Allende, Isabel – Zorro

Eigentlich war ich bisher der Meinung, Zorro habe es schon immer gegeben. So wie Robin Hood beispielsweise. Stattdessen ist der Rächer mit der Maske noch nicht einmal hundert Jahre alt und stammt aus der Feder des findigen Amerikaners Johnston McCulley, der seiner Figur in einer stattlichen Anzahl |Dime Novels| zu erstem Ruhm verhalf. Ältere Semester erinnern sich vielleicht an diverse Filme und Serien, doch für mich beginnt der Kult um Zorro mit George Hamilton und seinen quietschbunten Zorro-Kostümen. Und auch Antonio Banderas‘ Darstellung des Rächers kann diesen ersten Eindruck nicht wirklich überschatten.

Wie gerade Isabel Allende an einen Stoff wie Zorro gelangt ist, wird wohl bei vielen ihrer Fans für Verwunderung gesorgt haben. Doch natürlich gibt es dazu eine Legende: Man erzählt sich, dass eines Tages fünf Leute vor ihrer Tür standen, die die Rechte an der Figur des [Zorro]http://de.wikipedia.org/wiki/Zorro besaßen und Allende anboten, doch einen Roman über ihn zu schreiben. Allende lehnte ab, schließlich ist sie eine ernsthafte Autorin. Doch die fünf Leute ließen eine Kiste mit Material zurück, das schließlich das Interesse der Autorin weckte. Ganz passend dazu gibt es ab November auch einen neuen Zorro-Film mit oben erwähntem Antonio Banderas („Das Geisterhaus“ und „Von Liebe und Schatten“ wurden beide mit Antonio Banderas verfilmt) und da war es wohl um sie geschehen. In nur drei Monaten hat sie, während neben ihrem Computer zur Inspiration ein gerahmtes Bild von Antonio stand, „Zorro“ heruntergeschrieben. „Es ist sehr einfach zu schreiben, wenn man sich dabei Antonio Banderas vorstellt“, meint Allende. Scheinbar sollten sich viel mehr Autoren dessen Bild auf den Schreibtisch stellen …

Das befremdliche Gefühl beim Aufschlagen des Romans bleibt trotzdem und ich bin ziemlich überzeugt, dass ich an dem Buch etwas auszusetzen haben werde. Umso überraschender, dass ich die Lektüre durchaus genossen habe. Es muss meine heimliche Leidenschaft für wilde Plottwists, überlebensgroße Leidenschaften, bunte Panoramen und schillernde, plakative Charaktere sein, die sich beim Lesen breit machte. Darum sei vorneweg gesagt: „Zorro“ ist lange kein perfektes Buch und erst recht keine „echte“ Isabel Allende. Magischen Realismus sucht man vergebens, auch das zeitliche Panorama ist für ihre Verhältnisse stark zurückgenommen. Und doch macht der Roman Spaß. Wie könnte er auch nicht: Es gibt Männer mit schwarzen Umhängen, unglückliche Liebschaften, Piraten, wilde Duelle und das alles eingepackt in Allendes überbordende Erzähllust.

Doch fangen wir von vorn an, so macht das auch Isabel Allende. Ihr „Zorro“ ist eine Chronik der frühen Jahre. Wir erfahren einiges über seine Eltern, über die politische Situation in Kalifornien (da gab es nichts außer Indianern, Kühen und Missionaren, meint die Autorin in einem Interview), über seine Geburt und seine Erziehung. Wir könnten das überspringen, wäre es nicht gerade der Kernpunkt der Erzählung. Irgendwann während der Lektüre muss man akzeptieren, dass das Buch den Weg von Diega de la Vega, einem spanischen Adligen, zu Zorro dem Rächer beschreibt. Wir sehen also viel von Diego, aber viel weniger von Zorro.

Klein Diego wächst in Kalifornien im kultururellen Mischmasch von spanischen Einwanderern, Indianern und Missionaren auf. Zusammen mit seinem Milchbruder Bernardo, der verstummt ist, seit er den Mord an seiner Mutter mit ansehen musste, wird er als Jugendlicher nach Spanien an die Universität geschickt. Und dort geht die Geschichte dann so richtig los. Natürlich verliebt sich Diego prompt unsterblich in die unerreichbare Juliana, er lernt Fechten beim genialen Manuel Escalante, durch den er auch Kontakt zu einem Geheimbund bekommt, der (was auch sonst) für Gerechtigkeit eintritt. Und da ein würdiger Gegenspieler ebenfalls nicht fehlen darf, heftet sich der Spanier Rafael Moncada fortan an Diegos/Zorrors Fersen, da er dieselbe Frau begehrt. Im Übrigen erfährt man auch (falls man es noch nicht wusste), was „Zorro“ eigentlich bedeutet und wie Diego zu diesem Namen gekommen ist.

Kurzum: Die Handlung schreitet flott voran und ist reichlich actiongeladen. Es gibt Gefängnisausbrüche und Schwertkämpfe, Überfälle und wilde Fluchten durch ganz Spanien. Isabel Allende legt in ihrem Roman ein stolzes Tempo vor und das heißt für den Leser: Dranbleiben! Ein Manko hat der Roman allerdings: Seine Nebencharaktere sind fast durchweg sympathischer als seine Protagonisten. Da wäre zum Beispiel Don Diego (Zorro) selbst. Er sieht gut aus und hat perfekte Zähne (das erläutert uns Allende gleich mehrmals), dafür hat er abstehende Ohren (daher die Maske, die unbedingt die Ohren verdecken muss). Er ist eitel, bis zu einem gewissen Grade arrogant und etwas arg von sich eingenommen. Aus irgendeinem Grunde ist er in die langweilige und oberflächliche Juliana verliebt, an der ein durchschnittlicher Leser so überhaupt nichts Anziehendes finden kann. Ihre kauzige kleine Schwester Isabel allerdings, von Diego ständig übersehen, bleibt da schon eher im Gedächtnis: Sie schielt, hat eine wilde Mähne und lernt mit Diego fechten. Auch Bernardo, Diegos stummer Bruder, ist eine Figur, die beim Leser hängen bleibt. Das Gleiche gilt für Diegos Mutter Regina, eine zur westlichen Kultur bekehrte Indianerin. Warum Allendes Nebencharaktere solche prägnanten Persönlichkeiten sind, während Diego von Zeit zu Zeit einfach schrecklich unleidlich daherkommt, wird wohl das Geheimnis der Autorin bleiben. Vielleicht liegt es auch einfach am Kultstatus der Hauptfigur …

Allendes „Zorro“ ist also ein seltsames Werk. Auf der einen Seite lässt es einen großen Teil dessen vermissen, was ihre Bücher so speziell macht; nämlich den magischen Realismus. Auf der anderen Seite tobt sich Allende in gewohnter Manier in ihrer Geschichte aus: Sie schmückt ihre Schauplätze bunt aus und malt farbenfrohe Charaktere. Somit werden sowohl Neueinsteiger als auch Langzeitfans ihrer Romane gut mit „Zorro“ klarkommen. Und mal ehrlich, wer kann einem Mann ganz in Schwarz schon widerstehen?

Website zum Buch: http://www.allende-zorro.de/
Homepage der Autorin: http://www.isabelallende.com/