Der Club der verbotenen Sünden
Mattie Sullivan wurde vor zehn Jahren in einem Fall, der sich um ihre ermordete Mutter drehte, von Spenser ausgebildet. Heute ist sie neben ihrem Studium immer noch als Privatdetektivin tätig. Mittlerweile 22 Jahre alt, bittet sie Spenser erneut um Hilfe in einer „kleinen Sache“. Ihre Freundin Chloe Turner hat in ihrem Rucksack ihren Laptop und persönliche Dinge in einem Haus verloren, wo sie für Geld einen ungewöhnlichen Dienst verrichten sollte. Sie sollte einem alten Mann die Füße massieren – für 500 Dollar. Nur dass sich dieser Mann dann vor ihr entblößte und sich später als Milliardär entpuppte. Chloe Turner will aber weiterhin ihren Laptop und ihren Rucksack zurück.
Eines führt zum anderen, und Spenser und Mattie stoßen auf eine Netzwerk aus Pädophilen, das von dem Milliardär und seiner sadistischen Partnerin Poppy Palmer geleitet wird. Das Netzwerk beutet minderjährige Mädchen aus, die aus Arbeiterfamilien stammen. Eine lange Geschichte der Einschüchterung und Korruption begleitet das Treiben dieses illustren Paars. Während Spenser mit Rita Fiore eine Sammelklage vorbereitet, führt ihn die Spur über Boca Raton auf die Bahamas. Dort muss es Spenser zusammen mit seinem Freund Hawk mit einer zwielichtigen Sicherheitsfirma und einem alten Erzfeind aufnehmen. (abgewandelte Verlagsinfo) Der Roman verarbeitet den Fall Jeffrey Epsteins und seiner Partnerin Ghislaine Maxwell bis ins Detail.
Die Autoren
Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gestorben 2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 etwa 700 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine neun Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird regelmäßig vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur, der 1971 über die Schwarze Serie promovierte, lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.
Ace Atkins ist der Autor von elf Romanen, darunter „White Shadow“, „Wicked City“, „Devil’s Garden“ und „Infamous“, die auf wahren Fällen basieren. Er ist auch der Schöpfer der Quinn-Colson-Serie. Michael Connelly hat Atkins „einen der besten Krimischriftsteller“ genannt, „die heute arbeiten“. Atkins lebt auf einer Farm außerhalb von Oxford, Mississippi. Mehr Info: www.aceatkins.com.
Nick Travers Reihe
Crossroad Blues (1998)
Leavin‘ Trunk Blues (2000)
Dark End of the Street (2002)
Dirty South (2004)
Quinn Colson Reihe
The Ranger (2011)
The Lost Ones (2012)
The Broken Places (2013)
The Forsaken (2014)
The Redeemers (2015)
The Innocents (2016)
The Fallen (2017)
The Sinners (2018)
The Shameless (2019)
The Revelators (2020)
Robert B. Parker’s Spenser (2012-2021)
Robert B. Parker’s Lullaby (2012)
Robert B. Parker’s Wonderland (2013)
Robert B. Parker’s Cheap Shot (2014)
Robert B. Parker’s Kickback (2015)
Robert B. Parker’s Slow Burn (2016)
Robert B. Parker’s Little White Lies (2017)
Robert B. Parker’s Old Black Magic (2018)
Robert B. Parker’s Angel Eyes (2019)
Robert B. Parker’s Someone To Watch Over Me (2020)
Robert B. Parker’s By Bye Baby (2021)
Einzelromane
White Shadow (2006)
Wicked City (2008)
Devil’s Garden (2009)
Infamous (2010)
Handlung
Mattie Sullivan wurde vor zehn Jahren in einem Fall, der sich um ihre ermordete Mutter drehte, von Spenser ausgebildet. Heute ist sie neben ihrem Studium immer noch als Privatdetektivin tätig. Mittlerweile 22 Jahre alt, bittet sie Spenser erneut um Hilfe in einer „kleinen Sache“. Ihre Freundin Chloe Turner hat in ihrem Rucksack ihren Laptop und persönliche Dinge in einem Haus verloren, wo sie für Geld einen ungewöhnlichen Dienst verrichten sollte.
Man hatte ihr nicht gesagt, welche Art Gäste dieser Blackstone Klub empfängt. Und mit 15 Jahren weiß Chloe nicht allzu viel über Etablissements dieser Art. Einen Lohn von 500 Dollar erwartend geht sie also hin, wird von einer erwachsenen Frau in ein Zimmer geführt, in dem ein erwachsener Mann auf einem Bett liegt. Er ist mit einem Laken bedeckt und das sieht harmlos genug aus. Er verlangt von ihr, dass sie seine Füße massiert, wie ausgemacht. Kein Problem. Aber dann wirft er das Laken von sich und holt sich ungeniert einen runter. Da gerät sie in Panik und läuft davon, ihren Rucksack zurücklassend.
In der Tat ein interessanter Klub, findet Spenser und sagt Mattie Hilfe zu. Denn der Klub will von dem ganzen Vorgang nichts gewusst haben, vielmehr haben zwei bewaffnete Typen Mattie verfolgt. Zusammen mit Spenser verjagt sie die Schläger. Als Spenser allein vorstellig wird, lässt er sich nicht abwimmeln. Ein gewisser T.W. Shaw redet von „Anschuldigungen“ statt von Fakten und will auch nichts von einem Rucksack wissen.
Als nächstes kreuzt ein aalglatter und glatzköpfiger Anwalt in Spensers Büro auf und bietet, neben dem Rucksack und dem Laptop, tausend Dollar „Entschädigung“ und Schweigegeld an. Mattie verflucht ihn und akzeptiert das Angebot nicht. Als Spenser mit seinem Freund Hawk, einem Auftragskiller, im Box-Klub darüber redet, bietet Hawk seine Hilfe an. Spenser verständigt Captain Quirk von der Mordkommission des Boston Police Department über diesen schrägen Klub, aber der weiß auch nichts. Quirk stört vor allem die Tatsache, dass Chloe noch minderjährig ist: Sie ist erst 15.
Ein illustres Paar
Mattie findet heraus, wer Chloe angeworben hat, eine ältere Mitschülerin namens Debbie Delgado. Debbie arbeitet für jene ältere Frau, die Chloe empfangen hat: Patricia „Poppy“ Palmer. Diese Wohltäterin betreibt angeblich eine Modellagentur. Mit der Aussicht, ein Model zu werden, ködert sie junge Mädchen, aber nicht für sich selbst, sondern für ihren Komplizen und Lebensgefährten Peter Steiner. Der war Chloes Kunde, wie sich herausstellt. Ein wenig Zeitungsrecherche fördert zutage, dass dieser Hedgefonds-Manager ebenfalls wohltätig wirken soll und auf keiner entsprechenden Gala fehlt. Er hat allerdings mindestens einen Kritiker namens Wayne Arnett, der ihm nie im Leben sein Geld anvertrauen würde. Er findet Steiner irgendwie anrüchig.
Das zweite Opfer
Wie anrüchig, findet Mattie schnell heraus, und sie führt Spenser zu einem heimlichen Treffen mit dem zweiten bekannten Opfer. Amelia Lynch bekam von Poppy und Steiner eine Model-Karriere versprochen, wurde in das Fotoatelier geführt, das Steiner in seinem Stadtpalast betrieb, und dort entkleidet. Als Poppy weg war, missbrauchte Steiner sie, indem er sie in ihren Intimzonen begrapschte. Sie nahm Reißaus. Damals, vor vier Jahren, war sie erst 14. Aber wie Chloe will sie dieses Erlebnis nur verdrängen, aber Steiner keinesfalls gerichtlich belangen. Dann würde alles nur wieder hochkochen.
Die Kripo
Lorraine Glass ist die Leiterin der Bostoner Mordkommission und ebenso taff wie bewaffnet. Quirk hat sie auf Spenser aufmerksam gemacht. Sie bittet Spenser trotz ihrer Vorbehalte um seine Hilfe, inoffiziell, versteht sich. Denn als sie vor ein zehn Jahren bei den Sittenpolizei des BPD anfing, hatte sie bereits mit Steiner als Verdächtigem in einem Doppelfall zu tun. Beide Mädchen, Schwestern, waren noch minderjährig. Es gab zwar einen Sexskandal und Glass hatte viele Indizien, aber der Bezirksstaatsanwalt (D.A.) wies den Fall ab. Er hatte Spielschulden und war für Steiners Leute leichte Beute. Jetzt, lange nachdem der D.A. aus dem Amt gejagt wurde, will Glass den Pädophilen endlich zur Strecke bringen.
Rita Fiore
Da ist sie bei Spenser genau an der richtigen Adresse. Zusammen mit der Anwältin Rita Fiore plant Spenser eine Sammelklage, bei der alle erreichbaren Zeuginnen das Täterpaar Steiner und Palmer zur Rechenschaft ziehen sollen. Bislang hat er vier Opfer ausfindig machen können, doch es werden mit jeder Woche mehr. Und ihre Geschichten drehen ihm den Magen um.
Zwei Tage später ist Chloe verschwunden, dafür tauchen die ersten von Steiners Schlägern auf. Spenser und Hawk zeigen ihnen mit handfesten Hinweisen – Pistolen und Schrotflinten – den Rückweg nach Rhode Island, wo sie hergekommen sind. Doch Steiner hat noch viele weitere Domizile, wo er Kinder missbraucht – und deren Benutzer mit Bildmaterial erpresst…
Mein Eindruck
Dieser Fall ist noch beunruhigender und herausfordernder als der von Gabby Leggett in „Angel Eyes“. Aber es ist nicht das erste Mal, dass es der Parker-Fan mit minderjährigen Mädchen zu tun bekommt, die von Erwachsenen missbraucht werden. Das war beispielsweise in dem verfilmten Thriller „Sea Change“ der Fall, in dem Polizeichef JESSE STONE zwei Mädchen befreien musste. (Die Filmversion hat herzlich wenig mit der Buchvorlage zu tun.)
Die Mädchen sind zwischen zwölf und sechzehn Jahren alt, und sie werden wie Chloe Turner meist von anderen Mädchen rekrutiert. Dieses Angelprinzip zeiht sich durch die ganze Methode. Der Autor nennt die Dinge beim Namen. So etwa auch die Reaktion der Mütter und Tanten auf die „Vergehen“ der Mädchen. Nicht genug damit, dass die Mädchen missbraucht werden, müssen sie nun auch noch die Kritik ihrer nächsten Verwandten ertragen. „ Du hast es herausgefordert“, „Du hast es verdient“, „Du bist an allem schuld“ – und vieles mehr dergleichen müssen sie sich anhören. Kein Wunder, dass sie mauern und die ganze „Sache“ am liebsten vergessen möchten. Es wird noch schlimmer, als die Mütter und Tanten von den Schlägern der Täter bedroht und bestochen werden.
Spenser ist entschlossen, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Mit der psychologischen Hilfe seiner Lebensgefährtin Susan Silverman und dem juristischen Beistand durch Rita Fiore schickt er sich an, den Opfer zu helfen, und die Unterstützung durch das Boston Police Department schadet auch nicht. Die Gegenreaktion lässt nicht auf sich warten: Spenser und sein neuer Pearl-Hund werden um ein Haar überfahren.
Nun hilft nur noch entschlossene Gewalt. Hawk hat seine Hilfe für Mattie bereits zugesagt, und in einem finalen Showdown auf einer Insel der Bahamas kommt es zu einem bemerkenswerten Schusswechsel. Doch wie schon Boca Raton angedeutet, bekommt es Spenser mit einem alten Feind zu tun, der ihn schon einmal fast getötet hätte. Er wäre damals fast gestorben, wenn ihn Hawk nicht gerettet hätte. Es ist der Gray Man…
Unterm Strich
Dieser Spenser-Krimi ist vom Aufbau her längst nicht so komplex wie seine Vorgänger „Angel Eyes“. Die Front verläuft klar, und es gibt kein Störfeuer, so dass am Schluss der Showdown über die Bühne gehen könnte, wenn, ja, wenn es keinen Verrat unter den angeheuerten Helfern gäbe. So sorgt selbst das Finale für zwei handfeste Überraschungen. Denn auch der Gray Man ist nicht der Erzfeind, den Spenser erwartet hat.
Das Thema ist ziemlich eindeutig Pädophilie. Die Täter, ihre Methoden und das traurige Schicksal der Opfer wird eingehend beleuchtet. Es macht Spensers Entschlossenheit verständlich und sympathisch. Mattie Sullivan wächst an dieser Aufgabe so weit, dass sie am Schluss den Entschluss fasst, auf die Police Academy zu gehen und ein Cop zu werden.
Pädophilie ist aber nur Mittel zum Zweck. Peter Steiner, der angebliche Hedgefonds-Manager, ködert mit den Minderjährigen lediglich Promis, Reiche und Staatsmänner, um sie später mit Fotos und Videos von ihren „Heldentaten“ zu erpressen. Das macht ihn nicht nur noch reicher, sondern auch wesentlich mächtiger. Es hilft beispielsweise auch, Staatsanwälte und andere Gesetzesvertreter zu korrumpieren und ihre Klagen fallenzulassen.
Steiners ruppige und skrupellose Partnerin Poppy Palmer hat ihr eigenes Schicksal, was den Missbrauch angeht. Doch es ist schwer zu verstehen, warum sie anderen minderjährigen Mädchen das gleiche antun lassen will, was sie einst selbst so leidvoll erfahren hat. Susan Silverman trägt zum Verständnis dieses Verhaltens bei. Der Leser sollte es sich ebenfalls nicht einfach machen, sondern versuchen, beide Seiten der Gleichung zu verstehen.
Taschenbuch: 333 Seiten
Originaltitel: Some one to watch over me, 2020
ISBN-13: 9780525536864
www.Penguin.com
Der Autor vergibt: