Alle Beiträge von Birgit Lutz

Sara Douglass – Der Herr des Traumreichs

Die Adern. Ein harmloser Name für eine unerträgliche Hölle. In Schmutz, Hitze und Gestank schuften hier zahllose Sträflinge, um Glomm abzubauen, einen teerhaltigen Rohstoff, auf dem der größte Teil des Wohlstands in diesem Land beruht. Sie sterben innerhalb weniger Jahre, entweder in einstürzenden Stollen, ertränkt vom hereindringenden Meerwasser, das direkt oberhalb der Stollen rastlos auf und ab wogt, an purer Erschöpfung oder an einer der vielen Krankheiten, die in den Minen grassieren. Jeder Heiler des Landes ist durch Edikt der Krone verpflichtet, drei Wochen im Jahr in diesen Bergwerken Dienst zu tun und Kranke zu behandeln.

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Clemens, James – Buch der Rache, Das (Alasea / Banned and the Banished 3)

Elena soll sich ans Meer gewöhnen. Das muss sie, denn A’loatal und das Buch sind nur über das Meer zu erreichen. Doch kaum ist sie zu einer dieser Übungen an Bord des kleinen Schiffes gegangen, werden sie von Meerkobolden angegriffen. Elena wird von einem Giftstachel getroffen, doch ihre Magie verhindert, dass sie stirbt. Stattdessen beschert ihr die Nähe des Todes eine neue Form von Magie, mit deren Hilfe sie den Stab ihres Bruders in eine magische Waffe umwandelt. Sie haben die Meerkobolde kaum zurückgeschlagen, da geraten sie in eine erneute, größere Gefahr, an die sie Er’ril verlieren …

Währenddessen ist Mikela unterwegs zur Hafenstadt Port Raul, wo sie, wenn alles planmäßig geklappt hat, ihre in Schattenbach zurückgelassenen Gefährten finden soll. Sie findet sie tatsächlich, spürt jedoch nicht, dass einer von ihnen inzwischen ein Bösewächter geworden ist. Von der Sumpfhexe Cassa Dar gewarnt und von Tol’chuks Herzstern geführt, wollen sie Elena zu Hilfe eilen. Eine weitere Prophezeiung spaltet die Gruppe jedoch erneut. Während Tol’chuk, Merik und Mama Freda mit einer kleinen Gruppe von Zo’ol aufs Meer hinaussegeln, folgen Mikela, Kral und die beiden Gestaltwandler aufgrund einer weiteren Prophezeiung dem obersten Piraten der Stadt zurück in seine Heimat, zum Nordwall, wo die Zwerge drohen, nach Süden zu marschieren.

Saag-wan und Kast sind inzwischen unterwegs, um das Seefahrervolk der De’rendi zu suchen und sie als Verbündete für die Schlacht um A’loatal zu gewinnen. Die De’rendi dagegen sind den Mer’ai aufgrund ihrer Vergangenheit nicht unbedingt wohlgesonnen, und es wird ein schweres Stück Arbeit, sie inmitten eines tobenden Sturmes zu überzeugen, dass sie sich zum geplanten Angriffstermin am vereinbarten Treffpunkt einfinden.

Abgesehen davon wird die Zeit knapp. Denn der oberste Dunkelmagier hat beschlossen, das Buch des Blutes zu zerstören, damit es der Hexe nicht in die Hände fallen kann …

Der dritte Band des Zyklus arbeitet mit den bisher meisten Handlungssträngen. Clemens ist jedoch klug genug, nicht alle gleichzeitig nebeneinander herzuführen, sondern sich – wie bisher auch – immer auf zwei zu beschränken, die einander abwechseln: das Geschehen um Elena wechselt mit dem um Mikela und pausiert nach den ersten dreihundert Seiten, um den Handlungsfaden um die Mer’ai und die De’rendi weiterzuführen. An dem Punkt, wo die vereinigten Seetruppen zu Elena und ihren Gefährten stoßen, wird der Handlungsfaden um den verschwundenen Er’ril in den Wechsel eingeflochten. Das dient nicht nur der Übersichtlichkeit, sondern auch der Spannung, denn es ist klar, dass Clemens den Handlungsfaden um Elena nicht still legt, ohne vorher eine bedrohliche Aussicht auf das weitere Geschehen anzudeuten.

Die Gruppe um Mikela taucht erst am Ende des Buches wieder auf. Da für das Bestehen eines Abenteuers jedoch immer eine bestimmte Kombination von Fähigkeiten erforderlich ist, müssen die entstandenen Lücken irgendwie ersetzt werden, Rollenspiel lässt grüßen. Wie im [„Buch des Sturms“ 996 angedeutet, wird Joachs Rolle weiter ausgebaut. Abgesehen von der Waffe, die Elenas Magie im formt, spielt sein Traum eine wichtige Rolle in den Ereignissen, die mit dem Buch in Zusammenhang stehen, und gibt dem Leser Stoff zum Rätseln. Außerdem freundet er sich mit einem der Zo’ol an. Wer diese Männer genau sind und woher sie kommen, wird in diesem Band nicht verraten, vielleicht tauchen sie später noch einmal auf. Mama Freda, die in Port Raul zur Gruppe stößt, stammt aus dem Dschungel im Süden, einem Landstrich, der bisher zwar auf der Landkarte angedeutet war, aber jetzt zum ersten Mal auftaucht. Die alte Frau ist eine Heilerin. Zwar ist sie blind, kann aber durch die Augen ihres Haustieres sehen. Das kleine äffchenartige Tier eignet sich dadurch gut als Spion und Kundschafter.

Während der Ausbau der Gruppe durch die Zo’ol und Mama Freda ein weiteres Steinchen im geographischen Mosaik darstellt, liefert der Handlungsstrang um die Mer’ai und De’rendi eines für die Historie der Welt Alasea. Einer der Ältesten des Rates erzählt Saag-wan und Kast die Geschichte ihrer Völker. Auch das Auftauchen der Elv’en bedeutet ein solches Mosaiksteinchen, wobei deren Charakter bisher keine Spekulationen darüber zulässt, welche Rolle sie im weiteren Verlauf spielen werden.

Was mich an diesem Band erstaunt hat, war der frühe Zeitpunkt, zu dem Clemens dem Leser verrät, hinter welchem der Gefährten sich der Bösewächter verbirgt. Ich hatte damit gerechnet, dass Clemens dies als Spannungselement einer unbekannten Bedrohung benutzen würde. Letztlich hat es sich allerdings gezeigt, dass dieser Aspekt für den Kampf um A’loatal überhaupt keine Rolle gespielt hat. Die Gewichtung lag eindeutig auf den Kriegsvorbereitungen und dem Ausbruch des Krieges, für mehr war wohl auch kein Platz.
Der Krieg selbst nahm nur die letzten zweihundert Seiten in Anspruch, und davon drehte sich das meiste um Elenas Suche nach dem Buch. Die Schlacht war lediglich eine Randerscheinung, die befürchteten Szenen blutigen Gemetzels blieben aus. Worauf der Autor aber nicht verzichten wollte, war das Ungeziefer des Bösen, wenngleich man sagen muss, dass auch das etwas in den Hintergrund getreten ist. Es tauchen weniger neue auf, die Beschreibungen sind weniger detailliert, die damit befasste Handlung ist kürzer.
Der Wyvern, das dunkle Wesen aus Joachs Traum, fällt dabei völlig aus dem Rahmen. Er wird als eines von vier Toren bezeichnet, wobei komplett offen gelassen wird, wohin diese führen und worum genau es sich dabei handelt. Sie scheinen jedoch ziemlich unmittelbar mit dem Bösen verbunden zu sein, werden also sicherlich noch an Bedeutung gewinnen.

Bereits in den ersten beiden Bänden [„Das Buch des Feuers“ 969 und „Das Buch des Sturms“ hat der Autor, nachdem der jeweilige Endkampf ausgefochten und der Höhepunkt damit überschritten war, bereits durch Andeutungen den Folgeband vorbereitet. Das verhindert ein völliges Abflauen der Spannung, weckt die Neugier und hält den Leser bei der Stange. In diesem Fall halten beide Szenen auch noch eine überraschende Wendung bereit. Überhaupt steht „Das Buch der Rache“ seinen Vorgängern in nichts nach, im Gegenteil. Die Handlung und die Welt werden komplexer und vielfältiger. Trotz der stets gleichen Methode, nach der Clemens seine Erzählungen aufbaut, gelingen ihm immer wieder überraschende Wendungen, und er versteht es jedes Mal aufs Neue, den Leser gefangen zu nehmen und die Spannung immer weiter anzufachen. Man kann einfach nicht anders als weiterlesen.

Warum der Verlag, der sich bei den Titeln der Vorgängerbände einigermaßen an die Bedeutung gehalten hat, jetzt auf einmal „Wit’ch war“ als „Das Buch der Rache“ überträgt, ist mir leider unverständlich. Die kurzen Rachedrohungen der beiden Dunkelmagier gegen Er’ril, Joach und gegeneinander gehen bei der Gewichtung der eigentlichen Handlung im Krieg völlig unter und dürften also kaum ein ausreichender Grund für eine solche Abweichung darstellen. Ob es am Wechsel des Übersetzers liegt …? Vielleicht werden das die folgenden Bände zeigen.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ herauskommen.

Homepage des Autors: http://www.jamesclemens.com

Clemens, James – Buch des Sturms, Das (Alasea / Banned and the Banished 2)

Elena und ihre Gefährten sind nach dem grausamen Kampf mit den finsteren Geschöpfen Gul’gothas in die Berge zu Krals Stamm geflüchtet, wo sie den Winter verbracht haben. Jetzt ist der Frühling da, und die Gruppe bricht auf, um Elena nach A’loatal zu bringen, wo das Buch des Blutes verborgen ist. Doch das Böse wartet bereits auf sie und hat tückische Fallen aufgestellt. In dem kleinen Städtchen Schattenbach kommt ihnen Merik abhanden, und Elena wird von einer Sumpfschlingpflanze befallen. Die Gruppe ist gezwungen, sich zu teilen. Kral, Tol’chuk und Mogwied bleiben in Schattenbach, um Merik zu suchen, und Elena macht sich in Begleitung von Er’ril, Mikela und Ferndal auf den Weg in die Sümpfe, um die dort lebende Hexe aufzusuchen, damit sie sie von dem Gewächs befreit, das sich bei jedem Einsatz von Elenas Magie weiter auf ihrem Körper ausbreitet.

Während Elena und ihre Gefährten quer durch Alasea unterwegs sind, vegetiert ihr Bruder Joach unter dem Bann des Dunkelmagiers, der ihn gefangen genommen hat, in A’loatal dahin. Sein Geist ist ungetrübt, doch er hat keinerlei Gewalt über seinen Körper, der den Befehlen des Dunkelmagiers unterworfen ist. Bis er eines Tages in die Nähe des großen Koa’kona-Baumes im großen Innenhof gelangt, dem Zentrum der alten Magie des Chi, die hier früher herrschte. Danach ist er plötzlich wieder sein eigener Herr. Er verbirgt dies vor seinem Entführer und beginnt heimlich, die alten Gemäuer zu erkunden auf der Suche nach einem Fluchtweg. Was er schließlich findet, ist viel mehr als das …

Gleich mit Beginn des zweiten Bandes treibt Clemens den Handlungsverlauf um Elena wieder zügig voran. Bedrohung folgt auf Bedrohung, Kampf auf Kampf, beinahe ohne Unterlass, denn die ereignislose Zeitspanne zwischen der erfolgreichen Überquerung des Gebirgspasses bis nach Schattenbach überspringt er einfach. Die einzige ruhigere Phase bietet der Handlungsstrang in A’loatal, mit dem sich die Handlung um Elena abwechselt. Allerdings zieht auch hier das Erzähltempo nach hinten zu dramatisch an.
Die Spannung, schon von Anfang an relativ hoch angesetzt, steigert sich zum Ende hin dramatisch, wohingegen der Endkampf selbst sich als zwar spektakulär aber nicht unbedingt nervenzerreißend erweist. Die dunklen Wesen, die diesmal die Gefährten bedrohen, sind nicht weniger widerlich und abstoßend wie bisher. Die größere Spannung aber erzeugt der im Vergleich zu den übrigen Ungeheuern geradezu gewöhnlich wirkende Zwerg, der Elena bis ins Sumpfland verfolgt, allein durch seine ungeheure Bosheit wie die Unverletzlichkeit des Steins, aus dem er gemacht ist. Gegen diese unaufhaltsam näher kommende Bedrohung und das damit einhergehende Warten wirkt der eigentliche Kampf letztlich wie eine Erlösung. Die Ruhe vor dem Sturm ist eben doch oft unangenehmer als der Sturm selbst.

Clemens ist generell gnadenloser in seiner Erzählart als viele andere Autoren. Er scheut auch nicht davor zurück, Mitglieder der Gruppe um seine Heldin zu opfern, während in den meisten anderen Fällen der enge Kreis um die Hauptperson von Verlusten verschont bleibt. Wobei „zum Opfer fallen“ nicht unbedingt den Tod bedeuten muss. Andere Arten von Verlusten wie Verrat oder Manipulation kommen genauso vor. Dass dem Leser die Identität der Opfer nicht jedes Mal verraten wird, steigert wiederum die Spannung.
Andererseits kommen auch neue Mitglieder dazu. Mikela, die Schwertkämpferin, erweist sich als wertvolle Verbündete, denn sie ist eine Sucherin und in der Lage, Elementarmagie in anderen zu erkennen. Und auch in den Sümpfen finden die Gefährten Verbündete. Was sich dadurch nicht verändert, ist dieser Hauch von Rollenspiel, der der Gruppe anhaftet. Auch zeigen sich erste deutliche Tendenzen dahingehend, dass Beschützer und Schutzbefohlene dabei sind, sich ineinander zu verlieben. Ein immer wieder gern verwendetes Mosaiksteinchen der Literatur, dem wohl keiner auf Dauer entkommen kann. Aber man kann eben nicht alles haben, und der Punkt stört weit weniger als die bereits im Zusammenhang mit dem ersten Band erwähnte Bezeichnung von Magie als Magik!

Abgesehen vom eigentlichen Handlungsverlauf baut Clemens auch seine Welt weiter aus. Je mehr die Geschichte fortschreitet, desto vielgestaltiger und detaillierter wird Alasea. Meervolk und Seedrachen tauchen auf, die ein Gegengewicht zu den üblen Kreaturen des Bösen bilden, und selbst der Sumpf ist ein auf seine eigene Weise faszinierender Ort. Außerdem wird durch die Erzählungen der Sumpfhexe die Vorgeschichte der Eroberung Alaseas eingehender beleuchtet. Puzzleteil für Puzzleteil setzt sich ein Bild zusammen, das jetzt schon die Vermutung aufkommen lässt, es könnte den Wesenskern des Bösen aufdecken und damit für den endgültigen letzten Kampf entscheidend sein.
Der liegt allerdings noch in weiter Ferne, jenseits zweier weiterer Bände, und die Bände werden dicker. Vorerst steht der Kampf um A’loatal an, denn dort befindet sich das Buch. Nur ist A’loatal inzwischen in schwarzen Händen …

„Das Buch des Sturms“, im Original „Wit’ch Storm“, ist eine furiose Fortsetzung des ersten Bandes [„Das Buch des Feuers“. 969 Es erscheint kaum möglich, die Spannung noch weiter zu erhöhen. Wahrscheinlich ist zu befürchten, dass die bevorstehenden Szenen des Krieges eine Menge Unangenehmes beinhalten werden. Wenn man allerdings vom zweiten Band auf den dritten schließen kann, dann hat jeder, der sich von blutigen Details und diversen Scheußlichkeiten nicht abgeschreckt fühlt, mit ziemlicher Sicherheit eine ganze Reihe von starken Adrenalinschüben vor sich.

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Kanada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch Fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| herauskommen unter dem Titel „Shadowfall“.

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Clemens, James – Buch des Feuers, Das (Alasea / Banned and the Banished 1)

Elena ist gerade zur Frau geworden. Das ist eigentlich nichts Beunruhigendes. Nur die Verfärbung ihrer Hand kommt ihr seltsam vor. Sie erfährt schon bald, was es damit auf sich hat. Die Erkenntnis erschreckt sie zutiefst: Sie ist eine Hexe! Und der Herrscher ihres Landes ist deshalb offenbar voller Begierde hinter ihr her. Um sie einzufangen, schickt er Magier und andere Helfer aus. In einer überstürzten, halsbrecherischen Flucht entkommen Elena und ihr Bruder den Häschern. Sie wollen versuchen, die Stadt zu erreichen, wo ihre Tante Fila lebt. Doch als sie dort ankommen, müssen sie feststellen, dass sie ein aufgebrachter Pöbel erwartet. Nur der überraschenden Hilfe durch drei Fremde ist es zu verdanken, dass Elena ihren Verfolgern entgeht. In Sicherheit ist sie damit noch lange nicht!

Wie bei den meisten vielbändigen Zyklen ist auch hier der erste Band die große Einleitung, die dem Aufbau der Welt und der Personen dient. Es ist eine finstere Welt, die Clemens da zeichnet, eine eher durchschnittliche Landschaft von Gebirgen, Ebenen und Wäldern, aber voller Lug und Trug und dunkler Magie, bevölkert mit einer Menge ebenso grausamer wie widerlicher Geschöpfe, denen im Laufe der Handlung immer mehr von Elenas Familienmitgliedern zum Opfer fallen.
In dem Maße, wie sie ihre Verwandten verliert, gewinnt sie neue Verbündete. Einige davon sind uralt, andere stammen aus ihrer eigenen Zeit. Aber an allen ist etwas Besonderes:
Er’ril, der Schwertkämpfer, der sich als Gaukler durch die Lande schlägt, war einst Zeuge, wie das Buch des Blutes geschaffen wurde, auf dem die Hoffnung aller Kämpfer gegen die Finsternis ruht. Ein einarmiger Mann, von der Zeit und der Aussichtslosigkeit seines Kampfes verbittert, muss er zuerst seine Vorurteile gegen Hexen überwinden, ehe er zu Elenas Beschützer werden kann.
Kral hat seine Bergheimat eigentlich nur verlassen, um ein Skal’tum zu töten, ein Ungeheuer, das seinem Klan Schaden zugefügt hat. Der Mann wie ein Fels, der niemals lügt und die Lüge in anderen Wesen erkennen kann, wird ebenfalls zu Elenas Beschützer.
Ni’lahn ist eine Nymphai, die letzte ihrer Art. Alle anderen starben, als ihre Bäume einer schlimmen Krankheit zum Opfer fielen. Jetzt zieht Ni’lahn mit ihrer Laute, die die Seele ihres Baumes bewahrt, durch das Land und sucht ein Heilmittel für ihren sterbenden Baum.
Tol’chuk, ein Og’er, wurde von seinem Stamm ausgesandt, die Seelen der Verstorbenen seines Volkes zu befreien, die in einen roten Kristall eingeschlossen sind. Dabei trifft er auf zwei Si’lura, Gestaltwandler, die in ihrer derzeitigen Gestalt stecken geblieben sind: Ferndal und Mogwied, Wolf und Mann. Die beiden wollen nach A’loatal, wo noch ein Rest Magie aus der Zeit vor der Finsternis verblieben sein soll, weil sie hoffen, dass dies den Bann aufheben wird.
Und dann ist da noch Merik, der Elv’e. Als sein Volk vor langer Zeit, noch lange vor Anbruch der Finsternis, aus Alasea vertrieben wurde, wurde der König als Geisel zurückgehalten. Nun sucht Merik dessen Nachfahren. Und die Hexe, deren Erscheinen prophezeit wurde und den Untergang der Welt bedeuten soll.
Sie alle treffen mehr oder weniger zufällig zusammen und ergeben einen ziemlich bunt zusammengewürfelten Haufen von verschiedenen Völkern, was nicht ganz ohne Spannungen abläuft. Der geradlinige Kral gerät recht bald mit dem arroganten Merik aneinander, und zwischen Merik und Ni’lahn herrscht uralter Hass. Selbst Mogwieds Verhältnis zu seinem Bruder ist nicht ungetrübt. Die sich überstürzenden Ereignisse schweißen sie trotz aller Gegensätze zu einer Truppe zusammen, die nur ein Ziel hat: Elena zu schützen. Denn Elena beherrscht ihre Macht so gut wie gar nicht und ist auch äußerst unwillig, sie zu benutzen.

Die Handlung wird mit ziemlichem Druck vorangetrieben. Die fünfhundert Seiten des Buches bestehen fast ausschließlich aus Flucht und Kämpfen, und das hohe Erzähltempo lässt dem Leser kaum Zeit zum Durchatmen. Bis die gesamte Gruppe zusammengefunden hat, verläuft die Handlung in mehreren Erzählsträngen. Clemens wechselt den Strang gnadenlos immer genau dann, wenn der Leser ihn gerade am wenigsten verlassen will, und dreht damit kräftig an der Spannungsschraube!
Die Charaktere bleiben dadurch zwangsläufig etwas auf der Strecke. Zwar werden Gedanken und Gefühle durchaus deutlich beschrieben, gehen aber im allgemeinen Stress zu sehr unter. Die Gruppe wirkt dadurch ein wenig plakativ, wie eine Rollenspielgruppe, wenn man mal davon absieht, dass der Oger hier ein Mitglied und kein Gegner ist.
Das Gewürm und die Ungeheuer, mit denen Clemens seine Welt bevölkert hat, sind alle äußerst unangenehm, und die Szenen in diesem Zusammenhang stellenweise wirklich unappetitlich. Das Gros der Fantasy scheint ohne solche Details irgendwie nicht mehr recht auszukommen, und manchmal wünscht man sich etwas mehr von der subtilen Angst der |Neun|, die ihren Schrecken ganz ohne Ekel und Blut verbreiten.
Die etwas ausgefallenen Schreibweisen für Nymphe, Elfe und Oger dienen wahrscheinlich der Extravaganz, stören aber nicht. Was ich dagegen als massiv störend empfinde, ist die Bezeichnung von Magier/-in und Magie als Magiker/-in und Magik! Ich muss mich wirklich stark konzentrieren, um die Worte im Kontext so frühzeitig zu erkennen, dass ich sie gar nicht mehr wirklich lesen muss, sondern einfach in normaler Schreibweise ergänzen kann. Und jedes Mal, wenn es nicht klappt, stolpere ich darüber. Wie überaus lästig.

Im Großen und Ganzen ist dieser erste Band des Zyklus gut gelungen. Wer kein Problem mit blutigen Szenen und scheußlichen Wesen hat und eine Vorliebe für Action und schnelle, bewegte Handlungsabläufe hegt, kommt hier garantiert auf seine Kosten. Denn es ist wirklich ununterbrochen spannend. Und am Ende wird der Leser mit der Gewissheit allein gelassen, dass die Gruppe drauf und dran ist, den Kopf einem hungrigen Drachen ins Maul zu stecken, der nichts anderes tut, als gerade darauf zu warten! Es ist schier unmöglich, den zweiten Teil nicht zu lesen!

James Clemens ist gebürtiger Amerikaner, wuchs aber in Canada auf. Er studierte Veterinärmedizin und eröffnete schließlich eine Praxis in Californien. 1998 erschien der erste Band des Zyklus |Banned and the Banished| unter dem Titel „Wit’ch fire“. In der deutschen Übersetzung wurde daraus „Das Buch des Feuers“. Die übrigen Bände folgten, jedes Jahr einer. Nach einer längeren Pause soll im Juli dieses Jahres der erste Band des neuen Zyklus |Godslayer Chronicles| unter dem Titel „Shadowfall“ herauskommen.

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Hughart, Barry – Insel der Mandarine, Die (Meister Li Band 3)

Band 1: [„Die Brücke der Vögel“ 914
Band 2: [„Der Stein des Himmels“ 927

Meister Li und Nummer Zehn der Ochse wohnen als Zeugen der Hinrichtung eines Verbrechers bei, den sie unter vielen Mühen dingfest gemacht haben. Nur leider kommt ihnen ein Leichenfresser dazwischen, der von Grabräubern aufgestört wurde. Er trägt einen angefressenen Kopf mit sich herum, der allerdings noch frisch ist. Die dazugehörige Leiche war ein hoher Mandarin und liegt in der Nähe seiner Klause auf der Magnolieninsel im Nördlichen See Pekings. Neben ihm findet Meister Li einen seltsamen Käfig, der ihm eine Menge Kopfzerbrechen bereitet, und außerdem in einiger Entfernung einen Tunnel, der zu einer Schmugglerhöhle führt. Aber ging es bei dieser ganzen Angelegenheit wirklich nur um Schmuggel? Warum hat jemand das alte Relief im Tunnel zerschlagen? Warum stiehlt ein Mandrill Käfige, die genauso aussehen wie jener neben dem toten Mandarin? Und was sind das für seltsame Wesen, die auf die unglaublichsten Arten die vormaligen Besitzer der gestohlenen Käfige ums Leben bringen?
Um das herauszufinden, muß Meister Li unbedingt das Rätsel der Käfige lösen. Zusammen mit Ochse, dem Puppenspieler Yen Shih und dessen Tochter Yu Lan, einer Schamanin, macht Meister Li sich auf die Suche nach den Käfigen, die noch nicht gestohlen wurden.

„Die Insel der Mandarine“ ist der dritte Band von Barry Hugharts Meister-Li-Romanen. Diesmal geht es gleich um zwei Aspekte chinesischer Kultur.
Der Teeschmuggel der hohen Mandarine beleuchtet die Machenschaften der Eunuchen hinter dem Rücken des Kaisers, der zwar theoretisch als Sohn des Himmels absolute Macht besitzt, jedoch praktisch gesehen vollkommen von seinen Beamten abhängig ist, da er in seiner verbotenen Stadt vom „normalen“ Leben und den Menschen seines Volkes komplett abgeschottet ist. Dieser Umstand wird weidlich ausgenutzt, Korruption ist ohnehin selbstverständlich und die Bereicherung ungeheuerlich.
Die Käfige, die von den Schmugglern benutzt werden, bilden das Bindeglied zum Schamanismus und der Urreligion der Völker, die das Land bewohnten, ehe die Chinesen kamen. Die Urreligion wurde größtenteils ausgemerzt. Einige Götter, die zu mächtig waren, wurden in die Gruppe der taoistischen Götter aufgenommen, Götterdämonen und Ähnliches sind aus dieser Zeit übrig geblieben und auch das Ritual des Drachenbootrennens, das den Höhepunkt des Buches bildet.
Natürlich muß Meister Li erst in einigen fast vergessenen Schriften und Volkssagen kramen, ehe er die Zusammenhänge herausfindet.

Das Krimirätsel ist wieder interessant aufgebaut, allerdings ist es nur Kennern der chinesischen Kultur möglich, die Lösung allein zu finden. Der kulturelle Teil ist diesmal am stärksten gewichtet, auf Kosten anderer Elemente.
Es ist relativ rasch klar, welche Person hinter all den Verwicklungen steckt. Nach dem aufregenden Anfang hängt der Spannungsbogen deshalb zunächst etwas durch und strafft sich erst zum Finale hin. Die beteiligten Personen sind weniger skurril als bisher, die Handlung weniger turbulent. Was ich allerdings am meisten vermisste, war der Wortwitz der Vorgängerbände. Er fehlt bei diesem Buch fast völlig. Der bisher so gelungenen Mischung aus Krimi, Fantasy und chinesischer Kultur geht dadurch der Pfiff verloren. Wie überaus schade!

Das Lektorat dagegen wurde gegen Ende immer besser. Enthielt der erst Band noch einige Schnitzer, waren es beim zweiten schon weniger und beim dritten ist mir überhaupt nichts aufgefallen.
Auch die Coverentwürfe gefallen mir gut. Die Darstellungen haben zwar nicht unbedingt etwas mit dem Inhalt zu tun, passen aber zum Flair des Schauplatzes.

Insgesamt gesehen sind die Meister-Li-Krimis eine angenehme und äußerst lesenswerte Abwechslung im Fantasy-Genre. Mit ihren gut dreihundert Seiten sind die einzelnen Bände überschaubar. Sie sind inhaltlich abgeschlossen und nicht voneinander abhängig, sodass sie nicht unbedingt am Stück gelesen werden müssen, sondern auch mal etwas anderes dazwischen geschoben werden kann. Sie sind witzig, unterhaltsam und interessant. Zwar schwächelt der letzte Teil gegenüber den vorhergehenden ein wenig, trotzdem ist er immer noch ideenreich und bunt und nicht wirklich schlecht.
In diesem Schwächeln liegt aber möglicherweise der Grund dafür, dass es keine weiteren Meister-Li-Bände gibt. Nun, nicht nur das Fortsetzen einer Serie, auch das rechtzeitige Aufhören ist eine Kunst.

Barry Hughart wurde 1934 in Illinois geboren. Seine Kenntnisse über die chinesische Kultur schöpfte er aus Büchern über Religion und Kultur, Land und Leute, als er im Rahmen seiner Militärzeit bei der US Airforce in Fernost stationiert war, das Festland aber nicht betreten durfte. Die Faszination für dieses Land war so stark, dass er schließlich, zwanzig Jahre später, die Meister-Li-Romane verfasste. Außer seinen Romanen schrieb er auch Filmdialoge, unter anderem für „Devil´s Bridge“, „Man on the Move“ und „The Other Side of Hell“. Heute lebt er in Tucson, Arizona.

http://www.barryhughart.org/

Hughart, Barry – Stein des Himmels, Der (Meister Li Band 2)

In „Der Stein des Himmels“, dem zweiten Meister-Li-Roman von Barry Hughart, hat Nummer Zehn der Ochse es vom Klienten zum Adlatus des Meisters gebracht. Der ist allerdings ziemlich mieser Laune. Das ändert sich erst, als der Abt eines kleinen Klosters ihn in seiner Stammkneipe aufsucht und um Hilfe bittet. Ein Mönch wurde ermordet und eine Schrift aus der Bibliothek gestohlen, die eigentlich völlig bedeutungslos ist und außerdem aus bestimmten Gründen eine Fälschung sein muss. Sie stammt aus einer Zeit, in der ein wahnsinniger Herrscher, genannt der lachende Prinz, über die Gegend des Klosters gebot und sie völlig verheerte. Nun glauben die Bauern, er sei zurückgekehrt, wie er es einst bei seinem Tod geschworen hat.
Meister Li besucht mit einem Nachkommen des Prinzen dessen Gruft, aus reiner Routine, um den Bauern die Angst zu nehmen: Der steinerne Sarg ist leer! Und Meister Li nicht mehr zu halten – Er geht buchstäblich bis in die Hölle, um dieses Rätsel zu lösen …

Meister Li geht auch in diesem Band mit gewohnter Hartnäckigkeit seiner Lieblingsbeschäftigung nach. Da er einfach jeden zu kennen scheint, weiß er auch immer, wen er fragen muss, wenn er eine Auskunft braucht. Aber der größte Schatz an der Art von Wissen, wie Meister Li sie zur Lösung seiner Fälle benötigt, liegt verschlüsselt in den Sagen und Geschichten, die das Volk sich seit altersher zu erzählen pflegt, auch wenn ein wenig klassische Bildung gelegentlich nicht schadet. So setzt er auch diesmal wieder Teil für Teil sein Puzzle zusammen, indem er sich bei den Bauern umhört, alte Beziehungen spielen lässt und natürlich seine Nase in jedes Loch steckt, über das er stolpert.

[„Die Brücke der Vögel“ 914 warf einen Blick in den taoistischen Götterhimmel. „Der Stein des Himmels“ schildert noch weit ausführlicher die chinesische Vorstellung vom Jenseits. In einer Weltanschauung der Wiedergeburt sieht das alles natürlich ganz anders aus. Aber abgesehen vom kulturellen Hintergrund und den Puzzleteilen, die Li dort findet, dient die Darstellung dieser Hölle als Basis für eine ganze Reihe bissiger Seitenhiebe gegen Bürokratie und Standesdünkel.
Überhaupt hat Li in diesem Band die so genannten Neokonfuzianer auf dem Kieker, seiner Beschreibung nach könnte man sie auch Neokonservative oder Die-ewig-Gestrigen nennen. Die Typen in diesem Band sind weit weniger skurril als im ersten, aber Lis trockene Kommentare zu allem, was ein Neo im Namen hat, sorgen wieder für einige Schmunzler und Lacher, und über Mondkinds Verführung eines Dämons kann man einfach nur grinsen!

Der Aufbau des Puzzlespieles ist auch diesmal wieder gut gemacht. Bei Hughart ist es nicht unbedingt so, dass alles, auch das beiläufig Erwähnte, für die Lösung des Rätsels von Bedeutung ist, was ernsthafte Krimiliebhaber auf einige falsche Fährten führen dürfte. Trotzdem kann man nicht behaupten, dass man am Ende wirklich überrascht wäre, wenn Li den Täter entlarvt. Ab einem gewissen Punkt ahnt man es einfach. Die Art und Weise der endgültigen Aufdeckung ist trotzdem allemal noch interessant genug. Im ganz speziellen Fall dieses Bandes hatte ich allerdings ein kleines, logisches Problem:
Nach dem Tod des Mädchens findet Li einen Splitter des Steins in ihrem Körper. Dieser Splitter hat bei ihrer ersten schweren Verwundung dafür gesorgt, dass sie überlebte. Der lachende Prinz wurde durch ein Stück des Steines nach seinem Tod wieder lebendig. – Wenn der Stein solche Macht hat, wieso konnte das Mädchen mit dem Stein in der Brust dann überhaupt sterben?
Abgesehen davon, dass das Ende sonst nicht zu der alten Legende vom Stein und der Blume gepasst hätte.

Letztlich tut dieser kleine Knacks der gesamten Geschichte jedoch keinen Abbruch. Der Krimi ist schließlich nur ein Teil des Buches zwischen Witz, Fantasie und chinesischen Eigenheiten. Die Mischung ist es, die Hugharts Bücher ausmacht, und ich habe auch diesmal wieder jede Seite genossen.
Hughart bedient sich einr einfachen, prägnanten Sprache, was gut zu Ochse passt, der ja als Erzähler fungiert. Die Bücher lesen sich sehr leicht und flüssig. Auch beschränkt der Autor sich bei Beschreibungen auf das Wesentliche, lässt Zeiten manchmal im Zeitraffer laufen oder weniger wichtige Informationen einfach durch Ochse kurz zusammenfassen. Das strafft den Handlungsverlauf und vermeidet Längen, wirkt aber nicht hektisch oder überstürzt. Epik liegt ihm nicht, dementsprechend sind die Bücher mit ihren ca. dreihundert Seiten verhältnismäßig kurz, was zur Abwechslung auch mal angenehm ist.
Die einzelnen Bände des Zyklus sind in sich abgeschlossen, und auch wenn in „Der Stein des Himmels“ eine kurze Anspielung auf „Die Brücke der Vögel“ enthalten ist, ist es für das Verständnis der Geschichte nicht nötig, die anderen Bände zu kennen.

Barry Hughart wurde 1934 in Illinois geboren. Seine Kenntnisse über die chinesische Kultur schöpfte er aus Büchern über Religion und Kultur, Land und Leute, als er im Rahmen seiner Militärzeit bei der US Airforce in Fernost stationiert war, das Festland aber nicht betreten durfte. Die Faszination für dieses Land war so stark, dass er schließlich, zwanzig Jahre später, die Meister-Li-Romane verfasste. Außer seinen Romanen schrieb er auch Filmdialoge, unter anderem für „Devil´s Bridge“, „Man on the Move“ und „The Other Side of Hell“. Heute lebt er in Tucson, Arizona.

http://www.barryhughart.org/

Barry Hughart – Die Brücke der Vögel (Meister Li 1)

„Ich heiße Lu, und mein Vorname ist Yu, aber man darf mich nicht mit dem bedeutenden Verfasser von Das Buch vom Tee verwechseln …“
Mit diesem Satz stellt sich ein junger Mann vor, der von allen nur Nummer Zehn der Ochse genannt wird, weil er der zehnte Sohn seines Vaters und sehr stark ist. Er ist der Erzähler in „Die Brücke der Vögel“ und, das sei vorab verraten, auch in allen anderen Meister-Li-Romanen von Barry Hughart. Ein großer, gutmütiger und freundlicher Kerl, dessen Stärke nicht nur in seinen Muskeln liegt.

Barry Hughart – Die Brücke der Vögel (Meister Li 1) weiterlesen

Uther, Hans-Jörg (Herausgeber) – Märchenschatz

„Märchenschatz“ ist eine von mehreren Sammlungen, die Hans-Jörg Uther herausgegeben hat. Hier geben sich Märchen aus so ziemlich allen Teilen des deutschsprachigen Raumes ein Stelldichein, darunter allseits bekannte wie „Dornröschen“, „Aschenputtel“ oder „Die Sterntaler“, aber auch andere wie „Die Geschichte von der Metzelsuppe“, „Bruder Lustig“ oder „Der Bärenhäuter“, wobei manches Märchen, dessen Titel dem Leser unbekannt schien, sich beim Lesen unter Umständen als alter Bekannter entpuppt, der hier nur im Kleid einer lokalen, leicht variierten Version auftaucht. Zu dieser Gruppe der weiträumig und dabei leicht unterschiedlich erzählten Geschichten gehören unter anderen „Der Deserteur mit dem Feuerzeug“ (bei Grimms: „Das blaue Licht“), „Vom Vogel Fenus“ („Der Teufel mit den drei goldenen Haaren“) und „Das Märchen vom Knüppel aus dem Sacke“ („Tischlein, deck dich“). Manch einem, der Preußlers „Krabat“ gelesen hat, mag der „Zauberwettkampf“ bekannt vor kommen. Am meisten überrascht hat mich aber das Märchen „Der arme Schuster“, das in abgewandelter Form eine Geschichte aus 1001 Nacht erzählt! Wie diese Geschichte aus dem Orient ins Donauland kam oder umgekehrt, wäre eine interessante Frage.

Die Unterschiede zu den allseits bekannten Versionen, die meist von den Gebrüdern Grimm aufgeschrieben wurden, reichen von kaum spürbar, wie bei „Hans Wohlgemut“ („Hans im Glück“), über deutlich, wie bei „Die Geiß mit ihren zehn Zicklein und der Bär“ („Der Wolf und die sieben Geißlein“), bis gravierend bei „Das kleine Rotkäppchen“.

In den meisten Fällen betreffen diese Unterschiede lediglich die Ausführung, ohne die zugrunde liegende Aussage zu verändern. Aber nicht immer: Das Märchen vom Rotkäppchen zum Beispiel endet hier ganz aprupt an der Stelle, an der das Rotkäppchen gefressen wird! Kein Happyend!

Nun sind Märchen nicht einfach nette Geschichten, die man sich eben erzählt. Märchen erfüllen einen bestimmten Zweck. Der eine ist der psychologische. Oft wurde den Märchen vorgeworfen, sie seien so grausam, und es wurde fleißig daran gebastelt, sie zu entschärfen. Heute sind Psychologen der Meinung, dass Märchen grausam sein sollen! Märchen helfen dabei, mit Ängsten fertig zu werden. Kinder empfinden es als ermutigend, wenn Hänsel und Gretel die böse Hexe besiegen, und das auch noch ganz allein.

Der andere ist der pädagogische. Märchen lehren, dass der Gute immer gewinnt, der Böse immer verliert, dass es sich also nicht lohnt, böse zu sein. Genau dieser Punkt ist aber bei der hier erzählten Rotkäppchenversion ausgehebelt! Kein Jäger kommt, um das – zugegebenermaßen ungehorsame und leichtsinnige – Rotkäppchen zu befreien. Der Grundtenor lautet eher: Geschieht ihr recht! Die unschuldige Großmutter bleibt dabei völlig unbeachtet. Dadurch erhält die Geschichte einen Touch von Struwwelpeter-Pädagogik, die inzwischen allerdings stark umstritten ist. Rotkäppchen hat keine Gelegenheit mehr, aus ihrem Fehler zu lernen. Und der Wolf, der doch noch viel böser ist als Rotkäppchen, kommt ohne Strafe davon.

Außer den klassischen Volksmärchen finden sich aber auch Tiergeschichten und Schwänke, so zum Beispiel „Der Wettlauf zwischen dem Hasen und dem Igel“ und „Die sieben Schwaben“. Allen Geschichten gemeinsam ist, dass sie in der typischen Märchensprache belassen wurden, die zum Flair eines Märchens einfach dazugehört. Das wirkt sich gerade bei den beiden vorgenannten äußerst positiv aus, da die wörtliche Rede teilweise sogar die entsprechende Mundart verwendet.

Natürlich lesen sich manche Passagen dadurch etwas umständlich. Das Buch in einem Rutsch durchzulesen, ist anstrengend. Kleine Kinder werden gelegentlich eine Erklärung brauchen, ältere Kinder, die selber lesen, möglicherweise auch, sofern sie nicht aus ihrer Vorlesezeit bereits Märchenerfahrung haben. Aber das gibt sich rasch.

Illustriert ist der Band mit einfachen Bleistiftzeichnungen, die aus dem 19. Jahrhundert stammen und sich vor allem durch Schlichtheit und einem Blick fürs Detail auszeichnen. Sie wurden von Otto Ubbelohde, einem hessischen Zeichner, für eine Ausgabe der Grimmschen Hausmärchen gefertigt und geben nicht nur Szenen aus den jeweiligen Märchen wieder, sondern auch Ausschnitte aus der damaligen Zeit, zum Beispiel in Kleidung und Einrichtung, und runden damit die Gesamterscheinung hervorragend ab.

Insgesamt eine interessante und schön gestaltete Ausgabe abseits der verwässerten und teilweise lieblos hingeklatschten Billigsammlungen, allerdings halte ich es für empfehlenswert, dass im Falle kindlicher Leser die Eltern mit den Kindern über das Gelesene sprechen. Aus eigener Erinnerung weiß ich, dass Kinder vieles gar nicht so deutlich und scharf empfinden wie wir Erwachsenen. Es sind aber auch nicht alle Märchen gleich einfach zu verstehen. Gerade im Falle von „Rotkäppchen“ oder auch der „Mär vom Marchandelbaum“ und der „Eiche am Elbufer“ wäre ein Erfragen des Gelesenen hilfreich, um zu sehen, wie die Kinder mit der Geschichte klargekommen sind.

Hans-Jörg Uther ist Professor für Literaturwissenschaft an der Uni Essen und außerdem in der Erzählforschung tätig. In der Liste der von ihm veröffentlichten Sammlungen finden sich auch „Sagenschatz“, „Märchen vom Glück“, [„Die schönsten Märchen und Geschichten zur Weihnachtszeit“ 775 und „Das große Buch der Fabeln“. Außerdem ist er Mitherausgeber der Zeitschrift |Fabula|.

Uther, Hans-Jörg (Hrsg.) – schönsten Märchen und Geschichten zur Weihnachtszeit, Die

Märchen und Geschichten gehören zur Advents- und Weihnachtszeit wie Lebkuchen oder Kerzenlicht. Diese besondere Sammlung trägt dieser Stimmung Rechnung, wenn auch auf ungewöhnliche Art. Literarische Werke von Theodor Storm, E.T.A. Hoffmann, Oscar Wilde und Theodor Fontane geben sich ein Stelldichein mit Volksmärchen aus Irland, Norwegen, dem Odenwald und der Lüneburger Heide. Alle haben mehr oder weniger mit Weihnachten zu tun, und sei es auch nur ganz am Rande.

Die ersten drei Geschichten über Frau Holle, Nikolaus und Christkind gehören zusammen und erzählen in ganz eigener Weise, wie das Christkind nach Europa kam. Die Mischung aus heidnischen Überlieferungen und christlichem Gedankengut ist für manchen vielleicht überraschend und gewöhnungsbedürftig, gleichzeitig aber auch Darstellung eines Übergangs. Gerade zu einer Zeit, als viele Menschen nicht lesen und schreiben konnten, wurde noch viel in Bildern und Symbolen gedacht, insofern spiegelt sich hier die Christianisierung einer Volksseele, die uns so nicht mehr bewusst ist, weil wir inzwischen schon so lange in einer christlichen Umgebung aufwachsen.
Außer diesen dreien ist lediglich „Das Tannenbäumchen“ ein echtes Weihnachtsmärchen. Die übrigen Volksmärchen haben ihren Bezug zu Weihnachten nur im Zeitpunkt der Handlung, die sich selbst nicht unbedingt um Weihnachten dreht.
Die literarischen Texte dagegen rücken Weihnachten als Fest wesentlich stärker in den Mittelpunkt. Die meisten sind gar nicht als Weihnachtsgeschichten geschrieben, da sie aber großteils für diesen Band onehin zu lang wären, wurden die entsprechenden Abschnitte als Auszüge aufgenommen oder der Text wurde ggf. gekürzt. So entstanden Momentaufnahmen in den unterschiedlichsten Stimmungen, von ausgelassener Fröhlichkeit in „Weihnachtsabend“ aus Wilhelm Raabes „Die Chronik der Sperlinggasse“ über Melancholie in „Da stand das Kind am Wege“ aus Storms „Immensee“ bis hin zu Verzweiflung in Tiecks „Weihnacht-Abend“.

Insgesamt fand ich die Auswahl der Texte recht gelungen, mit zwei kleinen Ausnahmen. „Die verwünschte Burg“, ein irisches Elfenmärchen, spielt zwar an Weihnachten, es fehlt ihr aber im Hinblick darauf jegliches Flair, irgendwie passt sie nicht in den Kontext des Buches. Außerdem wirkt sie gegen Ende abgehackt und hinterlässt das Gefühl, dass das doch nicht alles gewesen sein kann. Ich vermisste einen Kern in der Geschichte. „Der Wolf angelt“ erwähnt das Wort Weihnachten überhaupt nicht, und obwohl die Geschichte an sich nicht wirklich schlecht war, fragte ich mich, warum sie in diese Sammlung aufgenommen wurde. Auch hier fehlt der Bezug zum eigentlichen Thema des Buches.
Oscar Wildes „Der glückliche Prinz“ spielt ebenfalls nicht ausdrücklich an Weihnachten, was in diesem Fall aber überhaupt nicht stört, da die Aussage der Geschichte zu Weihnachten passt.
Entgegen der gängigen Kurzbeschreibung nicht enthalten sind „Die Schneekönigin“ und „Väterchen Frost“, was ich vor allem angesichts der erwähnten beiden „Fehlgriffe“ äußerst bedauerlich finde.

Positiv aufgefallen ist mir, dass die Texte sprachlich nicht überarbeitet wurden, bzw. dass Uther sie nicht in modernes Deutsch übertragen hat. In vielen modernen Ausgaben haben die Märchen dadurch einen Großteil ihres Zaubers verloren.
Dasselbe gilt für die zwölf Illustrationen, die dezent in Schwarzweiß gehalten sind und teilweise aus alten Quellen wie dem Augsburger Bilderbogen stammen. Auch das Bild des Schutzumschlags ist schön gemacht, ganz unaufdringlich und nicht so schreiend grell, wie es heute auch bei Weihnachtssachen bereits oft der Fall ist.
Außerdem hat das Buch ein Quellenverzeichnis, was für mich vor allem im Hinblick auf die Textausschnitte und gekürzten Texte interessant war. Wer Interesse an den vollständigen Texten hat, weiß also, wo er suchen muss.

Alles in allem ein hübsches Bändchen für ein paar ruhige Minuten vor dem brennenden Kamin oder beim Schein von Adventskerzen. Wer etwas sucht, um in der Hektik des Vorweihnachtsgetriebes seine eigentliche Weihnachtsstimmung wiederzufinden, liegt hier bestimmt nicht falsch. Zum Vorlesen für Kinder ist das Buch allerdings nur bedingt geeignet. Die literarischen Texte sind naturgemäß sprachlich und inhaltlich ein paar Stufen zu hoch, aber auch die Volksmärchen sind nicht alle uneingeschränkt kindergeeignet. Am ehesten lassen sich die Märchen um Frau Holle und das vom Tannenbäumchen vorlesen, die stammen aber auch aus einem Kinderbuch mit Weihnachtsmärchen. Der damaligen Zeit entsprechend klingen sie stellenweise etwas kitschig, Kinder wird das aber wohl nicht stören.

Hans-Jörg Uther ist Professor für Literaturwissenschaft an der Uni Essen und außerdem in der Erzählforschung tätig. Er hat eine ganze Liste von Märchensammlungen veröffentlicht, darunter „Sagenschatz“, „Märchenschatz“, „Märchen vom Glück“ und „Das große Buch der Fabeln“. Außerdem ist er Mitherausgeber der Zeitschrift Fabula.

http://gutenberg.spiegel.de/raabe/sperling/sperling.htm
http://gutenberg.spiegel.de/storm/immensee/immensee.htm
http://gutenberg.spiegel.de/fontane/ellernkl/ellernkl.htm
http://gutenberg.spiegel.de/etahoff/floh/floh01b.htm
http://gutenberg.spiegel.de/arndt/msarndt/avenstak.htm

Paxson, Diana L. – Ahnen von Avalon, Die

Mit „Die Ahnen von Avalon“ ist ganz unerwartet noch einmal ein Band über die geheimnisvolle Insel aus Marion Zimmer-Bradleys „Die Nebel von Avalon“ erschienen.

Erdbeben erschüttern die Inseln von Atlantis. Die Priester wissen, was das bedeutet, denn es wurde schon vor langer Zeit prophezeit. In größter Eile werden die Inseln evakuiert. Ziel der auslaufenden Schiffe ist die Zinnküste, wo Atlantis bereits einen Stützpunkt hat.
Doch eines der Schiffe wird von den übrigen getrennt und landet an einer anderen Stelle der Küste. Während der Hauptteil der Flotte sich mit dem Stützpunkt als Basis relativ leicht tut und sofort versucht, in dem neuen Land seine alte Kultur wieder aufzubauen, ist das einzelne Schiff darauf angewiesen, sich mit den Ureinwohnern zusammen zu tun, um zu überleben. Als die beiden Gruppen sich wiederfinden, ist der Konflikt vorprogrammiert.

Der Band schließt eine Lücke, die ursprünglich gar keine war. Lange vor dem Erfolg von „Die Nebel von Avalon“ schrieb Marion Zimmer-Bradley eine Geschichte über Atlantis, die erst nach ihrem Durchbruch unter dem Titel „Das Licht von Atlantis“ veröffentlicht wurde. Auch wenn in Igraines Traum über Uther, der die goldenen Schlangen an den Armen trägt, eine Verbindung zu Atlantis angedeutet ist, entstand der eigentliche Bogen von einer Geschichte zur anderen erst durch „Die Wälder von Albion“, deren Charaktere Eilan und Caillean deutliche Parallelen zu Domaris und Deoris aus Atlantis aufweisen. Reinkarnation wurde zu dem roten Faden, der durch sämtliche Bände führt.
Die Lücke zwischen „Die Wälder von Albion“ und „Die Nebel von Avalon“ versuchte „Die Herrin von Avalon“ zu füllen, doch das gelang nur mäßig. „Die Ahnen von Avalon“ schließlich stellt die endgültige Verbindung zwischen Atlantis und Avalon dar, erzählt, wie das Wissen aus Atlantis nach Avalon kam.

Eigentlich eine interessante Idee. Leider hat es mit der Umsetzung nicht so ganz geklappt!
Das Buch bietet eine Fülle an Personen. Die Hauptpersonen sind Micail, Sohn von Domaris und Mican, und Tiriki, Tochter von Deoris, Domaris‘ Schwester. Die beiden sind verheiratet, werden aber auf der Flucht von Atlantis getrennt.
Tiriki erreicht mit ihrem einzelnen Schiff einen Berg in den Sümpfen, der von der Macht der Muttergöttin nur so vibriert. Außerdem findet sie großes Wissen um die Mysterien bei den Frauen der Ureinwohner. Die Verbindung zwischen den beiden Gruppen legt den Grundstein für das spätere Avalon.
Micail dagegen ist damit beschäftigt, an einem Knotenpunkt magischer Energiestränge einen Steinkreis zu errichten, der genügend Kraft konzentrieren soll, um einen neuen Tempel des Lichtes zu bauen. Doch schon bald stellt sich heraus, dass Tjalan, Prinz von Alconath, noch ganz andere Absichten verfolgt.
Der größte Teil der anderen Personen sind Priester oder Priesterinnen, die eine mehr oder weniger große Rolle spielen. Nur wenige von ihnen sind detaillierter dargestellt, sodass man sie als Charaktere bezeichnen kann, die meisten wirken eher wie Statisten. Dieser Umstand zusammen mit den oft sehr ähnlich klingenden Namen, vor allem bei den Priesterschülern, hat zur Folge, dass der Leser immer wieder überlegen muss, wer jetzt eigentlich nochmal die Person ist, die da gerade etwas tut. Der Überblick fehlt! Zwar gibt es im Anhang ein Namensregister, aber jedes Nachschlagen reißt aus dem Zusammenhang und wirkt daher störend!
Abgesehen davon sind auch die Hauptcharaktere nicht besonders lebendig gezeichnet. Zwar sind Handlungen, Gedanken und Gefühle nachvollziehbar, es fehlt ihnen aber sehr an Intensität, als wären bei einem Bild alle Farben verblichen.

Der Handlung fehlen ebenfalls Leben und Farbe. Lediglich während der Flucht vor dem Vulkanausbruch und dem Einsatz der Ringsteine kommt so etwas wie Spannung auf, beide Spannungsbögen ebben jedoch rasch wieder ab. Der größte Teil der Handlung verläuft ziemlich gleichförmig, der allmähliche Konfliktaufbau zwischen den Erbauern des Steinkreises und den Eingeborenen sowie den beiden Gruppen der Atlanter bei ihrem ersten Treffen weiß nicht wirklich zu fesseln.
Ganz eigenartig wirkt die Idee des Omphalos, eines eiförmigen Steines, der offenbar große Macht besitzt. Er wird auch als Nabel der Welt bezeichnet und von den Atlantern auf ihrer Flucht von den Inseln mitgenommen. Was es genau mit diesem Stein auf sich hat, warum er überhaupt mitgenommen wurde und was er bewirken kann, bleibt jedoch im Dunkeln, sodass der Leser sich fragt, warum er überhaupt vorkommt. Hier hätte ein ausführlicherer Ausbau der Idee bestimmt nicht geschadet.

Desweiteren haben sich, wie so oft bei der nachträglichen Füllung von Lücken, Brüche eingeschlichen. Es wirkt irgendwie seltsam, wenn ausgerechnet Morgaine den Prolog spricht, der erzählt, wie der Omphalos nach Britannien kam. Schließlich spielte er in Morgaines eigentlicher Geschichte, in den „Nebeln von Avalon“ überhaupt keine Rolle! Ja, er spielt nicht mal in diesem Buch die Rolle, die man aufgrund des Prologes erwarten könnte.
Und die Darstellung, dass die Atlanter ihr Wissen zuerst und hauptsächlich nach Avalon brachten, beißt sich irgendwie mit dem Anfang der „Wälder von Albion“, wo die Frauen davon erzählen, dass das religiöse Zentrum vor dem Angriff der Römer die Insel Mona gewesen sei.
Außerdem gibt es Probleme mit dem Begriff „Merlin“. Bereits der Magier Chedan, der mit Tiriki nach Britannien kam, wurde von den Ureinwohnern Sonnenfalke oder Merlin genannt. In den „Wäldern von Albion“ wird Eilans Sohn Gawen als erster Merlin Britanniens bezeichnet. Gawen ist aber die Reinkarnation Micails, nicht Chedans!

Mit anderen Worten: Die Sache ist nicht konsequent durchdacht. Vielleicht liegt es aber nur daran, dass Entwurf und Buch nicht aus derselben Feder stammen. Das sollte jeder beachten, der Bücher von Marion Zimmer-Bradley gelesen und ein Faible für diese Autorin hat: Dieses Buch ist nicht von ihr! Von ihr stammt nur das Exzerpt. Die Ausarbeitung stammt von Diana Paxson, und das merkt man! Dem Buch fehlt es an Flair.
Es ist also wahrscheinlich ganz gut, dass das Buch wesentlich kürzer ist als die „Nebel von Avalon“ oder die „Nebel von Albion“, die sechshundert Seiten sind ziemlich groß gedruckt. Vielleicht wollte man das Format und die Dicke an die Vorgänger-Bände angleichen, dann wäre es allerdings auch sinnvoll gewesen, dies auf die Gestaltung des Einbands auszuweiten!
Das Lektorat war auch nicht berauschend. Bestimmte und unbestimmte Artikel für dasselbe Hauptwort im selben Satz, das ist ein Fehler, der wirklich nicht vorkommen sollte! Und es war nicht der einzige dieser Art.

Also ich hätte diesen Band nicht unbedingt gebraucht. Schon „Die Herrin von Avalon“ hatte stark nachgelassen, obwohl das Buch noch aus Zimmer-Bradleys eigener Feder stammte. „Die Ahnen von Avalon“ haben es nicht geschafft, daran vorbeizuziehen. Ich hoffe, es sind jetzt keine weiteren unfertigen Konzepte mehr übrig, denn ich glaube kaum, dass Diana Paxson sie besser umsetzen kann als in diesem Fall. „Die Nebel von Avalon“ werden wohl für immer der unerreichte Gipfel von Marion Zimmer-Bradleys Schaffen bleiben.

Welcome to My Worlds

Sara Douglass – Göttin des Sternentanzes, Die (Unter dem Weltenbaum 6)

Band 1: [„Die Sternenbraut“ 577
Band 2: [„Sternenströmers Lied“ 580
Band 3: [„Tanz der Sterne“ 585
Band 4: [„Der Sternenhüter“ 590
Band 5: [„Das Vermächtnis der Sternenbraut“ 599

Der letzte Band des |Weltenbaum|-Zyklus trägt den Titel „Die Göttin des Sternentanzes“, und in ihm entscheidet sich die Zukunft Tencendors.

Aschure ist es gelungen, rechtzeitig zu Axis zu gelangen. Als nächstes macht sie sich zu Faraday auf, doch kaum dreht sie Sigholt den Rücken, geschieht Unfassbares: Gorgrael entführt ihren Sohn Caelum! Kann Aschure ihrem Sohn rechtzeitig zu Hilfe kommen, ohne Faraday im Stich zu lassen?
Faraday hat mit ihrer Pflanzung Smyrdon erreicht, die Hochburg des Pfluggottes Artor. Der neue Wald muss unbedingt mit dem alten Wald von Awarinheim verbunden werden, damit die Bäume Axis in seinem Kampf gegen Gorgrael unterstützen können. Wenn Faraday ihre Aufgabe erfolgreich zu Ende führen will, dann muss Smyrdon weichen. Doch sie trifft auf heftigsten Widerstand!
Axis dagegen ist auf dem Weg zu Gorkenpass, zur letzten entscheidenden Schlacht gegen Gorgraels Heerführer Timozel. Allerdings sind dessen Truppen denen Axis‘ um das Zehnfache überlegen, selbst ohne Greifen. Und Aschure ist nicht bei ihm!
Gorgrael sitzt unsicher in seiner Eisfestung. Er weiß, dass die Prophezeiung Axis über kurz oder lang zu ihm führen wird, er weiß aber auch, dass letztlich die Frage, wer Axis‘ Liebste ist, den Schlüssel zu seinem Sieg oder seiner Niederlage bedeutet. Nur wenn er sie in seiner Gewalt hat, kann er Axis überwinden. Gorgrael muss eine Entscheidung treffen.

Der letzte Band wartet nur noch einmal kurzzeitig mit einer Verwirrung auf, als Caelum entführt wird und der Leser sich fragt, ob wirklich Timozel der in der Prophezeiung genannte Verräter ist. Dann allerdings glättet sich der Handlungsverlauf, was unvermeidlich ist, wenn die Fäden auf das Ende hin zusammengeführt werden sollen. Das Ende ist dann allerdings nicht ganz so spektakulär, wie mancher vielleicht erwarten würde, andererseits zeichnen sich die Kampfbeschreibungen der Autorin onehin eher durch Kürze aus als durch Weitschweifigkeit. Die Spannung ist längst nicht mehr so stark wie in den vorhergehenden Bänden, da die Unsicherheiten, die die vielen Rätsel und Geheimnisse bisher erzeugt haben, nach und nach wegfallen. Spätestens bei der Entscheidung der Awaren ist klar, wie die Sache ausgeht. Danach geht es eigentlich nicht mehr um das „ob“, sondern nur noch um das „wie“. Das „wie“ ist allerdings immer noch interessant zu lesen.

Wer jetzt allerdings glaubt, es seien alle Fragen endgültig beantwortet, der hat sich geirrt. Heißt es doch in der Prophezeiung, Vergebung sei der einzige Weg, Tencendors Seele zu retten. Nun kann man wahrhaftig nicht behaupten, dass Axis Gorgrael vergeben hätte! – Außerdem sind da auch noch alle möglichen Kinder, die im Laufe des Zyklus zur Welt kamen. Caelums Zwillingsgeschwister, von denen der Bruder voll abgrundtiefen Hasses gegen seinen Vater und Caelum erfüllt ist, Faradays Sohn Isfrael und Rivkahs Sohn Zared. Sie alle wurden sicherlich nicht einfach so erwähnt!
Denn eines hat der Gesamtzyklus gezeigt: Die Autorin hat nichts dem Zufall überlassen! Von Anfang an waren alle Handlungsstränge, alle Verwicklungen, alle Wendungen und Vorgänge genau geplant.
Oft ist es so, dass ein Zyklus lediglich eine Aneinanderreihung von kurzen Geschichten darstellt, die sich alle um dieselbe Hauptperson drehen. Das kann man vom Weltenbaumzyklus wahrhaftig nicht behaupten! Sara Douglass hat ein vielschichtiges Handlungsnetz gewoben, dessen Fäden sich ständig kreuzen, sich berühren und wieder trennen, und das ohne sich zu verwirren!
Trotz bereits erwähnter Anlehnungen an Bekanntes hat die Autorin viele eigene Ideen einfließen lassen, die dem Buch zusätzlich zur Spannung und zur Rätselei den Hauch von Zauber verleihen, der eine Fantasy-Welt von der Realität entrückt, darunter die Sache mit dem Rubin am Ring der Herzöge von Ichtar, die Wächter und die Erschaffung des Regenbogenzepters, die Traummagie, die magischen Seen, der Narrenturm …

|Piper| hat die Cover der Bücher diesem etwas romantischen Zug des Zyklus‘ angepasst, und ich finde sie tatsächlich auch sehr schön und gelungen. Die Titel entsprechen dem romantischen Design des Covers, treffen den Inhalt allerdings bei weitem nicht so gut wie die Originaltitel, die man aber schon deshalb nicht einfach übernehmen konnte, weil durch die Aufteilung drei zusätzliche Titel nötig waren. Hier stellt sich noch einmal die Frage, warum man die Bände überhaupt aufgeteilt hat! Wobei: Die Originaltitel hätte man wahrscheinlich trotzdem nicht beibehalten. Wahrscheinlich klangen sie den deutschen Verlagen zu trocken und nicht verkaufsfördernd genug. Und da könnten sie sogar Recht haben.
Alle Bücher enthalten eine Karte von Achar/Tencendor, das Format der Taschenbücher ist allerdings zu klein dafür, sodass man für manche Beschriftungen fast eine Lupe braucht. Außerdem enthalten die Karten der letzten beiden Bände einen Fehler! Hier wird plötzlich der südliche Teil Awarinheims als Bardenmeer bezeichnet. Diesen Namen trägt aber der Wald, den Faraday angepflanzt hat, und der sich jenseits des Verbotenen Tals nach Süden bis zum Wald der Schweigenden Frau erstreckt. Der ist auf der Karte gar nicht eingezeichnet. Wenn man sich aber schon die Mühe macht, die Karte für die letzten beiden Bände der Handlung entsprechend zu ergänzen, dann doch bitte richtig!
Das Lektorat, das im ersten Band noch perfekt war, hat in den Folgebänden dann doch noch ein paar Schnitzer durchgehen lassen, bei knapp 2.500 Seiten hielt es sich aber in vertretbarem Rahmen.

Der |Weltenbaum|-Zyklus ist ein geniales Werk und war zu Recht ein Bestseller. Stellt sich noch die Frage, wie lange es dauern wird, bis die Nachfolgebände erscheinen. Denn wie oben angedeutet, ist die Sache irgendwie noch nicht so ganz ausgestanden.
Unter dem Titel „The Wayfarer Redemption“ ist auf Englisch bereits eine Fortsetzungstrilogie erschienen. Wer nach sechs Bänden also immer noch nicht genug hat, kann mit „Sinner“, „Pilgrim“ und „Crusader“ weitermachen.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem |Weltenbaumzyklus| schrieb sie diverse weitere Romane und Kurzgeschichten.

My Сreative

Sara Douglass – Vermächtnis der Sternenbraut, Das (Unter dem Weltenbaum 5)

Band 1: [„Die Sternenbraut“ 577
Band 2: [„Sternenströmers Lied“ 580
Band 3: [„Tanz der Sterne“ 585
Band 4: [„Der Sternenhüter“ 590

Der fünfte Band des Weltenbaum-Zyklus, „Das Vermächtnis der Sternenbraut“, endet noch einmal aprupt mitten im Geschehen.

Faraday ist zutiefst gekränkt, dass Axis sie mit Aschure betrogen hat, erkennt aber auch, wie tief die beiden miteinander verbunden sind. Sie gibt Axis frei, Aschure zu heiraten, und verlässt Karlon, um ihren Anteil an der Prophezeiung zu erfüllen: Sie macht sich auf, den Wald von Tencendor neu anzupflanzen. Dabei erhält sie unerwartete Hilfe, aber auch Gefahr folgt ihr auf dem Fuß …
Axis erhält derweil Nachricht, dass Gorgraels Truppen seine Stellung in Jervois überrannt haben und nach Süden marschieren. Sofort setzt er seine eigenen Truppen in Marsch, um dem Feind zu begegnen. Doch er kann eine verheerende Niederlage nur durch den massiven Einsatz von Magie verhindern, einen Einsatz, der einen schrecklichen Preis fordert.
Aschure hält sich in der Zwischenzeit im Sternentempel auf, einem Heiligtum der Ikarier auf der Insel des Nebels und der Erinnerung. Dort enthüllt sich ihr nicht nur das Geheimnis um ihre Herkunft, sondern auch das um ihre Bestimmung. Dann erreicht sie die Nachricht von Axis‘ Schlacht, und ihr wird klar, dass sie sofort zu ihm reisen muss. Allerdings ist Axis nicht der Einzige, der ihre Hilfe braucht. Aschure muss sich beeilen …

Was die Entwicklung der Personen angeht, so scheint diese bei Aschure inzwischen ziemlich abgeschlossen. Es ist klar, woher sie kam und wohin sie geht, das Ziel muss nur noch erreicht werden.
Anders sieht es bei Axis aus. Er weiß, dass die Mittel, die ihm zur Verfügung stehen, nicht ausreichen, um Gorgrael zu besiegen, und der Rückschlag in der letzten Schlacht macht seine Selbstzweifel noch schlimmer. Ihm fehlt noch ein entscheidender Schritt …
Faraday hingegen scheint im Gegensatz zu Axis und Aschure keine Probleme mit sich selbst zu haben, obwohl sie weiß, dass ihr noch viel bevorsteht. Abgesehen von ihrer Enttäuschung mit Axis scheint sie ausgeglichen.
Timozel dagegen ist inzwischen ganz in den Klauen Gorgraels und macht nicht einmal mehr den Versuch, sich dem zu entziehen. Jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt. Trotzdem bleibt ein Gefühl von Endgültigkeit aus. Vielleicht ist er ja doch noch für eine Überraschung gut?

Die Handlung hat ihre Spielebene ungeheuer ausgeweitet. Nach der Niederlage Bornhelds und der Zerschlagung des Seneschalls schien es kurz, als seien von den drei Parteien, von denen jede allen anderen feindlich gegenüberstand, nur noch zwei übrig. Stattdessen hat das Geschehen lediglich eine neue Tür geöffnet, durch die ein anderer auf den Plan getreten ist, um das Dreieck wieder komplett zu machen. Was als Bruderzwist zwischen Axis und Bornheld begann und als Rettung der Welt vor völliger Vernichtung weiterging, ist inzwischen bei einem Kampf angelangt, in den selbst die Götter verstrickt sind.
So stellt sich im Verlauf der Ereignisse die Prophezeiung zunehmend als Gratwanderung heraus, in der der Prophet nur mit Mühe die Balance halten kann. Gorgrael scheint sich der Kontrolle des Dunklen zunehmend zu entziehen, die Awaren lehnen Aschure nach wie vor ab, und Artor, der Gott des Pfluges, versucht, Faraday am Bäumepflanzen zu hindern. Die Lage spitzt sich zu.
Abgesehen vom Spannungsbogen der eigentlichen Handlung, der sich immer straffer spannt, weiß die Autorin jedes gelöste Rätsel durch ein neues zu ersetzen. Hat man sich in den vorigen Bänden noch den Kopf zerbrochen, was es wohl mit Aschure auf sich hat und wer Axis wohl verraten wird, fragt man sich inzwischen, was für eine seltsame Verwandlung mit den Wächtern vor sich geht und welchem Zweck sie dienen mag, oder was es mit dem geheimnisvollen Regenbogenzepter auf sich haben wird. Überhaupt ist die letzte Strophe der Prophezeiung noch längst nicht klar …

Es bleibt also noch genug Stoff für den letzten Band, sodass nicht zu befürchten steht, es jetzt nur noch mit einer einzigen großen Schlacht zu tun zu haben, zumal es fraglich ist, ob die Entscheidung zwischen Gorgrael und Axis durch eine Schlacht gefällt wird. Eigentlich erscheint eine solche Lösung zu plump angesichts der vielen feinen Fäden, in denen die Autorin bisher ihre Handlung gesponnen hat. Nun, in einigen hundert Seiten werden wir es wissen …

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem |Weltenbaumzyklus| schrieb sie diverse weitere Romane und Kurzgeschichten.

My Сreative

Sara Douglass – Sternenhüter, Der (Unter dem Weltenbaum 4)

Band 1: [„Die Sternenbraut“ 577
Band 2: [„Sternenströmers Lied“ 580
Band 3: [„Tanz der Sterne“ 585

„Der Sternenhüter“ heißt der vierte Band des |Weltenbaum|-Zyklus, und wie erwartet, ist in diesem Teil wieder einiges los:

Axis und Bornheld haben sich dazu durchgerungen, ihre Rivalitäten bis nach dem Winter zu vertagen, um Gorgraels Angriffen standhalten zu können. Axis kann die Angreifer sogar zurückschlagen und kommt wohl oder übel Bornheld zu Hilfe, der die Hauptlast des Ansturms zu tragen hat. Bornheld ist ihm dafür keinesfalls dankbar, und kaum ist der Winter vorrüber, bricht der Waffenstillstand auseinander.
Noch bevor Bornheld Axis angreifen kann, hat der sich bereits auf den Weg in die Provinz Skarabost gemacht, wo ein Vasalle Bornhelds die Bevölkerung tyrannisiert, um sie am Überlaufen zu Axis zu hindern. Während Axis durch das östliche Achar zieht, macht Bornheld sich auf den Weg in die Hauptstadt, weiß er doch, dass Axis letztlich ebenfalls dorthin kommen wird.
Vor den Toren der Stadt kommt es zur Schlacht, doch die endgültige Entscheidung fällt nicht auf dem Schlachtfeld …

Der vierte Band wird zu einem großen Teil von Kämpfen und Schlachten bestimmt. Dabei nimmt der Kampf gegen Gorgraels Kreaturen den weitaus größeren Raum ein, wenngleich seine neueste Waffe seltener vorkam, als ich es am Ende von „Tanz der Sterne“ erwartet hätte. Die Schlacht vor Karlon ist dagegen erstaunlich kurz. All diese Schlachten sind ziemlich unblutig beschrieben, gehen eher auf strategische Dinge und auf die Verschiebung von Machtverhältnissen ein als auf bloßes Gemetzel.
Den Höhepunkt der Kämpfe stellt natürlich der letzte Kampf zwischen Axis und Bornheld dar, der in dieser Hinsicht wesentlich drastischer ist. Im Hinblick auf zwei Folgebände kann zu diesem Zeitpunkt der Kampf wiederum nur zu Gunsten Axis‘ ausfallen, allerdings geht es dabei um wesentlich mehr als nur um die Entscheidung zwischen den Rivalen.
Die andere Hälfte des Buches dreht sich großteils um das Dilemma zwischen Axis, Aschure und Faraday. Weder Axis noch Aschure sehen sich in der Lage, den gordischen Knoten zu lösen, den Axis da geknüpft hat, und letztlich ist es Faraday, die die Entscheidung trifft, nicht ohne ein Samenkorn der Rache mit hineinzupacken.

Mit dem Entscheidungskampf zwischen Bornheld und Axis und auch mit den Ereignissen, die zu Faradays Entscheidung führen, wurden einige Rätsel gelöst, an denen der Leser bisher eifrig geknackt hat. Noch immer steht aber nicht fest, wer der Verräter in Axis‘ Reihen ist, und was der Dunkle Mann eigentlich mit seinem Tun bezweckt. Und Faradays Abschied gibt wieder erneutes Rätselraten auf.
Die Prophezeiung, deren Wortlaut in jedem Band enthalten ist, dröselt sich immer mehr auf, pro Band – in der deutschen Ausgabe pro zwei Bände – eine Strophe, so scheint es, doch ganz so einfach ist es nicht, bleiben doch immer noch mehrere Möglichkeiten der Deutung offen, so zum Beispiel, wer die dunklere Macht sein mag, die sich als Bringer des Heils erweisen soll.
Die ungewöhnlichen Ereignisse außerhalb des Schlachtengeschehens zeigen den Einfallsreichtum der Autorin. Und immer wieder gelingt es ihr elegant, überraschend Fäden miteinander zu verbinden, die gar nichts miteinander zu tun zu haben schienen, erweist sich am Rande Erwähntes, das unwichtig schien, als bedeutsam. Das gilt besonders für die feinen Handlungsfäden, die neben den großen Strängen herlaufen: die Wächter, die Charoniten, Timozel.

Im bisherigen Gesamtverlauf ist man jetzt an einem vorläufigen Höhepunkt angelangt. Der Bürgerkrieg ist beendet, die folgende Handlung wird auf den endgültigen Gipfel zustreben, den Kampf gegen Gorgrael. Bisher fehlt Axis‘ Heer jedoch noch die Unterstützung der Awaren, die sich ihm nicht anschließen, sondern auf die Baumfreundin, Faraday, warten wollten. Und Aschure erwartet eine Reise zu ihren Wurzeln. Die beiden folgenden Bände stehen also im Zeichen des Endspurts, und bereits am Ende von „Der Sternenhüter“ hält sich erwartungsvolle Anspannung. Obwohl der vorläufige Höhepunkt hinter einem liegt, kommt man nicht mehr richtig zur Ruhe, wie es nach der Belagerung Gorkens noch der Fall war. Das Geschehen hat den Leser voll im Griff. Und das Szepter des Regenbogens aus der Prophezeiung verheißt zusätzlich auch noch ein paar ausschmückende Ideen. Etwas anderes als Weiterlesen kommt an dieser Stelle schon längst nicht mehr in Frage.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem |Weltenbaumzyklus| schrieb sie diverse weitere Romane und Kurzgeschichten.

My Сreative

Sara Douglass – Tanz der Sterne (Unter dem Weltenbaum 3)

Band 1: [„Die Sternenbraut“ 577
Band 2: [„Sternenströmers Lied“ 580

Beim dritten Band des Weltenbaum-Zyklus, „Tanz der Sterne“, lässt die Autorin Sara Douglass es wieder etwas langsamer angehen.

Aschure ist nach dem Kampf am Erdbaum den Ikariern zum Krallenturm, ihrem Wohnsitz im Gebirge, gefolgt, da die Awaren ihr kämpferisches Wesen ablehnten. Sie lässt sich überreden, sich zur Bogenschützin ausbilden zu lassen und gewinnt bei einer Wette einen magischen Bogen, der einst einem Zaubererkönig der Ikarier gehörte, und mit dem seit dessen Tod niemand mehr zu schießen vermochte.
Im Krallenturm trifft sie auch auf Axis, der nach dem Ausfall aus der Feste Gorken seine Truppen verlassen hat, um sich von seinem Vater und seiner Großmutter in die Magie des Sternentanzes einführen zu lassen. Die beiden beobachten seine leichten und raschen Fortschritte allerdings mit sehr gemischten Gefühlen und bald keimt ein schlimmer Verdacht auf.
Axis und Aschure freunden sich an, doch bei der Feier des Frühlingsfestes am Erdbaum kommt es zu verhängnisvollen Verwicklungen. Während Axis zu den Charoniten unter die Erde steigt, um ihr Wissen zu erwerben, versucht Aschure, so weit wie möglich von Axis wegzukommen.

Faraday ist unterdessen ihrem Gemahl in die Hauptstadt Karlon gefolgt. Der König ist binnen kurzem unter äußerst mysteriösen Umständen verstorben und Faraday gezwungen, bei der Krönung Bornhelds zuzusehen. Doch sie ist zu allem entschlossen, um ihre Kräfte zu Gunsten Axis‘ einzusetzen …

Der dritte Band dient wie der erste auch vornehmlich dem Aufbau einer Handlung, deren Höhepunkt sich erst im nächsten Band findet. Eine ungewöhnliche Einteilung, die einfach daher rührt, dass ein im Original dreibändiger Zyklus auf sechs Bände aufgeteilt wurde. Eine ziemlich lästige Angelegenheit für den Leser, der nicht nur mehr Bücher kaufen muss, sondern vor allem auch bei jedem zweiten Band mitten aus dem Geschehen gerissen wird! Dabei zeigt der |Symphony of Ages|-Zyklus („Rhapsody“; E. Haydon) mit seinen 800-1000 Seiten pro Band nur allzu deutlich, dass es auch anders geht!

Die Entwicklung der Personen betrifft in diesem Band vor allem Aschure. Die ungewöhnliche Frau wird mit jeder Andeutung nur immer geheimnisvoller und entwickelt sich immer mehr zu einer Person, die eine wichtige Rolle in der Prophezeiung zu spielen scheint, aber allen umso mehr zum Rätsel wird. Nebenbei entwickelt sie sich zu einer fähigen Kriegerin und gewinnt mehr Selbstvertrauen, nur mit ihrer Beziehung zu Axis kommt sie nicht richtig klar.
Axis wird zwar zu einem äußerst mächtigen Zauberer, seinem Verhalten gegenüber Aschure aber fehlt jegliche Vernunft, zumal es nicht durch Darstellung seiner Gedanken und Gefühlen nachvollziehbar wird, sodass man gelegentlich den Wunsch verspürt, ihn einmal kräftig zu ohrfeigen!
Faraday tritt in diesem Band stark in den Hintergrund, stattdessen wird mehr von Gorgrael erzählt und dem dunklen Mann an seiner Seite, der mindestens so rätselhaft ist wie Aschure, und jede Andeutung zu seiner Person macht ihn ebenso nur noch rätselhafter.
Und auch Jack hat sich irgendwie verändert …
Es ging im dritten Band also nicht nur um ein Rätsel.

Die Handlung hat, wie gesagt, wenig Bewegung, lediglich die Wiedererweckung der Burg Sigholt und das Frühlingsfest bilden leichte Höhepunkte, allerdings nicht so ausgeprägt wie die, die im ersten Band den Spannungsbogen stützten. Der dritte Teil bezieht seine Spannung weitestgehend aus den vielen ungelösten Fragen, die trotz einiger Enthüllungen einfach nicht weniger werden wollen. Der Berg an Fragen und Geheimnissen scheint eher größer zu werden als kleiner und lässt nicht zu, dass man das Buch zur Seite legt.
Gegen Ende des dritten Teils steht wieder der Winter vor der Tür, dazu kommen erneute Rivalitäten zwischen Bornheld und Axis und seine Verstrickung zwischen Faraday und Aschure, was darauf schließen lässt, dass im nächsten Band Kämpfe und Dramatik wieder stärker in den Vordergrund rücken werden. Die Erwähnung der Prophezeiung in Gestalt einer lebenden Person legt die Vermutung über Eröffnung eines neuen Handlungsstrangs nahe.

Sara Douglass versteht sich darauf, ihre Leser jederzeit zu fesseln, ganz gleich, ob es hoch hergeht oder eher leise. Jeder neue Handlungsstrang eröffnet eine Unzahl weiterer Facetten. Einiges kommt bekannt vor, so sind die Awaren und ihre Heiligtümer und Riten eindeutig an die Kelten angelehnt, und auch der Name „Charoniten“ kommt nicht von ungefähr. So mag der Eindruck entstehen, dass die Ideenvielfalt in der Ausgestaltung der Welt nicht besonders ausgeprägt ist, die Gewichtung innerhalb der Erzählung selbst liegt aber ohnehin eher auf den Personen und den Geheimnissen drumherum, zwischen denen sich die Handlung zuspitzt, und da bleibt nichts zu wünschen übrig.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem |Weltenbaumzyklus| schrieb sie diverse weitere Romane und Kurzgeschichten.

My Сreative

Sara Douglass – Sternenströmers Lied (Unter dem Weltenbaum 2)

Band 1: [„Die Sternenbraut“ 577

Der zweite Band des Weltenbaum-Zyklus trägt den Titel „Sternenströmers Lied“, wobei ich mich immer noch frage, worauf genau sich dieser Titel wohl bezieht.

Axis ist auf dem Weg über Smyrdon und Sigholt nach Gorken gezogen. Unterwegs ist er auf Spuren seiner Vergangenheit gestoßen, und unter anderem will er jetzt endlich herausfinden, was bei und nach seiner Geburt mit ihm und seiner Mutter geschah. Und er will seinen Vater finden. Doch als er Gorken erreicht, erwartet ihn erst einmal ein Schock.
Faraday hat sich ebenfalls mit Hilfe zweier Hüter der Prophezeiung, Yr und Jack, nach Gorken durchgeschlagen und, obwohl sie Axis liebt, dort ihren Verlobten Bornhelm geheiratet. Ihren Versuchen, die beiden hasserfüllten Rivalen von einem tödlichen Zweikampf abzuhalten, ist allerdings nur mäßig Erfolg beschieden. Bornhelm drängt Axis in alle möglichen gefährlichen Situationen, in der Hoffnung, er möge darin umkommen. Axis jedoch meistert alle Herausforderungen mit Erfolg und erkämpft sich dadurch nicht nur die Unterstützung der übrigen Heerführer der Burg, sondern auch der einfachen Soldaten.
Schließlich kommt es zur entscheidenden Schlacht um Gorken, und Axis wird schwer verwundet …

Zur gleichen Zeit, in der das Heer der Achariten Gorken gegen die geisterhaften Kreaturen, Skälinge genannt, zu verteidigen sucht, wird auch der Wald im Osten angegriffen. Die beiden anderen Völker des Kontinents, die Awaren und die Ikarier, feiern dort die Wintersonnwende. Bei ihnen ist Aschure, eine junge Acharitin, die irgendetwas Besonderes an sich hat. Sie scheint sich dessen nicht bewusst zu sein, doch ist es vor allem ihr zu verdanken, dass es dem obersten Zauberer der Ikarier, Sternenströmer, gelingen konnte, Faraday zu Hilfe zu rufen. Denn Faraday ist die Baumfreundin …

Im zweiten Teil des Zyklus kommt die Geschichte allmählich in Fahrt!

Axis erkennt immer deutlicher, dass er kein einfacher Acharite ist. Seine Musikalität, die immer schon außergewöhnlich war, wird immer stärker. Bereits im ersten Band konnte er Dinge damit bewirken, und im zweiten Band beginnt er bewusster, sie einzusetzen, um das Geheimnis um seine Mutter zu lüften. Je deutlicher seine Abstammung sich abzeichnet, umso eher, wenn auch widerwillig, fängt er an, seine Bestimmung zu akzeptieren.
Auch Faradays Fähigkeiten beginnen zu wachsen. Nachdem sie am Ende des ersten Bandes einen Eid geleistet hat, der Mutter zu dienen, erhält sie als Geschenk eine hölzerne Schale, mit deren Hilfe sie mit der Mutter in Verbindung treten kann. Binnen kürzester Zeit schafft sie es, nicht nur Kraft daraus zu schöpfen, sondern ganz durch das Tor zu treten. Schon bald tritt ihre Fähigkeit, zu schützen und zu heilen, offen zu Tage.
Zusätzlich zu den bekannten Personen werden noch weitere eingeführt, die bisher kaum oder gar nicht auftauchten.
Aschure, die junge Frau, die zwei Awaren das Leben gerettet hat, spielt eine tragende Rolle im Kampf am Erdbaum und wird wohl im nächsten Band noch wichtiger werden. Goldfeder, die im ersten Band nur ganz kurz auftaucht, rückt ebenfalls mehr in den Vordergrund, als sie sich als Axis‘ Mutter Rivkah zu erkennen gibt. Außerdem hat Axis Vater Sternenströmer seinen ersten Auftritt, und in den Gedanken des Hüters Jack taucht erstmals ein weiterer Hüter auf, eine Frau namens Zecherach.

Auch die Handlung wird weiter ausgebaut.
Der Hauptstrang dreht sich größtenteils um die Rivalität zwischen Bornheld und Axis und um die Belagerung Gorkens, die parallel zu dem Angriff auf das Sonnwendfest abläuft. Daneben laufen die feineren Fäden von Axis Suche nach seinen Eltern und von der alarmierenden Entwicklung Timozels, Faradays Ritter.
Neu ist die Erwähnung eines vierten Volkes von Tencendor, wie Achar früher genannt wurde, der Charoniten. Ebenso wie die Suche nach Zecherach bildet dies den Beginn eines neuen Handlungsfadens.

Spätestens an dieser Stelle hat der Zyklus epische Formen angenommen. Bisher ist es der Autorin sehr gut gelungen, alle Handlungsstränge gleichmäßig weiterzuführen und die Klippe der Gleichzeitigkeit der beiden Schlachten, die durch Faraday miteinander verbunden sind, hat sie gut gemeistert.
Das Erzähltempo hat deutlich zugenommen, am Spannungsbogen hat sie kräftig gedreht. Die Bedrohung selbst hat ein wenig von ihrem Schrecken des Unbekannten verloren, trumpft dafür mit schierer Übermacht und ein paar abscheulichen Heerführern auf. Natürlich ist klar, dass Axis überleben muss, denn sonst wäre der Zyklus zu Ende, doch hält einen das Schicksal der Festung Gorken und der übrigen Personen bei der Stange.
Einziger kleiner Hänger ist die Tatsache, dass die Zahl der Völker Tencendors ursprünglich drei lautete, und plötzlich sind es vier. Nicht gravierend, aber eigentlich leicht umgehbar.

Im Großen und Ganzen jedoch ist es der Autorin zweifellos gelungen, den hohen Erwartungen nach dem ersten Band voll gerecht zu werden. Sie hat es geschafft, den Leser mitfiebern zu lassen und ihm gleichzeitig so viele Fragen aufgeworfen, dass er schon aus purer Neugier zum nächsten Band greift. Bleibt am Ende des zweiten Buches eigentlich nur noch die Frage, um welches Rätsel es im nächsten Teil gehen mag. Weiterhin gilt: Man darf gespannt sein!

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem |Weltenbaumzyklus| schrieb sie diverse weitere Romane und Kurzgeschichten.

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Sara Douglass – Die Sternenbraut (Unter dem Weltenbaum 1)

„Die Sternenbraut“ bildet den Auftakt zu Sara Douglass‘ |Weltenbaum|-Zyklus, einer insgesamt sechs Bände umfassenden Reihe, deren letzter am 30. September herauskommen wird.

Schlechte Nachrichten erreichen Jayme, den Bruderführer und Obersten vom Orden des Seneschalls, der Kirche von Achar. Gestaltlose, grausame Wesen, scheinbar unverwundbar, tauchen immer wieder in den Nordlanden auf und greifen Soldaten des dortigen Außenpostens an. Die Brüder dort vermuten dahinter die |Unaussprechlichen|.
Um mehr darüber zu erfahren, schickt Jayme Axis, den Anführer seiner Truppen, zum Wald der schweigenden Frau, um von den dort lebenden Brüdern so viel wie möglich über die Unaussprechlichen zu erfahren. Danach soll er mit seinen Männern nach Norden reiten, um den Grenzposten zu verstärken. Ein Adliger des Reiches drängt Axis auch noch seine Tochter Faraday auf, die mit dessen verhasstem Halbbruder Bornheld verlobt ist. Axis soll sie nach Arkness geleiten, das auf seinem Weg liegt.
Doch die Reise verläuft keineswegs wie geplant und stürzt die beiden in heillose Verwirrung von Gefühl und Glauben.

Im Grunde gibt es über den ersten Band noch nicht allzu viel zu sagen. Handlung ist noch nicht übermäßig viel vorhanden, am Ende des Buches ist Axis noch nicht mal an der Front angekommen. Salopp formuliert könnte man sagen, der erste Band besteht aus 365 Seiten Einleitung, der Anlage von Charakteren und Handlungssträngen, der Welt, in der die Erzählung spielt, und ihrer Geschichte. Dabei lässt die Autorin sich viel Zeit; ein Charakter nach dem anderen wird langsam aufgebaut und in das Geschehen eingefügt, sodass auch die Beziehungen der Personen untereinander deutlich werden. Der Charakterzeichnung tut das gut, die Hauptfiguren des Buches, Axis und Faraday, erhalten dadurch Tiefe und Echtheit. Der Weltentwurf macht anfangs gelinde Schwierigkeiten, denn auch hier lässt die Autorin es langsam angehen, und man muss sich ein Stück weit einlesen, bis die Sache durchschaubar wird, da manche Begriffe wie zum Beispiel „Seneschall“ eine andere Bedeutung haben als gemeinhin üblich.

Sobald sich jedoch die anfängliche Verwirrung gelegt hat, entwickelt das Buch erste Spannung. Kaum hat der Held sich aufgemacht, die Welt zu retten, tauchen bereits die ersten Stolpersteine auf, und schon bald, genau genommen gleich nachdem man sich in die Welt hineingedacht hat, wird einiges wieder auf den Kopf gestellt. Menschen sind nicht, was sie zu sein scheinen, Wahrheiten entpuppen sich als unwahr, Sichtweisen verschieben sich.
Unterstützt wird dieser leichte Spannungsbogen noch von kurzen Geschehnissen wie dem Eissturm, die nicht nur der Entwicklung der Personen dienen, sondern auch Leben in die Handlung bringen und so über Längen hinweghelfen. Gegen Ende des Buches sind so viele Handlungsstränge und Fallstricke angelegt, so viele Rätsel und Geheimnisse angedeutet, dass das Potenzial für steigende Spannung locker für die folgenden beiden Bände ausreichen dürfte.

Sara Douglass erzählt flüssig und geschickt. Besonders intensiv wird ihre Sprache in dunklen, bedrohlichen Situationen wie Axis‘ Albträumen oder dem Eissturm. Auf übermäßig blutige Details wurde jedoch – abgesehen von Faradays Vision – verzichtet. Bei steigender Bewegung und Zuspitzung der Handlung dürften beide Punkte ein klares Plus für die Spannung bedeuten.

„Die Sternenbraut“ ist ein vielversprechender, wenn auch langer Einstieg, was allerdings bei knapp 2.500 Seiten Gesamtlänge des Zyklus nicht wirklich stört. Trotz gängiger Bausteine wie Bedrohung der Welt durch einen grausamen Zauberer, Prophezeiungen und Feindschaft und Misstrauen zwischen den bedrohten Völkern, wirken die Ideen, soweit sie sich bisher herauskristallisiert haben, eigenständig und machen neugierig auf Details. Die Hauptpersonen sind glaubwürdig, keine statischen Figuren, sondern auf Entwicklung angelegt und frei von Stereotypen.
Man darf also gespannt sein, wie die Geschichte weitergeht und ob es der Autorin gelingt, die hohen Erwartungen zu erfüllen, zu denen der Start berechtigt.

Sara Douglass arbeitete zuerst als Krankenschwester, bevor sie ein Studium in historischen Wissenschaften begann. Sie promovierte und arbeitete in den folgenden Jahren als Dozentin für mittelalterliche Geschichte. Das Schreiben fing sie nebenbei an, als Ausgleich zum Stress. Nach dem Erfolg ihres |Weltenbaumzyklus| stieg sie aus ihrem Beruf aus und konzentrierte sich aufs Schreiben und ihren Garten. Sie lebt in einem Cottage in Bendigo/Australien. Außer dem Weltenbaumzyklus schrieb sie diverse Romane und Kurzgeschichten.

Taschenbuch: 388 Seiten
www.saradouglass.com
www.piper.de

Britain, Kristen – Spiegel des Mondes (Reiter-Zyklus Band 2)

Der Erstlingsroman [„Grüner Reiter“ 174 von Kristen Britain war ein Bestseller. Anfang September erschien nun die Fortsetzung des Romans unter dem Titel „Spiegel des Mondes“.

_Karigan G’ladheon_ hat sich letztlich doch dazu „überreden“ lassen, sich den grünen Reitern anzuschließen. Ihre erste Mission führt sie zusammen mit einer ganzen Delegation in den grünen Gürtel. König Zacharias will Kontakt mit den Eletern aufnehmen. Die Delegation wird von Erdriesen angegriffen und beinahe aufgerieben. Aber das ist längst nicht das Schlimmste, was ihnen begegnet!

Zur gleichen Zeit trifft Karigans Freund Alton, ebenfalls ein grüner Reiter, am D’yer-Wall ein, dem magischen Bauwerk, welches das Böse im Schwarzschleierwald, Mornhavon, dort zurückhält. Alton stammt aus dem Geschlecht derer, die den Wall errichteten, und sein magisches Talent des Reiters befähigt ihn dazu, den Wall zu reparieren. Doch bevor er herausfinden kann, was zu tun ist, stürzt er ab …

In Sacor hat König Zacharias nicht nur mit der wachsenden Unruhe seiner Bevölkerung angesichts der Auswirkungen der Magie zu kämpfen, sondern auch mit einem Flüchtlingsproblem aus dem Norden und seinen widerspenstigen Lordstatthaltern, die drohen, ihm ihre Unterstützung zu entziehen!

Und in den verlassenen Gängen der riesigen Burg trifft sich unterdessen immer wieder heimlich eine Gruppe von Leuten. Sie sind voller Erwartung, denn immer mehr wilde Magie strömt durch die Bresche des Walls nach Sacoridien. Sie hoffen, dass der Wald endlich erwacht, warten auf Anweisungen ihres Herrn. Die Anweisung, die sie schließlich erhalten, lautet: Bringt Galadheon zu mir!

_Die Fortsetzung_ des „Grünen Reiters“ zeigt im Vergleich eine deutliche Verlagerung der Gewichte. Die Nettigkeiten, die im ersten Band noch zum Schmunzeln anregten, wie zum Beispiel die beiden verschrobenen alten Damen im Haus Siebenschlot, kommen hier nicht mehr vor. Dafür tauchen andere Gestalten auf, vornehmlich negative. Die gesamte Stimmung verschiebt sich wesentlich mehr ins Düstere, Bedrohliche. Selbst die Eleter, die im ersten Band noch so sanft und freundlich mit Karigan umgingen, bekommen einen zwiespältigeren Charakter. Shawdell ist plötzlich kein einzelner Abtrünniger mehr …

Gleichzeitig ist die Handlung komplexer geworden. Der erste Band bestand nur aus wenigen Handlungssträngen: Joy, Laren, gelegentlich Alton, und hauptsächlich Karigan. Diesmal sind es zusätzlich zu Karigan noch König Zacharias, Laren, Mara, Alton, Mornhavon, Spurlock, Lil Ambriodhe und, in die eigentliche Handlung eingestreut, noch Tagebucheinträge eines Hadriax el Fex. Die einzelnen Stränge haben eigene Überschriften, an denen man sie erkennt, sodass man der Handlung trotz allem folgen kann. Zusätzlich dazu spielt ein Teil der Handlung in anderen Zeiten, hauptsächlich in der Vergangenheit. Diese Exkurse sind jedoch in die gegenwärtige Handlung eingebettet und bilden keine eigenen Handlungsstränge. Trotzdem sollte man nicht zu müde oder überarbeitet sein, wenn man das Buch liest.

Leser, die den „Herr der Ringe“ kennen, werden sicherlich auch hier gelegentlich leise an ihn erinnert werden, zum Beispiel beim Auftritt von Varadgrim, trotzdem kann man auch von diesem Band sagen, dass seine neuen Ideen erfreulich eigenständig sind. Auch für diese gilt die oben erwähnte Verlagerung hin zum Düsteren. Lorbeerblatt und Steinbeerenblüte finden keine Verwendung mehr, das Hauptaugenmerk liegt, im Hinblick auf die Magie, eher in der Vergangenheit, wo Mornhavon an einer ungeheuerlichen Waffe arbeitet, dem Horn des ersten Grünen Reiters – nicht umsonst heißt der Originaltitel des Buches „First Riders Call“ – und den bisher unbekannten Fähigkeiten der Broschen.

Bereits im ersten Band kamen Geister vor, vorwiegend F’ryan Coblebay, von dem Karigan ihre Ausrüstung hat, diesmal sind sie noch stärker vertreten. Sie bilden ein zusätzliches Bindeglied zwischen Vergangenheit und Gegenwart, und Lil Ambriodhe, der erste Reiter, hat massiven Anteil am Geschehen.

_Ich finde_ auch den zweiten Band äußerst gelungen. Die Charaktere sind wie bisher gut gezeichnet, auch die neu dazugekommenen sind glaubwürdig und lebendig, das allmähliche Erwachen Mornhavons ist geschickt gemacht. Die Gesamtstimmung ist etwas düsterer als vorher, aber auch wenn ich die Schmunzeleinlagen anfangs etwas vermisste, hat mich das Buch doch bald so sehr gefesselt, dass man darüber hinwegsehen kann. Das Tempo hat, besonders am Schluss, wo mehrere Handlungsstränge am selben Ort aufeinander treffen, etwas gelitten, weil die Gleichzeitigkeit die einzelnen Stränge zwangsläufig an manchen Stellen unterbricht, der Spannung hat das aber keinen Abbruch getan. Die gelegentlichen Ausflüge in die Vergangenheit haben der Erzählung eine eigene Geschichte und damit zusätzliche Tiefe verliehen. Durch das Tagebuch des Hadriax erhält auch Mornhavon eine Vergangenheit, was auch seine Person nachvollziehbarer macht. Vor allem hat die Autorin all die verschiedenen Aspekte gekonnt miteinander verbunden. Der Ablauf ist logisch aufgebaut und frei von holprigen Stellen.

Natürlich hat auch dieser Band keinen endgültigen Schluss. Das Ende ist sogar wesentlich offener als beim ersten Band und eindeutig auf eine Fortsetzung angelegt. Etwas, das sich so gut verkauft, beendet man nicht einfach. In diesem Fall muss ich sagen: Es verkauft sich zu Recht gut! Kristen Britain ist bisher die zweite mir bekannte Autorin, deren Fortsetzung die Klasse des Vorgängers mühelos gehalten hat. Ich bin jetzt schon auf den dritten Band gespannt.

_Kristen Britain_ ist hauptberuflich eigentlich Park-Rangerin, und das nach einem abgeschlossenen Studium in Filmproduktion. Das Schreiben, mit dem sie bereits im Alter von neun Jahren angefangen hat, hat sich letztlich aber nicht unterkriegen lassen. Außer ihren beiden Romanen gibt es noch weitere Veröffentlichungen von Kurzgeschichten und Cartoons.

Homepage der Autorin:

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Diana Wynne Jones – Die Krone von Dalemark (Dalemark 4)

Dalemark-Zyklus

Band 1: Die Spielleute von Dalemark“
Band 2: Die heiligen Inseln“
Band3: Der Fluss der Seelen“
Band 4: „Die Krone von Dalemark“

Im vierten Band des Dalemark-Zyklus „Die Krone von Dalemark“ geht es um die dritte Hauptperson, ein Mädchen namens Maewen. Aber auch die anderen Charaktere, die uns bisher begegnet sind, tauchen hier wieder auf, sodaß alle Vorgeschichten jetzt am selben Punkt zusammengeführt sind.

Mitt ist im Norden angekommen. Aber entgegen seiner Hoffnungen hat er den Ärger mit den Grafen nicht hinter sich. Er soll für die Gräfin von Aberath und den Graf von Hannart ein junges Mädchen beseitigen. Sie heißt Noreth und glaubt, daß der Eine ihr Vater und sie selbst dazu bestimmt ist, Königin von ganz Dalemark zu werden. Mitt ist von diesem Auftrag gar nicht begeistert, doch der Graf und die Gräfin haben Hildy und Ynen in der Hand. Also macht Mitt sich schweren Herzens auf den Weg. Kaum hat er Noreth kennengelernt, da weiß er erst recht, daß er sie weder umbringen will noch kann…
Maewen ist bei ihrem Vater zu Besuch in Karnsburg. Ihr Vater arbeitet im Tannoreth-Palast, einem riesigen Museum. Maewen darf sich dort alles ansehen. Eines Tages trifft sie einen der Museumsangestellten, der gerade ein kostbares Stück aus einer Vitrine nimmt. Weil gleichzeitig sein Funkgerät piepst, bittet er Maewen, es zu ihrem Vater zu bringen. Kaum hat Maewen die Figur berührt, als Nebel sie einhüllt. Maewen findet sich in einer völlig fremden Welt wieder und unter völlig fremden Menschen. Es dauert lange, bis sie merkt, daß sie in der Vergangenheit gelandet ist, und nicht nur das. Unter ihren Begleitern befinden sich ein junger Barde, der eine ganz außergewöhnliche Quidder trägt, ein Mann namens Wend, der genau wie der Museumsangestellte aussieht, und ein junger Bursche, der sie offenbar kennt, und sie weiß nicht woher. Außerdem ist sie auch noch die Anführerin, dabei weiß sie gar nicht, worum es geht. Und zu allem Übel hört sie auch noch eine körperlose Stimme. Maewen fühlt sich gar nicht wohl in ihrer Haut, weiß aber, daß sie nicht umkehren kann, bevor sie – was auch immer – durchgestanden hat…

Diesmal herrschen wieder zwei Erzählstränge vor, der eine aus Sicht von Mitt, der andere aus Sicht von Maewen. Charakterliche Entwicklung tritt bei diesem letzten Band jedoch eher in den Hintergrund. Mitt und Moril sind da schon durch, und Maewen wächst ziemlich schnell in ihre Rolle hinein. So verschiebt sich die Gewichtung ein wenig mehr Richtung Handlung, die zum einen von Politik, zum anderen vom Kampf gegen Kankredin beherrscht wird.
Die Grafen wollen ihre Selbstständigkeit natürlich nur ungern aufgeben. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum der Graf von Hannart und die Gräfin von Aberath Mitt auf Noreth angesetzt haben. Und sie sind ja auch nicht die einzigen Grafen.
Die politischen Zwistigkeiten setzen sich bis in die Gruppe um Maewen fort, die aus Nord- und Südländern besteht. Streit scheint vorprogrammiert. Selbst Wend, der von politischen Angelegenheiten großteils unberührt zu bleiben scheint, hat ganz offensichtlich eine Aversion gegen Mitt. Das macht Maewen zusätzliche Schwierigkeiten.
Die körperlose Stimme, die Maewen zunächst an ihrem Verstand zweifeln läßt, ist eindeutig die eines Unvergänglichen. Obwohl sie Maewen Ratschläge erteilt, fühlt diese sich von ihr eher verunsichert. Sie versucht, so wenig wie möglich allein zu sein, denn die Stimme spricht nur, wenn sie allein ist. Zumindest scheint es so…

Zusätzlich zur bereits bekannten Magie der Quidder und der Unvergänglichen kommen hier noch einige magische Artefakte, die die Abstammung vom Adon, dem letzten König Dalemarks, anzeigen. Diese sind über ganz Norddalemark verstreut, sodaß die Gruppe ständig von einem Ende zum anderen unterwegs ist. Diesmal hätte ich mir zum ersten Mal eine Karte gewünscht, denn hier häufen sich die Ortsnamen und Richtungen doch ziemlich. Leider gibt es keine.
Das Erzähltempo nimmt zum Ende hin etwas zu, erreicht aber nicht den Schwung und die Spannung, die der dritte Band bietet. Auch hier zeigt sich wieder, daß Action zugunsten von Köpfchen eher im Hintergrund steht. Der eigentliche Kampf gegen Kankredin nimmt überraschend wenig Raum ein.
Das letzte Kapitel des Buches ist sehr kurz, man könnte es fast als Epilog bezeichnen, und läßt das Ende letztlich offen. Für eine weitere Fortsetzung? Der vierte Band kam 1993 heraus. Schon ne ganze Weile her. Andererseits lagen zwischen den ersten drei Bänden, die im Abstand von je zwei Jahren entstanden, und dem vierten Band auch vierzehn Jahre Pause.

Insgesamt betrachtet fand ich den Zyklus durchaus gelungen, auch wenn der vierte Band nicht ganz hielt, was ich mir nach dem dritten erhofft hatte. Von kleinen Logikfehlern abgesehen hat Diana Wynne Jones eine interessante Welt erschaffen mit Charakteren, die echt und glaubwürdig wirken, und einem Rahmen, der durch den von der Vergangenheit bis in die Zukunft reichenden Bogen fast epische Ausmaße annimmt. Für Jugendliche mit einem Faible für Fantasy auf jeden Fall zu empfehlen, aber auch für Erwachsene, die es nicht immer hochgradig kompliziert und vielschichtig brauchen.

Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.

Taschenbuch 510 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-20468-7

http://www.luebbe.de/

Der Autor vergibt: (4.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Diana Wynne Jones – Der Fluss der Seelen (Dalemark 3)

Dalemark-Zyklus

Band 1: Die Spielleute von Dalemark“
Band 2: Die heiligen Inseln“
Band3: „Der Fluss der Seelen“

„Der Fluß der Seelen“, der dritte Band des Dalemark-Zyklus, fällt ein wenig aus der Reihe. Er erzählt von einer Zeit, die noch vor den Legenden liegt, die Moril und die Barden in ihren Balladen singen.

Tanaqui und ihre Geschwister haben es nicht leicht. Sie wachsen ohne Mutter auf, die Leute im Dorf mögen sie nicht besonders, und dann kommen auch noch Soldaten und holen die Männer des Dorfes in den Krieg gegen die Heiden, die vom Meer heraufdrängen, um dort zu siedeln. Auch Tanaquis Vater und ihr ältester Bruder Gull folgen dem Heer in den Krieg. Der Vater fällt, und als Gull aus dem Krieg zurückkommt, ist er seltsam verändert. Der Onkel, der ihn zurückbringt, meint, das läge daran, daß die Zauberer ihn mit einem Zauber belegt hätten.
Die Dörfler sind inzwischen der Meinung, daß auch Tanaquis Familie zu den heidnischen Zauberern gehöre, weil sie genauso aussehen. Tanaqui und ihre Geschwister fliehen den Strom hinunter. Die Fahrt ist mühselig, führt in feindliches Gebiet, und Gull geht es immer schlechter. Als sie das Meer erreichen ist auch Robin krank. Dort angekommen stellen sie allerdings fest, daß nicht die Heiden ihr eigentlicher Feind sind…

Außergewöhnlich ist an diesem Teil der Geschichte nicht nur, daß er in der fernen Vergangenheit spielt, was sich erst allmählich herauskristallisiert, sondern auch, daß er als einziger der vier in der Ich-Form geschrieben ist. Die Erzählerin ist Tanaqui, das zweitjüngste der Geschwister. Auch Tanaqui selbst fällt ein wenig aus der Rolle, sie ist die einzige, die nicht nach einem Vogel benannt ist.
Obwohl Tanaqui erzählt, liegt das Hauptaugenmerk nicht so eindeutig auf ihr, wie es bei den vorigen Bänden mit Moril und Mitt der Fall war. Die Gewichtung ist eher gleichmäßig auf Tanaqui, ihren zweiten Bruder Hern und den jüngsten Bruder Entchen verteilt. Im Verlauf der Handlung stellt sich heraus, daß an jedem dieser drei etwas Besonderes ist. Das gilt im Grunde auch für Gull und die älteste Schwester Robin, doch durch ihre Krankheiten sind sie nur eingeschränkt oder gar nicht handlungsfähig und deshalb für die Entwicklung der Geschichte weniger ausschlaggebend.
Auch in diesem Buch nimmt die Entwicklung der Charaktere viel Raum ein, wenn auch auf eine etwas andere Art. Hier ist es weniger das Erwachsenwerden, sondern das Hineinwachsen in bestimmte Aufgaben. So stellt sich schon bald heraus, daß Hern derjenige mit der größten Durchsetzungskraft ist, und der kleine Bruder Entchen zeigt spätestens am Seelennetz deutlich seine Anlagen zur Magie. Bei Tanaqui ist die Entwicklung logischerweise am deutlichsten, da sie die Erzählerin ist.

Dreh- und Angelpunkt dieses Bandes sind jedoch die Unvergänglichen. Die Abbilder dreier von ihnen begleiten die Kinder auf ihrer Reise, in deren Verlauf allmählich deutlich wird, wer und was die Unvergänglichen eigentlich sind. Daraus erklären sich im selben Zug auch die besonderen Fähigkeiten der Kinder. Zwangsläufig ist dieser Band derjenige, der am stärksten von Magie geprägt ist. Am deutlichsten zeigt sich diese in Entchens Flötenspiel und Tanaquis Weberei. Tanaqui webt nicht einfach nur irgendeinen Mantel. Indem sie ihre Erlebnisse, Gedanken und Überlegungen hineinwebt, webt sie einen Zaubermantel, ein magisches Artefakt, das durch seine Wirkung beinahe ein Eigenleben besitzt.

Die Beziehung zu den vorigen beiden Bänden war aufgrund des zeitlichen Abstands nicht einfach so in den Text der Erzählung einflechtbar, weshalb die Autorin ihn durch ein Nachwort hergestellt hat. Auch wird an dieser Stelle das Glossar interessant. Nicht alle Informationen, die dort erklärt sind, hat die Autorin im Kontext untergebracht. Verständnisschwierigkeiten ergeben sich deshalb aber nicht.

Der dritte Band war bisher eindeutig der komplexeste. Man kann zwar nicht sagen, daß in Bezug auf die Magie wirklich ins Detail gegangen wurde, doch es begegnen dem Leser gelegentlich Mehrdeutigkeiten – für die ist das Glossar gut – und Überlappungen von sichtbarer und unsichtbarer Welt, die seine Vorgänger nicht hatten. So ist der große Strom viel mehr als einfach nur ein Fluß, genau wie Tanaquis Mantel nicht einfach nur ein Mantel ist.
Er war auch der spannendste bisher. Das Ende ist zwar nicht in dem Sinn offen, denn es gibt ja das Nachwort, doch Tanaquis eigene Erzählung endet vor der letzten, endgültigen Entscheidung. Was nur logisch ist, denn an dieser Stelle ist sie fertig mit Weben.
Abgeschlossen kann man also auch diesen Band nicht wirklich nennen, denn auch ihm würde, wenn man ihn einzeln läse, etwas fehlen, auch wenn die eigentliche Geschichte zuende ist. Das geht schon aus dem Nachwort hervor, das ganz eindeutig einen Bezug herstellt zu den vorangehenden Bänden, und für jemanden, der diese nicht gelesen hat, eine Menge Fragen aufwerfen würde.
Und auch nach drei Bänden aufzuhören, ist nicht drin, denn es fehlt noch der entscheidende letzte Teil, der alle anderen zusammenfügt. Das wäre, wie nach einem Aufstieg von 2000 Metern 500 Meter unter dem Gipfel umzudrehen. Wer bis hierher gelesen hat, kommt um den vierten Band einfach nicht mehr drumrum.

Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Award, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.

Taschenbuch 335 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-20463-2

http://www.luebbe.de/

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Diana Wynne Jones – Die heiligen Inseln (Dalemark 2)

Dalemark-Zyklus

Band 1: Die Spielleute von Dalemark“
Band 2: „Die heiligen Inseln“

Der zweite Band des Dalemark-Zyklus erzählt hauptsächlich die Geschichte von Mitt, einem Jungen aus der südlichen Grafschaft Holand, ebenfalls eine der Hauptpersonen des Zyklus.

Mitt ist auf einem Bauernhof nahe bei Holand geboren und verbringt dort eine behütete und frohe Kindheit. Bis sich eines Tages ein Steuereintreiber auf den Schlips getreten fühlt. Plötzlich steigt die Pacht so hoch, daß die Familie bankrott geht. Der Vater geht in die Stadt, um dort Arbeit zu suchen, und als die Mutter den Hof schließlich nicht mehr halten kann, folgt sie ihm.
Eines Tages kommt der Vater nicht mehr nach Hause. Aufständische haben einen Vorratsspeicher des Herzogs angezündet, wurden aber verraten. Mitt muß sich und seine Mutter, die zwar Geld verdient, aber nicht damit umgehen kann, über die Runden bringen. Gleichzeitig will er sich an den Rebellen rächen, die seinen Vater verraten haben. Doch alles kommt ganz anders. Unversehens findet Mitt sich auf einer halsbrecherischen Flucht wieder…
Parallel dazu handelt die Erzählung von Hildrida Navistochter, einer Enkelin des Grafen, und ihrem Bruder. Hildy, wie sie genannt wird, ist ein Wildfang und Sturkopf. Weil ihr Vater die Verlobung nicht lösen will, die ihr Großvater für sie eingegangen ist, reißt sie aus, zusammen mit ihrem Bruder Ynen, und geht einfach Segeln. Und zwar mit Ynens Yacht, der „Straße des Windes“, genau dem Boot, auf dem Mitt sich vor seinen Verfolgern versteckt…

Der zweite Band ist um einiges länger als der erste. Das Schriftbild ist auf „normale“ Druckgröße geschrumpft, außerdem hat er gute fünfzig Seiten mehr.
Hier kommt der Jugendbuchcharakter schon nicht mehr so deutlich raus wie beim ersten Band. Die Sätze sind immer noch relativ kurz und einfach gehalten, doch der Handlungsstrang verläuft über weite Strecken geteilt, und die Handlung hat deutlich mehr Bewegung als im ersten Band, ohne dabei actionlastig zu werden. So bleibt auch hier wieder genug Raum für die Entwicklung der Charaktere.
Das Hauptaugenmerk liegt wie gesagt auf Mitt, dem Straßenjungen vom Hafen. Wie Moril im ersten Band wird auch Mitt in eine Auseinandersetzung mit sich selbst hineingezwungen. Daß er nicht so reagiert, wie er es von sich selbst erwartet, verwirrt ihn. Außerdem sind da diese beiden adligen Gören auf dem Boot, mit denen er sich erst noch zusammenraufen muß, was im Hinblick auf Hildys zickigen Charakter gar nicht so einfach ist. Und als es endlich so aussieht, als hätten sie es geschafft, kommt der Störenfried Al dazwischen. Mitt kann von Glück sagen, daß er beim Alten Ammet einen Stein im Brett hat.

Die Figuren des Alten Ammet und Libby Bier stehen in diesem Band für den magischen Teil der Handlung. Mit ihnen sind die Bräuche des Seefest verbunden, die strikt eingehalten werden, auch wenn kein Mensch mehr weiß, was es eigentlich damit auf sich hat. Beide Figuren gelten als Glücksbringer, wie ein vierblättriges Kleeblatt oder ein Hufeisen. Daß viel, viel mehr dahinter steckt, erfährt Mitt erst, als sie die heiligen Inseln erreichen, denn dort leben die Angehörigen des letzten Volkes, das weiß, wer die beiden wirklich sind, und was sie vermögen. So kommt es, daß Mitt vom Inselvolk, vom Alten Ammet und Libby Bier ein Geschenk erhält, das der Quidder Morils und ihrer Magie in nichts nachsteht.

Auch dieser Band gilt als in sich abgeschlossen, und auch diesmal kann ich dem nur unter Vorbehalt zustimmen. Denn obwohl Mitts Flucht am Ende des Buches ebenfalls zu Ende ist, spürt man deutlich, daß etwas fehlt. Hat Mitt die Gabe der Inseln wirklich nur erhalten, um den Norden Dalemarks zu erreichen? Das erschiene mir überdimensioniert. Auch zeigt die Tatsache, daß im zweiten Band Geschehnisse aus dem ersten aus anderer Sicht erwähnt werden, deutlich den übergreifenden Zusammenhang, was eine Menge loser Handlungsfäden bedeuten würde. Die Bücher einzeln für sich zu lesen, heißt sie aus dem Zusammenhang herauszureißen und ihnen damit einen Großteils ihres Flairs zu nehmen.
Dieses Flair besitzen sie auf jeden Fall. Erwachsene mögen sie gelegentlich etwas vorhersehbar finden, aber das kann man auch von anderen Büchern behaupten, und wer Jugendliteratur liest, muß damit rechnen, daß sie vielleicht nicht ganz so scharf geschliffen ist.

Trotzdem kann man auch für den zweiten Band getrost eine Empfehlung aussprechen. Die Autorin hat sich hier durchaus gesteigert. Beide Bände haben einen soliden Grundstein für eine Weiterentwicklung gelegt, die Charaktere sind glaubwürdig, ihr Denken und Handeln nachvollziehbar. Die Handlung bietet genug Bewegung, um nicht langweilig zu werden, und läßt auch am Ende genug Rätsel offen, um die weiteren Bände damit zu füllen. Hier aufzuhören, wäre schade.

Diana Wynne Jones lebt mit ihrer Familie in Bristol und gilt als die bedeutendste Jugendbuchautorin Groß-Britanniens. Viele ihrer Bücher erhielten angesehene Preise, u.a. den World Fantasy Award und den Guardian Awar, wurden aber nicht alle ins Deutsche übersetzt. Unter anderem schrieb sie „Eine Frage der Balance“, „Einmal Zaubern – Touristenklasse“, und den Kinderbuch-Zyklus Die Welt des Crestomanci, zu dem nächstes Jahr unter dem Titel „Conrad’s Fate“ ein weiterer Band erscheinen soll.

Taschenbuch 366 Seiten
ISBN-13: 978-3-404-20452-6

http://www.luebbe.de/

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