Athans, Philip – Verheerung (Der Krieg der Spinnenkönigin 5)

„Verheerung“ von Philip Athans ist der fünfte Band des sechsteiligen AD&D-Epos „Der Krieg der Spinnenkönigin“ (War of the Spider Queen), das in deutscher Übersetzung bei |Feder & Schwert| erscheint.

Unter der Schirmherrschaft von AD&D-Altmeister R. A. Salvatore haben sechs Autoren ihr Debüt in der Serie „Die Vergessenen Reiche“ gegeben. Bei Philip Athans kann man weniger von einem Debüt sprechen: Seit Jahren ist er als Herausgeber verschiedener Bücher der „Vergessenen Reiche“ bei |Wizards of the Coast| tätig, gelegentlich hat er jedoch einige wenige Bücher selbst geschrieben, wie die in Deutschland eher unbekannten Romanfassungen der AD&D Computerspiele |Baldur’s Gate| und |Neverwinter Nights|. Athans wurde von seinen Kollegen mehrfach lobend erwähnt für seine Mithilfe in AD&D-Fragen, er hat auch das Lektorat der Serie übernommen.

_Die verschollene Göttin_

Was kann eine Gruppe von sieben bösartigen und egoistischen Drow dazu veranlassen, fast uneigennützig für ein gemeinsames Ziel Gefahren und Entbehrungen auf sich zu nehmen? Natürlich nur ein außergewöhnlicher Notstand … und dieser ist eingetreten: Lolth, die Spinnengöttin der Drow, schweigt – verwehrt ihren Priesterinnen ihre Magie und jeglichen Beistand. Die matriarchalische Herrschaftsstruktur der Drow ist gefährdet, ohne die Magie der Priesterinnen droht der Metropole Menzoberranzan die Vernichtung durch ihre zahlreichen Feinde. Aber auch abtrünnige männliche Drow sehen eine Chance, die Verhältnisse zu ihren Gunsten umzukehren, andere sinnen einfach nur auf Rache. Die Macht der Feinde der Drow ist groß, die Stadt Ched Nasad wurde bereits völlig vernichtet. Nur Gromph, der Erzmagier Menzoberranzans, könnte den Leichnam (Lich; ein untoter Magier) aus dem abtrünnigen Haus Agrach Dyrr aufhalten, dessen Verbündete (Dunkelzwerge, Tanarukk) bereits in den Straßen Menzoberranzans kämpfen.

Die bereits zerbrochene Gruppe um die Hohepriesterin Quenthel und ihren Draegloth-Diener Jeggred, bestehend aus dem Magier Pharaun, dem Waffenmeister Ryld, dem Söldner Valas Hune sowie der aus Ched Nasad entkommenen Priesterin Halisstra und ihrer Leibsklavin Danifae war bisher auf ihrer Suche nach der Göttin Lolth erfolglos.

Halisstra ist vom Glauben an Lolth abgefallen und hat sich Eilistraee, der Göttin der an die Oberfläche Faerûns zurückgekehrten Dunkelelfen, zugewandt. Zusätzlich hat sie von ihrer neuen Göttin eine schwere Aufgabe erhalten: Sie soll mit einer magischen Mondsichelklinge Lolth selbst töten! Ryld ist verwirrt von den Lehren Eilistraees und entsetzt von dem Gedanken, gegen Lolth kämpfen zu müssen, bleibt aber wegen seiner Liebe zu Halisstra bei ihr.

Quenthel und Pharaun setzen derweil ihre Reise in den Abgrund der Dämonennetze fort. An die Stelle der sonst üblichen, oft eskalierenden Reibereien ist Verzweiflung getreten, Quenthel wirkt apathisch und hoffnungslos, was insbesondere Jeggred missfällt. Das nützt Danifae für ihre Zwecke aus. Während eines Erkundungszugs mit Valas Hune gelingt es ihr zudem, sich von Halisstras Bindezauber zu befreien, ihr Leben ist nicht mehr mit ihrem verbunden – endlich kann sie Rache nehmen …

Während Gromph mit dem Lich Dyrr um sein Leben und um Menzoberranzan kämpft, eskaliert die Situation im Abyss: Jeggred macht sich auf die Jagd nach Halisstra und Ryld. Schließlich erreicht Quenthels Gruppe den Abgrund der Dämonennetze, der sich anscheinend aus dem Abyss gelöst hat und nun eine eigene Ebene bildet. Quenthel übernimmt wieder die Führung: Lolth lebt – und gewährt ihren Priesterinnen wieder ihre Macht.

_Fast am Ende der Reise_

Es ist ein seltenes Vergnügen, Drow-Priesterinnen im Freudentaumel zu erleben. Lolth lebt offensichtlich, aber warum hat sie den Abgrund der Dämonennetze aus dem Abyss gelöst, warum hat sie so lange geschwiegen? Diese Fragen bilden den Cliffhanger für den nächsten Band. Man sollte zudem nicht vergessen: Halisstra ist nach wie vor wild entschlossen, Lolth zu töten.

Athans rückt neben dieser entscheidenden, das Finale vorbereitenden Neuigkeit vorallem Gromph und Danifae in den Mittelpunkt. Die Vorbereitungen für das Magierduell um Menzoberranzan und schließlich der Kampf selbst zählen zu den Highlights des Romans. Wie Gromph sich zum Beispiel sein verlorenes Augenlicht wiederbeschaffft, ist einfach nach feinster Drow-Manier …

Einige Schnitzer aus vorherigen Romanen bügelt Athans aus, so war Danifae trotz ihrer Bindung an Halisstras Leben und ihrer langen Abwesenheit nie im Geringsten besorgt. Diese Bindung zerschlägt Athans in diesem Roman etwas beiläufig und wenig originell, aber er gibt der bisher blassen Danifae etwas mehr Charakter, sie ist sogar eine entscheidende Triebfeder der Handlung dieses Romans.

Athans hat die Handlung und die zahlreichen Kämpfe geschickter verbunden als viele seiner Kollegen, was mir sehr gut gefiel, doch gerade bei einem Kenner wie Athans sind einige Fehler einfach nicht verzeihlich: So hat Ryld als Waffenmeister von Melee-Magthere einen schwereren Stand gegen eine Riesenfaultiermutter als der Späher Valas Hune gegenüber einem uralten Drachen. Die Konzentration auf Danifae tut sowohl Pharaun als auch Quenthel nicht gut, insbesondere Pharaun wirkt nicht mehr gewitzt, sondern eher beschränkt. Die wenig überzeugende apathische Phase Quenthels erklärt sich wenigstens am Ende des Romans, wenn auch nicht zur vollständigen Zufriedenheit. Diese inkonsistenten Charakterdarstellungen – jeder Autor hob bisher eine andere Figur hervor – sind leider ein durchgehendes Problem der gesamten Serie.

Zwischen Ryld und Jeggred wird es in diesem Roman zu einem tödlichen Duell kommen, in dessen Verlauf Athans sie recht originell aus der Sicht einiger unfreiwillig in diese Auseinandersetzung hineingezogener menschlicher Holzfäller beobachten lässt. Ob Ryld den Halb-Dämon halbiert oder ob dieser, wie er es schon oft versprochen hat, Ryld das Herz herausreißen und fressen wird, möchte ich nicht verraten.

_Fazit:_ Wie alle Autoren bisher, hat auch Philip Athans den Schwerpunkt auf eine andere Figur verlagert, in diesem Fall Gromph. Die Handlung ist nach wie vor sehr actionreich und spannend, eine besondere Note konnte Athans jedoch weder der Handlung noch einer Figur geben. Seine Vorgänger hatten jeweils eine deutliche Stärke oder Schwäche; so hat Richard Lee Byers Menzoberranzan überzeugend dargestellt, während man bei Richard Baker außer einer – wenn auch überzeugenden – Kampforgie wenig geboten bekam. Athans erlaubte sich keine Extreme oder Fehler bis auf die enttäuschend beiläufige Entfernung von Danifaes Bindungszauber und den offensichtlich schwächelnden Drachen. Das Magierduell sowie der Showdown zwischen Ryld und Jeggred sind zweifelsohne die Highlights dieses Romans, ebenso wird ein vielversprechendes Finale vorbereitet. Leider schafft es auch Athans nicht, die Charaktere zumindest konsistent zum Vorgängerband darzustellen. Dennoch ist auch dieser Roman überdurchschnittlich gutes Lesefutter für Drow-Fans. Wie die ganze Reihe ist er jedoch eher Kennern der „Vergessenen Reiche“ zu empfehlen, da sie entsprechende Grundkenntnisse voraussetzt.

Weitere Besprechungen aus dieser Reihe bei |Buchwurm.info|:
[Zersetzung 183 (Band 1)
[Zerstörung 677 (Band 4)