Arthur C. Doyle: Sherlock Holmes – Die Gloria Scott (Folge 26)


Ex-Meuterer als Richter: Der Fluch der bösen Tat

Sherlock Holmes berichtet seinem Freund und Chronisten Dr. Watson und Mrs. Hudson von seinem allerersten Fall. Seinerzeit hatte er sich auf Einladung seines einzigen Freundes aus Studienzeiten auf dem Landsitz der Trevors befunden – nicht ahnend, dass der Vater seines Freundes seit vielen Jahren bereits ein dunkles Geheimnis hütet… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 12 Jahren.

Die Serie wurde mit dem „Blauen Karfunkel“ der Deutschen Sherlock Holmes-Gesellschaft ausgezeichnet.

Der Autor

Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen ca. 60 Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um sein Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: „The Lost World“ erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Schon 1913 ließ Doyle eine Fortsetzung unter dem Titel „The Poison Belt“ (dt. als „Im Giftstrom“, 1924) folgen.

Hinweis: Jede einzelne SHERLOCK-HOLMES-Erzählung ist auf der englischen Wikipedia gewürdigt worden. Ein Blick lohnt sich: https://en.wikipedia.org/wiki/The_Adventure_of_the_Gloria_Scott.

Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert und von Lübbe Audio vertrieben wird.

Folge 1: Im Schatten des Rippers
2: Spuk im Pfarrhaus
3: Das entwendete Fallbeil
4: Der Engel von Hampstead
5: Die Affenfrau
6: Spurlos verschwunden
7: Der Smaragd des Todes
8: Walpurgisnacht
9: Die Elfen von Cottingley
10: Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band / Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß (Neuausgabe)
11: Das Zeichen der Vier (4/2014, Neuausgabe)
12: Ein Skandal in Böhmen (4/2014)
13: Der Bund der Rotschöpfe (5/14)
14: Eine Frage der Identität (9/14)
15: Das Rätsel von Boscombe Valley (10/14)
16: Der blaue Karfunkel
17: Die fünf Orangenkerne
18: Der Mann mit der entstellten Lippe
19: Der Daumen des Ingenieurs
20. Der adlige Junggeselle
21. Die Beryll-Krone
22. Das Haus bei den Blutbuchen
23. Silberblesse (6/16)
24. Das gelbe Gesicht (6/16)
25. Der Angestellte des Börsenmaklers (7/16)
26: Die „Gloria Scott“ (11/16)
27: Das Musgrave Ritual (12/16)
28: Eine Studie in Scharlachrot (3/17)
29: Der Junker von Reigate (4/17)
30: Der bucklige Mann (5/17)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher und ihre Rollen:

Joachim Tennstedt: Sherlock Holmes
Detlef Bierstedt: Dr. John Watson
Regina Lemnitz: Mrs. Hudson
Julian Tennstedt: junger Sherlock
Dirk Patrick: Victor Trevor
Jochen Schröder: Mr. Trevor
Maximiliane Häcke: Emma
Bernd Rumpf: Hudson
Jannik Endemann: junger Mr. Trevor
Christian Stark: Jack Prendergast

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio und Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trugen Ertugrul Edirne und Firuz Askin bei.

Handlung

Watson hat es sich bei seinem Freund Sherlock Holmes so richtig gemütlich gemacht. Denn angesichts des schrecklichen Winterwetters draußen verspürt er keinerlei Verlangen, die gemütliche Atmosphäre zu verlassen. Als dann auch noch Mrs. Hudson ihre leckeren Schnittchen zum Tee serviert, ist es um jede Bereitschaft, Baker Street 221B zu verlassen, geschehen. Und Wunder geschehen auch noch: Holmes hat aus seinem üblichen Chaos einen Schuhkarton mit Dokumenten gefischt – „mein allererster Fall“, verkündet er. Watson und Mrs. Hudson, die zuzuhören eingeladen ist, sind gespannt.

Doch das erste Dokument enthält nur ein verwirrendes Rätsel. Wegen dieses Geschreibsels soll der Empfänger, ein gewisser Mr. Trevor, auf der Stelle verstorben sein? Holmes beginnt, die ganze Sache zu erklären. Es begann damit, dass er seinen Kommilitonen Victor Trevor an der Uni Cambridge kennenlernte – durch den Biss von dessen Hund, der den vielsagenden Namen „Dreyfuss“ trug. Die Pflege des gebissenen Arms zwang Holmes erst einmal zehn Tage ins Bett.

Der untröstliche Victor freundete sich mit ihm an und erzählte ihm von seinem Vater, dem Friedensrichter Trevor. Seine Mutter sei gestorben, deduziert Holmes ungerührt, deshalb der Hund als Gefährte. Erstmals macht Victor mit der zwiespältigen Art und Weise von Holmes‘ Wahrheitsfindung Bekanntschaft. Er wünscht, dass auch sein Vater von dieser, äh, „Deduktion“ profitieren könne – schließlich müsse er ja als Richter ständig alle möglichen Aussagen hinterfragen. Gesagt, getan: Holmes fährt aufs Land nach Norfolk.

Die Demo

Mr. Trevor ist ein beleibter und betagter Mann. Aus dem schweren Stock, auf den er sich stützt, deduziert Holmes, Mr. Trevor bereite sich auf einen Angriff vor, denn das sei offensichtlich eine Waffe. Außerdem seien seine Hände so stark und grob, dass er wahrscheinlich in Australien nach Gold gegraben habe. Trevor ist verblüfft. Als Holmes jedoch erwähnt, dass Trevor eine Tätowierung der Initialen J.A. auf dem Unterarm habe entfernen lassen wollen, erleidet Mr. Trevor einen Schwächeanfall. Nach einer Stärkung mit Brandy verrät er, dass er eine Herzschwäche habe und drängt Holmes, möglichst bald Detektiv zu werden.

Der Besucher

Etwas später sitzt die kleine Gruppe entspannt auf der Terrasse, als das Dienstmädchen Emma einen Besucher ankündigt, der seinen Namen nicht sagen will. Mr. Trevor nimmt als Friedensrichter alle möglichen Gesuche an und lässt bitten. Doch der Besucher ist alles andere als gern gesehen. Trevor nennt ihn bestürzt „Hudson!“ Die verdreckte Vogelscheuche, die ihm so einen Schrecken einjagt, hat er vierzig Jahre lang nicht mehr gesehen. Er lässt diesem Lumpen zu essen und zu trinken geben. Der grabscht unverschämt nach Emma, säuft in ein Loch hinein und verlangt einen Job. Trevor fügt sich, sehr zu aller Erstaunen – nur Hudson grinst.

Protest

Mrs. Hudson protestiert empört, dieser Hudson habe mit ihrer eigenen Familie nicht das Geringste zu tun! Holmes und Watson können sich dies ebenfalls nicht vorstellen und beruhigen sie. Doch dann muss Holmes mit seiner Geschichte fortfahren, die immer düsterer und düsterer wird. Denn Trevor und Hudson kennen sich seit einer schicksalhaften Überfahrt nach Australien – und beide waren an der blutigen Meuterei an Bord der „Gloria Scott“ beteiligt…

Mein Eindruck

Mr. Trevor hieß damals natürlich so, sondern John Armitage, was seine Initialen erklärt. Das Datum des Jahres ist umstritten, aber wenn Holmes 1875 noch an der Uni war (spätestens 1880), dann muss die Deportation Armitages ca. 1835 oder 1840 – im Original sind sogar nur 30 Jahre verstrichen – erfolgt sein. Erst wurden nur Verbrecher nach Australien verschifft, also muss auch Armitage einer gewesen sein. Bis der Friedensrichter, ein Mann der Gerechtigkeit, sich als früherer Verbrecher outet, vergeht verständlicherweise einige Zeit. Erst in seinen posthumen Aufzeichnungen erhält sein Victor den Beleg dafür.

Wieder einmal prangert der Autor also eine Lebenslüge an und dass zwischen Anspruch und Wirklichkeit manchmal eine sorgfältig kaschierte Kluft liegt. Er hat dies bereits in „Die fünf Orangenkerne“ und „Das Zeichen der Vier“ vorexerziert. Dass ein früherer Komplize einer Hauptfigur aus Australien nach England folgt, um dort Rache zu üben, lässt sich auch in „Das Rätsel von Boscombe Valley“ nachlesen.

Der vorliegende Fall ist zeitlich vertrackt, und die zeitlichen Abläufe führen im ORIGINAL zu zwei Widersprüchen. Diese kann man leicht in dem oben genannten Wikipedia-Artikel nachlesen. Ich habe sie in der Hörspielfassung nicht bemerkt. Interessant ist die Staffelung der Zeitebenen: Erst führt uns Holmes zurück ins Jahr 1875, dann Mr. Trevor noch einmal weitere 30-40 Jahre zurück ins Jahr 1835 oder 1845.

Damit die Rückblenden den Hörer nicht verwirren, wurden sie weit auseinanderliegend angeordnet. Die Inszenierung der Meuterei selbst in durchaus actionreich gelungen – und die Explosion des Schiffes wird durch einen formidablen Donnerschlag markiert.

Die rätselhafte Botschaft übrigens, die Holmes seinen beiden Zuhörern vorliest, lässt sich durch einen sehr simplen Trick entschlüsseln: Man liest nur jedes dritte Wort. Dann erhält man die Nachricht, die Mr. Trevor so in Angst und Schrecken versetzte, dass er kurz darauf das Zeitliche segnete. (Alles Nähere dazu im Wikipedia-Beitrag.) Merke: Holmes hat sich bereits während seines Studiums mit Geheimschriften und Codes beschäftigt, von der Kunst der Deduktion ganz zu schweigen.

Dass sich Mrs. Hudson gegen jede Art von Verwandtschaft mit diesem Rüpel von der „Gloria Scott“ verwahrt, glaubt man ihr gerne. Nichtsdestotrotz hat genau dies eine Autorin namens Laurie R. King anno 2016 gemacht: Dem Roman „The Murder of Mary Russell“ zufolge ist jener Seemann namens Hudson der Vater der bemitleidenswerten Mrs. Hudson. Ihm hätte sie bestimmt keine Schnittchen kredenzt!

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

Dr. Watson nimmt die Stelle des zweifelnden gesunden Menschenverstandes gegenüber Holmes ein, welcher ein getriebener Junkie der Vernunftarbeit zu sein scheint. Watson ist der Gemütsmensch, ein Jedermann mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Holmes jedoch ist nicht nur Kopfarbeiter, sondern auch Schauspieler und Manipulator von Menschen.

Sherlock

Es gibt mehrere Hauptfiguren, die auch stimmlich herausragen. Am besten gefällt mir Joachim Tennstedt als Sherlock, denn was er in diese Figur hineinlegt, ist sehr sympathisch und humorvoll – so als würde ein strahlender John Malkovich völlig entspannt aufspielen (liegt’s am Koks?). Holmes‘ einziger Fehler ist seine Ablehnung des weiblichen Geschlechts oder vielmehr des Umgangs mit dessen Vertretern. Das soll aber weniger an latenter Homosexualität liegen, als vielmehr an seiner Abneigung gegen jede Art von emotionaler Sentimentalität.

Aber Holmes ist auch ein ausgezeichneter Schauspieler, Fechter und engagierter Boxer. Ab und zu treibt er sich als aktiver Detektiv in Londons Sauwetter herum und kehrt völlig ausgehungert ins Hauptquartier zurück. Dann darf Mrs. Hudson, die auch hier moralisches Zentrum auftritt, ihm Essen kredenzen. In der Vertonung der Episode „Die Gloria Scott“ schlagen Holmes und Watson bei Mrs. Hudsons Schnittchen verheerend zu und hauen richtig rein.

Watson

Dr. John H(amish) Watson, 36, ist das genaue Gegenteil seines Freundes: jovial, höflich, frauenfreundlich und durchweg emotional, außerdem glücklich verheiratet. Leider sind seine logischen Schlüsse von dementsprechend unzulänglicher Qualität. Das war zu erwarten und dürfte keinen überraschen.

Watsons Aufgabe besteht vor allem in der des Chronisten für Holmes. Diese lukrative Aufgabe versetzt ihn zuweilen in die Lage, rasch aufbrechen zu müssen und lässt ihm ab und zu gehärtetes Blei um die Ohren fliegen („Das Zeichen der Vier“). Aber durch Holmes lernte Watson seine spätere Frau Mary Morstan kennen (dito).

Nebenfiguren

Die Sprecher des jungen Victor Trevor (J. Endemann) und des jungen Sherlock (Julian Tennstedt) spielen sich in der langen Rückblende die dialogischen Spielbälle zu, dass es eine Freude ist. Allerdings bleibt mir der ekelhafte Mr. Hudson viel länger in Erinnerung, muss ich zugeben. Bernd Rumpf spielt ihn schlimmer als Walder Frey und Peter Baelish aus „Game of Thrones“ zusammengenommen, und das will was heißen.

Sein mieser Charakter äußert sich beispielsweise in seiner Zudringlichkeit gegenüber dem Dienstmädchen Emma. Maximiliane Häcke spielt mit minimalen Mitteln das entrüstete und empörte Mädchen, dass es eine Freude ist. Jeder aufmerksame Hörer merkt sofort, was mit ihr los ist. Erst Victor sich diese Zumutungen nicht mehr bieten lässt, macht sich Hudson vom Acker – um den nächsten auf seiner Liste zu „beehren“.

In der eindringlichen Szene auf der „Gloria Scott“ tritt als zentrale Figur Jack Prendergast auf, der Anführer der Meuterer. Christian Stark spielt ihn als verkommenes Subjekt, das nichts mehr zu verlieren hat, ein Verbrecher eben, der mit anderen Verbrechern gemeinsame Sache macht. Er zieht Armitage und einen weiteren Sündern in seine Sache hinein – und lässt die gesamte Besatzung massakrieren. (Was aus seemännischer Sicht ziemlich dämlich ist, denn die wenigsten englischen Landratten dürften ein Schiff wie die „Gloria Scott“ bis nach Australien segeln können.)

Geräusche

Eine schier unglaubliche Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Papierrascheln, klappernde Teetassen, knisterndes Kaminfeuer – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen zu vermitteln. Diesmal kommt das selige Mampfen von Mrs. Hudsons Schnittchen hinzu.

Die Geräusche auf den Anwesen der Trevors sind sehr dezent und bestehen v.a. aus Vogelstimmen im Hintergrund. Hier sind die Stimmen wichtiger. Das ändert sich in der Rückblende auf das Geschehen an Bord der „Gloria Scott“: Hier müssen die Geräusche so realistisch und dicht sein wie nur möglich. Die Wellen rauschen, die Schiffsplanken ächzen und knarren, die Ketten der Gefangenen klirren und vieles mehr. Am Schluss erfolgt jene besagte Explosion, die die Lautsprecher zum Erzittern bringt.

Die Musik

Das Intro, eine Art flott-dezente Teemusik, bildet den heiter-beschwingten Auftakt des Hörspiels und deutet die häusliche Idylle von Baker Street 221B an. Von einem Score im klassischen Sinn kann keine Rede mehr sein. Hintergrundmusik dient nur dazu, eine düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, und zwar nur dort, wo sie gebraucht wird. Hier steigert sich die Spannung sehr dezent von Szene zu Szene, bis in der Rückblende richtige Action inszeniert wird – siehe oben.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt die Szene, in der die „Gloria Scott“ brennt. Ich habe mehrere Probleme damit: Erstens ist es für die paar Dutzend Gefangenen an Bord viel zu groß und scheint wie für eine Weltumsegelung getakelt zu sein. Zweitens scheint der Rumpf von links hinten nach rechts vorne gerichtet zu sein – die Rah-Segel sind es aber nicht. Vielmehr sind sie alle nach Backbord (linke Schiffsseite) gerichtet statt der Richtung des Rumpfes zu folgen. OK, kann auch sein. Ich nehme das Bild mal als künstlerische Interpretation cum grano salis.

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS verzeichnet sowie Werbung für den verstorbenen Illustrator Firuz Askin zu finden. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Die CD und der Einleger sind mit den Sherlock-Holmes-Motiven versehen, die die Reihe von Anfang an begleitet haben.

Unterm Strich

Das Hörspiel hat mir wider Erwarten viel Spaß bereit, denn ich kannte diesen Fall noch gar nicht. Wunderbar fand ich, dass Regina Lemnitz, eine meiner favorisierten Synchronsprecherinnen (Kathy Bates u.a.), einen so großen Anteil daran hat, zumindest in der Rahmenhandlung. Wir Zuhörer dürfen uns mit Hudson und Watson umso glücklicher schätzen, dass „der unordentlichste Mensch aller Zeiten“ endlich mit einem solchen Knaller aufwertet: Sherlocks erster Fall.

Der Fall führt uns und Holmes in jene rauen Zeiten, als britische Verbrecher nicht mehr in die Neue Welt (also Amiland) deportiert wurden, sondern noch ein gutes Stück weiter, nach Australien. Dort machte der ach so ehrenwerte Mr. Trevor sein Vermögen, indem er im Dreck nach Gold buddelte. Nun holt ihn seine Vergangenheit als Dieb, Meuterer und Mordkomplize ein (ähnlich wie in „Das Rätsel von Boscombe Valley“).

Die Wirkung ist bemerkenswert. Einerseits empfinden wir Mitleid mit dem gebrechlichen alten Mann, der jeden Moment den Löffel abgeben kann. Andererseits erfahren wir nach seinem Ableben, wie kriminell er zu Lebzeiten gewesen ist. Das moralische Urteil über diesen Menschen bleibt nicht nur Holmes und Victor Trevor überlassen, sondern jedem Leser und Hörer dieser Geschichte. Das macht sie bis heute aktuell. Was wird man dermaleinst von Zeitgenossen wie Josef Ackermann oder Martin Winterkorn sagen, oder von den Drahtziehern der globalen Finanzkrise anno 2007 und 2008?

Das Hörspiel

Wie viele Holmes-Fälle besteht auch dieses Hörspiel aus mehreren Rückblenden. Das liegt ja bei „Memoiren“ auch nahe. Was gibt es Netteres, als bei Schnittchen und Tee bei spannenden Geschichten dem garstigen Winterwetter zu entgehen? Das dürfte sich auch Watson gesagt haben. Er hat aber wohl nicht erwartet, fast 70 Jahre in die Vergangenheit entführt zu werden.

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen.

Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich (Tennstedt) und George Clooney (Bierstedt). Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars Clooney und Malkovich vermitteln das richtige Kino-Feeling.

Audio-CD
Spieldauer: ca. 55 Min.
Info: The Memoirs of Sherlock Holmes: The Adventure of the Gloria Scott, 1893
www.titania-medien.de

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