrer Hand aus und legen sie geheim in ihren Koffer, der daraufhin wieder verschlossen wird. Beginnend beim Spieler links neben dem Sheriff sagt nun jeder an, wie viele Warenkarten er in den Koffer gelegt hat, ganz unabhängig davon, ob dies auch der Wahrheit entspricht. Weiterhin darf er nur eine Warenart (und dazu natürlich eine legale) ansagen. Befinden sich zum Beispiel zwei Krüge und zwei Maracas in seinem Koffer, sagt er lediglich die beiden Krüge oder eben die Maracas an.

Sobald alle Spieler ihre Waren angesagt haben, muss sich der Sheriff für einen von ihnen entscheiden und ihm den Befehl erteilen, seinen Koffer zu öffnen. Natürlich wählt er dabei den Spieler mit der unglaubwürdigsten Ansage aus. Dieser muss nun alle Karten aus seinem Koffer nehmen und sie dem Sheriff zur Kontrolle reichen. Allerdings kann er dem auch vorbeugen, indem er mit dem Sheriff über ein Bestechungsgeld verhandelt, welches ihn eventuell vor Schlimmerem bewahrt. Dies ist auch die einzige Möglichkeit für den Sheriff, in dieser Runde zu Geld zu kommen. Lässt sich der Sheriff darauf ein, wird der vereinbarte Betrag gezahlt und der Zug beendet. Kommt es hingegen tatsächlich zur Kontrolle, wird der Wahrheitsgehalt der Ansage überprüft und danach entweder Straf- oder Entschädigungsgeld gezahlt. Bei einer Übereinstimmung mit der Ansage darf der Spieler alle transferierten Waren behalten und hinter seinen Koffer legen. Sollte er betrogen haben, muss er die falsch angesagten Wagen auf den Ablagestapel legen. Alle Gegenstände, die jedoch mit der Ansage übereinstimmten, dürfen ebenfalls hinter den Koffer gelegt und behalten werden. Wenn der Sheriff sich allerdings nicht sicher sein sollte, ob überhaupt jemand gesetzeswidrig gehandelt hat, kann er auch ganz auf die Kontrolle verzichten.

Der Sheriff hat zudem noch eine einmalige Zusatzoption. Glaubt er, dass ein Mitspieler extrem viele Waren bei der Ansage verschwiegen hat, kann er seinen „Beschlagnahme“-Spielstein einsetzen, die im Koffer abgelegten Karten des Spielers durchsehen und alle falsch angesagten Waren zu den bereits gesammelten Waren hinter seinen Koffer legen. Die Karten, die mit der Ansage des Gegners übereinstimmten, bleiben auch in dessen Besitz. Beim Spiel zu fünft oder sechst darf der Sheriff außerdem einmalig eine Zusatzkontrolle durchführen und bei dringendem Tatverdacht eine zweite Kontrolle bei einem anderen Spieler durchführen.

Nach beiden Aktionen wandern die Spielsteine im Anschluss in die Spielschachtel zurück und können in der laufenden Partie nicht mehr verwendet werden.

_Das Ende einer Runde_

Sobald jeder Spieler einmal den Posten des Sheriffs bekleidet hat, ist eine Runde zu Ende. Die Spieler entscheiden nun, ob sie alle Waren sofort verkaufen möchten oder doch lieber noch den einen oder anderen Gegenstand für später bewahren wollen, weil er eventuell noch zum doppelten Preis verkauft werden könnte. Sollte er einen solchen Entschluss fassen, werden diese Karten – maximal drei pro Runde – bis zum Spielende unter dem Reisekoffer aufbewahrt. Die restlichen Waren werden anschließend gegen Bargeld umgetauscht und auf den Ablagestapel gelegt.

Dann wird die nächste Runde eingeläutet, und zwar vom ärmsten Spieler, der nun entscheiden darf, wer in der nächsten Runde als Erster den Sheriff mimen darf. Letzterer steckt seinen Stern an, die übrigen füllen ihre Handkarten auf, und das Procedere wiederholt sich.

_Spielende_

Nach genau drei Runden, in denen jeder jeweils einmal (im Spiel zu dritt jeweils zweimal) Sheriff gewesen ist, endet das Spiel sofort. Die anschließende Wertung ist ein wenig umfassender, weil jetzt nicht nur wie gehabt die neuen Schmugglerwaren in Bargeld umgesetzt werden, sondern auch noch entschieden wird, wer seine zurückgelegten Waren zum doppelten Preis verkaufen darf. Je nach Spielerzahl ist dies genau festgelegt. Beginnend mit jeweils demjenigen, der von einer Warenart die meisten Anteile besitzt, wird nun der Verkauf betrieben. Wird die Maximalmenge von ihm bereits erreicht, darf kein anderer mehr die betreffenden Waren verkaufen. Ansonsten geht es reihum weiter, bis die zulässigen Höchstwerte erreicht werden.

Als Letztes wird nun der Gesamtbetrag des erwirtschafteten Geldes gezählt und der Sieger – natürlich der mit dem besten Kontostand – ermittelt.

_Meine Meinung_

„Hart an der Grenze“ ist vom Prinzip her ein sehr schlichtes Spiel, in dem es nicht nur darum geht, den Sheriff durch cooles Bluffen in die Irre zu führen, sondern dabei auch noch möglichst viele Waren unangekündigt über die Grenze zu schmuggeln, wobei der Schwierigkeitsgrad je nach Spielmodus doch weit auseinanderklafft. Bei maximaler Spielerzahl ist es zum Beispiel recht einfach, des Öfteren auch illegale Waren in seinen Koffer zu packen, wohingegen die Drei-Spieler-Variante wegen der 50:50-Chance des Sheriffs schon gewieftes Taktieren voraussetzt, weil man natürlich statistisch öfter kontrolliert wird.

Dies ist aber auch der Grund, warum „Hart an der Grenze“ bei der Mindestspielerzahl nicht ganz so viel Spaß macht wie bei fünf oder sechs Mitwirkenden, wo außerdem noch weitere Optionen wie etwa der Spielstein „Zusatzkontrolle“ genutzt werden darf. Es ist nämlich in diesem Spiel auch so, dass man nicht nur die Reaktion des Sheriffs berücksichtigen, sondern sich auch intuitiv in die übrigen Gegenspieler hineinversetzen muss, um so abzuschätzen, welcher Bluff im nächsten Spielzug angebracht ist – und das macht die Sache bei jedem weiteren Spieler noch interessanter, aber eben auch schwieriger.

Umgekehrt ist der Sheriff natürlich auch immer wieder in der Bredouille. Bei maximal fünf Gegenspielern hat er zahlreiche Möglichkeiten und gerät dabei auch unter Druck, bloß keinen falschen Verdacht zu äußern, weil es sicherlich in jeder Runde Mitspieler gibt, die bei ihren Ansagen der Wahrheit fernbleiben. Dies ist bei drei Spielern wiederum nicht so schlimm, denn wie bereits erwähnt, die Chancen stehen hier 50:50, es sei denn, keiner der Gegner hat sich dazu entschlossen, illegal zu handeln.

Aber mal abgesehen von der Spielerzahl macht „Hart an der Grenze“ auf jeden Fall richtig Spaß und zeichnet sich abgesehen von der witzigen graphischen Gestaltung der Spielmaterialien vor allem durch ein hohes Maß an Kommunikationsaktivität aus. Richtig schön wird dies, wenn der erwischte Schmuggler den Sheriff mit Bestechungsgeld schmieren möchte, woraufhin meist eine hitzige, von Humor geprägte Diskussion entbrennt, die dem Spiel das nötige Feuer verleiht. Zwar ist die Spieltiefe recht begrenzt, weil der Ablauf sich von Partie zu Partie immer recht stark ähneln wird, und dennoch gilt es immer wieder von neuem, seine Gegner zu analysieren und ihnen einige Zweifel zu entlocken, die sie beim Falschspiel entlarven.

Dass „Hart an der Grenze“ nicht so groß angepriesen wurde wie meinetwegen „Die Säulen der Erde“, ist aufgrund des teils bekannten Spielablaufs natürlich verständlich, doch verstecken muss sich dieses lustige, unterhaltsame Spiel sicher nicht. Zum entspannenden Abschluss oder zur Auflockerung eines monumentalen Spieleabends ist dieses Spiel wegen seines simplen, leicht verständlichen Prinzips jedenfalls fabelhaft geeignet.

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