Philip Ardagh – Die Kuh, die vom Himmel fiel (Lesung)


Bomben über Dreckskaff: FLUMPH machte die Kuh

Wetterprognose: Häufig Kuh-Regen! Eines Tages fällt in Bad Dreckskaff eine Kuh vom Himmel und landet mit einem ungewöhnlichen FLUMPH und einem bestürzten „MUH!“ mitten auf Limbo Gulasch und seinem Fahrrad. Schon am nächsten Tag fällt eine weitere Kuh aus allen Wolken.

Als die dritte Kuh in einem süßen Gelee-Auflauf landet, haben die Bewohner von Bad Dreckskaff endgültig genug: Ab jetzt ist jeder verpflichtet, den Himmel zu beobachten und sich vor fallenden Kühen zu retten!

Der Bürgermeister ruft eine Notfallsitzung ein, aber nur Yvonne Zängerlein und Mango G. Laber können Licht ins Dunkel bringen. Und ganz nebenbei noch einen totgeglaubten Fernsehkoch finden. Doch womit niemand rechnet: Die nächste Überraschung kommt von unten … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 8 Jahren. Es handelt sich um den zweiten Band mit Geschichten aus Bad Dreckskaff.

Der Autor

Philip Ardagh ist über zwei Meter groß und trägt einen buschigen Bart – wie sein Foto belegt. Außerdem hat er mehr als 60 Kinderbücher geschrieben, für Kinder jeden Alters und unter verschiedenen Pseudonymen. „Allerdings keines, das nur annähernd so wäre wie „Schlimmes Ende“, verrät der Verlag. Er arbeitete als Werbetexter, als Krankenhausputzkraft, als Bibliothekar und als Vorleser für Blinde, bevor er aus dem Schreiben einen Fulltime-Job machte. Ardagh lebt mit seiner Frau und zwei Katzen in einem Küstenort in England.

Der Sprecher

Am 27. März 1945 wurde Harry Rowohlt in Hamburg geboren, wo er auch heute lebt. Er arbeitet als Autor, Übersetzer, Kolumnist und begnadeter Vortragskünstler. Nebenbei brilliert er unregelmäßig als Penner Harry in der Fernsehserie Lindenstraße. Bisher hat Harry Rowohlt 151 Bücher aus dem Englischen ins Deutsche übertragen, darunter A.A. Milnes Pu der Bär.

Er hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter 1999 den Johann-Heinrich-Voß-Preis der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung. Im Januar 2001 erhielt er den Satirepreis Göttinger Elch. Zweimal wurde er mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Seine Lesung von „Pu der Bär“ gehört zu den erfolgreichsten Hörbuchproduktionen der letzten Jahre.

„Keine Regie“ führte Markus Langer. Für Aufnahme und Schnitt zeichnet Daniel Bongard verantwortlich.

Handlung

An dem Tag, als es beginnt, hört Polizist Grabschi Hansen ein mächtiges FLUMPH und ein bestürztes „MUH!“, als eine lebende Kuh mitten auf Limbo Gulasch und seinem Fahrrad landet. Geistesgegenwärtig ruft Hansen seinen Chef Gelatine herbei. Der Radler wird befragt. Untertänigst bittet Limbo um Entlastung von der Kuh. Aber wie?

Als Yvonne Zängerlein und Mango G. Laber vorbeikommen, empfehlen sie, einen Arzt zu rufen. Der Freu kann ebenso wenig helfen wie die Markise von O, doch der Automechaniker Luminös C. Scherbe erteilt nützliche Tipps. Die Kuh erweist sich als undicht. Zum Glück ist es bloß Milch.

Hansen fragt sich unterdessen, woher die Kuh überhaupt gekommen ist. Vom Leuchtturm etwa oder aus einem Luftgefährt vielleicht? Da erscheint ein GROßER SCHATTEN. Es ist Bürgermeister Specki Gomez , mit seinem Maskottchen Gyp, dem Pelikan, unterm Arm. Er haut der Kuh einmal auf den Allerwertesten, und sie erhebt sich sogleich, um von dann zu trotten. Man bringt sie beim Bauer Christoph W. Muck unter.

Am nächsten Tag berichten die Zeitungen von Bad Dreckskaff über die vom Himmel gefallene Kuh. Da fällt eine zweite Kuh vom Himmel! Sie schlägt krachend in Violetto K’s Musikstadel ein, ist sie doch lediglich das MODELL einer Kuh. Polizist Grabschi Hansen verdächtigt Marek Magen-Darm eines „gemeinsamen Nenners“. Doch da schaut Mango genauer hin: Die Flecken dieser Kuh sind die gleichen wie bei der gestrigen Kuh. Das kann doch kein Zufall sein! Grabschi Hansen dankt dem Bürger Mango für seine Mithilfe.

Bürgermeister Specki Gomez beruft ein Notfallkomitee ein, um in einer Notfallsitzung über die fallenden Kühe zu beraten. Werden weitere fallen? Hansen will zunächst „die Himmel beobachten“, als ob es deren mehrere gäbe. Alle Bürger der Stadt geloben, achtsam und wachsam zu sein. Das heißt, alle außer der Familie Fuchs …

Am nächsten Tag bemerken Yvonne und Mango, die im Park sitzen, wie etwas, das sich vom Meer her nähert, immer größer und GRÖßER wird – noch eine Kuh!

Dieses Geschoss richtet einen immensen Schaden an. Denn zufällig (oder auch nicht) findet heute in Bad Dreckskaff das Weltbezwinger-Festival statt. Gerade als stünde er für eine weiche Landung bereit, fällt diese Modellkuh in der Welt größten Gelee-Auflauf, den man sich vorstellen kann. Alle Bürger werden rot bekleckert.

Grabschi Hansen ist schier außer sich vor Ärger. Da gibt ihm Yvonne Zängerlein den vielleicht alles entscheidenden Hinweis: Diese wiederum etwas kleinere Kuh wurde aus der Richtung des Meeres GESCHLEUDERT. Wie mit einem KATAPULT …

Mein Eindruck

Es geht offensichtlich um Terrorismus, klarer Fall. Warum sonst sollte man die Stadt mit lebenden und toten Kühen bombardieren, außer um Furcht und Schrecken zu verbreiten? Wer würde so etwas schon tun, fragt sich der Hörer. Doch wie uns die Geschichte gelehrt hat, kommt die terroristische Gefahr mittlerweile aus der Mitte der Gesellschaft, so etwa in England im Juli 2007, als islamistische Bomber in London Dutzende Menschenleben forderten.

Die Terroristen

Doch wer käme als Terrorist infrage, grübelt unser Dorfbobby Grabschi Hansen. Wir hingegen ahnen es bereits, als einzige Familie, die NICHT achtsam und wachsam den Himel beobachtet, die Familie Fuchs genannt wird. Wer so aus der Reihe der Gutbürgerlichkeit tanzt, muss etwas zu verbergen haben und womöglich sogar einen Groll hegen.

Natürlich werden die „Terroristen“ über kurz oder lang dingfest gemacht und von Grabschi Hansen in seine Grüne Minna gesperrt. Aber um was ging es denn nun den Fuchsens bei ihrem menschenverachtenden Angriff auf die friedliche Hafenstadt? Wie sich herausstellt, ist der Auslöser eine nicht angekündigte Preiserhöhung – bei Eiscremekugeln.

Allerdings könnte man daran zweifeln, ob sich die Fuchsens – sie sind natürlich rothaarig wie alle Rebellen – nicht in der Wahl ihrer Mittel etwas in der GRÖßE vertan haben. Sie bombardieren Bad Dreckskaff ja nach dem alttestamentarischen Prinzip „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ mit Kühen statt mit Eiscremekugeln. Aber das ist eben das Schlaue an diesem Angriff: Die Kühe werden immer kleiner, um zu demonstrieren, was passiert, wenn man immer weniger kriegt …

Der Meisterkoch

Als Nachklapp zu diesem Roten Faden spielt die Entdeckung einer weiteren dubiosen Aktivität eine gewisse Rolle, wenn auch eine positive. Ein ehemaliger Meisterkoch aus Bad Dreckskaff ist, als er bewusstlos im Krankenhaus lag, für tot erklärt worden. Das fand er nach seinem Erwachen wenig witzig, erblickte aber sofort die einmalige Chance, die das Totsein ihm bot: Er nahm flugs eine neue Identität an und verkroch sich vor der Welt.

Er war gerade dabei, eine neue Kreation auszutüfteln, als ihn ein Sturz von der Leiter in die Tiefen einer Höhle beförderte. Dank sei Yvonne Zängerlein und Mango G. Laber, dem findigen Pärchen, das ihn findet. Natürlich erhalten sie dafür Verdienstmedaillen und kommen in die Zeitung.

Der Sprecher

Harry Rowohlt macht als Sprecher einen phantastisch guten Job. Er verleiht den meisten Figuren seine oder ihre eigene Ausdrucksweise. Dies betrifft besonders S.V.W. Forzeps, den Meisterkoch mit der falschen Identität (den ich in meiner Inhaltsangabe einfach unterschlagen habe).

Da aber reichlich wenig gesprochen wird, muss Rowohlt als Erzähler die Story tragen als auch veranschaulichen. Damit tut er sich ein wenig schwer, was wohl in der Natur der Sache liegt. Immerhin dürften sich die jungen Zuhörer über seine kuriosen Betonungen der Namen (und natürlich über die kuriosen Namen selbst) beömmeln. Unter diesen Namen ragt der von Yvonne Zängerlein heraus, denn er spricht ihn „I-wonn-ö!“ aus, als brächte sie Wonne ins Leben eines jeden Bürgers von Bad Dreckskaff.

Im Übrigen gibt die Lesung den vollständigen Text des Buches wieder. Es wurde nichts gekürzt. Musikuntermalung fehlt, wird aber keineswegs vermisst: Sie würde nur störend wirken. Es gibt ein paar Soundeffekte wie etwa ein Echo, außerdem ein herrliches MUUUUH! und ein erstaunliches FLUMPH!

Das Booklet

Im Booklet findet der Hörer neben einigen Zeichnungen aus dem Buch eine komplette Liste der Figuren, wie sie Harry Rowohlt ins Deutsche übertrug. Auf diese wertvolle Liste weist der Sprecher in der Rolle des Autors gesondert hin, wenn er die VORBEMERKUNG spricht (welche ich selbstverständlich ebenfalls unterschlagen habe, da sie ja nicht zur HANDLUNG gehört).

Unterm Strich

Das Hörbuch macht durchaus jungen Zuhörern Spaß, sofern sie es schaffen, den Überblick über die vielen Namen zu behalten. Dabei können sie sich allerdings auf die Liste im Booklet stützen. Wenn sie aber schon die erste Geschichte über Bad Dreckskaff gehört oder gelesen haben, ist das noch viel besser.

Ist diese Voraussetzung erfüllt, können sich die Zuhörer an Rowohlts wunderbarem Vortragsstil ergötzen – oder sich gehörig über die – wie bei Ardagh üblich – skurrile bis bizarre Handlung wundern. Aber das war ja in den Büchern über „Schlimmes Ende“ auch schon so.

Bis herauskommt, woher die Kühe denn geflogen kommen, vergeht eine geraume Zeit, in der der Autor seinen Spannungsbogen weidlich ausnutzt, um jede Menge Nebenhandlungen und Impressionen unterzubringen. Auf diese Weise ersteht vor unserem Geist ein Städtchen am Meer, das es mit anderen einfallsreichen Schauplätzen durchaus aufnehmen kann.

Allerdings ist dieses Dreckskaff keine Utopie, kein Krähwinkel und keine Sperlingsgasse à la Wilhelm Raabe, sondern es ist Eden nach dem Sündenfall. Deshalb auch der terroristische Angriff mit den Kühen. Aber es gibt noch Hoffnung für dieses Ex-Eden, wenn man der Liebe eine Chance gibt. Und die Liebe verkörpern niemand besser als Yvonne Zängerlein und Mango G. Laber, die am Schluss die Verdienstmedaillen bekommen. Aber für was ganz anderes als Terrhttp://www.oetinger.deoristenbekämpfung.

Das Hörbuch

Harry Rowohlts Vortrag lässt nur wenig Wünsche offen und trägt sehr dazu bei, die Geschichte auch ohne Illustrationen und Textgrafiken genießen zu können. Er arbeitet die Sprechweise der Hauptfiguren so gut heraus, dass man sie sich lebhaft in ihrem jeweiligen Charakter vorstellen kann. Ich hätte mir aber gewünscht, es gäbe wie bei „Schlimmes Ende“ mehr Dialoge und weniger Erzähltext.

Fazit: Vier von fünf Sternen.

|2 Audio-CDs
Spieldauer: 96 Minuten
Aus dem Englischen übersetzt von Harry Rowohlt
Gelesen von Harry Rowohlt
ISBN-13: 978-3837305005|
http://www.oetinger.de

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