Arthur Conan Doyle & E. u. H. Heron – Das graue Haus (Sherlock Holmes – Folge 33)


Teufelsranken & rätselhafte Morde

Das graue Haus hat in der ländlichen Gegend, in die es Sherlock Holmes und Dr. Watson verschlagen hat, traurige Berühmtheit erlangt. Vier Menschen, drei Männer und eine Frau, wurden dort erhängt aufgefunden. Von einem Seil aber fehlte jede Spur. Das reicht aus, um die Neugier des Meisterdetektivs zu wecken… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörbuch ab 12 Jahren.

Die Serie wurde mit dem „Blauen Karfunkel“ der Deutschen Sherlock Holmes-Gesellschaft ausgezeichnet.

Der Autor

Sir Arthur Conan Doyle lebte von 1859 bis 1930 und gelangte mit seinen ca. 60 Erzählungen um den Meisterdetektiv Sherlock Holmes zu Weltruhm. Dabei begann der Mediziner, der eine eigene Praxis hatte, erst 1882 mit dem Schreiben, um sein Einkommen aufzubessern. Neben mystischen und parapsychologischen Themen griff er 1912 auch die Idee einer verschollenen Region (mit Dinosauriern und Urzeitmenschen) auf, die von der modernen Welt abgeschnitten ist: „The Lost World“ erwies sich enorm einflussreich und wurde schon 13 Jahre später von einem Trickspezialisten verfilmt. Schon 1913 ließ Doyle eine Fortsetzung unter dem Titel „The Poison Belt“ (dt. als „Im Giftstrom“, 1924) folgen.

Hinweis: Jede einzelne SHERLOCK-HOLMES-Erzählung ist auf der englischen Wikipedia gewürdigt worden. Hier jedoch handelt es sich um eine Pastiche, die Marc Gruppe nach einer Story von E. und. H. Heron umsetzte: http://www.titania-medien.de/cms/hoerspiele/sherlock-holmes/773-sherlock-holmes-folge-33-das-graue-haus.html . Zu den Pastiches: https://de.wikipedia.org/wiki/Sherlock-Holmes-Pastiches#Geschichten_um_den_%C3%A4lteren_Holmes.

Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert und von Lübbe Audio vertrieben wird.

Folge 1: Im Schatten des Rippers
2: Spuk im Pfarrhaus
3: Das entwendete Fallbeil
4: Der Engel von Hampstead
5: Die Affenfrau
6: Spurlos verschwunden
7: Der Smaragd des Todes
8: Walpurgisnacht
9: Die Elfen von Cottingley
10: Der Vampir von Sussex / Das gefleckte Band / Der Fall Milverton / Der Teufelsfuß (Neuausgabe)
11: Das Zeichen der Vier (4/2014, Neuausgabe)
12: Ein Skandal in Böhmen (4/2014)
13: Der Bund der Rotschöpfe (5/14)
14: Eine Frage der Identität (9/14)
15: Das Rätsel von Boscombe Valley (10/14)
16: Der blaue Karfunkel
17: Die fünf Orangenkerne
18: Der Mann mit der entstellten Lippe
19: Der Daumen des Ingenieurs
20. Der adlige Junggeselle
21. Die Beryll-Krone
22. Das Haus bei den Blutbuchen
23. Silberblesse
24. Das gelbe Gesicht
25. Der Angestellte des Börsenmaklers
26: Die „Gloria Scott“
27: Das Musgrave Ritual
28: Eine Studie in Scharlachrot (2 CDs)
29: Die Junker von Reigate
30: Der bucklige Mann
31: Der Dauer-Patient
32: Der griechische Dolmetscher
33: Das graue Haus (2018)
34: Die quietschende Tür (2018)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher und ihre Rollen:

Joachim Tennstedt: Sherlock Holmes
Detlef Bierstedt: Dr. John Watson
Michael-Che Koch: Dr. Fremantle
Bruno Winzen: Mr. Montesson

Die Macher

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden bei Titania Medien Studio, bei Make Music und in den Planet Earth Studios statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trugen Ertugrul Edirne und Firuz Askin bei.

Handlung

Dr. Watson hat seinem Freund Holmes Erholung an der Südküste von Devonshire verschrieben. Doch als er ihn dort nach zwei Wochen besucht, beklagt sich der Detektiv über die tödliche Langeweile, die ihn nach Bewältigung seiner Reisebibliothek erfasst habe. Wenigstens funktioniert seine Atmung wieder einwandfrei, konstatiert der gute Doktor. Lediglich Dr. Fremantle, so Holmes weiter, sei ein intelligenter und gebildeter Gesprächspartner, obendrein ein Botaniker und Standesgenosse von Watson.

Dr. Fremantle holt die beiden Freunde ab, um sie beim Tee zu bewirten. Auf der Kutschfahrt passieren die das seit Jahren leerstehende, merkwürdig graue Herrenhaus auf dem Hügel. Bei einem halt auf Holmes‘ Bitte hin erzählt Fremantle die traurige Geschichte dieses sonderbaren Landsitzes. Als er von Morden redet, spitzt Holmes die Ohren. Mr. Montesson, der junge Erbe, wohne hier nicht und kein einziger Handwerker wolle hier arbeiten. Daher die Verwahrlosung und die wuchernde Vegetation.

Alle vier Toten seien erwürgt aufgefunden worden, doch weit und breit fand sich kein Seil. Nur das erste Opfer, der Erbe Mr. Lampert, der Vormund des damals noch sehr jungen Montesson junior gewesen sei, habe Blut auf seiner Wange gehabt. Alle wurden an einer Fassadenseite gefunden, die jener Zeder zugewandt ist, die man da sehen können, da bei den Ranken. Nein, nicht, was Holmes jetzt denke: Kein Menschenaffe sei hier jemals gesichtet worden. Der hätte in England auch gar nicht überleben können.

Es hilft alles nichts: Holmes MUSS das Haus persönlich in Augenschein nehmen! Da dies aber nur mit Einwilligung des jetzigen Besitzers geht, schreiben sie Montesson und holen ihn ab. Er hat alles Nötige gepackt, als da wären Seile, Matten, Messer. Blattscheren und dergleichen. Montesson hat hier seine Schwester und seinen Studienfreund verloren, daher ist er Feuer und Flamme, den Schrecken des Hauses ein für alle Mal zu beseitigen.

Sie schlagen sich den Weg frei, um an die Haustür zu gelangen. Montesson erzählt, wie und wo und wann die Toten gefunden – immer im Sommer. Wie merkwürdig. Sie steigen die Treppe zu den oberen zwei Stockwerken hoch und gelangen so zu den Räumen, aus den die Opfer gestoßen wurden, nachdem man sie gewürgt hatte. Überall liegt der schwere Duft der afrikanischen Ranken in der Luft, die sich an dieser Fassadenseite emporziehen. Ihre Blüten prangen blutrot im schwindenden Sonnenlicht. Es wird schon dunkel.

Als Holmes vorschlägt, ein oder zwei Nächte hier zu verbringen, ist dies Watson nicht geheuer, doch Montesson ist dafür: Alles, um das Rätsel zu lösen. Zudem seien sie ja mit Messern bewaffnet, um jedem Angreifer zu begegnen, oder? Als sich jedoch Watson und Holmes kurz einmal die Zeder anschauen, über deren Äste ein tüchtiger Kletterer theoretisch zu den Fenstern gelangen könne, hören sie unvermittelt Schreie aus dem Haus dringen. Sie eilen in das Zimmer, in dem sie Montesson zurückgelassen haben…

Mein Eindruck

Eigentlich müsste in der Abfolge der Holmes-Geschichten an dieser Stelle „Das Marine-Abkommen“ kommen, danach „The Final Problem“. Stattdessen hat sich Titania Medien für entschieden, gelungene, stilechte Pastiches umzusetzen. Der erste Fall ist „Das graue Haus“. Die entsprechende Geschichte ist in der Wikipedia nicht zu finden.

Es geht um vier rätselhafte Todesfälle mit Merkmalen der Strangulation. Da drei er Opfer direkt mit Mr. Montesson verbunden waren – Schwester, Tutor, Studienfreund – muss er natürlich mit von der Partie sein, wenn Holmes und Watson der Sache auf den Grund gehen. Der Holmes-Fall ist so gestrickt, dass ein Krimikenner den Braten schon von weitem riecht. Dennoch führt die Geschichte den Hörer geschickt auf diverse falsche Fährten, u.a. mit dem Verweis auf die berühmte Poe-Detektivgeschichte „Die Morde in der Rue Morgue“. War es also ein dressierter Affe, der die vier Opfer jeweils im Sommer um die Ecke brachte? Wohl eher nicht.

Der Aufenthalt im titelgebenden Haus erweist sich als durchaus lebensgefährlich. Zuerst erwischt das unsichtbare Grauen den Hausbesitzer Mr. Montesson. Kaum ist es Nacht geworden, ist auch Holmes selbst an der Reihe, und das versetzt Dr. Watson in höchste Alarmbereitschaft. Wird es ihm gelingen, seinen Freund vor dem unsichtbaren Tod zu retten? Wir drücken die Daumen. Mehr darf nicht verraten werden.

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Sprecher

Dr. Watson nimmt die Stelle des zweifelnden gesunden Menschenverstandes gegenüber Holmes ein, welcher ein getriebener Junkie der Vernunftarbeit zu sein scheint. Watson ist der Gemütsmensch, ein Jedermann mit dem Herz auf dem rechten Fleck. Holmes jedoch ist nicht nur Kopfarbeiter, sondern auch Schauspieler und Manipulator von Menschen.

Sherlock

Es gibt mehrere Hauptfiguren, die auch stimmlich herausragen. Am besten gefällt mir Joachim Tennstedt als Sherlock, denn was er in diese Figur hineinlegt, ist sehr sympathisch und humorvoll – so als würde ein strahlender John Malkovich völlig entspannt aufspielen (liegt’s am Koks?). Holmes‘ einziger Fehler ist seine Ablehnung des weiblichen Geschlechts oder vielmehr des Umgangs mit dessen Vertretern. Das soll aber weniger an latenter Homosexualität liegen, als vielmehr an seiner Abneigung gegen jede Art von emotionaler Sentimentalität.

Aber Holmes ist auch ein ausgezeichneter Schauspieler und engagierter Boxer. Ab und zu treibt er sich als aktiver Detektiv in Londons Sauwetter herum und kehrt völlig ausgehungert ins Hauptquartier zurück. Dann darf Mrs. Hudson, die auch hier moralisches Zentrum auftritt, ihm Essen kredenzen.

Watson

Dr. John H(amish) Watson, 36, ist das genaue Gegenteil seines Freundes: jovial, höflich, frauenfreundlich und durchweg emotional, außerdem glücklich verheiratet. Leider sind seine logischen Schlüsse von dementsprechend unzulänglicher Qualität. Das war zu erwarten und dürfte keinen überraschen.

Nebenfiguren

Montesson ist ein patenter junger Mann mit einer athletischen Figur. Als Hoffnungsträger und „Klient“ wird er von Bruno Winzen mit Sympathie dargestellt. Auch Dr. Fremantle ist eine Figur des Vertrauens, allein schon durch seine Eigenschaft, Landarzt und Botaniker zu sein. Michael-Che Koch spricht ihn als eine Figur, die etwas älter klingt als Montesson, aber es besteht Verwechslungsgefahr.

Geräusche

Eine große Vielfalt von Geräuschen verwöhnt das Ohr des Zuhörers. Der Eindruck einer real erlebten Szene entsteht in der Regel immer. Papierrascheln, klappernde Teetassen, knisterndes Kaminfeuer – all diese Samples setzt die Tonregie zur Genüge ein, um einer Szene eine Fülle von realistisch klingenden Geräuschen eines Interieurs zu vermitteln.

Dominant ist aber das idyllische Land in Devonshire. Hier zwitschern die Vögel, was die kleinen Lungen hergeben, wiehern die Pferde und rauschen die Bäume. Schritte erklingen nicht mehr auf Parkettboden oder Kopfsteinpflaster, sondern auf gestreutem Kies in der Auffahrt. Pferde wiehern, Kutschen rumpeln, Peitschen knallen – wir befinden uns unverkennbar auf dem flachen Land. Und doch lauert hier eine unsichtbare Gefahr.

Die Musik

Das Intro, eine Art flott-dezente Teemusik, bildet den heiter-beschwingten Auftakt des Hörspiels und deutet die häusliche Idylle von Holmes‘ Domizil in Devonshire an. Von einem Score im klassischen Sinn kann keine Rede sein. Die Hintergrundmusik dient nur dazu, eine entspannte, düstere oder angespannte Stimmung zu erzeugen, und zwar nur dort, wo sie gebraucht wird. ich meinte, mehrfach Ausschnitte aus Filmmusiken der dreißiger und vierziger Jahre zu hören und war auf einmal an Hitchcocks „Rebecca“ gemahnt.

Das Booklet

Das Titelmotiv zeigt die Szene, in der sich Montesson die verdächtige Zeder vor seinem Haus ansieht. Gut zu sehen sind die roten Blüten der Rankenpflanze.

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS sowie der SHERLOCK-HOLMES-Reihe verzeichnet. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Die CD und der Einleger sind mit den Sherlock-Holmes-Motiven versehen, die die Reihe von Anfang an begleitet haben.

Unterm Strich

Hat es Holmes hier mit dem Übernatürlichen zu tun, lautet die Frage des Chronisten Dr. Watson. Allein schon die Frage würde Holmes weit von sich weisen, uns aber versetzt sie sogleich in Spannung, eingedenk Prinz Hamlets Bemerkung, dass es „mehr Dinge zwischen Himmel und Erde gebe, als uns unsere Schulweisheit träumen lasse“. Und in der Tat: Alle Indizien geben Rätsel auf, und sogar ein Verweis auf den Orang-Utan in Poes Detektivgeschichte „Die Morde in der Rue Morgue“ wird bemüht, um eine Erklärung zu liefern. Ein Affe allerdings will sich beim besten Willen nicht auftreiben lassen. Dafür fällt der Verdacht auf die Zeder und das Rankengewächs, das weder Efeu noch wilder Wein ist. Glücklicherweise sind gleich zwei Botaniker am Tatort, Fremantle und Holmes selbst.

Aber wie schon in „Das gefleckte Band“ und etlichen anderen „Abenteuern“ erweist sich wieder mal Doyles These bestätigt, das nicht alles, was aus dem Orient oder Afrika importiert worden ist, dem Guten dient. Das British Empire importiert nicht immer Gutes. Die Welt ist offensichtlich aus den Fugen, sonst stünde der Familiensitz nicht leer. Erst als das Übel – buchstäblich mit Stumpf und Stiel – aus der Welt geschafft worden ist, kann Montesson ins Haus einziehen und eine Familie gründen. Nun ist alles wieder im Lot.

Somit ist dieser Fall so stilecht wie nur möglich, entbehrt aber jeglicher Gesellschaftskritik. Vermutlich hätte auch Indiana Jones den Job erledigen können. Mit Nilpferdpeitsche und Blondine.

Das Hörspiel

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen.

Die Sprecherriege für diese neue Reihe ist höchst kompetent und renommiert zu nennen, handelt es sich doch um die deutschen Stimmen von Hollywoodstars wie John Malkovich (Tennstedt) und George Clooney (Bierstedt). Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für spannende Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars Clooney und Malkovich vermitteln das richtige Kino-Feeling.

CD: Länge: über 50 Minuten
ISBN-13: 9783785756270

www.titania-medien.de

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