Allende, Isabel – Im Bann der Masken

Nach „Die Stadt der wilden Götter“ und „Im Reich des goldenen Drachen“ bildet „Im Bann der Masken“ das dritte und letzte Abenteuer von Alex und Nadia. Tief im Herzen Afrikas stehen die Menschen im Bann einer dunklen Macht: Das uralte Volk der Pygmäen wird von einem verbrecherischen König beherrscht. Wird es Nadia, Alex und ihren Helfern gelingen, die bösen Mächte zu besiegen? (Aus dem Klappentext)

|Die Autorin|

Isabel Allende wurde 1942 in Peru geboren und wuchs in Chile auf. Heute lebt sie mit ihrer Familie in Kalifornien. Ihr erster Roman „Das Geisterhaus“ wurde von Bernd Eichingers Produktionsfirma verfilmt. „Die Stadt der wilden Götter“ war Allendes erster Roman für Jugendliche, der mit „Im Reich des goldenen Drachen“ eine Fortsetzung erfuhr (ebenfalls ein Hörbuch im |Hörverlag|) und nun mit „Im Bann der Masken“ vollendet wurde.

Isabel Allende sagt von sich selbst: |“Ich würde sagen, dass ich ein Mensch bin, der davon überzeugt ist, dass die Welt ein sehr mystischer Ort ist. Wir haben nicht halb so viele Antworten auf die Fragen gefunden, von denen wir überzeugt sind, dass wir sie beantworten können. Alles ist möglich, es gibt nicht nur eine materielle Welt.“| Und wie kam es zu diesen wundervollen Jugendbüchern? |“Ich habe schon Abenteuergeschichten geschrieben, als meine Kinder noch klein waren, und ich habe sie ihnen dann erzählt, Abend für Abend. So blieb ich wunderbar in Übung.“| (Alle Zitate sind den Booklets des Hörbuchs „Im Reich des goldenen Drachen“ entnommen.)

|Der Sprecher|

Andreas Fröhlich, 1965 geboren, hatte bereits mit sechs Jahren seine erste Hörspielrolle und ist heute wahrscheinlich eine der bekanntesten Stimmen im deutschsprachigen Raum, z. B. als Synchronstimme von John Cusack.

Seit Jahren steht er als Bob Andrews für die Hörspielserie „Die drei ???“ vor dem Mikrofon. Für den |Hörverlag| übernahm er Rollen in A. Dumas‘ „Die drei Musketiere“ und H. Mankells „Die Rückkehr des Tanzlehrers“. Fröhlich lebt in Berlin und arbeitet als Schauspieler, Synchron- und Hörspielsprecher, Synchronregisseur sowie Dialogbuchautor.

Das Hörbuch bietet die vollständige Lesung ohne jedwede Kürzung. Regie führte Sven Stricker.

_Handlung_

Zunächst erleben Alex Cold und seine Freundin Nadia Santos sowie ihr kluger Affe Borrobà Afrika als eine bunte Abfolge von kleinen aufregenden Abenteuern. Nadia spricht mit den Elefanten, denn sie spricht die Sprachen aller Tiere. Ihr Reitelefant ist eifersüchtig auf Alex, mit dem sich Nadia dennoch hin und wieder abzugeben scheint. Alex‘ Großmutter Kate, 67, macht wie schon am Amazonas und im Himalaya eine Reportage für „International Geopgraphic“ und hat zwei Fotografen dabei. Sie alle sind Gäste von Michael Mushaha, der offenbar den kenianischen Nationalpark leitet. Auch Michael ist verliebt …

|Die Prophezeiung|

Auf dem kenianischen Marktplatz von Arusha mit seinem Vielvölkergemisch treffen Alex und Nadia eine alte Schamanin, Ma Bangese. Sie weiß, dass Alex eine Medizin für seine krebskranke Mutter sucht. Sie prophezeit ihm: Wenn er sich mutig bewährt, werden seine Mutter und Nadia die kommenden Gefahren überleben. Alex und Nadia erleben in der Hütte eine Geistreise in den Dschungel, der auf sie wartet. Solche Geistreisen sind seit Südamerika nichts Besonderes mehr für die beiden. Sein Totem ist der schwarze Jaguar, Nadias Geisttier hingegen ist der Adler. Deswegen reden sich die beiden öfters auch als Jaguar und Aguila an. Jedenfalls haben sie eine gemeinsame Vision vom zerstörten Kongo und der Herrschaft eines dreiköpfigen Ungeheuers. Sie bekämpfen es vergebens. Ma Bangese warnt sie: „Bleibt immer zusammen, sonst sterbt ihr!“

|Safari|

Bei ihrer Safari in den Busch gibt es ein komisches Intermezzo mit betrunkenen Mandrill-Affen und neugierigen Löwen sowie eine bewegende Episode mit der Geistheilung eines kranken Kleinkindes. Als wichtigste Begegnung erweist sich die ebenso furchtlose wie füllige Pilotin Angie Ninderere, die auch Ma Bangese kennt. Sie ahnt nicht, dass Michael Mushaha in sie verliebt ist.

Der christliche Missionar Bruder Fernando aus dem verwüsteten Nachbarstaat Ruanda bekniet Angie und die restliche Safari, ihn in den Kongo zu fliegen, weil dort zwei seiner Ordensbrüder verschwunden sind. Der Haken dabei: In diesem Dorf Nungubé herrscht der Tyrann in dreifacher Gestalt – als König Kossongo, als Kommandant Maurice Mbembelé und als der Schamane Sombè.

|Bruchlandung|

Alex und Nadia überreden Kate zum Flug, die überredet (mit gewisser Mühe) die Pilotin Angie, und los geht’s. In einer dramatischen Aktion gelingt es Angie, ihre voll besetzte und beladene Cessna auf dem schmalen Uferstreifen eines Dschungelflusses zu landen. Leider wird dabei der Propeller verbogen, so dass sie alle erst einmal festsitzen. Im nahen Dschungel befreien Nadia und Alex eine Gorillamutter und ihr Junges aus einer Fallgrube, die Pygmäenjäger angelegt haben. Das wird sich später als Segen erweisen.

|Ins Herz der Finsternis|

In den Booten vorbeikommender Diamantenschmuggler gelangen sie an die Grenze des Königreichs von Kossongo. Ein furchterregender Totenkopf warnt sie vor dem Weitergehen. Doch sie müssen nach Nungubé, Kossongos Hauptort. Geführt von Pgymäen, dringen sie beklommen weiter vor – ins Herz der Finsternis, wo das dreiköpfige Ungeheuer auf sie lauert.

_Mein Eindruck_

Wie schon in Südamerika und im Himalaya zieht es die drei Hauptfiguren Alex, Nadia und Oma Kate wieder in eine Weltgegend, in der ein kleines Volk in seiner Existenz bedroht ist, das noch über Kenntnisse von mystischen Wahrheiten verfügt. Waren es in Südamerika verborgen lebende Indios und im Himalaya die Bevölkerung einer Art Shangri-La, so sind es diesmal die Pygmäen.

Ich habe seit meiner Kindheit ein Buch von Prof. Bernhard Grzimek, in dem er von seiner Erkundung des Kongo-Urwaldes berichtet. Er stieß im Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre unberührten Urwald nicht nur auf ungewöhnliche Tiere wie das Okapi (das bei Allende schon nicht mehr vorkommt), sondern auch auf ein kleinwüchsiges, verborgen lebendes Völkchen: die Pygmäen. Das Wort stammt aus dem Griechischen und bezeichnet zwergwüchsige Menschen. Grzimek verbrachte Wochen bei ihnen und lernte sie als fröhliches Naturvolk kennen, das mit der sie umgebenden und ernährenden Natur in Einklang lebt.

Bei Allende sind die Pygmäen aus diesem Stand der Unschuld herausgefallen. Ein anderes Volk hat sie unterjocht und versklavt, und zwar im Gefolge der abgezogenen weißen Kolonialherren (v. a. Belgier, denen der Kongo „gehörte“). Nun müssen die Jäger ständig eine Unmenge Elefanten erlegen und deren Elfenbein abliefern, damit die Herrscher ihren Profit daraus schlagen können. Andere Pygmäen müssen nach Diamanten schürfen, die ebenfalls außer Landes geschmuggelt werden. Die Frauen werden als Sklavinnen gehalten, und als Geiseln sorgen sie für den gehorsam ihrer Männer, der Jäger und Schürfer. Dies ist das finstere Reich des Königs Kossongo, seines Kommandanten und seines Schamanen. Die christlichen Missionare sind längst tot.

Nun tauchen die Herrschaften aus den Vereinigten Staaten auf, dem Hort der Freiheit, so scheint es. Um eine lange Geschichte kurz zu machen: Sie betrachten es als ihre Pflicht und Schuldigkeit, die unterdrückten Pygmäen zu befreien. Das ist leider nicht so einfach, denn das System der Unterdrückung hat ja jahrelang funktioniert. Aber mithilfe der besonderen Fähigkeiten von „Jaguar“ und „Aguila“ sowie von Oma Kate erreichen sie dieses Ziel doch, wenn auch ein wenig anders als gedacht.

Es gibt etliche Überraschungen hinsichtlich gewisser Identitäten und des Auftauchens gewisser Tierarten. Außerdem kommt das komische Talent von Angie Ninderere voll zur Geltung. Es ist also für Action, Spannung und Humor gesorgt. Da dies ein Jugendbuch ist, dürfen auch die mystischen Elemente auftauchen, ohne peinlich zu wirken. Und das waren sie bei den anderen Allende-Romanen der Trilogie auch nie.

Die Autorin verweist, clever, wie sie nun mal ist, hin und wieder auf die in den anderen Bücher geschilderten Abenteuer. Am Schluss folgt sozusagen ein Resümee der gesamten Trilogie. Schließlich wollen die jungen Hörer bzw. Leser wissen, wie es mit Nadia, Alex und Kate weiterging.

|Der Sprecher|

Andreas Fröhlich verfügt über eine Stimme, die ich schon immer sehr sympathisch fand. Sie ist angenehm anzuhören, manchmal sogar einschmeichelnd, aber dennoch maskulin und tief. Wie ein ausgebildeter Schauspieler beherrscht er zwei schwierige Fertigkeiten: die der richtigen Intonation eines Satzes mit entsprechender Betonung und zweitens die der Pause.

Eine winzige Pause vor einem Wort hebt das nachfolgende Wort hervor und macht es für uns quasi erkennbar. Genauso wie ein Zögern in einem Dialog Aufschluss gibt über den unsicheren – oder überraschten – Gemütszustand seines Sprechers. Also sind Pausen sehr wichtig, aber nur Leute mit entsprechender Ausbildung wissen sie an den richtigen Stellen und mit dem passenden Gewicht (sprich: Länge) einzusetzen, so dass sie gar nicht als Pausen auffallen. Pausen, die auffallen, lassen einen Text schwerfällig und unbeholfen erscheinen.

|Fremde Sprack|

Fröhlich beherrscht, wie zu hören war, die Aussprache der fremdsprachigen Ausdrücke perfekt, gleichgültig, ob es sich um Bantuwörter oder sonstige Bezeichnungen handelt. Mag sein, dass es mir schien, als ob sich die Aussprache von Namen von Mal zu Mal geringfügig änderte. Das macht aber nichts, denn da die afrikanischen Namen so auffällig und selten gebraucht werden, besteht keine Gefahr der Verwechslung. Und Gewissheit verschafft wie stets ein zweites Anhören des Vortrags.

|Musik, Geräusche? Nix da!|

Musik gibt es nur als Jingle am Anfang und Ende des Hörbuchs, ansonsten aber nie, genauso wenig wie Geräusche. Wer so etwas braucht, wende sich an Hörspielproduktionen, die von den Rundfunksendern in großer Zahl als Audiobooks vermarktet werden – bis hin zu [„Otherland“, 603 dem Nonplusultra der Hörspiele.

_Unterm Strich_

Das spannende und actionreiche Hörbuch richtet sich an Jugendliche ab zwölf Jahren, die schon über Zentralfrika ein wenig Bescheid wissen. Diesmal ist es nicht so lang geraten wie die beiden Vorgängerbände „Die Stadt der wilden Götter“ und „Im Reich des goldenen Drachen“ (die Titel erinnern ein wenig an Karl Mays „Reiseerzählungen“, nicht wahr?) – statt acht sind es diesmal „nur“ sechs CDs, deren Spieldauer 411 Minuten beträgt, also beinahe sieben Stunden.

Mir hat die Geschichte ausgezeichnet gefallen. Diesmal hält sich die Autorin nicht so lange mit Landschaftsbeschreibungen und dem Aufbau einer finsteren Intrige auf. Sie geht gleich |in medias res|. Damit es aber nie allzu bedrohlich wird für die jungen Zuhörer/Leser, streut sie immer wieder humorvolle bis komische Episoden ein, so etwa jene mit den betrunkenen Mandrill-Affen oder mit der Pilotin Angie, die demnächst mit König Kossongo vermählt werden soll (na, ob das gut geht?). Die Abwechslung zwischen Action, Humor und Mystik sorgt für ein stimulierendes Erlebnis, ganz gleich, ob als Hörbuch oder als Leselektüre auf einem toten Baum.

Der Sprecher Andreas Fröhlich liest ausgezeichnet, und das ist im Vergleich zu seinem Vorgänger eine wahre Erlösung. Schulze liest zwar kompetent und fast fehlerfrei, aber auch sehr schnell, und das letzte i-Tüpfelchen fehlt eben noch (siehe auch die oben erwähnten Fertigkeiten Fröhlichs). Nun ist in Fröhlichs Lesung auch die Ironie bei einem komischen Ereignis zu hören, und auch die Dramatik kommt nicht zu kurz.

Ich finde daher „Im Bann der Masken“ rundum gelungen. Über den Preis für eine professionelle Hörbuchproduktion lässt sich immer streiten. Ich finde, der Preis für 6 CDs sollte nicht so hoch sein wie der für 8 CDs. Ist doch klar, oder? Die deutsche Buchausgabe erschien 2004 im |Suhrkamp|-Verlag, Frankfurt/M. Zeitgleich erschien im |Hanser|-Verlag eine Jugendausgabe, die im Text identisch ist, aber über ein anderes Titelbild verfügt und sechs Euro günstiger ist.