Alan Dean Foster – Die denkenden Wälder. SF-Roman

Spannendes Öko-Planetenabenteuer

Zwei Forscher stranden auf einer Welt, in der die Bäume des Urwaldes 700 Meter in die Höhe streben. Sie würden darin umkommen, wenn ihnen nicht der Jäger Born von den Einheimischen zu Hilfe käme. Doch als er es nach großen Mühen geschafft hat, sie lebend zu ihrrem Stützpunkt zurückzubringen, erfährt er zu seiner Bestürzung, wie seine Schützlinge gedenken, die denkenden Wälder seiner Heimat auszubeuten…

Der Autor

Alan Foster, geboren 1946 und aufgewachsen in Los Angeles, begann bereits 1971, phantastische Erzählungen zu veröffentlichen. Am bekanntesten ist er für seine Future History des Humanx Commonwealth, eine Gemeinschaft von Welten, in der Menschen (human) und die insektoiden, aber friedliebenden Thranx koexistieren. Dabei müssen sich sich der echsenartigen Aann erwehren, die in das Commonwealth eindringen wollen. Der erste Roman, „Das Tar Aiym-Krang“, erschien 1972. Eine der Hauptfiguren der losen Serie ist der Junge Flinx. Noch heute schreibt Foster Romane, die in diesem Privatkosmos spielen. Foster ist einer der bekanntesten Verfasser von Romanfassungen (novelizations) bekannter SF-Filme, darunter „Star Wars“, „Alien“, „Outland“ und zehn „Star Trek Logs“.

Auch der vorliegende Roman spielt im Humanx Commonwealth. Weitere Titel sind der dreiteilige Eissegler-Zyklus und Romane wie „Cachalot“ oder „Bloodhype“ (1973).

Handlung

Born, der Jäger, lebt völlig im Einklang mit dem gigantischen, 700 Meter in die Höhe strebenden Urwald seiner Welt Midworld. Er jagt die Lebewesen, die sich auf den verschiedenen Ebenen des Urwalds herumtreiben, ohne sie jedoch sinnlos zu dezimieren: Schließlich möchte er noch eine Weile von ihnen leben. Sein Volk hat ihn dies gelehrt: Rücksichtnahme auf die Schöpfung. Allerdings ist Born ein Ausgestoßener bei seinem Volk, und nur ein halbintelligenter Freund, der pelzige Ruumahum, begleitet ihn.

Eines Tages findet er in einem abgestürzten Flugzeug zwei Menschen, die seiner Welt fremd und ohne Verständnis gegenüberstehen. Born ist der Nachfahre von hier verschollen gegangenen Kolonisten der Erde, die sich ihrer Umwelt anpassen konnten. Die zwei Havaristen hingegen stammen von einer moderneren, total technisierten Erde, genauer: von einem ihrer Forschungsstützpunkte. Sie sollen die Möglichkeiten erkunden, wie sich die Waldwelt ausbeuten lässt.

Born gehorcht dem Kodex seines Volkes und hilft den beiden Gestrandeten. Zusammen mit ihnen besteht er viele Abenteuer, damit sie im Urwald überleben. Sobald Born seine neuen Gefährten zu ihrer Forschungsstation zurückgebracht hat, erkennt er jedoch in den Absichten dieser Leute von der Erde eine tödliche Gefahr für seine Welt. Sie wollen ein Lebenselixier, eine Frucht des Waldes. Zusammen mit seinen Gefährten beschließt Born, die Station mit der Hilfe der einheimischen Fauna zu zerstören.

Mein Eindruck

Die ökologischen Grundprinzipien fanden erst ab den siebziger Jahren Eingang in die Literatur, die sich der Schilderung der Zukunft verschrieben hat. Die Initialzündung für die Ökobewegung stellte der Bericht des Club of Rome aus dem Jahr 1968 dar, der dann von Dennis Meadows in düstersten Farben weiter ausgemalt wurde (Meadows lebt und lehrt immer noch, wie man so liest).

Neben Alan Dean Foster schrieb auch Ursula K. Le Guin 1972 einen Öko-SF-Roman, nämlich „Das Wort für Welt ist Wald“. Bei ihr ist jedoch das Eindringen der technisierten Kultur in eine Öko-Kultur sowohl mit Umweltvernichtung als auch Völkermord verbunden. Das erinnert an den Krieg der USA gegen Nordvietnam, der eine der Determinanten für die Gegenkultur der sechziger Jahre wurde. Die Bedrohung des Amazonas-Urwaldes war schon damals akut und geht bis heute unvermindert weiter: pro Tag werden 2000 Hektar Urwald vernichtet.

Zum Völkermord ist in Fosters Abenteuerroman noch nicht gekommen, denn die fremde Kultur ist noch in der Phase der Erkundung und offenbar noch ein gutes Stück von der Umweltvernichtung entfernt. Doch Born, ein menschlicher Abkömmling mit der Körpergröße eines Pygmäen, ist nicht auf den Kopf gefallen und erkennt die Zeichen der Zeit rechtzeitig. Er lebt nicht in romantischer Harmonie mit seiner Umwelt, wie es vielleicht Tolkien mit seinen Ents schildern würde. Nein, sein Leben selbst ist abhängig von dieser Einpassung in die Umwelt, die ihm Nahrung spendet, die ihn aber in Gestalt zahlreicher Raubtiere aber auch bedroht. Diesen Wesen fielen viele der Auswanderer zum Opfer, die einst auf Midworld strandeten.

Warum heißt der Roman dann aber „Die DENKENDEN Wälder“, fragt sich der Leser. Der Dschungel und seine Bewohnerbilden nicht nur ein perfekt aufeinander abgestimmtes ökologisches System, in dem jeder von jedem lebt, sondern er hat auch ein eigenes Bewusstsein. Dieses Bewusstsein ist eine Art Matrix, ein Schwarmwesen, das nur eine Aufgabe hat: die Bewahrung der Gedanken der Bewohner, die beim Sterben in das Bewusstsein eingehen. In letzter Konsequenz ist dieses Bewusstsein, das im Wald Gestalt angenommen hat, die ganze Welt: eine Art Gaia-Bewusstsein.

Die Fremden verstehen nicht, dass Born & Co. mit den Bäumen kommunizieren können – sie nennen das „emfatieren“ (klingt wie „Empathie“, Einfühlungsvermögen). Genauso wenig verstehen die Fremden, dass sie nicht einfach etwas vom Wald nehmen können. „Wir nehmen nur, wenn die Zeit und der Ort richtig sind“, sagt Born. „Man kann nicht mit einer Welt leben, in der man nur nimmt, wenn es einem selbst passt, sonst stirbt am Ende die Welt – und man selbst mit ihr. Ihr MÜSST das verstehen, und ihr müsst hier weggehen. Wir können euch nicht helfen, selbst wenn wir das wollten. Nicht um all eure Lichtwaffen und anderen Wunder. Diese Welt ist kein guter Ort für euch. Ihr emfatiert sie nicht, und sie emfatiert euch nicht.“

Es folgt die Zerstörung der Station, die der Wald selbst mit seinen eigenen Mitteln in Angriff nimmt. Die Ausgangssituation erinnert ein wenig an Murray Leinsters SF-Klassiker „The Forgotten Planet“ aus dem Jahr 1954. Dort muss ein Jäger namens Burl gegen eine phantastische Insekten- und Pflanzenwelt kämpfen, um zu überleben. Diese Fauna und Flora ist jedoch das Produkt eines irdischen Saatprogramm, also kein unabhängiges Lebewesen wie die denkenden Wälder von Midworld.

Ähnlich exotisch ist Midworld zwar schon, doch für Fremde und Unangepasste ist der Planet noch tödlicher als Leinsters Planet. Mit farbig-exotischer Phantasie präsentiert Foster eine Fülle von tierischen und pflanzlichen Lebewesen, darunter bizarre Räuber wie die „Akadis“, die wahre Fressmaschinen sind (ähnlich wie der „Donnerfresser“ oder Skavanzer auf Tran-ky-ky).

Das Thema und den Schauplatz des großen Waldes griff Foster noch einmal in der Erzählung „Die Glockenbäume“ aus dem Jahr 1976 auf, die sich in der Auswahl „Heyne Science Fiction Jahresband 1983“ findet.

Unterm Strich

„Die denkenden Wälder“ ist, wie so viele Romane von Alan Dean Foster, ein spannender, abwechslungsreicher Unterhaltungsroman mit ökologischem Engagement. Obwohl es für Kenner wie ein Remake von Leinsters Klassiker „The Forgotten Planet“ aus dem Jahr 1954 aussieht, so ist doch der Blickwinkel jetzt ein ganz anderer. Die Natur ist nicht zu bekämpfender Feind, sondern hat eigene Rechte und Gesetze, an die sich der Mensch anpassen muss, will er nicht in dieser Umwelt zugrundegehen. Auf jeden Fall ist dieses Thema immer noch aktuell, besonders angesichts der fortschreitenden Zerstörung der Urwälder in aller Welt.

Ich habe den Roman ebenso gern und schnell gelesen wie etwa „Eissegler von Tran-ky-ky“ (siehe meinen Bericht) und „Cachalot“ (noch kein Bericht). Foster hat einfach ein Händchen für abenteuerliche Planetenschilderungen und übt immer fleißig anhand seiner zahlreichen Flinx-Romane.

Hinweis

Wer sich für das Homanx-Universum interessiert, das von Menschen (Humane) und Thranx (Insektenartige) beherrscht wird, findet eine Konkordanz des Commonwealth im Heyne SF Magazin Nr. 12, Seite 170-251 (1985). Hier sind Karten von Sternsystemen, Welten und ganzen Galaxien zu finden, aber auch von Abbildungen von Waffen und Kreaturen. Das Glossar ist besonders nützlich, um die verschiedenen fremden Realien – Lebewesen, Orte, Fahrzeuge usw. – zu verstehen.

Taschenbuch: 207 Seiten.
O-Titel: Midworld, 1975
Aus dem Englischen von Heinz Nagel.
ISBN-13: 9783453305755

www.heyne.de

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