Als Preisträgerin des dotierten Ursula-K-LeGuin-Preises wurde Anne de Marcken binnen eines Jahres übersetzt und bei Suhrkamp verlegt. Eine ideale Plattform, bekannt für Herausgabe von phantastischer Literatur. Die Aufmachung ist ansprechend und schön gelungen, einzig das Lesebändchen fehlt dem schlanken Hardcover.
Der Klappentext wirbt mit einer skurrilen Disposition, mit Zombies und Postapokalypse, aber gleichzeitig auch mit Menschlichkeit und Humor. Wortmeldungen wie die des Kollegen Jeff Vandermeer bezeugen ebenfalls die Qualität des Buches. In Zusammenschau all dieser Häppchen kommt geneigte Leserschaft kaum um dieses Buch herum.
Dementsprechend gespannt auf die Lektüre, blieb der Rezensent aufgeschlossen auch bei dem unorthodoxen Start, den die Geschichte bietet.
Klappentext:
Unsere Heldin befindet sich im Jenseits. Sie lebt im Hotel der Untoten und hat einen Arm zu wenig, dafür aber eine Krähe zu viel. An ihren Namen kann sie sich nicht erinnern, ebenso wenig an ihre Kindheit – mochte sie Erdbeereis? Hatte sie einen grünen Spielzeuglaster? Seit der »großen Katastrophe« befindet sie sich im Reich der Namen- und Geschichtslosen, und doch zeigt sie keine Resignation. Im Gegenteil, denn eine kostbare Erinnerung ist ihr geblieben: Die Erinnerung an eine Person. Mit ihr. In den Dünen. Also macht sie sich mit Krähe und ohne Arm auf den Weg nach Westen, ans Meer, auf die Suche nach dem, was sie eigentlich ist. Und auf die Suche nach dem, was man früher wohl Liebe nannte.
Es währt für immer und dann ist es vorbei ist ein hinreißend skurriler, witziger und ergreifender Streifzug durch eine Welt ohne Gewissheiten. Eine Welt, die der unseren gar nicht so unähnlich scheint und in der sich aber die Frage, was uns im Kern ausmacht, auf haarsträubend einleuchtende Weise beantworten lässt.
Die Erzählung ist aus Sicht der Protagonistin an ihren Partner/Partnerin, welche/r unbekannter Weise kein aktiver Teil der Handlung ist, sondern wohl richtig verstorben, im Gegensatz zu der untoten Protagonistin. Sie schildert ihre Situation und ihr Vergessen in ruhiger Stimmung, ohne plakativ oder effektheischend zu werden. Dabei nimmt sie aber kein Blatt vor den Mund, sondern schildert sachlich auch das Töten ihrer menschlichen Opfer, und welche Teile sie zum Verzehr nutzt.
Was hier eklig klingen mag, ist nur nebensächliches Skizzenwerk für den Plot. Eigentlich verarbeitet De Marcken hier die Reduktion des Lebens auf sein Wesentliches und gleichzeitig die Frage nach dem Sinn. Das ganze aus Sicht der Untoten fügt den intellektuellen humoristischen Aspekt hinzu und bietet gleichzeitig auch die Möglichkeit zum Verlassen selbsterhaltender Methoden, die sonst das zwischenmenschliche Streben einengen.
Ein typischer Roman ist das allerdings nicht, man würde es eher als Novelle betrachten. Der schon äußerliche Umfang schrumpft weiter durch das formgebende Layout, mit dem man den teils sprunghaften Bildwechseln der Innensicht der Erzählerin besser zu folgen vermag. So erlebt sie in ihrem Stillstand Meinungsmache, Selbsterhaltung, aufopferungsvolle Hingabe, Fatalismus, Barbarei und ziellose Suche gerade durch ihre untote Nichtmenschlichkeit als urtümlich menschlich.
Allerdings kann die Autorin hier noch mehr: Sie lässt der Protagonistin eine tote Krähe als Seele zukommen und ihre Suche beinahe ziellos erfolgen, was dem Rezensenten einiges an gutem Willen abverlangte und das Verständnis der Geschichte auf mehrere Ebenen erweitert, welche sich nicht unbedingt immer erschließen lassen.
Insgesamt ist das Buch eine schön aufgemachte Geschichte, der man intellektuell nicht vollständig folgen kann. Dem offenen Einlass auf Skurrilität gewogen, kann diese Novelle sowohl ein menschliches Wesensbild liefern als auch eine philosophische Erweiterung anregen.
Zur Vervollständigung könnte die Laudatio des verliehenen Preises dienen.
Erscheinungstermin: 31.03.2025
Fester Einband mit Schutzumschlag, 151 Seiten
978-3-518-43222-8
Suhrkamp Verlag, 1. Auflage
Originaltitel: It Lasts Forever And Then It’s Over
Deutsch von Clemens Setz
Leseprobe beim Verlag
Der Autor vergibt: