Adam J. Dalton – Das Wispern der Schatten (Chronicles of a Cosmic Warlord 1)

Jillan ist dreizehn Jahre alt und steht damit kurz vor der geheimen Zeremonie, die ihn zum Erwachsenen machen wird. Doch obwohl er sich alle Mühe gibt, wie alle anderen zu sein, ist er doch ein Außenseiter, der von seinen Mitschülern verhöhnt und gehänselt wird. Als es im Rahmen einer erneuten Auseinandersetzung zu einem Toten kommt, flieht Jillan aus seiner Heimatstadt, aber es ist bereits zu spät! Er hat die Aufmerksamkeit des Heiligen Azual erregt … und auch noch die einiger anderer!

Adam J. Dalton bezeichnet seine Fantasy selbst als metaphysisch und düster. Damit hat er nicht einmal unrecht, abgesehen davon ist zumindest dieser erste Band seines neuen Zyklus auch noch abstoßend, nichtssagend und gegen Ende zunehmend nervtötend.

Fangen wir mit dem Aspekt „nichtssagend“ an. Ich gebe zu, dieses Adjektiv trifft nicht auf das gesamte Buch zu, sondern nur auf die Bösewichte. Leider stellen sie fünfzig Prozent aller Charaktere.

Sämtliche Prediger, Heiligen und Erlöser scheinen einzig und allein daran interessiert, ihre eigene Macht ins Unermessliche auszudehnen. Das ist auf Dauer ungeheuer ermüdend, denn keiner von ihnen zeigt irgendeine Art von Motiv. Nun sind die Erlöser offenbar von außerhalb gekommen, also quasi Aliens, insofern darf man von ihnen vielleicht keine Menschlichkeit erwarten.

Die Heiligen jedoch sind – oder besser waren einmal – Menschen, haben sich aber offenbar durch übermäßige Nutzung von Magie bereits so weit von ihrer menschlichen Natur entfremdet, dass sie alle nahezu austauschbar sind, abgesehen von den unterschiedlichen Arten, in denen ihre Sucht nach Macht sich manifestiert.

Der Prediger Praxis besitzt zwar noch menschliche Züge, ist aber so engstirnig, selbstgerecht und fanatisch, dass er kein Deut besser ist als die Heiligen, die noch selbstgerechter sind. Tatsächlich scheint das Maß an Selbstgerechtigkeit in diesem Buch grenzenlos, das macht die Sache langfristig schlicht unerträglich. Außerdem benehmen sich sämtiche Heiligen derart aufgeplustert, dass es einfach nur künstlich wirkt.

Bei Jillans Gefährten ist es nicht ganz so schlimm, aber auch hier gibt es Szenen, in denen die Akteure unnatürlich und steif wirken. Die Szene am Tor von Hyvans Kreuz ist eine davon. Kaum vorstellbar, dass mitten in einem Kampf und bei dem rasenden Verlangen des Heiligen Azual, Jillan zu ergreifen, genug Zeit für einen längeren Wortwechsel gewesen sein soll wie den zwischen Maria und Jedadiah, noch dazu für einen so schwülstigen!

Wirklich gelungen fand ich eigentlich nur Torpeth, dessen Überdrehtheit immer wieder Brüche in der Geschichte verursacht und damit Leben in die ganze Sache bringt, und Freda, die in ihrer Unschuld und Unwissenheit doch eine erstaunlich präzise Vorstellung von richtig und falsch hat.

Interessant, wenn auch nicht sympathisch, ist noch der Sonderbare, allerdings hauptsächlich deshalb, weil ich mir nicht recht klar darüber werden konnte, warum er so dringend das Geas – die Quelle und das Zentrum der gesamten Lebensenergie dieser Welt – in seine Gewalt bringen will, wenn er doch gleichzeitig davon überzeugt ist, dass die Natur des Kosmos keine Allmacht erlaubt! Er erinnerte mich an Loki.

So sind zwar alle Figuren nachvollziehbar geraten, im Falle von Jillan sogar recht plastisch, was den gelungenen inneren Monologen zu verdanken ist. Letztlich werden die menschlichen Charaktere aber von der Masse an – leider durch die gleiche Art von Monologen ebenfalls sehr deutlichen – Gleichförmigkeit im Zusammenhang mit Heiligen und Erlösern schlicht plattgewalzt.

Kommen wir zu „abstoßend“. Die geheime Zeremonie, auch als „zu den Erlösern ziehen“ oder schlicht „Ziehen“ bezeichnet, wird aus gutem Grund danach aus den Gedanken der Gezogenen gelöscht. Denn im Grunde tut der zuständige Heilige nichts anderes, als den Menschen ihre Magie zu stehlen, indem er ihnen sein Blut einflößt, um sie seinem Willen zu unterwerfen, und dann ihr Blut trinkt. Solange die ganze Sache im Rahmen der Zeremonie abläuft, ist es auch schon eklig genug, aber wenigstens erträglich. Schon bald aber haben Azuals Methoden nichts Zeremonielles mehr an sich, und ab da wird es richtig widerlich. Die Argumente, mit denen Azual sein menschenverachtendes Tun vor sich selbst rechtfertigt, machen es nur schlimmer.

Dabei ist die Idee, dass Magie nur den Herrschenden erlaubt ist, nicht wirklich neu. Das System der Unterdrückung ist in diesem Fall jedoch so extrem und ausgeprägt, dass nur die bereits seit Jahrhunderten praktizierte Gehirnwäsche die vollkommene geistige und seelische Unterwerfung des Volkes vor der Unglaubwürdigkeit bewahrt.

Nun will ich nicht ungerecht sein. Der Autor hat in seinem Buch durchaus auch interessante Ideen eingebaut, etwa die des Sonnenmetalls und seiner besonderen Eigenschaften und Fähigkeiten, oder den Felsaussatz, an dem Freda leidet, obwohl ich mir da nicht ganz sicher bin, denn offenbar sollte diese Krankheit schmerzhaft sein, Freda scheint aber keine Schmerzen zu haben.

Auch die Intrigen zwischen den einzelnen Erlösern waren einigermaßen interessant, weil komplex und doch sauber aufgebaut und durch die inneren Monologe voller Verdächtigungen und taktischer Erwägungen unvorhersehbar. Der Wachtraum als zusätzliche Ebene setzte da noch eins drauf, und dass Jillan in der Lage ist, dorthin zu gelangen, dürfte noch eine Menge Potenzial für die beiden Folgebände bereitstellen.

Unterm Strich bleibt jedoch der überwältigende, alles andere an den Rand drängende Eindruck von einer Horde in ihrer Überheblichkeit, Unmenschlichkeit und Machtgier nahezu identischer Figuren. Da hilft es auch nicht, dass Azual ganz am Ende des Buches noch einmal für kurze Zeit zu dem Menschen wird, der er ursprünglich einmal war, zu kurz ist dieser Moment, und zu nebensächlich werden die Umstände seines Werdeganges abgehakt, um ihm so etwas wie eine echte Persönlichkeit zu verleihen. Und auch Jillan, der eigentlich die Hauptfigur sein sollte, kommt letztlich gegen diese geballte Masse nicht an.

So bleiben der Sonderbare und Torpeth die einzigen Funken in einem dichten, gleichförmigen weißen Nebel, und Freda die einzige Sympathieträgerin, da Torpeth zu überdreht ist, um sich mit ihm zu identifizieren. Fredas Rolle ist bisher allerdings nicht allzu groß, sodass der Leser einen Großteil der Ereignisse losgelöst und nur als Beobachter verfolgt, anstatt ernstlich mitzufiebern.

Daltons Werk mag metaphysisch und düster sein, allerdings kann ich darin keinen großen Vorteil erkennen. Wenn metaphysisch in diesem Zusammenhang bedeutet, dass es um übersinnliche Dinge wie Lebensenergie, Göttlichkeit und den Kampf zwischen Ordnung und Chaos geht, bedeutet das letztlich nur, dass mir persönlich etwas Gravierendes fehlte, nämlich die Menschlichkeit. Und wenn düster bedeutet, dass die Mächtigen die Bevölkerung in ihrem Herrschaftsbereich auf die denkbar widerlichsten Arten missbrauchen, dann muss ich sagen, zolle ich den Autoren mehr Respekt, denen es gelungen ist, düstere Fantasy ohne Splatter zu verfassen. Das gilt vor allem für Brent Weeks und Peter V. Brett, mit denen Dalton im Klappentext verglichen wird. Ich glaube nicht, dass meine Neugier auf Freda und das Sonnenmetall ausreichen wird, um mich nach dem Fortsetzungsband greifen zu lassen.

Adam J. Dalton stammt aus England und war viel auf Reisen, ehe er mit dem Schreiben begann. Seine erste Veröffentlichung war die Flesh & Bone Trilogie, die auf Deutsch bisher nicht erhältlich ist. „Das Wispern der Schatten“ ist der erste Band seines neuesten Zyklus Chronicles of a Cosmic Warlord, dessen zweiter Band gerade auf Englisch erschienen ist. Außerdem stammen diverse Kurzgeschichten aus seiner Feder.

Taschenbuch 638 Seiten
Originaltitel „The Empire of the Saviours“
Deutsch von Maike Claußnitzer
ISBN-13: 978-3-442-26912-9

www.ajdalton.eu
www.randomhouse.de/blanvalet

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