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Christopher, John – Fürst von morgen, Der

Wahrscheinlich verbindet man mit dem Namen John Christopher vor allem eine Kinderbuchtriologie, die den Titel [„The Tripods“, 4616 zu Deutsch „Die dreibeinigen Herrscher“, trägt. Aber der Autor, der mit bürgerlichem Namen Christopher Samuel Youd heißt, hat eine Vielzahl von weiteren Romanen und Büchern verfasst, unter denen auch die Kinderbuchtriologie „Der Fürst von Morgen“ zu finden ist. Diese umfasst die drei zwischen 1970 und 72 erschienen Romane „Der Fürst von Morgen“ (The Prince in waiting), „Hinter dem brennenden Land“ (Beyond the Burning Lands) und „Das Schwert der Geister“ (The Sword of the Spirits). Der |Fischerverlag| hat sich dieses Klassikers der Science-Fiction angenommen und alle drei Bücher in einem Sammelband veröffentlicht.

Allein das Buch ist schon ein echter Hingucker, umfasst doch ein blauer Leineneinband die knapp 500 Seiten. Schutzumschlag, Rundrückenbindung und Lesezeichenbändchen machen die Optik perfekt und lassen das Buch auch im Regal gut aussehen. Damit ist auch der Preis von 18 Euro gerechtfertigt.

Christopher entwirft ein England in der Zukunft, in der eine globale Katastrophe die Menschheit auf den Stand des frühen Mittelalters zurückgeworfen hat. Stadtstaaten und deren Fürsten führen Beutekriege gegeneinander, stehlen Vieh und die Ernte und verlangen Lösegeld für Gefangene. Technische Errungenschaften wie Elektrizität, Eisenbahnen oder Beton sind in Vergessenheit geraten und werden als gefährlich verdammt. Durch Krankheiten und Mutationen haben sich nach der Katastrophe veränderte Lebewesen etabliert. Diese so genannten Polymorf-Kreaturen werden erbittert gejagt oder – im Falle von Menschen – als billige Arbeitskräfte ohne Rechte missbraucht. Die spirituelle Macht liegt in den Händen einer geheimnisvollen Gruppe, die sich selber als Seher bezeichnen, mit den Geistern in Verbindung stehen und über sonderbare, magische Fähigkeiten zu verfügen scheinen.

So entwickelt Christopher eine mittelalterliche Fantasywelt in der Postapokalypse mit Phantasywesen, Druiden und Kriegern, in der er die Geschichte des jungen Luke erzählen kann. Dieser ist Hauptperson und Ich-Erzähler der Romansammlung. Geboren als Sohn eines unbedeutenden Hauptmannes, wird ihm eines Tages von den Geistern offenbart, dass er auserkoren wurde, der Fürst von Morgen zu sein und ganz England zu beherrschen. So beginnt sein steiniger Weg, der immer mehr Opfer und Entscheidungen von ihm verlangt.

Die drei Bücher widmen sich hierbei immer einer Episode in seinem Leben. „Der Fürst von Morgen“ erzählt vom jungen Luke, seinem Leben als Zwölf- bis Vierzehnjähriger und dem Aufstieg seiner Heimatstadt Winchester und seiner Familie. „Hinter brennendem Land“ wirft einen Blick über die Stadtmauern und das Umfeld von Winchester. Der inzwischen fast erwachsen wirkende Luke und seine Freunde reisen in die Welt hinaus, um dort Liebe, Verantwortung und eine ganz andere Welt kennenzulernen. „Das Schwert der Geister“ als Abschluss der Trilogie weiß von der unbequemsten, aber bewegendsten Episode aus dem Leben des Protagonisten zu berichten und schließt mit einem von seinen Erlebnissen gezeichneten und erwachsen gewordenen Luke ab.

Mit den drei Büchern findet sich auch eine Steigerung der Fantasyanteile statt. Beginnt die Trilogie noch in einem zwar phantastischen, in ihrer Wirkung aber eher klassisch-mittelalterlich zu nennenden Welt, so findet man sich im zweiten Buch in einer Welt voller Fantasie wieder, nur um im letzten Buch mit fast allen Registern des Genres konfrontiert zu werden. Diese Steigerung ist reizvoll, stört aber etwas das konsistente Bild der entworfenen Welt.

Christopher bezieht in die Abenteuer Lukes geschickt weitere Themen und ihre Problemfelder ein. Der Leser wird mit Freundschaft und ihrem Preis, den Errungenschaften einer modernen Welt, Macht und Traditionen sowie der Frage nach dem Wert von Menschen jenseits der Normen konfrontiert. Das wirkt ganz selten auf den erwachsenen Leser eine Spur zu moralisch, fügt sich aber meist gut in den Fluss der Ereignisse ein.

Neben den spannenden Entwicklungen im politischen Bereich, den Wegen, die die Hauptcharaktere gehen, den Entwicklungen, die sie durchmachen, und der Entdeckung der Welt von Morgen unterhält das Buch noch aus einem anderen Grund; denn wie so viele Science-Fiction-Autoren der letzten Jahrzehnte wurde auch John Christopher bei der Entwicklung seiner düsteren Zukunft von unserer technischen Entwicklung ein- und um Längen überholt. Oftmals wird man nicht umhinkommen zu schmunzeln und sich eine Apokalypse mit Schlaghosen, Discomusik und dem Design der 70er Jahre vorzustellen. Aber man merkt dem Buch an, dass der Autor sich viele Gedanken gemacht hat, die in ihrer Art in den Jahrzehnten nach ihm von anderen Schreibern und Geschichtenerzählern immer wieder aufgenommen und aktualisiert wurden. Christopher hat hier einen Keim für viele Bilder gelegt, die im Laufe der 70er und 80er Jahre in Buch und Film Verwendung fanden.

Die deutsche Übersetzung von Ilse Adolph liest sich solide, so dass es hier nichts zu kritisieren gibt. Ab und an sind jedoch Formulierungen gewählt worden, über die man etwas stolpern kann, die jedoch dem vorherrschenden 70er-Jahre-Flair des Buches nur zuträglich und daher eigentlich unterhaltsam sind. Ein Tuschekarte in den Inlaycovern mit einer Übersichtskarte der Handlungsorte und einem Nachwort des deutschen Autors Dietmar Dath machen aus dem Buch ein mehr als gelungenes und sehr empfehlenswertes Werk für Leser zwischen 12 und 99.

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