Jeff Apter – Never Enough – Die Story von The Cure

Der Autor

Jeff Apter war jahrelang Musikredakteur bei der australischen Ausgabe des Rolling Stone. „Never Enough“ ist sein drittes Buch. Das erste befasst sich mit der australischen Band SILVERCHAIR, das zweite, ebenfalls auf Deutsch bei Bosworth erschienen, trägt den Titel „Fornication“ und schildert die stürmische Karriere der RED HOT CHILI PEPPERS.

Inhalt

Das kleine, beschauliche Örtchen Crawley, Mitte der Siebziger. Drei jugendliche Rebellen, darunter auch der exzentrische Robert Smith, nutzten die gerade aufsteigende Punk-Welle, um mit ihrer außergewöhnlichen Rockmusik ebenfalls an die Oberfläche der nationalen Musikindustrie gespült zu werden. Mit „Three Imaginary Boys“ startete schließlich eine der außergewöhnlichsten Karieren, die das Musikbuisness je erleben durfte. Eine Karriere, in der zahlreiche Skandale in Form von Alkohol- und Drogenexzessen ebenso an der Tagesordnung waren wie musikalische Fehltritte, Grabenkämpfe unter den beteiligten Musikern und ständige Auflösungsgerüchte, die auch von der Band selber vorangetrieben wurden. THE CURE stiegen relativ schnell an die Spitze der nationalen Charts und wurden selbst in den Momenten gefeiert, in denen Smith mit selbstironischen, hoffnungslosen Happy-Tracks das Ende der Band initiieren wollte.

Robert Smith pendelte fast drei Dekaden lang zwischen Genie und Wahnsinn, gab seine Band eigentlich fortwährend auf, stieg zwischenzeitlich auch einmal aus, um die Anonymität bei SIOUXSIE AND THE BANSHEES zu genießen, konnte sich aber trotzdem nie so wirklich von dem Phänomen, das er als Jugendlicher selber eingeleitet hatte, lösen.

Seine Weggefährten bleiben beim selbstzerstörerischen Werdegang aber größtenteils auf der Strecke; Robert Smith ist das einzige verbliebene Gründungsmitglied und hat als Einziger das überstanden, was bei anderen Musikern über kurz oder lang zum Selbstmord geführt hätte. Ein Thema übrigens, das Smith in seinem scheuen Auftreten auch nicht immer vom Tisch weisen konnte.

Sie waren nicht klein zu kriegen, obwohl sie dies manchmal sicher bevorzugt hätten. Doch die verschiedenen Mitglieder von THE CURE, die auch nach langen jahren noch mit Smith in einem Boot sitzen, sind heute sehr stolz auf das, was sie in beinahe 30 Jahren mit dieser Band erreicht haben. Selbst erfolgsverwöhnte Bands wie DEPECHE MODE haben in Szenekreisen nie einen derart besonderen Status erlangen können wie THE CURE, auch wenn sich in den Karrieren der beiden Top-Bands wohl mehr Parallelen als Unterschiede finden. Gleichermaßen sind beide auch heute gezeichnet von den wilden Jahren ihrer Laufbahn. Drogen, Fressattacken, durchgezechte Nächte und ausgelassene Partys haben auch bei der Band aus Crawley ihre Spuren hinterlassen. Doch die Story geht weiter; Smith ist noch nicht am Ende und sein Vermächtnis nach wie vor legendär. Lediglich seine ehemaligen Weggefährten, die verlangen heute noch nach Genugtuung, wollen ihren Anteil des sicherlich verdienten Respekts einfahren und sich für ihre Arbeit mit dieser legendären Band gewürdigt wissen. Und dennoch; ob es nun Simon Gallup, Lawrence Tolhurst oder wer auch immer ist: Sie hatten alle ihren Anteil, doch ohne das Charisma und die Aura eines Robert Smith wären sie nach all den Jahren nichts gewesen. Oder vielleicht schon lange tot …

Meine Meinung

Jeff Apter hat für dieses Projekt unzählige Bücher gewälzt und auch in den Archiven der verschiedenen Musik-Publikationen intensiv recherchiert. „Never Enough“ ist daher auch – Gott sei Dank – kein Buch, das den Lebensweg von Smith und Co. in ein besonders positives Licht stellt, geschweige denn die Exzesse, von denen es bei THE CURE ja ewig viele gab, glorifiziert. Ebenso wenig aber ist „Never Enough“ eine Biographie, die sich nur mit den Negativ-Schlagzeilen der Band beschäftigt, selbst wenn diesen aufgrund ihrer reellen Existenz ein gewisser Raum zusteht.

Vielmehr möchte der Autor einen authentischen Überblick über die Geschichte, aber auch über das Phänomen, das sich um diese britischen Musiker rankte, geben. Und das ist ihm in diesem Buch wirklich sehr, sehr gut gelungen.

Um das ganze Drama, das sich THE CURE nennt, passend zu beschreiben, wählt Apter einen der schwärzesten Tage der Bandgeschichte als Einleitung. Er beschreibt einen Tag im Jahre 1986, als die Band gerade auf dem besten Wege war, den amerikanischen Markt zu knacken, dann aber durch einen blutig inszenierten Selbstmord zu Beginn ihrer Show im Los Angeles Forum enorm zurückgeworfen wurde. Es war ein Zeitpunkt, an dem selbst Smith sein Dasein als Superstar langsam zu genießen begann und endlich mal Ruhe innerhalb der Band eingekehrt war, aber dennoch ließ das Schicksal es nicht zu, dass bei diesem wilden Haufen Zufriedenheit einsetzte. Solche Momente, wenn auch nicht mit derart verheerenden Folgen, ziehen sich wie ein ewig langer, roter Faden durch die Historie von THE CURE. Meist wählte der Bandleader dabei selber aus, wann es bergauf und wann bergab gehen sollte. Smith ist auf diesem Bereich ein Genie, wusste sich in den entscheidenden Momenten immer wieder selber zu erfinden, hatte aber auch ein Gespür dafür, wann der genau falsche Zeitpunkt für ein vorzeitiges Abtreten gekommen war. Aber ausgerechnet solche Ups & Downs haben die Band – so kontrovers dies klingt – über die Jahre am Leben gehalten. Der Weg ins Jenseits war gleichzeitig auch wieder ein Schritt nach vorne, geprägt von der Einsicht, dass es ohne diese Band einfach nicht geht.

Apter beschreibt all diese gegensätzlichen Aspekte aus einer sehr neutralen, emotionslosen Sichtweise, und genau das ist auch nötig. Man merkt seinen Texten zwar an, dass er selber sehr stark von dieser Band fasziniert ist, doch er schreibt das Buch nicht aus der Perspektive eines Fans. Gerade bei einer solchen Gruppe wie THE CURE habe ich nämlich im Voraus hier eine erhebliche Gefahr gesehen, schließlich war das Fandasein hier nicht mehr mit ganz normalen menschlichen Zügen zu beschreiben, sondern grenzte bei fast jedem eingefleischten Hörer an Fanatismus. Doch davon ist in „Never Enough“ absolut keine Spur. Apter analysiert die Geschichte – besonders die verschiedene Tiefpunkte und Highlights – und liefert im Endeffekt einen sehr vollständigen, aber auch unbedingt lesenswerten Bericht ab. Musikerbiografien haben ja immer den Nebeneffekt, dass man selbst, wenn man mit der betroffenen Band jetzt nicht so viel anfangen kann, irgendwann doch mal zu einer diesbezüglichen CD greifen wird. Davon mal abgesehen, dass sich dies im Falle der ersten THE CURE-Alben sowieso lohnt, bin ich mir sicher, dass diese Folge bei vielen Lesern früher oder später auch eintreten wird. Und damit hätte Jeff Apter, gewollt oder ungewollt, das Ziel, die Leute für THE CURE zu begeistern, auch erreicht.

Taschenbuch: 380 Seiten
www.bosworth.de