Andreas Eschbach – NSA

Weimar 1942: Die Programmiererin Helene arbeitet im Nationalen Sicherheits-Amt und entwickelt dort Programme, mit deren Hilfe alle Bürger des Reichs überwacht werden. Erst als die Liebe ihres Lebens Fahnenflucht begeht und untertauchen muss, regen sich Zweifel in ihr. Mit ihren Versuchen, ihm zu helfen, gerät sie nicht nur in Konflikt mit dem Regime, sondern wird auch in die Machtspiele ihres Vorgesetzten Lettke verwickelt, der die perfekte Überwachungstechnik des Staates für ganz eigene Zwecke benutzt und dabei zunehmend jede Grenze überschreitet …

Was wäre, wenn es im Dritten Reich schon Computer gegeben hätte, das Internet, E-Mails, Mobiltelefone und soziale Medien – und deren totale Überwachung?


(Verlagsinfo)

George Orwell schrieb mit „1984“ die Dystopie der totalen Überwachung. Inzwischen leben wir darin. Geht da noch mehr?

Man kommt nicht umhin, in der literarischen Auseinandersetzung mit Kontrolle, Überwachung und Missbrauch zuerst an „1984“ zu denken. Wir erkennen: Wo Orwell die Überwachung beklemmend und aggressiv beschreibt, hält sich die Wirklichkeit im Leben des Normalbürgers erst einmal zurück, erfasst die Daten, um mehr oder weniger subtil zu manipulieren – von ihrer weiteren Nutzung wissen wir noch nicht viel. Was aber möglich ist, wird inzwischen vielerorts thematisiert.

Andreas Eschbach geht zurück an die Wurzeln: Was wäre, wenn eine totalitäre Macht mit dem Willen zur Verfolgung die Möglichkeiten der modernen Kommunikationsmittel nutzen würde? Um das zu illustrieren, schafft Eschbach eine Welt, in der die Entwicklung der analytischen Maschine zur Zeit der Weltkriege für einen anderen Verlauf der Geschichte sorgt.

Interessante Wortschöpfungen verlagern die digitale Gesellschaft in ein Deutschland, in dem noch ausschließlich Deutsch gesprochen wurde. Es ist die Rede von Datensilos, Volkstelephonen, Weltnetz, Parolen und Elektrobriefen. Nach ein paar Seiten hat man den Wortschatz verknüpft und verheddert sich nicht mehr beim Lesen. Die Erzählung konzentriert sich auf zwei Figuren, einen Mann und eine Frau, die jeweils ein eigenes Päckchen zu tragen haben und auf ihre eigene Weise nach einem Weg suchen, mit der verstörenden Entwicklung der Vernetzung, dem ausbrechenden Zweiten Weltkrieg und den Verfolgungen zurecht zu kommen. Zeitweise ist das Schicksal der beiden eng verknüpft, doch sympathisiert man deutlich mit der jungen Frau, während der Mann abstoßende, perverse Charakterzüge hat, die Eschbach mit einer soliden Vorgeschichte untermauert.

Mit den beiden verschiedenen Blickwinkeln verfolgen wir den Aufbau des Weltnetzes, die Konsolidierung der Kontrollmechanismen und eine Entwicklung, deren Offenlegung in Form dieser Geschichte uns Angst und Bange machen kann. Man kann die Geschichte für sich von allen Bezügen zur Gegenwart befreit lesen, wenn man sich bemüht – der menschliche Geist ist zu allerlei fähig. Es drängt sich jedoch geradezu auf, dass Andreas Eschbach hier zeigen will, was mit uns Smartphone-Zombies heutzutage schon möglich ist. Und wohin das führen kann.

So ist das Buch harte Lektüre auf verschiedenen Ebenen. Keinesfalls jugendfrei, scheint es sich trotzdem thematisch an die jungen, agilen Menschen zu wenden, die unsere Welt noch formen können. Und doch bedarf es heute einer Bewusstheit für die mediale Problematik, um sich auch mal gegen den Strom stellen zu können. Die hier einbezogenen verschiedenen Ebenen lassen sich beschreiben als die Charakterlichkeit der Figuren, die Auseinandersetzung mit nationalsozialistischem Gedankengut, die Entwicklung der Medien, die Verknüpfung dieser Fiktion mit unserer Realität, und vielleicht die Abgründe, die sich durch Aushebeln der ethischen Grundsätze zeigen.

Der Verlag tut sein übriges, um dem Buch zu Charakter zu verhelfen. Der Schutzumschlag scheint aus altehrwürdig grobem Papier geschöpft zu sein, die Schriftzüge und Farben lassen keinen Zweifel daran, wohin die Reise geht. Und es gibt ein wundervolles Lesebändchen.

Aus den positiven Tönen des bisherigen Werks des Autors kommend, erlebt man mit der Lektüre diesen Buches etwas anderes, beklemmenderes. Erwartet man ein Happy End? Eschbachs Romane tun sich manchmal schwer mit ihrem Ende. Dieses hier ist konsequent.

Gebunden, 800 Seiten
Originalausgabe
Lübbe 9/2018
ISBN: 9783785726259
Das Buch beim Verlag

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