Ace Atkins – Robert B. Parker’s Old Black Magic. Ein Spenser-Krimi (Nr. 47)

Kunstkrieg: Spenser gerät zwischen die Fronten

Aus dem Winthrop Museum in Boston wurden vor rund 20 Jahren drei Bilder gestohlen. Davon ist allein der Gentleman in Black von El Greco mindestens 70 Millionen wert. In der Gangsterszene war der Raub legendär, doch nun mischt sich Spenser ein. Er wird von der Museumsdirektion beauftragt, die Bilder wiederzubeschaffen. Da die Belohnung allein schon fünf Millionen beträgt, werden einige zwielichtige Gestalten hellhörig – Spenser steht ihnen im Weg. Kann ihm sein alter Freund Vinnie Morris helfen, am Leben zu bleiben?

Die Autoren

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gestorben 2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 60 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine neun Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird regelmäßig vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur, der 1971 über die Schwarze Serie promovierte, lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Ace Atkins ist der Autor von elf Romanen, darunter „White Shadow“, „Wicked City“, „Devil’s Garden“ und „Infamous“, die auf wahren Fällen basieren. Er ist auch der Schöpfer der Quinn-Colson-Serie. Michael Connelly hat Atkins „einen der besten Krimischriftsteller“ genannt, „die heute arbeiten“. Atkins lebt auf einer Farm außerhalb von Oxford, Mississippi. Mehr Info: www.aceatkins.com.

Nick Travers Reihe

Crossroad Blues (1998)
Leavin‘ Trunk Blues (2000)
Dark End of the Street (2002)
Dirty South (2004)

Quinn Colson Reihe

The Ranger (2011)
The Lost Ones (2012)
The Broken Places (2013)
The Forsaken (2014)
The Redeemers (2015)
The Innocents (2016)
The Fallen (2017)
The Sinners (2018)
The Shameless (2019)
The Revelators (2020)

Robert B. Parker’s Spenser

Robert B. Parker’s Lullaby (2012)
Robert B. Parker’s Wonderland (2013)
Robert B. Parker’s Cheap Shot (2014)
Robert B. Parker’s Kickback (2015)
Robert B. Parker’s Slow Burn (2016)
Robert B. Parker’s Little White Lies (2017)
Robert B. Parker’s Old Black Magic (2018)
Robert B. Parker’s Angel Eyes (2019)
Robert B. Parker’s Someone To Watch Over Me (2020)

Einzelromane

White Shadow (2006)
Wicked City (2008)
Devil’s Garden (2009)
Infamous (2010)

Handlung

Der alte Privatdetektiv Locke bittet Spenser um einen letzten Gefallen, bevor er selbst den Löffel abgibt. Es gibt seit 20 Jahren einen ungelösten Fall in seiner Laufbahn, nämlich den Raub dreier Bilder aus dem Bostoner Winthrop Museum: ein Picasso, ein Goya und – das Prunkstück – ein unbezahlbarer El Greco. Marjorie Ward Phillips, die Leiterin des Verwaltungsrates des Museum, gehe demnächst in den Ruhestand und wünsche sich nichts sehnlicher, als dass die Bilder ins Museum zurückkehrten. Natürlich würden sie Spenser bezahlen.

Doch wenn es um die Bezahlung von Privatschnüfflern, kennt Thompsons Gegenspieler im Verwaltungsrat, ein seltsam gekleideter Mann mit dem noch seltsameren (literarischen) Namen Topper keine Gnade. Er würde am liebsten gar keine Schnüffler engagieren. Vermutlich fallen für ihn gestohlene Gemälde wieder vom Himmel. Topper ist Spenser sofort unsympathisch, doch auch Marjorie – „Large Marj“ – hat eine dunkle Seite, wie er bald merken wird. Sie berichten lediglich von Briefen, die aber wenig sinnvoll sind: Es fehlt eine Lösegeldforderung. Als erste Maßnahme hat das Museum einen Detektiv aus England angeheuert, einen gewissen Paul Marston. Wie sich herausstellt, beschattet er Spenser, seinen Rivalen.

Allein schon die Schilderung des Tathergangs kommt Spenser echt spanisch vor. Die Räuber sollen sich als Polizisten verkleidet haben und wurden folglich brav eingelassen, obwohl es schon Mitternacht war. Einer der beiden Amateurwärter wurde niedergeschlagen, der andere mit einer Waffe „überredet“. Nun beginnt sich Spenser umzuhören. Einer der beiden Wärter wurde offenbar von einer attraktiven Lady bezirzt, die sein Museum ausbaldowerte. Sie arbeitete in einer College Bar, die einem gewissen Eddie, der möglicherweise für eine der beiden Gangsterbanden von Boston arbeitete: die De Marcos und die Morellis.

Spenser fragt seinen alten Freund Vinnie Morris, der früher mal der Mann fürs Grobe beim Gangsterkönig Gino Fish war. Der leider inzwischen verblichene Gino war ein wahrer Freund der Kunst, doch mit dem Raub im Winthrop hatte er wohl nichts zu tun. Doch wie steht es mit Ginos homosexuellen Assistenten Alan Garner? Wie sich herausstellt, ist Garner in zwielichtige Geschäfte verwickelt, die er mit hochpreisigen Kunsthändlern und -galerien betreibt. Garner behauptet, er habe mindestens eines der Bilder. Das macht Spenser hellhörig. Als Garner ihn auf einen Mitternachtsausflug zu einer Einlagerungsfirma mitnimmt, kann Spenser den El Greco mit eigenen Augen sehen – und darf sogar ein paar Pigmente abkratzen: der Beweis der Echtheit.

Am nächsten Tag findet man Alan Garner mausetot bei seinem Hauptkunden auf. Auf einmal interessiert sich die Bostoner Polizei und ihre neue Präsidentin sehr für Spensers Privatunternehmungen. Dieser Fall zeiht offenbar immer größere Kreise. Höchste Zeit, mal Epstein vom FBI anzurufen. Tatsächlich hat Epstein einen Tipp: Einer der drei Räuber von damals befindet sich in einem Zeugenschutzprogramm. Kein Wunder, dass keiner ihn finden kann. Zusammen mit Vinnie unternimmt Spenser einen Ausflug nach Memphis, Tennessee. Graceland, here I come!

Mein Eindruck

Die Vergangenheit ist längst nicht so vergangen, wie das manchen Leuten lieb wäre. Das muss auch Spenser feststellen, als er nach den drei Bildern sucht. Die neu ausgesetzte Belohnung lockt die Gangster von damals an wie die Fliegen, und bevor es sich der Privatdetektiv versieht, gerät er zwischen die Fronten der Morellis und De Marcos. Als ihm die Zeit ausgeht, sieht er sich mit seinem schlimmsten Alptraum konfrontiert: Er wird mitten in der Nacht entführt und an einen einsamen Friedhof am Ufer des Mystic River transportiert. Er hätte dem zwielichtigen Kunsthändler einfach nicht trauen dürfen.

Obwohl er Vinnie und dessen bewaffnete Männer im Hintergrund weiß, kommt ihm der plötzliche Shootout zwischen den Morellis und den DeMarcos doch recht ungelegen. Grabsteine bieten nämlich gegen blaue Bohnen reichlich wenig Deckung. Glücklicherweise stellen diese Tatsache auch seine Gegner fest, als Vinnie sie unter Feuer nimmt. Vielleicht gibt es doch ein Morgen für Spenser, seine Freundin Susan Silverman und Pearl, den Wunderhund.

Textschwächen

S. 187: „as if [it] was a natural extension.“ Das Wörtchen „it“ fehlt.

S. 271: „Biscuits and barbecue never killed anymore.“ Diese Abwandlung einer Redensart sollte nicht mit „anymore“, sondern mit „anyone“ enden, um einen Sinn zu ergeben.

Unterm Strich

Ich habe als alter Parker-Fan das Buch in wenigen Tagen verschlungen. Der fast nur aus Dialog bestehende 47. Spenser-Krimi bietet dem Fan von Robert B. Parker alles, was sein Herz begehrt. Eine schnüffelnde Rundum-Tour durch die Hintergassen und Chefetagen von Spensers Heimatstadt macht den Anfang. Die alten Kämpen sind wieder mit von der Partie: Vinnie Morris, Belson vom BPD, Epstein vom FBI – und natürlich die unvergleichliche Rechtsanwältin Rita Fiore (die auch mal mit einem gewissen Jesse Stone getändelt hat). Dass Harry Cimoli in Spensers bevorzugtem Fitnessklub ihn immer noch zur Schnecke, wundert keinen: So war es schon immer. Fehlt eigentlich nur Hawk, doch der habe, sagt Harry, in Südamerika zu tun.

Wie hat sich doch Boston in zwanzig Jahren gewandelt, sinniert Spenser ein ums andere Mal. Die alten Granden der Gangsterwelt sind abgetreten – oder ins Jenseits befördert worden. Ihre Erben können ihnen nicht mal das Wasser reichen: Schrotthändler der übelsten Sorte. Aber auch die Cops sind nicht mehr, was sie mal waren. Die beiden Polizisten, die am Tatabend des Raubs die Vernehmungen durchführten, haben erkannt, dass sich Verbrechen wesentlich besser auszahlt als ehrliche Arbeit bis zur Pension.

Im Mittelpunkt steht das Thema Kunst: der Handel damit, die Ausstellungen, die Fälschungen, der Raub. Wie der Autor im Nachwort schreibt, stützte er sich auf einen Tatsachenbericht – es gab also ein Vorbild: „the Gardner heist“. Zweitens gibt es ein kenntnisreiches Sachbuch zum Thema Kunstraub und -fälschung: „Master Thieves“ (ein doppeldeutiger Titel). Es ist wie jeder lukrative Handel eine Schattenwelt, in der der Schein mehr zählt als das Sein.

Dies belegt der alte Meister selbst: El Grecos „Gentleman in Black“ starrt den Betrachter mit einem stechenden Blick. Schließlich war Don Silva y Ribera mal der Schlossverwalter von König Philipps Palast in Sevilla, dem weltbekannten Alcazar. Sein Blick ist auf einmal stumpf und leer, findet Spenser, als er die gerettete Leinwand betrachtet. „Wie interessant“, sagt Mrs. Phillips nur. Hauptsache, sie hat irgendeine Version dieses El Greco zurück, erkennt Spenser mit gelindem Schock. Das verdankt sie wohl der titelgebenden „alten Magie“ des „Gentleman in Black“ – oder der Gutgläubigkeit amerikanischer Kunstbanausen. Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten zählt eben mehr der Schein als das Sein. Nur Spenser ist das wahre, echte Original.

Hardcover: 321 Seiten
Originaltitel: Old Black Magic, 2018
ISBN-13: 9780399177019

www.Penguin.com

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