Ace Atkins – Robert B. Parkers Slow Burn. A Spenser Novel (Spenser Nr. 45)

Feuerteufel am Werk: Boston soll brennen!

Eine Serie von Brandstiftungen in Boston bringt sowohl die Feuerwehr als auch die Polizei in Bedrängnis. Drei Feuerwehrleute sterben in einer alten Kirche, doch kein Tatverdächtiger wird gefunden. Jack McGee, ein ehemaliger Feuerwehrmann, bittet Privatdetektiv Spenser um Hilfe. Der stößt auf einige Ungereimtheiten, Geheimnisse – und ein Wespennest von Gangstern.

Als seine eigene Wohnung abgefackelt wird, zieht er andere Saiten auf. Zusammen mit seinen Freunden Zebulon Sixkill, einem Cree-Indianer, und Hawk, dem Profikiller mit dem stilsicheren Auftritt, heizt er sowohl den Brandstiftern als auch einem der Gangster ein. Schon bald hagelt es Morddrohungen…

Die Autoren

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 60 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine neun Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird regelmäßig vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur, der 1971 über die Schwarze Serie promovierte, lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Ace Atkins ist der Autor von elf Romanen, darunter „White Shadow“, „Wicked City“, „Devil’s Garden“ und „Infamous“, die auf wahren Fällen basieren. Er ist auch der Schöpfer der Quinn-Colson-Serie. Michael Connelly hat Atkins „einen der besten Krimischriftsteller“ genannt, „die heute arbeiten“. Atkins lebt auf einer Farm außerhalb von Oxford, Mississippi. Mehr Info: www.aceatkins.com.

Die Spenser-Reihe (deutsch bei Pendragon)

1) Trügerisches Bild (The Godwulf Manuscript)
2) Die blonde Witwe (Widow’s Walk)
3) Der stille Schüler (School Days)
4) Raues Wetter (Rough Weather)
5) Hundert-Dollar-Baby (Hundred Dollar Baby)
6) Der gute Terrorist (The professional)
7) Spenser und der Cree-Indianer (Sixkill)

Und viele mehr. Die Reihe, die Parker schrieb, ist komplett übersetzt worden.

Von Ace Atkins:

1) Lullaby (2012)
2) Wonderland (2013)
3) Cheap Shot (2014)
4) Kickback (2015)
5) Slow Burn (2016)
6) Little White Lies (2017)
7) Old Black Magic (2018)
8) Angel Eyes (2019)

Handlung

Jack McGee, ein ehemaliger Feuerwehrmann in Boston, bittet Privatdetektiv Spenser um seine Hilfe. Vor knapp einem halben Jahr ist eine alte katholische Kirche ausgebrannt, und in dem flammenden Inferno kamen drei Feuerbekämpfer ums Leben, nur ein weiterer überlebte knapp. McGee ist überzeugt, dass es sich um Brandstiftung handelte, weil das Feuer gleichzeitig an zwei verschiedenen Stellen ausbrach und so die Feuerwehrmänner zwischen die Fronten gerieten. Der vierte Mann schied aus dem Dienst aus und vegetiert seitdem vor sich hin.

Allerdings gibt niemand viel auf McGees Ansichten, und Cahill, der Leiter der Brandstiftungsabteilung der Boston-Polizei schon gar nicht. Aber er gibt wenigstens zu, dass es ein Ü-Video gibt. In dem grieseligen Pixelsturm ist eine kleine Gestalt zu sehen, die von der Kirche fortläuft. Eine Identität ist nicht festzustellen. Rob Featherstone, der Leiter des Feuerwehrmuseums und Mitglied des offiziellen Fanklubs der Feuerwehr, kann nur wenig beitragen, aber er will sich umhören.

McGees aktueller Anlass, sich an Spenser zu wenden, ist der Beginn einer Serie von Brandstiftungen in der gesamten Region Boston. Hier will jemand der Feuerwehr den Stinkefinger zeigen: Ihr seid völlige Versager! Will sich jemand dafür rächen, dass er nicht in diesen elitären Kreis von Profis aufgenommen wurde? Der Verdacht liegt nahe, aber Kandidaten gibt es viele. Auch der Überlebende des Kirchenbrandes trägt nur wenig mehr bei außer Verdachtsmomenten.

Unterwelt

Spenser hat viele Kontakte zur Unterwelt in Boston. Immer wieder gibt es Revierkämpfe zwischen neuen und alten Gangstern. Der aggressivste unter ihnen scheint Jackie DeMarco zu sein. Diesem hässlichen Gnom würde Spenser sogar das Anzünden einer Kirche zutrauen. Jackie lässt Spenser eine ernste Warnung zukommen, seine Nase woanders reinzustecken: eine handfeste Prügelei im Bauernmarkt ist die Botschaft und Folge. Das sieht man im Polizeipräsidium unter Captain Glass, der ersten Frau in dieser Position, gar nicht gern. Und in Gestalt von Frank Belson schaltet sich ein alter Bekannter aus der Kripo ein.

Weitere Opfer

Als Rob Featherstone mit zwei Kugeln im Kopf und zwei im Rücken unter einer Brücke gefunden wird, ahnt Spenser, dass die Gegenseite es ernstmeint. Weil er die Warnung ignoriert, sondern auf eine Briefserie von einem „Mister Firebug“ und auf etliche Videoaufnahmen aus dem Fanklub der Feuerwehr stößt, erhält er eine heftigere Warnung: Seine schöne Wohnung wird Opfer der Brandstiftung. Seine Lebensgefährtin Susan Silverman nimmt ihn zwar auf, aber nicht auf Dauer. Die Psychotherapeutin hat neben an ihre Praxis und somit feste Geschäftszeiten.

Spenser bekommt Schützenhilfe von Hawk, den stilsicheren Profikiller, und Zebulon Sixkill, dem Cree-Indianer aus Montana, für den er ein Mentor gewesen ist. Diese Hilfe wird Spenser dringend brauchen. Jackie DeMarco erklärt ihm den Krieg, als Spenser eine seiner Drogenspelunken ausräumt und im Gegenzug ein Ü-Video verlangt. Und die drei verdächtigen Brandstifter bekommen ihrerseits nervöse Zeigefinger, als ihnen Spenser und die Cops auf die Pelle rücken…

Mein Eindruck

Ace Atkins schreibt die Spenser-Krimiserie stilsicher fort, aber auch er muss einsehen, dass mit seinem Helden etwas passieren muss: Das Leben bedeutet Wandel, und daher ergeben sich in dieser Folge der Serie einige einschneidende Veränderungen: Spenser verliert seine Wohnung und sein Zögling Zebulon „Z“ Sixkill verlässt die Stadt, um in LA auf eigenen Füßen zu stehen. Wenigstens kann er weiterhin auf Susan, Hawk und Henry Cimoli, den Besitzer seines Sportstudios, zählen.

Wandel ist die einzige Konstante. Das denken sich wohl auch die drei Feuerteufel, die in Boston ein Lagerhaus nach dem anderen abfackeln. 80 haben sie bereits geschafft, aber es bleiben noch eine Menge übrig: verrottende Gebäude, manche davon als Kaution beschlagnahmt, manche einfach vergessen, manche vernachlässigt – ähnlich wie jene katholische Kirche im Bostoner Southend, bei der alles anfängt.

Ursünde

Nicht ohne guten Grund, wie Spenser herausfindet. Johnny Donovan, der hier zuschlägt, hat ein ganz besonderes Verhältnis zu dieser Kirche. Hier wurde er als Junge von einem Priester missbraucht, nun übt er Vergeltung. Dieser geistliche Sachverhalt wird im Buch leider nicht vertieft, ob aus Rücksicht auf die Leserschaft oder auf die Kirche, bleibt offen. Aber der OSCAR-prämierte Spielfilm „Spotlight“ legt den Hintergrund schonungslos offen. Über Jahrzehnte hinweg missbrauchten katholische Priester Mädchen wie Jungen, ohne dass sie bestraft wurden. Im Gegenteil: Ihre kirchlichen Vorgesetzten deckten ihre Verbrechen, indem sie sie einfach an andere Orte versetzten.

Nemesis

„Mister Firebug“ ist sozusagen die Flamme gewordene Nemesis für jene Verbrechen. Johnny Donovan ist ein Psychopath. Aber eine, der zwei ergeben Anhänger hat. Der junge Kevin sieht in ihm eine Vaterfigur, die alles richtig macht, auch wenn dabei manchmal sterben oder zu Schaden kommen. Spenser fragt seine Freundin Dr. Silverman um Rat, wie man eine Vaterfigur zerstört. Es ist alles andere als einfach. Der Dritte im Bunde ist nur ein Mitläufer, der tut, was man ihm sagt. Das Dumme dabei ist, dass er ein Polizist ist.

Johnnys Ziel besteht angeblich darin, der Bostoner Feuerwehr zu neuem Ansehen, neuem gerät und neuem Geld zu verhelfen. Es ist ja offensichtlich, wie groß der Bedarf an ihren Einsätzen ist. Vielleicht geht sein Plan ja auf, den Kevin unterstützt. Vielleicht ist er aber auch nur eine Ausrede.

Neue Gangster

Das alte Boston der achtziger und neunziger Jahre gibt es nicht mehr, wie Spenser teils wehmütig, teils ironisch feststellt. Die Patriarchen sind alle unter der Erde, von Jim Broz bis zu Gino Fish. Neue Gesichter wie Jackie DeMarco kennen keinen Respekt mehr und nehmen sich, was sie kriegen können, bis jemand kommt und sie daran hindert. Die alte Cop-Mannschaft wie Belson und Quirk ist zwar noch existent, doch nun rücken sogar schon Frauen wie Captain Glass in Führungspositionen. Das wäre früher undenkbar gewesen. Plus ca change…

Humor als Markenzeichen

Der ironische, häufig selbstironische Humor ist Spensers Markenzeichen. Jede Zeile in fast jedem Dialog ist ein Funke an Esprit, doch viele dieser Funken sind Zitate, die dem zeitgenössischen Europäer nicht immer geläufig sind. Wenigstens klappert der Autor nicht die zum Klischee verkommenen Gedichtzeilen von Kultdichter Robert Frost ab („I have promises to keep / and miles to go / before I sleep“ und „the road less traveled“) . Seine Belesenheit kommt bei so mancher netten Frau gut an, die ihm auf gleichem Niveau antworten kann. Bei weniger netten Gangstern ist allerdings jeder Esprit, als würde man Perlen vor die Säue werfen. Deren englische Grammatik ist denn auch unter aller Kanone. Indirekt übt der Autor, genau wie einst Parker, Kritik am sinkenden Bildungsniveau der amerikanischen Jugend.

Unterm Strich

Wie so häufig ist auch dieser Spenser-Krimi ein Genuss, denn man sich auf der geistigen Zunge zergehen lassen sollte. Wie einst Parker packt auch Atkins stilsicher spannende Ermittlung, sinnliche Momente, Action, witzigen Humor und Kulturkritik in ein Gericht, das man in kleinen Häppchen – kein Kapitel ist länger als fünf Seiten – serviert bekommt. Spenser-Krimis sind schlicht einzigartig.

Das Opfer in diesem Fall der Feuerteufel ist Spensers neue Heimat (er selbst stammt aus dem Westen) Boston: Es wird abgefackelt. Wie das Nachwort sowie einige Verweise andeuten, wurde die Stadt, wie so viele andere Metropolen, mehr als einmal Opfer eines großen Brandes. Daher kann sich ein Besuch im Feuerwehrmuseum und dem historischen Stadtmuseum durchaus lohnen. Schließlich ist man hier stolz darauf, die „Amerikanische Revolution“ (als Indianer verkleidet) angezettelt zu haben. Die Brandserie ist die späte Vergeltung für kirchliche Verbrechen an einem kleinen Jungen. Wer mehr darüber erfahren will, der schaue sich den Spielfilm „Spotlight“ an.

Humor und sinnliche Genüsse wie Sex, Essen und Kochen gehören bei Spenser immer zusammen. Sie bilden die heitere Seite eines jeden Spenser-Romans und bilden ein Gegengewicht zu den finsteren, ernsten Seiten der Ermittlung. Ich hatte auf einen bleihaltigen Showdown gehofft, doch der Autor Atkins hatte andere Pläne. Insofern war ich ein wenig enttäuscht, aber zufrieden, dass wenigstens einer des Feuerteufel-Trios überlebt. Jackie DeMarco ist entkommen, aber das bedeutet wohl, dass er sich bei Spenser wieder melden wird. Das sind gute Nachrichten.

Hinweis

Das Buch enthält eine Straßenkarte von Boston sowie eine Leseprobe von „Little White Lies„, dem nächsten Spenser-Krimi.

Taschenbuch: 329 Seiten
Originaltitel: Robert B. Parkers Slow Burn
ISBN-13: 9780425283196

www.penguinrandomhouse.com

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