Alle Beiträge von Corinna Hein

Auffermann, Verena / Kübler, Gunhild / März, Ursula / Schmitter, Elke – Leidenschaften: 99 Autorinnen der Weltliteratur

_Verführung zum Weiterlesen_

Man könnte sich leicht fragen, warum in Zeiten, in denen Verlage für Nachschlagewerke wegen |Wikipedia| und Co. um ihre Existenz fürchten, eine alphabetische Zusammenstellung von 99 Autorinnen der Weltliteratur veröffentlicht wird. Doch hält man das knapp 400 Seiten fassende Buch erst einmal in der Hand, wird – angefangen beim roten Einband mit schwarz-weißem Schutzumschlag und roter Aufschrift „Leidenschaften“ – bald klar, dass das Werk deutlich über die trockenen stakkatoartigen Informationen eines Lexikons hinausgeht.

Es fällt bereits bei der gelungen Einleitung „Eine fehlt immer“ auf, dass mit den Autorinnen Auffermann, Kübler, März und Schmitter geübte Literaten oder Essayistinnen am Werk waren. Bei der überraschenden Zusammenstellung von Autorinnen unterschiedlicher Genres handelt es sich um kurzweilige Aufsätze, wie man sie auch im Feuilleton einer guten Zeitung finden könnte. Das ist nicht verwunderlich, denn die freie Autorin Elke Schmittler war Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts Chefredakteurin bei der |TAZ| und schreibt Lyrik sowie Belletristik. Ursula März‘ Feder entstammt ebenso der journalistischen Schule. Sie ist heute Mitglied von Jurys namhafter Literaturpreise und selbst eine ausgezeichnete Literaturkritikerin. Die Germanistin Günhild Kübler arbeitet als Redakteurin bei der „Schweizer Wochenzeitung“ und die Essayistin Verena Auffermann leitet die Jury der Leipziger Buchmesse. Es haben sich also vier Frauen zusammengetan, die mit beiden Beinen im literarischen Leben stehen und abseits vom Lehrwerksjargon Lust auf Literatur machen wollen.

In „Leidenschaften“ stellen sie 99 kulturgeschichtlich bedeutende Autorinnen vor, weil „deren Geschichte eine andere war und ist als die ihrer männlichen Kollegen“. Sie fassen den Werdegang jeder Einzelnen sowie besonders markante Momente in deren Biographie und Einflüsse auf deren Schaffen prägnant auf wenigen Seiten zusammen. Ungeachtet der Gattungen und jenseits aller Diskussionen um ernsthafte oder Unterhaltungsliteratur stehen Autorinnen jeglicher Nationalitäten und Genres wie J. K. Rowling, Johanna Spyri oder Hedwig Courths-Mahler gleichwertig neben Simon de Beauvour oder Margaret Atwood. Wie die Auswahl für das Buch von persönlichen Leidenschaften beeinflusst wurde, verleibt sich sicherlich auch jeder Leser die Porträts quer durch die Jahrhunderte nach dem persönlichen Interesse für die Autorinnen ein; doch wo immer man auch beginnt – schnell hat man sich festgelesen, schlägt die nächste Seite um und stößt garantiert auf interessante Entdeckungen wie z. B. Madame de Sevigne aus Frankreich oder Agota Kristof aus Ungarn.

Außerdem trifft man kürzlich veröffentlichte Bekannte wie die kanadische Alice Munro („Tricks“, |Fischer|, 2008) oder den Geheimtipp in Sachen Lyrik des 19. Jahrhunderts Emily Dickinson („Gesammelte Werke“, |Hanser|, 2006; übersetzt von Gunhild Kübler) wieder. Eine treffsichere Überschrift leitet dabei jedes Mal in die mehrseitigen Essays ein. Hintenan sind weitere biografische Angaben und Lesetipps gestellt. Dabei werden die Frauen so lebendig beschrieben, als hätten die Autorinnen diese tatsächlich gekannt. Wenn beispielsweise über die italienische Schriftstellerin Elsa Morante gesagt wird: „Sie brach fast alle Kontakte ab und erfreute sich nur noch an drei Dingen, die alle mit dem Buchstaben M beginnen: Mozart, das Meer und Mandarineneis“, vermag eine solche Beschreibung augenzwinkernd genau den Zustand einsamer Zurückgezogenheit zu treffen, der auch in weiteren biographischen Ausführungen nicht deutlicher zu Tage treten könnte. Selbst wenn man noch nie von Elsa Morante oder anderen der 99 Vertreterinnen der schreibenden Zunft gehört haben sollte, führt dieses Buch seine Leser schnell in die zeitgeschichtlichen Hintergründe sowie in die Hauptwerke und Hauptfiguren der Schriftstellerinnen ein. Ihre Darstellung mutet nicht wie die von Weltruhm erlangt habenden unerreichbaren Überfrauen, sondern wie die von guten Bekannten an und macht sowohl Lust auf deren literarisches Schaffen als auch Lust darauf, an anderer Stelle noch mehr über sie zu erfahren. So ist dieses Buch als Auftakt zu sehen: Hier darf man seelenruhig schmökern und neugierig werden.

Diese Frauen „haben uns fasziniert“, schreiben die vier Autorinnen in ihrer Einleitung; und diese Faszination überträgt sich zweifellos auf die Leser.

|638 Seiten mit Abbildungen, gebunden
ISBN-13: 978-3-570-01048-8|
http://www.randomhouse.de/cbertelsmann/

Saint-Exupéry, Antoine de – kleine Prinz, Der (Hörbuch)

_Man soll nicht traurig sein um solche alten Hüllen …
oder
Der Prinz ist tot. Es lebe der Prinz!_

1943 erschien mit dem modernen Märchen [„Der kleine Prinz“ 6256 das international erfolgreichste Werk des sich als „nebenher schriftstellernden Berufspiloten“ bezeichnenden französischen Autors Antoine Vicomte de Saint-Exupéry. Bis 2009 liegt nur eine Übersetzung ins Deutsche vor, welche, obwohl sie den Erfolg des Buches im deutschsprachigen Raum begründete, in den letzten 70 Jahren reichlich Staub angesetzt hat. Saint-Exupéry setzt sich in der vordergründig märchenhaften Erzählung mit der politischen Lage seiner Zeit und seiner privaten Situation als Berufsflieger im Krieg wie beispielsweise mit seiner im Heimatland zurückgelassenen Frau (der Rose des kleinen Prinzen) oder dem Tod auseinander. In seiner Erzählung „Der kleine Prinz“ hat er universelle Weisheiten in die einfachsten und deshalb schönsten Worte gefasst, die längst kulturelles Allgemeingut geworden sind: „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar.“

Die preisgekrönte Übersetzerin Elisabeth Edl hat sich nun des Werkes angenommen und gefühlvoll, aber deutlich den Staubwedel geschwungen, um auf der einen Seite Saint-Exupérys knappen Stil hervorzukehren und auf der anderen Seite die Sprache in ein zeitgemäßeres Gewand zu kleiden. Dabei ist die farbigere Redeweise des Übersetzerehepaares Grete und Josef Leitgeb der präzisen, aber durch Wortwiederholungen gekennzeichneten Sprache Saint-Exupérys gewichen. Der heutige Leser stolpert bei Edl nicht über weniger gebräuchliche Formulierungen oder poetisch anmutende Satzumstellungen. Das nimmt dem Werk etwas von seiner märchenhaften Sprache, macht die Worte für heutige Leser jedoch leichter fassbar. So heißt es etwa über selbst heraufgezogenes Brunnenwasser bei Leitgeb: „Er trank mit geschlossenen Augen. Das war süß wie ein Fest. Dieses Wasser war etwas ganz anderes als ein Trunk. Es war entsprungen aus dem Marsch unter den Sternen, aus dem Gesang der Rolle, aus der Mühe meiner Arme.“ Eidl macht daraus: „Er trank mit geschlossenen Augen. Das war schön wie ein Fest. Dieses Wasser war etwas ganz anderes als Nahrung. Es war dem Gang unter den Sternen entsprungen, dem Singen der Rolle, der Anstrengung meiner Arme.“ Gewiss die Unterschiede sind nicht frappierend. Es ist immer noch die gleiche Geschichte und man muss um die alte Übersetzung nicht traurig sein geschweige denn sie aus dem Bücherregal verbannen, aber die Übersetzung Edls ist eine wunderbare Wiederauferstehung des Stoffes und das im Karl-Rauch-Verlag erschienene Hörbuch eine hervorragende Ergänzung. Sie zeugen gerade in der etwas modernisierten Sprache von der Zeitlosigkeit des Werkes.

Der versierte Schauspieler, Sänger sowie Synchron- und Hörbuchsprecher Jan Josef Liefers liest angefangen vom Ich-Erzähler über den kleinen Prinzen bis hin zum Trinker oder einer zischenden Schlange alle Rollen lebendig und ausdrucksvoll. Einfühlsam nimmt er sich sowohl der humorvollen als auch tragischen Momente der Erzählung an. Er lässt sich Zeit, spricht ruhig, so dass man die Tiefe hinter den einfach scheinenden Worten erfassen kann, wirkt jedoch nie einschläfernd. Der kleine Prinz bleibt dank der facettenreichen Stimme direkt, hartnäckig und naseweis. So kommen die feine Ironie und der leise Humor Saint-Exupérys gut zur Geltung. Reduziert unaufdringliche Gitarrenzwischenspiele schlagen eine Brücke zwischen den Kapiteln und lassen dem Hörer Zeit, die Worte nachklingen zu lassen. Alles in allem bietet die Doppel-CD in ihrer Pappklappbox also mehr als zwei Stunden Hörvergnügen, und das zum ersten Mal mit dem vollständigen Text des Werkes; absolut hörenswert.

|ca. 145 min auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-7920-0101-1
Sonderausgabe, März 2010: 978-3-7920-0102-8
Box-Edition, April 2010: 978-3792001042|
http://www.karl-rauch-verlag.de

Gier, Kerstin – Saphirblau – Liebe geht durch alle Zeiten 2

_Weiter, weiter!_

Wenige Tage sind vergangen, seit die 16-jährige Gwendolyn Shepard erfahren hat, dass nicht ihre hochnäsige Cousine Charlotte, sondern sie selbst das Zeitreisegen ihrer Familie geerbt hat. Während Charlotte ihr bisheriges Leben lang mit Tanz- und Fechtunterricht sowie dem Pauken von diversen Sprachen, Geschichte und kulturellen Unterschieden in den verschiedenen Jahrhunderten gründlich auf ihre Zeitreisen vorbereitet wurde, tappt die unbedarfte Gwendolin von einem Fettnäpfchen ins andere, während sie tägliche Zeitreisen in ungefährliche Jahre sowie quälende Stunden Tanz- und Benimmunterricht über sich ergehen lassen und außerdem ihre Schule sowie ihr restliches Sozialleben auf die Reihe bekommen muss. Zudem traut man ihrem sorglosen und naiven Wesen nicht zu, das große Geheimnis, dessen Teil sie als „Rubin“ einnimmt, zu verstehen – geschweige denn vollständig eingeweihter Teil des Geheimbundes zu werden.

Solchermaßen unwissend, bleibt ihr beinahe nichts anderes übrig, als an Gideons Hand durch die Zeitreise-Liebesgeschichte der deutschen Autorin Kerstin Gier zu stolpern. Der gutaussehende, vielfach talentierte Gideon trägt ebenfalls das besagte Gen in sich, ist jedoch offensichtlich über alles voll im Bilde und spielt seine Überlegenheit bei jeder sich bietenden Gelegenheit aus, so dass Gwen nicht nur durch ihre Unwissenheit, sondern auch durch den inneren Zwiespalt zwischen aufkeimender Liebe und empörter Abneigung verunsichert wird. Doch ihre Freundin Leslie steht ihr mit Hilfe des Internets und ihres analytischen Verstandes bei der Erforschung des Geheimbundes und in Liebesangelegenheiten unerschütterlich zur Seite. Sie ist auch die Einzige, die weiß, dass Gwendolyn in der Lage ist, Geisterwesen zu sehen und mit ihnen zu sprechen. Als sehr nützlich erweisen sich die Bekanntschaft mit dem Schulgespenst James, welches ihr in Sachen Anstandsregeln im 18. Jahrhundert so manchen Tipp geben kann, und mit Xemerius, einem Dämon, der sich nicht nur als ein anhänglicher Nervtöter herausstellt, sondern als Spion auch gute Dienste leistet. Nicht zuletzt kann sich Gwen auf die Hilfe ihres Großvaters verlassen, mit dem sie in der Vergangenheit zusammentrifft, während man sie eigentlich Hausaufgaben erledigend in einem dunklen Kellerraum wähnt.

_Mein Eindruck_

„Saphirblau“ ist der zweite Teil der Trilogie „Liebe geht durch alle Zeiten“. Was im ersten Teil [„Rubinrot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5664 mit einem Kuss angedeutet wurde, entwickelt sich zu einer Liebesgeschichte, die mit einer Liebeserklärung des grünäugigen Gideon nur ein vorläufiges Happyend findet, denn dem zwielichtigen Graf St. German, der Gwendolyn bereits im ersten Buch verängstigt, gelingt es auch im zweiten Teil, seine undurchsichtigen Fäden so zu spinnen, dass niemand dem anderen vertraut und auch Gwen nicht an Gideons Liebe glauben kann. Ihrer Cousine Lucy und Gideons Verwandtem Paul und deren Motiven kommt man nur so weit auf die Schliche: Sie haben den ersten Chronographen, mit dessen Hilfe kontrollierte Zeitreisen möglich werden, gestohlen und halten sich in der Vergangenheit vor dem Geheimbund versteckt. Ihr Ansinnen ist es offensichtlich, den Initiator und Kopf der Loge, Graf St. Germain, töten zu lassen, weil sie Kenntnis davon haben, was der Chronograph wirklich vermag, wenn erst das Blut aller Zeitreisenden dort eingelesen worden ist. Sie wissen, welche Opfer die Macht, die dem Grafen dann verliehen werden wird, darüber hinaus fordert. Genaueres wird leider noch vorenthalten, aber eines ist ganz klar: Gwendolyn wird nicht nur verdächtigt, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen, sondern auch ihr Leben ist in höchster Gefahr. Damit entlässt die Autorin ihre Leser in die Wartezeit auf den dritten Teil, der im Herbst 2010 erscheinen wird.

Kerstin Gier verzaubert ihre Leser mit einer Geschichte von der ersten großen Liebe mit Höhen und Tiefen, wie man sie nur als Teenager erleben kann. Alles daran ist neu und rätselhaft: das Küssen, das Sehnen, das Verhalten des Geliebten, das eigene Verhalten und nicht zuletzt das Wechselbad der Gefühle zwischen „himmelhoch jauchzend“ und „zu Tode betrübt“. Hinzu kommen die ganz alltäglichen Probleme, mit denen man sich herumschlagen muss: das allzu kritisch bewertete Aussehen, die Schule, Lehrer, nervige Verwandte und ein wenig gefestigtes Selbstbewusstsein. Als sei das alles noch nicht genug, wird Giers Hauptfigur einmal am Tag fürchterlich übel, und kurz darauf landet sie für mehrere Stunden in einer anderen Zeit.

Ihre jugendlichen Leserinnen finden sich gewiss in Gwendolyn wieder, und auch die erwachsenen erinnern sich noch an die Zeit, in der sie von Prinzessinnenroben träumten und sich einen gutaussehende Beschützer an ihre Seite wünschten. Die Zeitreisegeschichte dient in diesem Sinne als nette Verpackung und als Spannungselement. Doch die bezaubernde Naivität, die nur einem jungen Mensch wie Gwen innewohnt, die bereits so viel von der Welt und dem Leben zu kennen glaubt und dabei doch nur eine vage Ahnung von ihren Dimensionen und dem eigenen Platz im Leben hat, amüsiert den Leser und macht die Figur überaus sympathisch. Wenn Gwen trotz eines Antialkohol-Paktes mit ihrer besten Freundin auf einer Soirée im 18. Jahrhundert merklich angetrunken „Memory“ aus Cats zum Besten gibt und bei ihren Lieblingszeilen „If you touch me, you’ll understand what happiness is“ bemerkt, „dass das Lied nicht speziell für Katzen geschrieben sein konnte“, zeigt sich der wunderbare Humor der Autorin, welcher bereits den unverwechselbaren Charme ihrer ersten Bücher wie „Männer und andere Katastrophen“ oder „In Wahrheit wird viel mehr gelogen“ geprägt hat. Tatsächlich sollte man sich auch bei der Lektüre von „Saphirblau“ auf häufiges Schmunzeln und lautes Auflachen gefasst machen.

Der |Arena|-Verlag hat sich entschlossen, die wunderbare Covergestaltung Eva Schöffman-Davidoffs auch für den zweiten Band beizubehalten. Dieses Mal winden sich als Schattenriss gestaltete erhabene Ranken auf dem blauen Grund der Vorder- und Rückseite um die beiden Hauptfiguren. So wird auch äußerlich ein Zusammenhang zwischen den Romanen hergestellt. Der Leser kann die fledermausartige Figur, welche zunächst nur als schmückendes Beiwerk erkennbar war, nun dem Dämon Xemerius zuordnen. Alles in allem macht sich auch dieser Band gut im Bücherregal und ist ein lesenswerter Schmöker, der trotz seiner knapp 400 Seiten nicht viel Lesezeit in Anspruch nimmt.

_Die Autorin_

Kerstin Gier (geb. 1966 bei Bergisch Gladbach) ist eine deutsche Autorin, die – auch unter den Pseudonymen Jule Brand und Sophie Bérard – überwiegend Frauenliteratur verfasst. Gier studierte zunächst Germanistik, Musikwissenschaften und Anglistik, bevor sie zur Betriebspädagogik und Kommunikationspsychologie wechselte und als Diplompädagogin abschloss. Nach mehreren Jobs begann sie 1995 mit dem Schreiben von Frauenromanen. Sie wohnt mit ihrem Mann und ihrem Sohn in einem Dorf im Bergischen Land. Ihr erstes Buch „Männer und andere Katastrophen“ von 1996 wurde mit Heike Makatsch in der Hauptrolle verfilmt. 2005 erhielt Kerstin Gier den DeLiA-Literaturpreis für Liebesromane deutschsprachiger Autorinnen. Mit der auf drei Bände angelegten Reihe über die Abenteuer von Gwendolyn und Gideon in London („Rubinrot“, „Saphirblau“ und „Smaragdgrün“) verfasste sie erstmals einen Jugend- und Fantasyroman. (Quelle: |Wikipedia|)

|400 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3401063478|
http://www.arena-verlag.de
http://www.kerstingier.de
[DeLiA-online.de]http://www.delia-online.de/html/mitglieder__gier__kerstin.html

_Mehr von Kerstin Gier auf |Buchwurm.info|:_

[„Rubinrot. Liebe geht durch alle Zeiten“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5664
[„Die Mütter-Mafia“ 4328
[„Die Patin“ 4344
[„Für jede Lösung ein Problem“ 4374

Antoine de Saint-Exupéry – Der kleine Prinz

Jubiläumsausgabe eines Weltklassikers

Im Jahre 1943 erschien das moderne Märchen „Der kleine Prinz“ des Berufspiloten Antoine de Saint-Exupéry. Dieser hatte in seinen bis dahin 43 Lebensjahren bereits ein aufregendes und gefahrvolles Leben hinter sich gebracht, von dessen Motiven er in diesem und anderen Büchern zehrte. Wie der Ich-Erzähler im „Kleinen Prinzen“, stürzte er mit Flugzeugen in der Wüste ab. Wie der kleine Prinz musste Saint-Exupéry seinen „Planeten“ verlassen und nach Amerika emigrieren, wobei er seinen „besten Freund auf der ganzen Welt“, welchem er das Buch widmete, im besetzten Frankreich zurückließ. Daher schrieb Saint-Exupéry nicht nur ein philosophisches Märchen, sondern setzte sich in der vordergründig märchenhaften Erzählung mit der politischen Lage und gesellschaftlichen Strömungen seiner Zeit sowie seiner privaten Situation als Emigrant und Berufsflieger auseinander. Obwohl der Autor bis zu seinem Tod im Jahr 1944 noch weitere Texte veröffentlichte, blieb „Der kleine Prinz“ sein bekanntestes Werk und begründete seinen Weltruhm.

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Verana Auffermann, Gunhild Kübler, Ursula März, Elke Schmitter – 99 Autorinnen der Weltliteratur

Verführung zum Weiterlesen

Man könnte sich leicht fragen, warum in Zeiten, in denen Verlage für Nachschlagewerke wegen Wikipedia und Co. um ihre Existenz fürchten, eine alphabetische Zusammenstellung von 99 Autorinnen der Weltliteratur veröffentlicht wird. Doch hält man das knapp 400 Seiten fassende Buch erst einmal in der Hand, wird angefangen beim roten Einband mit schwarz-weißem Schutzumschlag und roter Aufschrift „Leidenschaften“ bald klar, dass das Werk deutlich über die trockenen stakkatoartigen Information eines Lexikons hinausgeht.

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Schrackmann, Petra – »An Awfully Big Adventure!« – J. M. Barries Peter Pan im medialen Transfer

_Auf ins Abenteuerland!_

Man kennt ihn – den fliegenden Jungen, der niemals erwachsen werden will und stattdessen ein Abenteuer auf das andere im Nimmernimmerland erlebt. Peter Pan – sein Name ist ein Begriff: Bei bindungsunwilligen Männern spricht man von einem Peter-Pan-Syndrom. Robin Williams verkörperte Peter Pan im Spielbergfilm [„Hook“]http://www.powermetal.de/video/review-113.html (1991), der nur eine von vielen filmischen Adaptionen, Sequels oder Prequels ist. Nicht zuletzt nahm sich Disney des Stoffes an und bis 2004 entstand Regis Loisels Reihe von Peter-Pan-Comics.

Man kennt ihn also. Aber kennen wir ihn wirklich? Petra Schrackmann zeigt in ihrem Sachbuch „‚An Awfully Big Adventure!‘ – J. M. Barries Peter Pan im medialen Transfer“, wie sich die Figur des Peter Pan bereits im Werk der englischen Autors James Matthew Barries erst über mehrere Literaturgattungen zu der Figur entwickelte, als die wir sie durch den Roman „Peter and Wendy“ aus dem Jahr 1911 oder dem Theaterstück „Peter Pan or The Boy Who Would Not Grow Up“ kennen könnten. Doch gerade weil sich zeitgenössische Umsetzungen des Werkes vor allem bei populären Hollywood-Filmen oder weihnachtlichen Schulaufführungen auf nur wenige Aspekte des Werkes beziehen, wurden der Stoff und die Figur „Peter Pan“ inzwischen auf wenige Merkmale reduziert, so dass heutige Leser bei der Lektüre der Originalfassung oft erstaunt sind, um wie viel komplexer und andersartiger diese doch ist.

Nach der einleitenden Analyse von Barries „Peter Pan“-Texten und einigen theoretischen Vorbetrachtungen ist man als Leser gut gerüstet für die sieben ausgewählten Umsetzungen des literarischen Textes in anderen Medien wie Film oder Comic. Den Darstellungen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden ist leicht zu folgen, und wenn man die genannten Adaptionen wie zum Beispiel den bereits erwähnten Film „Hook“ kennt, stellt sich schnell so mancher Aha-Effekt ein. Besonders auffällig ist dabei, dass in den Umsetzungen, die nicht auf kindliche Rezipienten abzielen, das tragische Element des „ewigen Kindseins“ mit seiner Einsamkeit, der Geschichts- sowie Entwicklungslosigkeit und den Grausamkeiten der scheinbar spaßigen Kinderwelt Peter Pans hervorgehoben werden. In den vermeintlich kindgerechten Umsetzungen wird die Lebenswelt des ewigen Jungen stets als großes Abenteuer dargestellt. Doch während der Lektüre des vorliegenden Sachbuches erschließt sich bald der gut gewählte Titel, denn nicht das Sterben an sich ist „ein schrecklich großes Abenteuer“ sondern der Weg dorthin und damit das Leben. Durch ihre Untersuchung erschafft Strackmann denjenigen, die sich zum ersten Mal näher mit der „Ikone der Popkultur“ Peter Pan beschäftigen, ein sehr differenziertes und vor allem durch die unterschiedlichen Medialisierungen komplexes Bild, bei dem schnell klar wird, dass das eigene Wissen um die Deutungsmöglichkeiten, die sich hinter dieser phantastischen Kindergeschichte verbergen, bisher recht eng begrenzt war.

Literatur-, film, oder kulturwissenschaftlich interessiertes Publikum wird über die untersuchten Primärtexte hinaus von der Vielzahl der zur wissenschaftlichen Analyse in diesem ursprünglich als Abschlussarbeit an einer philosophischen Fakultät angelegten Sachbuch herangezogenen Sekundärliteratur überzeugt sein. Doch nicht zuletzt macht diese Untersuchung einem jeden Lesepublikum große Lust, Barries Original zur Hand zu nehmen oder sich die Adaptionen anzusehen. Für ganz Eilige sind im Anhang die Handlungen aller herangezogenen Umsetzungen beschrieben, so dass man auch ohne genaue Kenntnis der Romane, Realspielfilme, Animationsfilme und Comics bei der Lektüre weiß, wovon die Autorin spricht, und auf recht unterhaltsame Art einen großen Erkenntnisgewinn davonträgt.

|218 Seiten
ISBN-13: 978-3-0340-0991-1|
http://www.chronos-verlag.ch
http://www.ipk.uzh.ch/forschung/publikationen__plm.php

_Mehr Peter Pan auf |Buchwurm.info|:_

[„Peter Pan“ 5520 (Hörspiel)
[„Peter Pan und der rote Pirat“ 3301

Rubin, Szilard – Kurze Geschichte der ewigen Liebe

_Liebe! Liebe. Liebe? – Liebe_

Attila wird zur Zeit des Zweiten Weltkriegs als Waise von seiner Großmutter erzogen. Diese betreibt auch nach dem Krieg noch einen regen Tauschhandel und hält sich und den Enkel damit mehr schlecht als recht über Wasser. Der sieht sich als geistigen Uran des „Taugenichts“, welcher das Herz der großbürgerlich erzogenen Orsolya gewinnt. Doch bereits in der Anfangsphase ihrer von jugendlichem Überschwang gekennzeichneten Beziehung fühlen sie sich gleichermaßen zueinander hingezogen wie von einander abgestoßen.

Orsolya entstammt einer Apothekerfamilie, deren Stammbaum bis in die Kolonialzeit zurückzuverfolgen ist. Die Familie trifft sich in Sommerhäusern und pflegt Erinnerungen an adriatische Yachtclubs sowie Sommeraufenthalte in Dalmatien. Man spricht Fremdsprachen; das Lebensgefühl ist europäisch geprägt. Doch bereits innerhalb einer Generation stirbt mit Tante Anna die Erinnerung an diese Zeit. So liest sich der erste Teil von Szilard Rubins „Kurze Geschichte von der ewigen Liebe“ als melancholischer Abgesang auf eine weltmännische Zeit, als man noch englische Autoren in den Auslagen der ungarischen Buchläden finden konnte. Die Auslöschung der bürgerlichen Kultur durch die Umgestaltungen des Sozialismus wird beschrieben als der Untergang jeglicher Kultur. Die privaten Herrenhäuser, in denen klassische Musik und bildende Kunst gepflegt und gefördert wird, verschwinden. Kleidungsstücke wie beispielsweise ein Muff wirken bereits kurz nach dem Krieg als Relikt aus einer fernen Vergangenheit.

Plötzlich ist Orsolya diejenige, welche aufgrund ihrer großbürgerlichen Herkunft scheinbar wenige Zukunftsaussichten hat, während Attila als hoffnungsvoller junger Schriftsteller aus dem einfachen Volk einer gesicherten Zukunft im Nachkriegsungarn entgegensieht. Doch bereits im nächsten Kapitel ist Attila nicht mehr so zuversichtlich, was seine Zukunft betrifft. Er ist nahe daran, sein Stipendium an der Universität zu verlieren, weil er nicht so schreiben kann, wie es von ihm verlangt wird. Das Leben im neuen Staat wird mit dem Spiel „Chicken Run“ verglichen, bei dem man so lange wie möglich vor einem herannahenden Zug auf den Gleisen verharren muss. Am erfolgreichsten spielen diejenigen, die sich aus den „Trümmern des Großbürgertums in die gehobenen Kreise der Volksdemokraten emporarbeiten“. So macht die arme Hedi Racz über ihre Freunde Karriere und arbeitet sich zu einem Verehrer mit Sportwagen hoch. Attilas sämtliche Freunde versuchen, sich mit dem System zu arrangieren und sich eine angenehme kleinbürgerliche Existenz aufzubauen. Sie erkennen schnell, dass Attilas Talent nicht für große Literatur oder einen Erfolg in diesem System ausreicht und sein Traum vom künftigen Leben als angesehener Schriftsteller wie auch seine vermeintliche Liebe zu Orsolya Selbstbetrug ist.

Die überschwängliche Anziehung der Jugendjahre ist einer Obsession gewichen, die bis zu Attilas völligen Selbsterniedrigung gebracht wird, als Orsolya den Heiratsantrag eines Militäringenieurs annimmt und damit die Ehefrau eines Kommunisten wird. Der künftige Ehemann ist es dann auch, der für die beiden einen Schlussstrich zieht, indem er den verzweifelten Attila vor die Tür setzt. Dieser sieht Orsolya nur noch einmal von Ferne wieder, als sie bereits Gattin des zum Militärattaches von Ulan Bator aufgestiegen Ingenieurs ist.

Damit endet die kurze Geschichte von der ewigen Liebe, bei der man sich zeitweise nicht einmal sicher sein kann, ob es gerechtfertigt ist, überhaupt von Liebe zu sprechen. Jede Situation wird von Szilard Rubin auf den Prüfstand gestellt – und sei es auch Jahre später. So erscheint die Liebe in Jugendzeiten als Provokation von Orsolyas Eltern, die diese Verbindung nicht gern gesehen haben. Eine kurzzeitige Ehe der beiden wird entlarvt als notwendige Reaktion auf eine Kompromittierung. Ob Attila Orsolya tatsächlich liebt oder nur besitzen will, weil er sonst niemanden auf der Welt hat, ist ebenfalls nicht klar.

Rubin macht es seinen Lesern bei der Lektüre nicht leicht. Die Protagonisten begehen scheinbar unmotivierte und nicht voraussehbare Handlungen. Rubin legt ihr Seelenleben mit schlichten ehrlichen Worten so weit offen, dass man ihnen ein Laken reichen möchte, so erschütternd banal und zugleich so unfassbar kompliziert ist ihre Nacktheit. Man kann sich mit ihnen nicht identifizieren. Gelingt es noch, sich vorzustellen, dass die Figuren nach Sicherheit und Bequemlichkeit im Leben streben und sich für den Verrat an den Idealen ihrer Jugend schämen, kann man Attilas Obsession bis zur Selbstaufgabe, seine im wahrsten Sinne jämmerliche Existenz nur schwer nachvollziehen und erst recht nicht sympathisch finden. Daher resultiert vermutlich auch die geringe Beachtung, welche der Erzählung bei ihrem ersten Erscheinen im sozialistischen Ungarn des Jahres 1963 entgegengebracht wurde. So gar nichts spricht bei Rubin vom Ideal des werktätigen Helden, der aktiv den Sozialismus aufbaut. Dafür wird überdeutlich, dass die politischen Veränderungen das Leben der Menschen nur dahingehend beeinflusst, dass man versucht, die alten Strukturen von Macht und Besitz auf einer anderen Ebene wieder herzustellen und das jeder Mensch wie zu allen Zeiten bestrebt ist, sich ein Stück vom Kuchen abzuschneiden. Es ist eine Zeit, in der sich Menschen bis zur Unkenntlichkeit verbiegen und mit dem Erreichten am Ende um diesen hohen Preis doch nicht zufrieden sein können.

Rubins Erzählstil wechselt zwischen minutiös genauen Beschreibungen und großen Zeitsprüngen, welche der Leser mit Handlungsbruchstücken, Vermutungen und Rückschlüssen aus den Worten Dritter selbst füllen muss. Träume und Gedankenfetzen bremsen dabei den Lesefluss und jeder Satz muss auf seine Bedeutung hin abgeklopft werden. So wirkt bereits der Titel nicht nur altersweise, sondern auch ironisch. Das Oxymoron verdeutlicht die Absurdität der Liebe: für Orsolya ist die Liebe nicht ewig, auch wenn sie noch so lange daran festzuhalten versucht. Für Attila ist die Ewigkeit nicht kurz; wie ein Echo klingt die Liebe aus der Vergangenheit herauf, wenn er sich im letzten Teil des Romans des Erlebten erinnert. Und von der Wortanzahl her kurz ist die Geschichte auch nur, weil der Autor sich zu beschränken weiß. Was hier auf 220 Seiten passt, hätte bei einem anderen als dem klaren, schnörkellosen Erzählstil Rubins leicht episches Format einnehmen können, ohne dass mehr gesagt worden wäre. Die Literaturwissenschaft hält das Werk des 1927 geborenen Budapesters für einen der wichtigsten Romane der ungarischen Gegenwartsliteratur. Dank des |Rowohlt|-Verlags ist es nun möglich, sich auch als deutscher Leser eine Meinung darüber zu bilden.

|Originaltitel: Csirkejáték
Übersetzung: Andrea Ikker
220 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3871346316|
http://www.rowohlt.de

Chesterton, Gilbert Keith – Pater Brown Edition 4

_Aus Pfarrer Brauns Verbrechenssammlung_

Ende 2008 hat |Maritim| die vierte CD-Box als Zusammenstellung der Einzelausgaben 13 bis 16 von Pater-Brown-Hörspielen herausgebracht. Mit „Der Geist von Gideon Wise“, „Das Verhängnis der Darnarways“, „Die seltsamen Schritte“ und „Der Fehler in der Maschine“ vereinen die Macher vier spannende Hörspiele um mysteriöse Verbrechen, welche vom kauzigen Pater Brown stets schneller aufgeklärt werden als von der Polizei. Der Detektiv versetzt sich dabei geistig an die Stelle der Verbrecher und versucht solchermaßen, das Tatmotiv und den Tathergang nachzuvollziehen.

In „Der Geist von Gideon Wise“ werden drei Millionäre in der gleichen Nacht ermordet: erstochen, erschlagen oder eine Klippe hinuntergestürzt. Der Journalist Byrne, der eigentlich zwischen den millionenschweren Fabrikinhabern und den Streikanführern in deren Fabriken zu vermitteln versucht, hängt sich an den Fall und trifft dabei auch auf Pater Brown, der auf dem Weg nach Liverpool in dieses Verbrechen hineinstolpert. Schnell zeigt sich, dass die Polizei sofort die Streikführer verdächtigt, doch Pater Brown weist immer wieder darauf hin, dass es sich bei den Vorwürfen nur um Vermutungen und Vorverurteilungen handelt. Spätestens als der Geist eines der Toten gesichtet wird, ist ihm klar, dass der Schlüssel zu den Morden an anderer Stelle gesucht werden muss, denn trotz seiner intuitiven Ermittlungsmethoden geht er immer von einer unumgänglich rationellen Erklärungen aus und führt das vermeintlich Übernatürliche auf eine ganz natürliche Ursache zurück.

In „Das Verhängnis der Darnaways“ scheint sich ein Jahrhunderte alter Fluch zu bewahrheiten, doch selbst hier findet Pater Brown in der Eifersucht eine höchst menschliche Ursache für etwas, das Mord statt Fluch genannt werden muss. Auch der Mord in „Die seltsamen Schritte“ erweist sich als von menschlichen Leidenschaften beeinflusste Straftat; noch dazu in einem absurden Milieu, einem Jahrestreffen des schrulligen „Clubs der 12 Fischer“ mit seinen merkwürdigen Regeln und Millionärsproblemen, welche durch die vom Schriftsteller Henry Fulham geschilderte Diskrepanz zwischen Arm und Reich noch aberwitziger erscheinen.

Interessant ist die kritische Beschäftigung mit dem beim ersten Erscheinen der Geschichte „Der Fehler in der Maschine“ zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch recht neuen Gerät – dem „Lügendetektor“. Der Autor Gilbert Keith Chesterton weist damit durch den Mund Pater Browns schon auf die wesentlichen Mängel der als unfehlbar geltenden Untersuchung mit der Maschine hin, welche bis heute Bestand haben: Fehleinschätzungen, Vorurteile und die mögliche Manipulierbarkeit der Ergebnisse. Hier zeigt sich erneut, dass Pater Brown mit seinem wachen und kritischen Verstand der Polizei immer einen oder sogar mehrere Schritte voraus ist. In dieser Geschichte tritt zudem Pater Browns einziger Freund, der ehemalige Meisterdieb Hercule Flambeau, auf, welcher bei |Maritim| eine eigene Hörspielserie hat und hier als der Zuhörer in der Rahmengeschichte funktioniert.

|Maritim| konnte für die Rolle des Pater Brown den Schauspieler und erfahrenen Synchronsprecher Volker Brandt (Michael Douglas) gewinnen, welcher der Gemeinde von Hörspielfans bereits als Inspektor Lestrade aus der |Maritim|-Hörspielserie um den großen Privatdetektiv Sherlock Holmes bekannt sein dürfte. Lebendig und überzeugend spricht er auch den verschmitzten katholischen Geistlichen mit seinem Hang zum Kriminalisieren.

Der Jazz-Gitarrist und Arrangeur Martin Böttcher, der schon die Titelmusik zu zwei Pater-Brown-Filmen mit Heinz Rühmann sowie der Fernsehserie „Pfarrer Braun“ schrieb und mit der Titelmusik zu den Winnetou-Filmen aus den 60er Jahren zu einem der erfolgreichsten deutschen Filmkomponisten wurde, zeichnet sich bei den Hörspielen verantwortlich für den jazzigen Sound der Titelmusik und Zwischenstücke.

Mit ihren fast vier Stunden Laufzeit bietet die schlicht in Schwarzweiß aufgemachte CD-Box daher ein interessantes, kurzweiliges und rundum gelungenes Hörvergnügen.

|222 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86714-178-9|
http://www.maritim-produktionen.de

Toutonghi, Pauls – Geschichte von Yuri Balodis und seinem Vater, der eigentlich Country-Star war; Die

_Von großen und kleinen Umbrüchen_

|“‚Die Geschichte von Yuri Balodis und seinem Vater, der eigentlich Country-Star war‘ ist ein Buch voller Geschichten und über Geschichte, meiner Meinung nach.“| – würde Rudolf Balodis vielleicht sagen, wenn man ihn bäte, die Handlung des überaus komplexen Romans von Pauls Toutonghi kurz zu umreißen. Vermutlich würde der dauerbetrunkene lettische Familienvater, der sich in Amerika seinen Traum vom Country-Star-Dasein erfüllen wollte und stattdessen Nachtwächter in einem Autohaus geworden ist, dabei ein Glas Bourbon in der Hand halten und von seinem Balkon aus auf das zehntärmste Wohnviertel Amerikas schauen, während seine Frau leise seufzend die Haare ihres Sohnes Yuri verwuschelt. Im Grunde ist Familie Balodis mit ihrem Leben jedoch ganz zufrieden, wäre da nicht das Entsetzen darüber, dass sich der Filius ausgerechnet einer sozialistischen Parteigruppe angeschlossen und sich Besuch aus der alten Heimat angesagt hat, was zusammengenommen sämtliche Wunden der Vergangenheit aufreißt.

Der amerikanische Autor Pauls Toutonghi mit lettischen und ägyptischen Wurzeln schildert, autobiografisch inspiriert, die Geschichte einer Familie in der Zeit des Umbruchs in den Jahren um 1989. Die Mauer in Deutschland ist gefallen. Die Sowjetunion bricht zusammen. In Milwaukee feiert Familie Balodis den Sieg über ein Machtsystem, welches den Großvater für zehn Jahre in einen Gulag verbannt hatte, der Yuris Vater folterte, verkrüppelte und ihm keine andere Wahl ließ, als Familie und Freunde mit seiner Frau auf einer abenteuerlichen und menschlich degradierenden Flucht für immer hinter sich zu lassen. Der Leser hat aufgrund der abgewrackten Existenz des Mannes den Eindruck, dass Yuris Vater trotz des kleinen Körnchens Wahrheit, das in den Geschichten verborgen sein mag, eigentlich nur ein liebenswerter Spinner ist. Erst auf den letzten Seiten offenbart der Autor die ganze Tragik der Geschichte und lässt den Leser betroffen und gleichzeitig gerührt zurück. So kauzig und tragikomisch die Helden dieses Romans aber sein mögen, Pauls Toutonghi beschreibt sie doch stets herzlich und voller Wärme, so dass man diese auch noch Tage nach der Lektüre vor dem geistigen Auge behält. Leider ist „Rudolf Balodis“ längst gestorben, doch er wäre mit Sicherheit stolz auf seinen Sohn, der ihm und seiner Familie mit diesem Roman kritisch, aber voller Liebe ein Denkmal gesetzt hat.

Yuris Teenagerleben wird zunächst von diesem historischen Hintergrund wenig beeinflusst. Er kennt die Heimat seiner Eltern nur von Geschichten, die sein Vater manchmal wie Märchen erzählt. Die lettische Sprache und alle Erinnerungen haben die Balodis konsequent aus ihrem betont amerikanisch eingerichteten Leben verbannt. Yuri soll als ganz normaler amerikanischer Teenager aufwachsen. Doch durch seine Liebe zu Hannah, die mit ihrem Vater in einer sozialistischen Parteigruppe aktiv ist, stehen sich mit den beiden Familien plötzlich zwei grundverschiedene politische Ansichten gegenüber. Yuri ist zum ersten Mal gezwungen, sich über ein komplexes Thema eine eigene Meinung zu bilden, und zwischen dem Respekt für seine Familie und dem Unverständnis für ihre Ansichten hin- und hergerissen. Dazu kommen die verwirrenden Gefühle der ersten Liebe, die Yuri dazu verleiten, eine Straftat zu begehen, die zunächst ungesühnt bleibt, jedoch sein Gewissen belastet. Und als wäre alles noch nicht kompliziert genug, nistet sich plötzlich die Verwandtschaft in Gestalt von Onkel, Tante, Cousin sowie Großtante in der kleinen Dreizimmerwohnung mit ein und denkt scheinbar gar nicht daran, jemals wieder nach Lettland zurückzukehren.

Um diese chaotische Zeit überstehen zu können, um in ihr zu reifen und zu wachsen, wird es somit höchste Zeit für den jungen Bücherwurm, vom Leben selbst statt nur aus den Geschichten anderer zu lernen. Da sich die Erwartungen seiner Eltern an das Land der unbegrenzten Möglichkeiten für sie selbst nicht erfüllt haben, ist es nun erst recht an Yuri, die ihm gebotene Freiheit zur Entfaltung einer eigenen Persönlichkeit zu nutzen. Humorvoll (besonders in den Dialogen) sowie berührend, ohne rührselig zu wirken, erzählt Toutonghi seine melancholische Geschichte vom Scheitern des amerikanischen wie des sozialistischen Traums und doch von einem neuen Anfang im ausgehenden 20. Jahrhundert, in welchem jeder Mensch seinen ganz individuellen Weg finden und leben muss.

|Originaltitel: Red Weather
Deutsch von Eva Bonné
366 Seiten, kartoniert
ISBN-13: 978-3-87134-634-7|
http://www.rowohlt.de

Kleinbaum, Nancy H. / Schulman, Tom – Club der toten Dichter, Der

_Nutze den Film!_

In den Jahren 1989/90 schaffte es ein vergleichsweise leiser Film, sich neben Hollywood-Blockbustern wie „Batman“ in den internationalen Kinos zu positionieren und dadurch zu einem Welterfolg für seinen Regisseur sowie zum Karrieresprungbrett für die Darsteller zu werden. Die Rede ist von Peter Weirs „Der Club der toten Dichter“. Darin gelingt es dem Englischlehrer Mr. Keating (Robin Wiliams) mit seinen unkonventionellen Unterrichtsmethoden, an der erzkonservativen Internatsschule „Welton“ zu einer Inspiration für einige seiner Schüler zu werden, welche sich von seinen romantischen Idealen anstecken lassen und sich zum ersten Mal in ihrem Leben mit der Frage „Was bin ich und wer möchte ich sein?“ auseinandersetzen.

Bis zu diesem Zeitpunkt war ihr Lebensweg allein von ihren Eltern vorgegeben worden und bestand im Wesentlichen aus dem Auswendiglernen von Lehrstoff im Unterricht und bei Hausaufgaben sowie in selbst gegründeten Lerngruppen. Auf diesem Wege sollten sie sich auf eine erfolgreiche Universitätslaufbahn vorbereiten, um später angesehene Berufe zu ergreifen. Kreativität, eigene Denkleistungen oder gar die Frage der Selbstfindung spielen in diesem System keine Rolle. Alles dreht sich um Tradition, Ehre, Disziplin und Leistung. Der Film vermittelt die geistige Enge des Lebens in Welton über physisch bedrückend kleine Räume und schmale Flure. Dem steht die Weite und Farbenpracht der herbstlichen Natur gegenüber, in welche Keating immer wieder seinen Unterricht verlagert.

Sich kontrastierend gegenüber stehen auch Schlüsselszenen für die Lehrmethoden, welche zu den gewünschten Ergebnissen führen sollen; beispielsweise die Unterrichtsstunde, in der Keating seine Schüler dazu auffordert, einen Aufsatz über eine extrem formale Herangehensweise an Literatur aus ihren Lehrbüchern zu reißen oder eine Lateinstunde bei einem andere Lehrer, in welcher im monotonen Tonfall Substantive dekliniert werden.

Bei einigen Schülern fallen Keatings Ideen und die von ihm favorisierten Werke der englischen Romantik auf fruchtbaren Boden. In Anlehnung an Thoreaus „Walden“ gehen auch sie in die Wälder, um bewusst zu leben. Sie lassen den verbotenen „Club der toten Dichter“ wieder aufleben, dem auch Keating während seiner Schulzeit in Welton angehört hatte, und treffen sich in einer Höhle, um sich gegenseitig Gedichte vorzutragen und sich somit mit anderen Lebensentwürfen zu beschäftigen als denen, welche ihre Eltern bisher vorgeben haben. Allmählich wird aus dem Vortragstreffen eine Gelegenheit, um eigene Gedichte zu präsentieren, sich erstmals ernsthaft mit dem Thema „Mädchen“ zu beschäftigen und Zukunftspläne zu schmieden. Der Zuschauer erhält endlich den Eindruck, dass er ganz normale Teenager vor sich hat.

Der stille Schüler Todd wird unter Keating selbstbewusster. Knox gewinnt mit seiner Poesie und Hartnäckigkeit das Herz eines Mädchens. Charlie wird zum rebellischen Aufrührer und beginnt bewusst zu provozieren. Klar fokussiert der Film jedoch auf die Entwicklung von Neil, welcher sich von seinem tyrannischen Vater unterdrückt fühlt und keinen anderen Ausweg aus dem Widerspruch zwischen dem Lebensentwurf, den sein Vater für ihn vorgesehen hat, und seinem Traum, ein Schauspieler zu werden, sieht, als sein Leben zu beenden. Damit nimmt der Plot eine tragische Wende. Der Schuldige am Selbstmord Neils ist in Mr. Keating, welcher die Jungen vorgeblich dazu animiert hat, sich den Wünschen (Befehlen) der Eltern zu widersetzen, schnell gefunden. Er muss die Schule verlassen. Auch für Charlie ist kein Platz mehr in Welton, da er sich als Einziger standhaft weigert, ein vorgefertigtes Schreiben, welches Mr. Keating belastet, zu unterzeichnen. Alle anderen Schüler geben dem Druck durch Eltern und Schulleiter nach. Ihnen bleibt nur noch, ihrem Lehrer in einer dramatischen Abschlussszene, die Referenz zu erweisen.

_So weit der Film_ – er ist ein Klassiker geworden. Für weniger Film-affine Geister hat Nancy Kleinbaum das Drehbuch in eine Erzählung unter dem gleichen Namen umgeschrieben. Diese beschreibt in einfachen Sätzen und vom betörenden Geist des Films völlig uninspiriert die Handlung und gibt die Dialoge wieder. Leider hält sie sich bei den Dialogen häufig nicht an die exakte Wiedergabe des Drehbuchs. Dabei gehen viele Metaphern verloren oder werden zu unkenntlichen Worthülsen – so geschehen mit dem „zahnschwitzenden Verrückten“ Walt Whitman, der bei Kleinbaum zum „Verrückten mit dem Kuchenzahn“ wird. Die zahlreichen zitierten Werke der Weltliteratur stehen in ihrer Wortgewalt im starken Kontrast zur schlichten Sprache der Autorin.

Ein wesentlicher Mangel des Buches ist auch die nicht vorhandene Schilderungsfähigkeit der Autorin. Die inszenierte Landschaft sowie ihre Bedeutung und ebenfalls die Entwicklung Neils kann Kleinbaum nicht überzeugend umsetzen, da es ihr nicht gelingt, die atmosphärische Dichte der Filmbilder in Worte zu fassen. Im Gegenzug konzentriert sich das Buch stärker auf die Entwicklung von Todd. Hierbei werden jedoch Handlungen eingefügt, welche Todd als wesentlich selbständiger erscheinen lassen, als er eigentlich ist. Im Buch unterschreibt er die Erklärung nicht und bleibt in dieser Szene bereits in Opposition zu seinen Eltern und der Schulleitung. Tatsächlich erhält die Situation jedoch mehr Dramatik und Glaubhaftigkeit, wenn man erkennen muss, dass die Jungen unter den Augen und dem Druck der Eltern sowie der Schule lange nicht so weit gereift sind, um das Motto Keatings „Nutze den Tag“ umsetzen zu können. Aufgrund ihres Alters und ihrer Position sind sie vielmehr immer noch dazu gezwungen, nicht „am Knochen zu ersticken“, während sie versuchen „das Mark des Lebens in sich aufzusaugen“. Das etwas lieblos zusammengeschusterte Buch ist also alles andere als geeignet, den Erfolg des Filmes fortzusetzen.

_Dennoch hat |Lübbe Audio|_ sich 2009 dazu entschlossen, eine Hörbuchfassung aufzunehmen. Wer wäre nun besser geeignet, diese Erzählung über den ewigen Versuch der Rebellion der Jugend gegen die Alten und deren Lebensstrukturen, zu lesen, als einer der „jungen Wilden“ der deutschen Nachwuchsstars? Mit Robert Stadlober haben die Herausgeber einen für sein Rebellenimage bekannten Jungschauspieler gewonnen, der in Filmen wie „Crazy“ bereits in Außenseiterrollen überzeugt hat. Obwohl er gelegentlich über die holprigen Satzkonstruktionen oder zahlreichen Worthäufungen der Erzählung stolpert und manches im gesprochenen Wort noch viel unbeholfener klingt als beim Lesen, gelingt es ihm doch, das Maximale aus dem Werk herauszuholen. Sein Können wird besonders deutlich an den Stellen, an denen er die sehr ausführlich wiedergegebenen Zitate der Klassiker liest. An die äußerst lebendigen Synchronstimmen u. a. von Robin Williams, namentlich an Peer Augustinsky, reicht er leider nicht heran. Doch insgesamt gelingt es ihm, Dialoge lebendig zu gestalten, was vermutlich bei reichlich männlichen Stimmen im selben Altersbereich nicht ganz einfach ist.

|Lübbe| hat die Erzählung auf vier CDs gepresst und sehr ansprechend in einer aufklappbaren Papphülle verpackt sowie mit kurzen Einführungstexten zur Biografie Kleinbaums und Robert Stadlobers sowie zum Plot der Erzählung versehen. Außerdem werden Fans sofort die Bilder des Films vor Augen haben, wenn sie das Zitat aus der „O Captain, mein Captain“-Szene oder die Zeilen von Tennyson „Oh, ich, oh Leben …“ vorgelesen bekommen. Unverkennbar ist auch das Cover, welches sich des Filmplakats bedient und sofortigen Wiedererkennungswert garantiert. Empfehlen kann man das Hörbuch jedem, für den gerade keine Möglichkeit besteht, sich den Film anzusehen, welcher dem schwachen Buch unbedingt und daher leider auch dem Hörbuch vorzuziehen ist. Ganz deutlich wird das ebenfalls beim Preis. Mit knapp 20 Euro ist man beim Hörbuch dabei. Die DVD gibt es neu bereits für knapp 8 Euro.

|216 Minuten auf 4 CDs
gelesen von Robert Stadlober
empfohlen ab 12 Jahren
ISBN-13: 978-3-7857-3831-3|
http://www.luebbe-audio.de

Gier, Kerstin – Rubinrot – Liebe geht durch alle Zeiten 1

_Immer auf dem Sprung_

Gwendolyn Sheperd ist 16 Jahre alt und lebt in einem palastähnlichen Haus voller Geheimgänge und Verstecke. Ihre Familie ist nicht weniger geheimnisvoll, hat doch Cousine Charlotte angeblich ein Zeitreisegen vererbt bekommen, welches sie unkontrollierte Zeitsprünge in die Vergangenheit machen lassen wird. Auf das zukünftige Dasein als Zeitreisende wurde Charlotte ihr bisheriges Leben lang mit Tanz- und Fechtunterricht sowie dem Pauken von diversen Sprachen, Geschichte und Benimmregeln in den verschiedenen Jahrhunderten gründlich vorbereitet. Über diese bornierte und ehrgeizige Cousine hinaus gehören Gwens Geschwister, Gwens liebevolle aber undurchsichtige Mutter, die leicht durchgeknallte Tante „Mad“-Maddy, die aristokratisch hochnäsige Lady Arista, Charlottes Mutter (Tante Glenda) und als einziger Mann ein undurchschaubarer Butler zum Familienhaushalt.

Bereits auf den ersten Seiten wird dem Leser klar, was Gwendolyn erst nach dem ersten Viertel des Buches zu glauben bereit ist: tatsächlich ist sie es, welche das Zeitreise-Gen geerbt hat und nun völlig unvorbereitet zwischen den Zeiten hin- und herwechselt. Ihre Fähigkeit, Geister zu sehen und mit ihnen zu kommunizieren, weist schon bei ihrem ersten Gespräch mit dem Schulgeist James Pimplebottom darauf hin, dass sie entgegen ihrer Selbstwahrnehmung etwas Besonderes sein muss. Und so beginnt mit ihrem Initiationssprung eine aufregende Zeit für Gwen.

Plötzlich findet sie sich inmitten einer Organisation wieder, welche seit Jahrhunderten daran arbeitet, das Blut einer bestimmten Anzahl von Genträgern zusammenzutragen. Alle Genträger sind in ihrer Bedeutung einem Edelstein zugeordnet. Demnach steht Gwendolyn für den Rubin. Leider wird der vermutlich esoterische Hintergrund dieser Edelsteintheorie nicht erklärt. Doch mit Hilfe eines edelsteinbesetzten Chronografen kann die Zeit angewählt werden, in welche die Genträger springen sollen. Das bietet zum einen eine gewisse Kontrolle über das sonst unvorhersehbare Timing der Zeitsprünge sowie Sicherheit für Leib und Leben, aber zugleich auch die Möglichkeit für den im 18. Jahrhundert lebenden mysteriösen [Grafen von Saint Germain,]http://de.wikipedia.org/wiki/Graf__von__Saint__Germain eine in diesem Band noch undefinierte Macht zu erlangen, wenn alle Blutproben gesammelt sein werden. Einmal wurde dieses Vorhaben bereits verhindert, als die Genträger Lucy und Paul sich mit Hilfe von Gwendolyns Mutter mit dem ersten Chronografen in die Vergangenheit absetzten.

Während Gwen nun von Charlotte und deren enttäuschter Familie angefeindet wird, muss sie sich außerdem mit dem schnöseligen Gideon arrangieren, der ebenfalls das Zeitreise-Gen in sich trägt und durch seinen Altersvorsprung von einem Jahr bereits zahlreiche Zeitsprünge auf der Suche nach weiteren Genträgern absolviert hat. Die Autorin versucht es vergeblich so aussehen zu lassen, als wären Charlotte und Gideon ein Paar, und auch die anfängliche Abneigung Gwens, die von Gideons blendendem Aussehen und seiner weniger freundlichen Art ihr gegenüber angezogen und gleichzeitig abgestoßen wird, nimmt man der Autorin nicht ab. Zu offensichtlich wird von Anfang an darauf hingearbeitet, dass sich Gwen und Gideon ineinander verlieben.

Ein großes Plus sind jedoch die liebevoll ausgearbeiteten Nebencharaktere wie der erwähnte Schulgeist oder Tante Maddy. Hinzu kommen eine französische Kostümdesignerin, die unter unablässiger Plauderei die entsprechende Bekleidung für die einzelnen Jahrhunderte schneidert, und Gwens beste Freundin Leslie, die plötzlich jede Menge Zeit damit verbringt, Historisches und Geheimnisvolles für Gwen im Internet zu recherchieren, während Gwen selbst versucht, ein wenig mehr Einsicht in die Geheimgesellschaft und ihre Ziele zu erhalten. Diese Charaktere tragen maßgeblich zum Witz bei, der den Roman konstant durchzieht und das Lesen trotz inhaltlicher Defizite recht vergnüglich gestaltet.

Gerade als die Handlung etwas mehr Tempo aufnimmt und der spannende Teil des Abenteuers beginnt, ist der Roman auch schon an seinem Ende angelangt. Der Leser bleibt in der Luft hängen. Warum hat Gwens Mutter sie eindringlich davor gewarnt, irgendjemandem zu vertrauen? Warum hat der Graf Gwendolyn bedroht? Wer steckt hinter dem Mordanschlag auf Gideon und Gwen? Und was steckt tatsächlich hinter Pauls und Lucys Flucht mit dem zweiten Chronografen? Der Roman wirft eine Vielzahl von Fragen auf, deren Beantwortung auf den kommenden Band verschoben wird. Solchermaßen bleibt das unbefriedigende Gefühl zurück, dass man nur eine längere Einleitung und den Beginn der eigentlichen Geschichte gelesen hat.

Die bisher vor allem durch Frauen- und Liebesromane bekannt gewordene deutsche Autorin Kerstin Gier hat mit „Rubinrot. Liebe geht durch alle Zeiten“ ein als „All-Age-Roman“ deklariertes Buch vorgelegt, das durch die originelle Idee des Plots zwar reifere Leser anzieht, bisher für diese aber nur wenig Überraschendes bietet. Lesevergnügen entsteht eher durch die lustige Schilderung der typischen Probleme eines pubertierenden Mädchens, das unter komplizierten Bedingungen die ersten Erfahrungen mit der Liebe macht.

Hingewiesen werden muss jedoch auf die liebevolle Aufmachung des Buches. Der |Arena|-Verlag hat sich für einen Schutzumschlag in der Farbe Altrosa entschieden, der zusammen mit dem erhabenen schwarzen Aufdruck von Ranken, Fledermäusen und Drachenköpfen, einem Schattenriss von Gideon und Gwendolyn und der teilweise rubinroten Aufschrift nicht nur den hochwertigen Eindruck des Hardcovers unterstützt, sondern auch optisch auf vergangene Zeiten verweist, während er zugleich haptisch sehr ansprechend ist. Das rote Lesebändchen hingegen ist beinahe nutzlos, da sich der Roman in kürzester Zeit flüssig lesen und den Wunsch nach einer baldigen Lektüre der Fortsetzung [„Saphirblau“ 6266 entstehen lässt.

|352 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3401063348|
http://www.arena-verlag.de

Start

_Kerstin Gier auf |Buchwurm.info|:_

[„Die Mütter-Mafia“ 4328
[„Die Patin“ 4344
[„Für jede Lösung ein Problem“ 4374

Fry, Stephen – Feigen, die fusseln

_Von der angebornen Sehnsucht zu dichten_

|“Jedes tiefere Vordringen in die Welt der Poesie rührt unweigerlich an die innerste Urangst eines jeden – die Angst von peinlicher Bloßstellung.“| heißt es im Vorwort zu Stephen Frys inspirierendem Buch „Feigen, die fusseln“, dem man im Deutschen noch den Untertitel „Entfessele den Dichter in dir“ verpasst hat. Dennoch gelingt es dem Schriftsteller, Schauspieler und Komiker Stephen Fry, den Leser davon zu überzeugen, dass „in uns allein eine angeborene Sehnsucht zu dichten“ steckt und „dass wir alle das Zeug dazu haben“.

Höchst kurzweilig und unterhaltsam führt Fry in das Handwerkszeug für die Dichtkunst ein und widmet sich abseits von freier Lyrik dem Metrum, dem Reim und den Formen anhand der englischsprachigen Lyrik, bevor er ein viertes Kapitel zur Lyrik und Poetik von heute anfügt. Dabei schöpft er aus einer Vielfalt von Gedichten, angefangen bei Shakespeare und Chaucer über Wordsworth bis hin zu modernen Dichtung eines Ezra Pound. Mit Hilfe seines schier unerschöpflichen Gedichtfundus‘ stellt er anschaulich dar, was beispielsweise einen Jambus von einem Anapäst unterscheidet, welche Wirkung Enjambements und Zäsuren entfalten oder wie die einzelnen Reimformen wirken. Dabei geht er neben den bekannteren Versformen wie Ballade oder Ode auf weniger bekannte wie Villanelle oder Pantum ein.

Verse über die eigene Nase, fusselnden Feigen oder Kühe auf der Wiese zeigen auf, dass es nicht unbedingt Themen von Weltbedeutung bedarf, um lyrisch tätig zu werden. Diese in Verse gebrachten alltäglichen Beobachtungen spiegeln vielmehr Frys Freude an der Dichtkunst und wirken dem Gefühl entgegen, dass man seinem Deutschlehrer gegenüberstände, für den man gerade zwanghaft versucht hat, eine mehrseitige Liste mit nur vage begreifbaren Fremdwörtern für eine anschließende Klausur in Gedichtanalyse auswendig zu lernen.

Mit der Lektüre dieses Buches könnte man verhindern, dass jungen Menschen bereits in der Oberstufe die Lust am Gedicht ausgetrieben wird. Was in den einzelnen Kapiteln anschaulich an Beispielen dargestellt wird, kann der Leser anschließend anhand einer gestellten Aufgabe sogleich praktisch erproben. Arbeitet man sich solchermaßen aufmerksam durch das Buch, kann das durchaus Wochen und Monate in Anspruch nehmen. Doch auch ohne ständige praktische Übung erhält man auf amüsante Weise einen Wissenszuwachs über die englische Literaturgeschichte und die Möglichkeiten der Dichtkunst so lebendig geschildert, als hätte Fry neben den Autoren gesessen, als Werke der Weltliteratur entstanden.

Mitglieder des Graduiertenkollegs für literarisches Übersetzen an der Universität München haben Stephen Frys Buch unter der Leitung von Andreas Mahler ins Deutsche übertragen, was ihnen vor allem bei den Eigenkreationen des Autors überzeugend gelungen ist. Dennoch war es von Vorteil, bei den zitierten Gedichten sowohl das englische Original als auch die Übersetzung abzudrucken, weil bei den deutschen Versen gelegentlich weniger deutlich wird, was Fry gerade erläutert hat. Gut gelungen ist der Akt übersetzerischer Freiheit beim Einschub von deutschem Rap, an welchem die Übersetzer verdeutlichen, wie viel Potenzial dem Reim auch in der zeitgenössischen deutschen Sprache innewohnt.

Das größte Verdienst des Buches ist jedoch, dass es so manches Vorurteil der Dichtkunst gegenüber ausräumt und, während es den Respekt vor dem Können großer Dichter stärkt, aufzeigt, dass man Freude an einer in der heutigen Zeit wenig beachteten literarischen Form empfinden kann – sowohl als Leser als auch als Schöpfer.

|475 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3351032326|
http://www.aufbauverlag.de

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Crown, Ellen B. – Hercule Flambeau\’s Verbrechen 2: Corpus Christi

_Alles andere als entflammend_

Der französische Meisterdieb Hercule Flambeau, bekannt aus Chestertons Geschichten um den Detektiv Pater Brown, hält sich im spanischen Sevilla auf. Ist er zunächst nur darauf aus, Dona Juanita Guiterrez um ihre Juwelen zu erleichtern, findet er sich jedoch bald in ihrem Bett wieder und entkommt nur knapp ihrem eifersüchtigen Ehemann.

Um sich von dieser Niederlage zu erholen, kommt ihm ein Abenteuer gerade recht. Sein Freund Alejandro de la Vega lädt ihn auf einen Tauchgang in einem nahegelegenen Waldsee ein. In der untergegangen Abtei im See hoffen die beiden auf einen Hinweis zum Verbleib des legendären Corpus Christi, welches in der vorliegenden, entsprechend betitelten Episode der |Maritim|-Reihe „Hercule Falmbeau’s Verbrechen“ als „funkelnder Schatz der Tempelritter“ beschrieben wird. Tatsächlich finden sie unter dem Schlamm auf dem Kapellenboden den Schlüssel zum Schatz, welcher sie in eine Maya-Pyramide nach Lateinamerika führt.

Das als „Abenteuer voller Gefahren“ angekündigte Hörspiel ist leider nur mäßig spannend. Bereits in der ersten Szene ahnt der Hörer spätestens nach der gegenteiligen Versicherung von Dona Juanita, dass die Rückkehr ihres Mannes bevorsteht. Immerhin ist es witzig, dass der Ehemann glaubt, Flambeau wäre gerade dabei gewesen, in das Haus einzusteigen, während dieser in der altbekannten Tradition des Slapsticks halbnackt über den Balkon fliehen muss. Merkwürdig, dass die Ehe im Verlauf der Reise, auf der Flambeau und sein Freund von der inzwischen als Historikerin eingeführten Juanita Guiterrez begleitet werden, keine Rolle mehr spielt.

Witzig sind ebenfalls die kleinen Zankereien zwischen den Freunden, ob es nun um die Fahrkünste von Alejandro oder die Zusammenarbeit mit Juanita geht. Auch unfreiwillige Komik kann der Hörer miterleben, wenn sich beispielsweise der Ehemann von Juanita „wie ein rasender Eber, der seine Frischlinge verteidigt“, auf Hercule stürzt. Doch von Spannung zu reden, wäre übertrieben. Alles, was den Verlauf der Handlung behindern und Spannung hervorrufen könnte, wird zwischen den Szenen ausgeblendet. Ein Flugzeug nach Amerika zu chartern, ist kein Problem. Die Pyramiden zu betreten wird zunächst als Problem dargestellt, doch offensichtlich werden die drei nicht an ihrem Eindringen gehindert … und wie der schwere Schatz geborgen werden soll, steht zum Schluss auch in den Sternen.

Die Leistung der Sprecher ist hingegen hervorragend. Dem Erzähler Peter Weis gelingt es, unterstützt von feuriger spanischer Musik oder Swingtönen, sehr gut, Stimmungen heraufzubeschwören. Christine Pappert (Dona Juanita) erhält in der Eingangszene und mit ihrem wütenden Ehemann genügend Raum, um ihre Sprecherqualitäten unter Beweis zu stellen. Flambeau, gesprochen von „John Boy Walton“ (Hans Georg Panczack), arbeitet ebenfalls sehr ordentlich und überzeugt durch die Bandbreite der Modulation seiner Stimme.

Warum der Name Flambeau für die Serie herhalten muss, ist hingegen fraglich, denn bis auf mehrere Verweise Alejandros auf stereotype französische Verhaltensweisen seines Freundes weist nichts darauf hin, dass es sich bei Flambeau um einen Franzosen handeln muss. Von einem im Untertitel angekündigten Verbrechen kann ebenfalls nicht die Rede sein, so dass von Pater Browns ursprünglichem Sidekick nichts weiter übrig bleibt als der Name. Hörspielfreunde sollten daher auf andere Serien des |Maritim|-Verlags zurückgreifen, die neben der handwerklichen Qualität auch tatsächlich Spannung und Abenteuer bieten.

http://www.maritim-produktionen.de

Doyle, Arthur Conan / Wakonigg, Daniela – Sherlock Holmes Collectors Edition IX

_Verschwunden, aber nicht unauffindbar_

Für die neunte Edition von Sherlock-Holmes-Hörspielen zieht der |Maritim|-Verlag in ihrer Entstehung zeitlich weiter zurückliegende Kurzgeschichten des britischen Autors Sir Arthur Conan Doyle heran. Befindet man sich mit der Geschichte um den „vermissten Rugbyspieler“ („The Adventure of the Missing Three-Quarter“, 1904) noch in der Sammlung „Die Rückkehr des Sherlock Holmes“ und ist bis dahin in der Abfolge der Herausgabe ihrer Hörspiele in etwa der zeitlichen Entstehungsweise der Kurzgeschichten gefolgt, springt man mit den Bearbeitungen von „Der Mann mit der entstellten Lippe“ („The Man with the Twisted Lip“), „Die Liga der Rothaarigen“ („The Red-headed League“) und „Eine Frage der Identität“ („A Case of Identity“) zurück auf das Erscheinungsjahr 1891 und damit zu den ersten Sherlock-Holmes-Geschichten. Das hängt möglicherweise damit zusammen, dass die bekanntesten Geschichten um den Meisterdetektiv bereits für die Hörspielserie bearbeitet wurden.

Allen vier Fällen der vorliegenden CD Box ist gemein, dass sich das detektivische Kultgespann Holmes und Watson auf die Suche nach Menschen machen muss, die plötzlich unter mysteriösen Umständen verschwunden sind. So beauftragt der Trainer von Cambridges Rugby-Mannschaft in „Der vermisste Rugbyspieler“ den Detektiv damit, seinen besten Spieler namens Godfrey Staunton zu finden, welcher in der Nacht vor dem wichtigsten Spiel auf Nimmerwiedersehen aus seinem Hotel verschwand. Natürlich begeben sich Sherlock Holmes und Dr. Watson sofort nach Cambridge, um im besagten Hotel die erste Spur aufzunehmen. In einem Kriminalfall, der eigentlich gar keiner ist, beginnt nun eine etwas langatmige Suche, bei welcher der Hörer wie Dr. Watson überwiegend im Dunkeln tappt, während Holmes sich wilden Verfolgungsjagden auf einem Fahrrad widmet.

Das Hörspiel lebt bei solchen schwachen Episoden von seinen Sprechern. Christian Rode und Peter Groeger übertreffen sich einmal mehr damit, sich als Holmes und Watson gegenseitig hochzunehmen und zu necken. Dadurch verwandeln sie den lahmen Plot in einen vergnüglichen Schlagabtausch. Zudem trifft Holmes auf einen geizigen Erbonkel namens Lord Mount-James – überzeugend gesprochen von Eberhard Prüter. Der Adlige wird erst kooperativ, als Holmes ihn durchaus amüsiert an dessen größter Schwachstelle – der Angst um sein Vermögen – packt. Dann beweist der Detektiv erneut seine Intelligenz, als er einen anderen Verdächtigen eine Spur zu hinterlassen zwingt, welche schließlich doch noch zur Lösung des Falles führt.

Auch die Hörspiele „Der Mann mit der entstellten Lippe“ und „Eine Frage der Identität“ beinhalten kein Verbrechen im eigentlichen Sinne. Wieder sind Menschen verschwunden, nach denen der Detektiv zu suchen beauftragt wird. Ein schmutziger Bettler mit einer entstellten Lippe wird verdächtigt, den angesehenen Gentleman Neville St. Clair ermordet zu haben. Weil ein unschuldiger Mann, der lieber für einen Verbrecher gehalten und gar getötet werden will, als seine Ehre oder gesellschaftliche Anerkennung zu verlieren, für den Hörer wie für den Detektiv kaum im Bereich des Möglichen liegt, überrascht hier besonders die Schlusswendung – umso mehr, da Sherlock Holmes sich wieder einmal als Freund der Bedrängten erweist und auch für Neville St. Clairs Fall einen alle Parteien befriedigenden Ausgang findet.

In „Eine Frage der Identität“ versucht Dr. Watson, Sherlock Holmes These, „dass es nichts Ungewöhnlicheres gibt als das gewöhnliche Leben“, zu widerlegen. Tatsächlich ist Mary Sutherland unmittelbar vor der Hochzeit ihr Bräutigam Hosmer Angel abhanden gekommen, den Sherlock Holmes nun suchen soll. Schnell stellt sich heraus, dass die junge naive Braut fast nichts über ihren zukünftigen Mann weiß. Ihre wenigen Kenntnisse erweisen sich zudem als verdächtig unpräzise, und das Verhältnis zu ihrem Stiefvater deutet darauf hin, dass der Familie des Mädchens wegen dessen jährlicher monetärer Zuwendung aus einer Erbschaft daran gelegen sein dürfte, sie nicht an einen so unsicheren Kandidaten zu verheiraten. Doktor Watson muss erkennen, dass seine am Gewöhnlichen orientierte detektivische Leistung nicht an die eines Sherlock Holmes heranreicht. Für die Zuhörer ist das vorhersehbare Scheitern der Umkehrung des Detektiv-Helfer-Verhältnisses dennoch immer wieder ein Grund zum Schmunzeln.

Die stärkste Geschichte der Kollektion stellt sicherlich „Die Liga der Rothaarigen“ dar. Das mysteriöse Verschwinden des Arbeitgebers von Jabez Wilson entwickelt sich zu einem Fall mit ungeahnter Tragweite und einer großen Herausforderung an Sherlock Holmes‘ detektivisches Können. Christian Rode und Peter Groeger haben mit dem Schauspieler Michael Habeck erneut die deutsche Stimme von Danny deVito an ihrer Seite. Als blauäugiger Jabez Wilson, der gutgläubig in die Machenschaften einer Verbrecherbande hineingezogen wird, kann er ebenso überzeugen wie zum Beispiel als besorgter Schulleiter Dr. Huxtable auf der „Collectors Edition IV“.

Das große Finale gestaltet sich schließlich in diesem Hörspiel nicht wie in den anderen Geschichten nur erklärend, sondern, wie auf der Box angekündigt, „hoch spannend“. Diese Spannung wird durch Groegers überzeugende Darstellung eines angespannten Dr. Watsons und die passende unruhige musikalische Untermalung unterstützt. Auch die Hintergrundgeräusche verdeutlichen sehr überzeugend den Bankeinbruch. Daher kann der Hörer an dieser Stelle tatsächlich mitfiebern und darf nicht nur ehrfürchtig den Schlussfolgerungen des Meisterdetektivs lauschen.

Als Bonus gibt es am Ende dieser Folge endlich wieder Outtakes aus dem Arbeitsprozess der Sprecher, die verdeutlichen, dass das kreative Chaos im Aufnahmeraum gelegentlich durchaus mit der von Watson geschmähten Unordnung in der Baker-Street-Wohnung mithalten kann. Herrlich! Die Anschaffung der „Sherlock Holmes Collectors Edition IX“ lohnt sich schon deswegen; aber vor allem natürlich wegen der handwerklich gut gemachten und engagierten Umsetzungen der Doyleschen Kurzgeschichten.

_Besetzung:_

|CD1: Der vermisste Rugbyspieler|

Sherlock Holmes: Christian Rode (Christopher Plummer, Leonard ‚Spock‘ Nimoy, Telly ‚Kojak‘ Savalas)
Dr. Watson: Peter Groeger (Armin ‚Quark‘ Shimerman)
Overton: Wolfgang Condrus (Ed Harris, Sam Neill, Jeff Daniels)
Staunton: Michael Pan (Brent ‚Data‘ Spiner, Martin Short)
Portier: Helmut Kraus (Marlon Brando, James Earl Jones)
Lord M. J.: Eberhard Prüter
Beamtin: Marianne Groß (Angelica Huston, Cher)
Armstrong: Klaus-Dieter Klebsch (Alec Baldwin, Peter Stormare, Gabriel Byrne)
Kutscher: Thomas Karallus (Kevin James in „King of Queens“)

|CD2: Der Mann mit der entstellten Lippe|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Lestrade: Volker Brandt (Michael Douglas)
Boone: Michael Schernthaner (Woody Harrelson)
Mrs. Charlotte St. Clair: Veronika Neugebauer (Neve Campbell, ‚Gabi Glockner‘ in „TKKG“)
Mrs. Kate Whitney: Marianne Groß
Jaya: Michael Habeck (Oliver Hardy, ‚Barney Geröllheimer‘, ‚Ernie‘, Danny DeVito)
Mr. Isa Whitney: Donald Arthur (Sir Peter Ustinov, Isaac Hayes)
Sergeant: Michael Pan
Constable 1: Andreas Borcherding (Dan Shea)
Constable 2: Gerhard Acktun (‚Smithers‘ in „Die Simpsons“)
u. a.

|CD3: Die Liga der Rothaarigen|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Inspektor Lestrade: Volker Brandt
Jabez Wilson: Michael Habeck
Vincent Spaudling: Ole Pfennig (Will Arnett)
Duncan Ross: Tobias Lelle (Steve Buscemi, Woody Harrelson)
Mr. Merryweather: Hartmut Neugebauer (Gene Hackman, John Goodman)

|CD4: Eine Frage der Identität|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Miss Mary Sutherland: Veronika Neugebauer
Mr. James Windibank: Michael Schernthaner
Mrs. Helen Windibank: Cornelia Meinhardt (Holly Hunter, Sally Field)
Jonathan Westhouse: Donald Arthur
Postbeamter: Norman Matt (Paul Rudd, Cillian ‚Scarecrow‘ Murphy)
Kutscher: Gerhard Acktun

|286 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86714-187-1|
http://www.maritim-produktionen.de

_Ergänzend dazu:_

[„Sherlock Holmes Collectors Edition I“ 1950
[„Sherlock Holmes Collectors Edition II“ 2130
[„Sherlock Holmes Collectors Edition III“ 5375
[„Sherlock Holmes Collectors Edition IV“ 5530
[„Sherlock Holmes Collectors Edition V“ 5549
[„Sherlock Holmes Collectors Edition VI“ 5581
[„Sherlock Holmes Collectors Edition VII“ 5583

Doyle, Arthur Conan / Wakonigg, Daniela – Sherlock Holmes Collectors Edition VII

_Neue Fälle aus den Memoiren des Sherlock Holmes_

Das eingespielte Sprecherteam Christian Rode und Peter Groeger ist auf der „Sherlock Holmes Collectors Edition VII“ erneut auf den Spuren des großen Meisterdetektivs unterwegs. Unaufgeräumte Zimmer, Schlafmangel und Tischgespräche würzen die Hörspiele dabei mit Witz, sind jedoch eher marginale Probleme. Tatsächlich geht es wie in den meisten guten Detektivgeschichten um Mord oder Diebstahl und die schwarzen Schatten der Vergangenheit, die stets im ungeeigneten Augenblick über Sherlock Holmes‘ Klienten hereinbrechen.

In „Der Bucklige“ („The Adventure of the Crooked Man“, 1893) wird Colonel Barclay nach einem heftigen Streit mit seiner Ehefrau tot aufgefunden und Sherlock Holmes begibt sich mit seinem Freund Dr. Watson in die Garnison Aldershot, um die Unschuld der im Koma liegenden Ehefrau zu beweisen. Die ursprünglich recht bieder und konstruiert wirkende Geschichte des Autors Sir Arthur Conan Doyle wird durch die sowohl in szenischen als auch in erzählenden Passagen überzeugenden Sprecher und an Slapstick erinnernden Einlagen sehr lebendig, so dass der Hörer den unvorhersehbaren Twist gegen Ende der Episode verzeiht. Einziger Wermutstropfen ist der von Thomas Danneberg gesprochene Henry Wood, der so gar nicht den ihm von Sherlock Holmes zugeschriebenen Hass in seine Stimme legt. Man kann sich keinen fast zu Tode gequälten, gebrochenen Mann hinter der jugendlich glatten Stimme vorstellen, die nicht im Geringsten an die dramatische Modulation eines Christian Rode heranreicht.

Auf der zweiten CD erzählt Sherlock Holmes von seinem ersten Fall – dem „Geheimnis der Gloria Scott“ („The Adventure of the Gloria Scott“, 1893), um Dr. Watson vom Aufräumen der Wohnung abzubringen. Während seiner Studentenzeit wird Holmes mit dem plötzlichen Tod des Vaters seines Freundes Victor Trevor konfrontiert, der ihn noch kurz zuvor auf die Idee gebracht hatte, sein Hobby zum Beruf zu machen. Auch diese Geschichte lebt erheblich von den kleinen Sticheleien zwischen Holmes und Watson sowie Holmes‘ Hang zur Theatralik bei der Enthüllung seiner Gedankengänge. Hat man sich in den vorhergehenden Folgen bereits an die Outtakes aus dem Arbeitsprozess der Sprecher gewöhnt, fehlen sie nun zwar auf dieser und der folgenden CD; jedoch verlässt der Hörer die absurd amüsante Rahmenhandlung der „Gloria Scott“ mindestens mit einem Schmunzeln, wenn nicht gar lautem Lachen.

In „Der Flottenvertrag“ („The Adventure of the Naval Treaty“, 1893) ist Sherlock Holmes wie im Fall „Der zweite Fleck“ („The Adventure of the Second Stain“, 1904, zu finden auf der „Collectors Edition IV“) erneut auf den Spuren eines verschwundenen Geheimdokuments, welches dazu führen könnte, dass England der Krieg erklärt würde. Hier wird besonders deutlich, dass die Macher von |Maritim| nicht auf die ursprünglich ausschließlich jazzigen Töne bestehen, sondern, wenn es sich anbietet, auch andere einführende oder untermalende Musik wie hier die britische Hymne verwenden.

Leider muss man sich nach diesem Abenteuer schon wieder von Sherlock Holmes verabschieden, weil die nächste Geschichte auf zwei CDs erschienen ist und sich der Verlag in solchen Fällen dafür entscheidet, eine 3-CD-Box herauszugeben. So handelt es sich bei der „Sherlock Holmes Collectors Edition VII“ um ein kürzeres aber deswegen nicht minder kurzweiliges Hörspielvergnügen, dem im Unterschied zu den vorhergehenden Boxen ein Werbefaltblatt beiliegt, dem man immerhin die Namen der Sprecher entnehmen kann. Damit ist |Maritim| bereits auf dem richtigen Weg zu einem sicherlich kostenintensiveren kleinen Booklet, welches die Kollektion noch einmal aufwerten würde.

_Besetzung:_

|CD1: Der Bucklige|

Sherlock Holmes: Christian Rode (Christopher Plummer, Leonard ‚Spock‘ Nimoy, Telly ‚Kojak‘ Savalas)
Dr. Watson: Peter Groeger (Armin ‚Quark‘ Shimerman)
Major Francis Murphy: Charles Rettinghaus (Jean-Claude Van Damme)
Henry Wood: Thomas Danneberg (Dan Akroyd, John Travolta, Sylvester Stallone)
Colonel Johnson: Christian Mey
Miss Anabel: Sabine Bohlmann (‚Maulende Myrte‘, ‚Maggie Simpson‘)
Mr. Anderson: Michael Habeck (Oliver Hardy, ‚Barney Geröllheimer‘, ‚Ernie‘, Danny DeVito)
Miss Liza Almond: Jo Kern
Mrs. Trudy Venscott: Sabine Gutberlet
Zimmerwirtin von Wood: Dagmar Dempe (Meryl Streep)
Droschkenfahrer: Gerhard Acktun (‚Smithers‘ in „Die Simpsons“)

|CD2: Das Geheimnis der Gloria Scott|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Victor Trevor: Reent Reins (Don Johnson)
Henry Trevor: Gerd Baltus
Hudson, Seemann: Klaus Dittmann
Jack Prendergast: Raimund Krone (Michael ‚Worf‘ Dorn)
Francis Evans: Sascha Schiffbauer
Dienstmädchen von Trevor: Pia Werfel
Arzt: Helmut Krauss (Marlon Brando, James Earl Jones)

|CD3: Der Flottenvertrag|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Lestrade: Volker Brandt (Michael Douglas)
Percy Phelps: Klaus Dittmann
Lord Holdhurst: Helmut Krauss
Mr. Tangey: Sascha Schiffbauer
Mrs. Tangey: Sibylle Kuhne
Charles Gorot: Raimund Krone
Joseph Harrison: Thomas Karallus (Kevin James in „King of Queens“)
Annie Harrison: Christine Pappert (Leah Remini in „King of Queens“)
Constable: Reent Reins

|161 Minuten auf 3 CDs
ISBN-13: 978-3-86714-101-7|
http://www.maritim-produktionen.de

_Ergänzend dazu:_

[„Sherlock Holmes Collectors Edition I“ 1950
[„Sherlock Holmes Collectors Edition II“ 2130
[„Sherlock Holmes Collectors Edition III“ 5375
[„Sherlock Holmes Collectors Edition IV“ 5530
[„Sherlock Holmes Collectors Edition V“ 5549
[„Sherlock Holmes Collectors Edition VI“ 5581

Doyle, Arthur Conan / Wakonigg, Daniela – Sherlock Holmes Collectors Edition VI

_Von Baskerville Hall über Birmingham nach Reigate_

Auch im Jahr 2008 haben die Macher der |Maritim|-Hörspielserie um Sir Arthur Conan Doyles Meisterdetektiv Sherlock Holmes weiter an der Adaption der kompletten Sammlung von Kurzgeschichten und Erzählungen gearbeitet. Daher versammeln sie erneut drei spannende Fälle auf den vier CDs ihrer sechsten „Sherlock Holmes Collectors Edition“.

Mit der durch zahlreiche Buchausgaben und Verfilmungen wohl bekanntesten Sherlock-Holmes-Geschichte „Der Hund der Baskervilles“ („The Hound of the Baskervilles“, 1901) wagt man sich erneut an die Adaption einer längeren Erzählung Doyles, welche von 1901 bis 1902 als Fortsetzungsroman in Doyles Stammblatt |The Strand| erschien und noch vor dessen Abschluss in der Zeitung als Buchformat herausgegeben wurde, damit neugierige Leser nicht länger auf die Auflösung des Falles um den fluchbelasteten Erben Henry Baskerville warten mussten. Wenn Holmes und Watson scherzen, dass sie in jüngster Zeit ein Fall um den anderen in die Region Dartmoor treibt, verweist die Hörspielserie bereits auf sich selbst, denn erst in der zuletzt erschienen Bearbeitung der Kurzgeschichte „Silberpfeil“ („The Adventure of Silver Blaze“, 1892) auf der „Collectors Edition V“ hatten der Detektiv und sein Kompagnon das Verschwinden eines Rennpferdes und den Tod dessen Trainers im Dartmoor aufzuklären, und auch in „Die Internatsschule“ („The Adventure of the Priory School“) waren sie auf den Spuren eines Kidnappers im Moor unterwegs.

Der „Hund der Baskervilles“ hingegen illustriert auf hervorragende Weise das Vertrauen des jungen Doyle in die Rückführbarkeit aller mysteriöser Vorgänge auf eine erklärbare und rationale Ursache. Das Moor, welches den Landsitz der Familie umgibt, ist durch seine Unzugänglichkeit bereits geheimnisumwittert, so dass es für die Einheimischen naheliegt, dass der Höllenhund zurückgekehrt sein und auch den letzten Herrn auf Baskerville getötet haben muss – zumal die Fußspuren eines Hundes in der Nähe des Leichnams gefunden wurden. Da man nun um das Leben des vermeintlich einzigen Erben Sir Henry fürchtet, ruft man Sherlock Holmes zur Hilfe. So wird der angebliche Höllenhund – mit dem die Baskervilles geschlagen sein sollen, seit ein Vorfahre zur Strafe für die Jagd auf ein Mädchen, das ihm nicht zu Willen sein wollte, von einem Hund zerfleischt wurde – als eine mit Phosphor zum leuchten gebrachte Kreuzung aus Bluthund und Dogge enttarnt. Natürlich steht außer Frage, dass der Detektiv nicht nur das Rätsel um den Höllenhund, sondern auch das um den aus dem Gefängnis entflohenen Mörder lösen wird, der sich im Dartmoor versteckt hält und als falsche Fährte für den kriminalisierenden Leser eingeführt wurde.

Mit dem Schauspieler und Synchronsprecher Walter von Hauff (Sir Henry Baskerville) und alten Bekannten wie Melanie Manstein (u. a. Lady Hilde Hope aus „Der zweite Fleck“) oder Volker Brandt, der in den anderen beiden Geschichten „Der Angestellte des Börsenmaklers“ („The Adventure of the Stockbroker’s Clerk“,1893) und „Der Landadel von Reigate“ („The Adventure of the Reigate Squires“, 1893, gelegentlich auch „The Reigate Puzzle“ genannt) erneut als Stimme des Scotland-Yard-Inspektors Lastrade auftritt, haben die Herausgeber den Hauptsprechern Christian Rode (Holmes) und Peter Groeger (Watson) wie immer sehr überzeugende Sprecher zur Seite gestellt. Aus der Arbeitsprobe, die man am Schluss des Abenteuers um Hall Pycroft erhält, wird auf amüsante Weise deutlich, dass es nicht immer einfach ist, die englischen Namen auszusprechen, ohne sich zu verhaspeln. Und obwohl die Sprecher sich tatsächlich nicht so recht entscheiden zu können scheinen, ob Hall Pycroft nun „Hall“ (wie von Holmes und Pycroft selbst) oder „Hell“ (wie von Dr. Watson und Mr. Pinner) ausgesprochen wird, ist das Hörspiel von den Machern auch im aktuellen Diskurs um die Bankenkrise und Börsenspekulationen aktualisiert und mit witzigen Seitenhieben auf die Branche ausgestattet worden: „Ob man den Leuten auf der Straße oder an der Börse das Geld aus der Tasche zieht, macht eigentlich keinen großen Unterschied, oder?“ „Immer nur die Kurse studieren, ein Händchen für Zahlen und Geld, ein bisschen Talent – und schon kann das jeder Dummkopf.“ Allerdings geht man für diese Späßchen und das väterliche Verhältnis zwischen Holmes und Pycroft relativ frei mit dem Holmes-Universum um, denn Doyle gibt keinen Hinweis darauf, dass Pycroft in seinen Kinderjahren Mitglied der Baker-Street-Bande war und sein Berufsstand eigentlich als logische Fortführung seines Lebens auf der Straße gewertet wird.

In „Der Landadel von Reigate“ wird wieder einmal besonders deutlich, dass die Hörspielmacher Holmes‘ und Watsons Verhältnis wie das eines alten Ehepaares darstellen möchten, das durch Watsons Überbesorgnis hinsichtlich des Gesundheitszustandes seines Freundes Holmes sowie Holmes‘ Lamentieren über dessen Besorgnis charakterisiert wird. Man meint, den Schalk in den Augen der Sprecher sehen zu können, wenn sie sich gegenseitig mit kleinen Sticheleien zu übertölpeln suchen. Abgesehen davon illustriert die Geschichte der Cunninghams, die in einem Rechtsstreit mit ihrem Nachbarn Mr. Acton um ein beträchtliches Stück Land stehen, einmal mehr, wie Doyle neuste Erkenntnisse aus der Kriminalistik seiner Zeit für seine Kurzgeschichten verwendet hat, denn Sherlock Holmes überführt die Mörder nicht nur durch gekonnte schauspielerische Einlagen, sondern vor allem mit Hilfe der Untersuchung ihrer Handschriften.

Klanglich stehen die Hörspiele dieses Teils der „Collectors Edition“ den Vorgängern in nichts nach. Man hat sich des Öfteren sogar für Violinenklang statt Jazztrompeten als Zwischenspiele entschieden, was gut mit Holmes‘ Leidenschaft für das Geigenspiel korrespondiert. Alles in allem merkt man trotz Handlungsumstellungen, Kürzungen und kleinen Veränderungen den Hörspielen die Begeisterung der Mitwirkenden für die klassischen Detektivgeschichten Sir Arthur Conan Doyles an, so dass die „Collectors Edition VI“ einmal mehr 268 Minuten Hörvergnügen bedeutet.

_Besetzung:_

|CD1+CD2: Der Hund der Baskervilles|

Sherlock Holmes: Christian Rode (Christopher Plummer, Leonard ‚Spock‘ Nimoy, Telly ‚Kojak‘ Savalas)
Dr. Watson: Peter Groeger (Armin ‚Quark‘ Shimerman)
Sir Henry Baskerville: Walter von Hauff (Michael Moore, Chow Yun-Fat)
Dr. James Mortimer: Crock Krumbiegel (Connor Trinneer, Kevin Bacon)
Mr. Alfred Stapleton: Thomas Karallus (Kevin James in „King of Queens“)
Miss/Mrs. Beryl Stapleton: Melanie Manstein (Linda Park, ‚Fantaghiro‘)
Mr. John Barrymore: Christian Mey
Mrs. Eliza Barrymore: Roswitha Benda
Mr. Frankland: Michael Schernthaner (Woody Harrelson)
Mrs. Laura Lyons: Jo Kern
Rezeptionist: Norbert Gastell (Robert ‚Cornelius Fudge‘ Hardy, ‚Homer Simpson‘)
Kutscher (Clayton): Michael Habeck (Oliver Hardy, ‚Barney Geröllheimer‘, ‚Ernie‘, Danny DeVito)
Postmeister: Andreas Borcherding (Dan Shea)
Richard Selden: Gerhard Acktun (‚Smithers‘ in „Die Simpsons“)

Siehe ergänzend hierzu auch unsere [Rezension 1896 der Romanvorlage.

|CD3: Der Angestellte des Börsenmaklers|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Lestrade: Volker Brandt (Michael Douglas)
Mr. Hall Pycroft: Ole Pfennig (Will Arnett)
Mr. Arthur / Harry Pinner: Udo Schenk (Ray Liotta, Kevin Bacon, Ralph Fiennes)
Mr. Mawson: Helmut Krauss (Marlon Brando, James Earl Jones)
Mrs. Haricot: Daniela Hoffmann (Julia Roberts)
Postbote: Gerhard Acktun
Gerichtsmediziner: Ernst Meincke (Patrick Stewart)
Zeitungsjunge: Wolfgang Bahro (Steve Burton)

|CD4: Der Landadel von Reigate|

Sherlock Holmes: Christian Rode
Dr. Watson: Peter Groeger
Inspektor Forester: Norbert Langer (Burt Reynolds, Tom Selleck)
Colonel Hayter: Crock Krumbiegel
Mr. Cunningham senior: Ernst Meincke
Mr. Alec Cunnigham, sein Sohn: Philipp Brammer (Giovanni Ribisi, Jason Priestley)
Mrs. Kirwan: Roswitha Benda
Benson: Fritz von Hardenberg (Tim Allen)
Polizist: Thomas Kästner (William ‚Krebskandidat‘ Davis)
Kutscher: Norbert Gastell (Robert ‚Cornelius Fudge‘ Hardy, ‚Homer Simpson‘)

|268 Minuten auf 4 CDs
ISBN-13: 978-3-86714-100-0|
http://www.maritim-produktionen.de

_Ergänzend dazu:_

[„Sherlock Holmes Collectors Edition I“ 1950
[„Sherlock Holmes Collectors Edition II“ 2130
[„Sherlock Holmes Collectors Edition III“ 5375
[„Sherlock Holmes Collectors Edition IV“ 5530
[„Sherlock Holmes Collectors Edition V“ 5549

Doyle, Arthur Conan / Wakonigg, Daniela – Sherlock Holmes Collectors Edition V

_Weitere spannende Abenteuer mit hervorragenden Sprechern_

Auf der fünften Zusammenstellung von Hörspielen der |Maritim|-Einzelreihe nach den Sherlock-Holmes-Geschichten Sir Arthur Conan Doyle findet der Hörer erneut knifflige Fälle aus der Feder von Dr. Watson, welcher die Abenteuer des Meisterdetektivs festgehalten hat. Da wäre die Geschichte um das verschwundene Pferd „Silberpfeil“ („The Adventure of Silver Blaze“, 1892), bei der |Maritim| von der häufigeren Übersetzung des Titels als „Silberstern“ abgewichen ist. Diese Änderung scheint nachvollziehbar, weil sich bei der Übersetzung von „Blaze“ mit „Pfeil“ die Verbindung zur Schnelligkeit des Rennpferdes förmlich aufdrängt. Die „Edition V“ versammelt neben dieser Geschichte auch eine Bearbeitung des Abenteuers „Der zweite Fleck“ („The Adventure of the Second Stain“, 1904) sowie „Die Internatsschule“ („The Adventure of the Priory School“, 1904) in der wie üblich rot gehaltenen Editionshülle mit einem Filmfotoaufdruck, der einen grüblerischen Sherlock Holmes zeigt. Bei der Übersetzung des Ausdrucks „Priory School“ wich man möglicherweise des moderneren Sprachgebrauchs wegen von der gebräuchlichen Übersetzung als „Abtei-Schule“ ab.

Im Entführungsfall des Sohns des Herzogs von Holdernesse aus der besagten Internatsschule sind die Sprecher Christian Rode (Sherlock Holmes) und Peter Groeger (Dr. Watson) wieder in Hochform. Man fragt sich, wie Holmes es eigentlich so lange Zeit seines Lebens ohne seinen dienstbeflissenen Sidekick Watson ausgehalten hat, der gelegentlich eher wie ein Butler dargestellt wird denn als gleichwertiger Partner. Besondere Heiterkeit löst bei treuen Hörern inzwischen nicht nur Watsons „Aber Holmes!“, sondern auch dessen komische Verzweiflung angesichts der sprunghaften Launen des Meisterdetektivs aus. Doch wie immer sind in diesen Hörspielen der „Collectors Edition“ zahlreiche weitere bekannte Stimmen vereint. Mit dem Schauspieler Michael Habeck (u. a. „Der Name der Rose“, „Alarm für Cobra 11“), der als Schulleiter Dr. Huxtable überzeugt, hat man Holmes und Watson die deutsche Stimme von Danny deVito zur Seite gestellt. Auch Hans Georg Panczak, die Stimme des unehelichen Sohns des Herzogs, ist dem deutschen Publikum als ‚John Boy‘ oder ‚Luke Skywalker‘ bekannt.

Herausragend ist ebenfalls die Arbeit der Theater- und Filmschauspielerin Melanie Manstein, die bereits verschiedenen Serienstars ihre Stimme lieh und in „Der zweite Fleck“ die verzweifelte, jedoch kluge Lady Hilda spricht, die dem Detektiv mit ihrer scheinbar unmotivierten Handlungsweise und dem ihm suspekten weiblichen Wesen einige Rätsel aufgibt. So wird der berühmte Detektiv zu einem Fall hinzugezogen, der so delikat ist, dass die Veröffentlichung eines streng geheimgehaltenen und nun verschwundenen Schmähbriefes durchaus in einem europaweiten Krieg gipfeln könnte. Der Autor legte seinem Sprachrohr Dr. Watson eigentlich zu Beginn dieser Mischung aus Liebesdrama und Spionagegeschichte die Bemerkung in den Mund, dass Holmes sich bei der Veröffentlichung des Falles bereits aus dem aktiven Leben zurückgezogen hätte, um in Sussex Bienen zu züchten. Diese für Holmes-Freunde und seine „Biografen“ elementare Bemerkung ist leider den unvermeidlichen Kürzungen und Umstellungen für das Hörspiel zum Opfer gefallen.

Der aus den Serien „Tatort“ oder „Traumschiff“ sowie als Sprecher der Hörspielserie „Die drei ???“ und Stimme von Michael Douglas bekannte Schauspieler Volker Brandt gibt in „Der zweite Fleck“ und in „Silberpfeil“ einmal mehr einen engagierten, leicht überheblichen Inspektor Lestrade, der jedoch komplexe Zusammenhänge selbst in langen Textpassagen lebendig und überschaubar wiedergeben kann. Seine enge Zusammenarbeit mit Sherlock Holmes hat bereits Spuren hinterlassen. So erinnert seine Untersuchung des Teppichs, auf dem der ermordete Mr. Lucas aufgefunden wurde, stark an die Vorgehensweise des Detektivs. Tatsächlich hält der Urheber der Geschichten Lestrade für den hoffnungsvollsten und fähigsten aller Scotland-Yard-Inspektoren, als der er in der Hörspielserie nur selten dargestellt wird.

Wie üblich ist die Geräuschunterstützung eher sparsam gehalten. Kurze jazzige Einleitungen stimmen auf die Geschichten ein. Sie sind ebenso charakteristisch für Übergänge und den Ausklang. Abgesehen davon werden geheimnisvolle Stimmungen durch Windgeheul, Donner, Schritte und Türgeräusche heraufbeschworen. Das Pferderennen im Dartmoor wird demgegenüber jedoch mit einer lauten, pfeifenden und klatschenden Menschenmenge sowie Hufegetrappel unterlegt, das ruhig etwas deutlicher hätte hervortreten können. Im Moor in „Die Internatsschule“ wartet der Hörer aber vergeblich auf den einsetzenden Regen nach einem sich schier endlos hinziehenden Gewittergrummeln. Ein besonderes Schmankerl der Kollektion verbirgt sich aber unter Track 16 der CD „Silberpfeil“, auf dem man den Sprechern für ein paar Minuten bei der Arbeit zuhören kann und den Eindruck bestätigt findet, dass diese jede Menge Spaß dabei haben, der sich definitiv auf die Hörer überträgt.

Auf der fünften Zusammenstellung von Hörspielen der erfolgreichen Sherlock Holmes Einzelausgabe für die „Collectors Edition“ haben die Macher von |Maritim| sich für nur drei CDs entschieden, da die folgende Episode „Der Hund der Baskervilles“ („The Hound of the Baskervilles, 1901) auf zwei CDs erschienen ist und daher erst auf der Teil VI der Edition Platz gefunden hat. Der Preis ist dennoch mit 14,95 Euro für die Box gleich geblieben, was nicht völlig nachvollziehbar ist. Erneut vermisst man ein kleines Booklet. Von der Erscheinungsweise in relativ sperrigen Doppel-CD-Boxen wird der Verlag leider der Kontinuität der Sammlung zuliebe nicht mehr abweichen, auch wenn die komplette Edition aller Kurzgeschichten in Hörspielform, die sich die Macher als Ziel gesetzt haben, dann sehr viel Raum im CD-Regal beanspruchen wird. Daher heißt es „Platz schaffen“, denn wem die Serie bis hierhin gefallen hat, der wird die kommenden Boxen auch nicht missen wollen.

_Besetzung:_

|CD 1: Die Internatsschule|

Sherlock Holmes: Christian Rode (Christopher Plummer, Leonard ‚Spock‘ Nimoy, Telly ‚Kojak‘ Savalas)
Dr. Watson: Peter Groeger (Armin ‚Quark‘ Shimerman)
Dr. Huxtable: Michael Habeck (Oliver Hardy, ‚Barney Geröllheimer‘, ‚Ernie‘, Danny DeVito)
Mr. James Wilder: Hans-Georg Panczak (Mark ‚Luke Skywalker‘ Hamill)
Herzog: Norbert Gastell (Robert ‚Cornelius Fudge‘ Hardy, ‚Homer Simpson‘)
Miss Molly: Susanne Meikl
Mr. Hayes: Torsten Münchow (Brendan Fraser, Antonia Banderas)
Mr. Baines: Andreas Borcherding (Dan Shea)
Constable Bankkirk: Fritz von Hardenberg (Tim Allen)

|CD 2: Der zweite Fleck|

Sherlock Holmes: Christian Rode (Christopher Plummer, Leonard ‚Spock‘ Nimoy, Telly ‚Kojak‘ Savalas)
Dr. Watson: Peter Groeger (Armin ‚Quark‘ Shimerman)
Lady Hilda Hope: Melanie Manstein (Linda Park, ‚Fantaghiro‘)
Lord Bellinger: Michael Mendl
Lord Trelawney Hope: Michael Brennicke (Chevy Chase)
Contable McPherson: Tobias Lelle (Woody Harrelson)
Butler: Mogens von Gadow (Joe Pesci, Bob Hoskins, Sir Ian Holm)
Zeitungsjunge: Philipp Brammer (Giovanni Ribisi, Jason Priestley)
Sergeant: Manfred Erdmann (Mr. T)

|CD 3: Silberpfeil|

Sherlock Holmes: Christian Rode (Christopher Plummer, Leonard ‚Spock‘ Nimoy, Telly ‚Kojak‘ Savalas)
Dr. Watson: Peter Groeger (Armin ‚Quark‘ Shimerman)
Lestrade: Volker Brandt (Michael Douglas)
Colonel Ross: Christian Mey
Edith Baxter: Sabine Bohlmann (‚Maulende Myrte‘, ‚Maggie Simpson‘)
Ned Hunter: Gerhard Acktun (‚Smithers‘ in „Die Simpsons“)
Fitzroy Simpson: Fritz von Hardenberg (Tim Allen)
Silas Brown: Andreas Borcherding (Dan Shea)
Mr. John Straker: Michael Schernthaner (Woody Harrelson)
Mrs. Straker: Sabine Gutberlet
Constable McGregor: Norbert Gastell (Robert ‚Cornelius Fudge‘ Hardy, ‚Homer Simpson‘)
Stallbursche: Phillipp Brammer (Giovanni Ribisi, Jason Priestley)

|ISBN-13: 978-3-86714-052-2|
http://www.maritim-produktionen.de

_Ergänzend dazu:_

[„Sherlock Holmes Collectors Edition I“ 1950
[„Sherlock Holmes Collectors Edition II“ 2130
[„Sherlock Holmes Collectors Edition III“ 5375
[„Sherlock Holmes Collectors Edition IV“ 5530

Irtenkauf, Dominik – Holmes und das Elfenfoto (Sherlock-Holmes-Criminal-Bibliothek, Band 6)

_Auf den Spuren Sir Arthur Conan Doyles_

1920 erschien im |The Strand Magazine| ein Artikel unter dem Titel „Epochales Ereignis – Feen fotografiert“. Demzufolge hatten drei Jahre zuvor zwei Mädchen aus der englischen Grafschaft Cottingley mit der Kamera ihres Vaters Aufnahmen voneinander gemacht, auf denen auch lebhafte Feenwesen zu sehen waren. Der Verfasser des Artikels war kein anderer als Sir Arthur Conan Doyle, der sich inzwischen vom Bewunderer des rational analytischen Denkens, wie es auch seine wohl berühmteste Figur, der Detektiv Sherlock Holmes, verkörpert, zum bekennenden Spiritisten gewandelt hatte. Abgesehen davon, dass der Glaube an die Echtheit der Fotos als Beweis der Existenz von Feen den eloquenten Ruf des Autors untergraben hat, gestand die inzwischen 83-jährige Elsie Wright erst Ende des 20. Jahrhunderts ein, dass die Fotos von den „Cottingley Fairies“ mithilfe auf stabilem Karton nachgezeichneter Kinderbuchillustrationen entstanden und damit Fälschungen waren. Für Arthur Conan Doyle kam dieses Geständnis ein halbes Jahrhundert zu spät. Er nahm seine Überzeugung mit ins Grab.

Der Autor Dominik Irtenkauf hat sich zweifellos von dieser Episode im Leben Doyles, die scheinbar im Widerspruch zu dem wissenschafts- und technikbegeisterten Abschnitt der Menschheitsgeschichte zu stehen scheint, für sein Romandebüt „Holmes und das Elfenfoto“ inspirieren lassen. Nachdem sich Doktor Watson eine Zeit lang völlig auf seine Arbeit als praktizierender Arzt und auf seine Ehefrau konzentriert hat, fehlen ihm nach seinem Auszug aus der Baker Street 221b schließlich die Abenteuer, welche er mit seinem Freund, dem genialen Sherlock Holmes, stets auf den Spuren des Verbrechens erlebt hat. Aber es genügt bereits ein spontaner Besuch in der alten Wohnung, und schon befindet sich Dr. Watson wieder mitten ein einem neuen Fall des Detektivs. Dieser hat sich gerade des angesehenen Adligen und Politikers Lord Suffrey angenommen, welcher mit Hilfe von Fotos, die ihn in kompromittierenden Situationen mit leichten Mädchen zeigen, erpresst wird.

Scheinen die Fakten zunächst auf eine gewöhnliche Erpressung hinzudeuten, entwickeln sich jedoch die Beschattung des zwielichtigen Fotografen und der Tatsache, dass eine Mätresse des Lords plötzlich zerstückelt sowie merkwürdig kostümiert und geschminkt im Park aufgefunden wird, zur Jagd auf eine mysteriöse Sekte, welche die Rückkehr des Paradieses in Gestalt des mythischen Elfenlandes Albion im Gegensatz zur unsicheren Zeit der sozialen und politischen Umbrüchen des 19. Jahrhunderts predigt. Nun ist Sherlock Holmes nicht mehr nur auf den Spuren von Erpressern oder eines dubiosen Kunsthändlers unterwegs, sondern muss sich neben der Suche nach einem wahnsinnigen Mörder auch mit den Möglichkeiten der neuen Technik der Fotografie und der Manipulierbarkeit der nur scheinbar die Realität reproduzierenden Bilder beschäftigen.

Der Autor Dominik Irtenkauf mischt in seinem 2009 im |BLITZ|-Verlag erschienen Roman „Holmes und das Elfenfoto“ mit Phantastik und klassischer Detektivgeschichte zwei Genres, die auf den ersten Blick nicht gerade kompatibel erscheinen – jedenfalls wenn man von den Ursprüngen der Geschichten Sir Arthur Conan Doyles als „Erzählungen vom logischen Denken“ ausgeht. Die wenig realitätsbezogene Welt der Feen und Elfen der fantastischen Literatur trifft auf die Welt der Kriminalgeschichte, in der nach Einschreiten des Detektivs alles Mysteriöse oder Rätselhafte auf seine stets irdische und einem menschlichen Plan entsprungene Ursache zurückgeführt wird. Da diese Sherlock-Holmes-Pastiche zeitlich nur ein gutes Stück nach der Heirat Dr. Watsons angesiedelt ist, steckt hinter alledem natürlich das geniale Verbrechergehirn der ewigen Nemesis des Detektivs, seines Erzfeindes Professor Moriarty. Wie Doyle selbst, geht auch Irtenkauf dabei nicht ins Detail, sondern postuliert, dass der Handel mit den vorgeblich künstlerischen erotischen Fotografien vor allem ein Geschäft der Londoner Unterwelt ist und der Napoleon des Verbrechens zweifellos dahintersteckt.

Auf der anderen Seite setzt sich der Autor mit dem Mythos „des kleinen Volkes“ der Elfen auseinander, das die britischen Inseln dereinst gemeinsam mit den Menschen bewohnt haben, von ihnen jedoch verdrängt worden sein soll. Bezeichnend ist, dass die einzigen Personen, die diesen Mythos für zweifelsfrei real halten, ein geistig Behinderter und einige Sektenmitglieder sind. Der Sektenführer benutzt den Mythos, um Macht auszuüben und Bewunderer um sich zu scharen. Um seinen perversen Mordgelüsten nachgehen zu können, macht er sie glauben, dass in den vorgeblich unreinen Prostituierten Elfen eingeschlossen wären, die man aus deren Körpern befreien müsse. Leider versucht der Autor die Existenz der Elfenwelt offenzuhalten und wie Dr. Watson auf eine „Grauzone“ zwischen Realität und Fantasie zu verweisen. Dabei steht innerhalb der Handlung die Feen-Einleitung ebenso isoliert wie das Elfentheaterstück oder die Elfenbücher, die wie der gesamte Mythos nur zur Flucht der Menschen vor den Problemen ihres Alltags in eine andere Welt dienen.

Viel interessanter ist jedoch die Verarbeitung der Hoffnung der Menschen, die in der Technik- und Wissenschaftsbegeisterung des ausgehenden 19. Jahrhunderts den Möglichkeiten der Evolution oder der Fotografie entgegengebracht wurden. Ganz in der Tradition Doyles, der in seinen Kurzgeschichten neueste Innovationen der Technik wie beispielsweise die Bedeutung von Fingerabdrücken aufgenommen hat, spekulieren die Charaktere in „Holmes und das Elfenfoto“ über das Potenzial der Fotografie. Zum einen wird sie als unschätzbar für die Anlage einer Verbrecherkartei gesehen. Es werden jedoch auch Überlegungen dahingehend angestellt, ob man mit ausreichend Fotomaterial bereits vom Aussehen her einen Prototyp des Verbrechers ausmachen könnte. Deutlich wird ebenfalls die rasante Entwicklung, die eben nur Familienporträts bei besten Lichtverhältnissen hervorbringt, aber schon ein paar Jahrzehnte später bereits mithilfe ausgeklügelter chemischer Prozesse Manipulationen in ungeahnten Ausmaßen zulässt, die nur bei sehr gründlicher Untersuchung der Aufnahmen zutage treten und trotzdem nicht bewiesen werden können. Faszinierend scheinen auch die Möglichkeiten, die sich mit Darwins Evolutionstheorie und der beginnenden anatomischen Forschung am Menschen plötzlich bieten. So beschäftigt sich die Wissenschaft in „Holmes und das Elfenfoto“ mit der Rückführung der Arten auf mögliche Urtypen und deren hypothetischem Überleben, wie man es aus Doyles [„The Lost World“ 1780 (1912) kennt. Irtenkauf nutzt die Gelegenheit, einem Wissenschaftler, welcher derlei Spekulationen für absurd hält, einen ironischen Seitenhieb auf Conan Doyles erfolgreiche Publikation in den Mund zu legen.

Solche ironischen Momente gelingen dem Autor, weil er viel kulturelles Hintergrundwissen einbringt und Wert auf Kleinigkeiten legt. Ein weiteres Beispiel dafür ist die semantische Verwandtschaft des namens Suffrey mit dem englischen „to suffer“, das eine Fülle von Assoziationen auslösen kann. Tatsächlich ist es der Lord, der sich „leidend“ dünkt, wobei er materiell mit Geld und Ländereien durchaus sehr gut gestellt ist. Einzig seine Sexualität auszuleben, ist ihm mit seiner traditionell zur Weiterführung des Stammbaums, zur Repräsentation oder zur Bewunderung ihres Ehemannes erzogenen Ehefrau scheinbar nicht gegönnt. Möge mancher Mann auch darunter leiden – ironisch gebrochen an den Problemen der restlichen Charaktere des Romans wirkt selbst dieses „Leid“ schon wieder lächerlich.

Was ebenfalls bereits auf den ersten Seiten der eigentlichen Kriminalgeschichte positiv auffällt, ist, dass der Autor den Ton der ursprünglichen Sherlock-Holmes-Geschichten getroffen hat. So kann der Leser ohne langwieriges Einlesen in den Roman eintauchen. Natürlich steht von Vornherein außer Frage, dass der Detektiv das Rätsel lösen wird und der Reiz der Geschichte in einer Vielzahl von Zusammenhängen besteht, die von Holmes (und dem Leser) entwirrt werden müssen. Dennoch wünscht man sich, der Autor würde den Leser hier etwas mehr an die Hand nehmen, damit er nicht ständig ebenso im Dunkel der mysteriösen Vorgänge herumtappt wie Dr. Watson.

Möglicherweise hat der mit knapp 30 Jahren noch recht junge Autor aus purer Lust am Schreiben und Ausprobieren weitere Erzählstile in den Roman eingeflochten. Doch gerade eine Straffung in diesen Abschnitten hätte dem in Teilen recht langatmigen Werk zu mehr Spannung verholfen. Geeignet wäre beispielsweise eine Reduzierung des Wortlauts der wiedergegebenen Vorträge gewesen. Auch auf die Wiedergabe des Theaterstücks hätte verzichtet werden können, da es den Lauf der Handlung bremst. Der Ausflug in die Irrenanstalt ist eher interessant als dramaturgisch notwendig. Die Darstellung des Lebens von Lords Suffrey in Schottland oder die Überlegungen der Prostituierten hinsichtlich ihrer in Ansätzen emanzipierten Freundin bringen die Handlung ebenfalls nicht voran. Der durch die Reise nach Europa verlängerte Schluss nach der Überführung der Mörder bringt für den Leser keine neuen Erkenntnisse und lässt das erlösende Moment der Überführung des Mörders verpuffen.

Irtenkauf hat sich vorgenommen, Sherlock Holmes wie seinen Schöpfer über „Kräfte auf dieser Welt, die sich vehement dem rationalistischen Zugang entziehen“ stolpern zu lassen und stellt sich damit selbst ein Bein, denn Sherlock Holmes ist nicht Arthur Conan Doyle, und offene Fragen passen nicht zur unfehlbaren Denkmaschine Holmes. Sicherlich besitzt die Verknüpfung von Phantastik und Ratio einen gewissen Reiz, aber es liegt in der Natur der traditionellen Detektivgeschichte, der Holmes und Watson entsprungen sind, dass dem Fantastischen eine rationale Erklärung zugrunde liegt. Demzufolge ist es dem |BLITZ|-Verlag gelungen, das Sherlock-Holmes-Universum mit diesem Roman der „Sherlock-Holmes-Criminal-Bibliothek“ zu bereichern, aber auf die Verknüpfung mit den nicht völlig aufgelösten fantastischen Elementen muss man sich einlassen, um an „Holmes und das Elfenfoto“ gefallen zu finden.

|160 Seiten, Pulp-Paperback
ISBN-13: 978-3-89840-216-3|
http://www.blitz-verlag.de

_Mehr von Dominik Irtenkauf auf |Buchwurm.info|:_

[„Worträtsel“ 4212
[„Der Teufel in der Tasche“ 2657
[„Subkultur und Subversion“ 2656

Sherlock Holmes Collectors Edition IV

Auf den scharlachroten Spuren des Verbrechens

Seit einigen Jahren erscheinen in der Verlagsgruppe Herrmann in regelmäßigen Abständen neue CD-Boxen ihrer Hörspielfassungen der Abenteuer des weltbekannten Meisterdetektivs Sherlock Holmes. Auf der vorliegenden „Sherlock Holmes Collectors Edition IV“ vereinen die Macher einmal mehr drei spannende Kriminalfälle aus der Feder des englischen Schriftstellers Sir Arthur Conan Doyle. Die Wahl ist zudem auf drei Abenteuer gefallen, die einen guten Einblick in die persönlichen Beziehungen und Ansichten von Sherlock Holmes ermöglichen, welche man im Zusammenhang mit der von Watson beschriebenen eigenbrötlerischen Denkmaschine Holmes kaum vermutet. So erfährt der Hörer beispielsweise in „Eine Studie in Scharlachrot“ auf zwei CDs, wie sich Holmes und Watson kennengelernt und die Räume in der Bakerstreet bezogen haben. Dort werden sie schon bald gemeinsam in die Aufklärung des rätselhaften Mordes an Enoch Drebber verwickelt.

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Preyer, J. J. – Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung

_Holmes oder nicht Holmes_

Der Meisterdetektiv Sherlock Holmes hat sich in ein kleines Hotel in Sussex zurückgezogen. Er hat die 70 überschritten und ist so wohlhabend, dass er sein Hotelzimmer, weite Reisen und seine Wohnung in der Baker Street problemlos finanzieren kann. Zu seinen Freunden zählen neben Doktor Watson auch Stephen Moriarty, der Sohn eines seiner größten Widersacher.

Sherlock Holmes‘ beschauliches Leben als Hotelgast und Wahlonkel für den fünfjährigen Rory wird jedoch unterbrochen, als ihn der englische Geheimdienst wegen eigentümlicher Morde in der Shakespeare-Geburtsstadt Stratford-upon-Avon – die in Josef Preyers Roman „Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung“ als „Stratford-on-Avon“ (so der Name des zugehörigen Verwaltungsdistriktes) bezeichnet wird – konsultiert.

Dort wurde Literaturprofessor Jonathan Hall ermordet und zudem im wörtlichen Sinne mit einem Shakespeare-Zitat gebrandmarkt aufgefunden. Während Sherlock Holmes, Dr. Watson und Stephen Moriarty die Spur des Täters aufnehmen, die sie über Shakespeares Grab, London und Rom schließlich in eine Geheimkammer in den alten Königspalast nach Edinburg führt, werden noch mehr Morde dieser Art verübt, um das lange gehütete Geheimnis der wahren Identität von William Shakespeare zu bewahren.

J. J. Preyer reiht sich mit seiner wilden Mixtur aus Indianer Jones‘ Kristallschädeln, Dan Browns reißerischen Verschwörungstheorien und Shakespeare-Zitaten in eine Vielzahl von Sherlock-Holmes-Pastiches ein, welche Sir Arthur Conan Doyles Detektiv seit dem Wegfall des Urheberrechts in alle möglichen Länder der Welt, in den Weltraum und sogar in verschiedene Zeiten verschlagen hat. Der Autor kam über eine Trilogie von Freimaurer-Romanen auf den Stoff seines ersten Sherlock-Holmes-Romans „Holmes und die Freimaurer“ (2006). Mit „Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung“ betritt er ein literaturwissenschaftliches Feld voller Spekulationen und wählt mit dem Hauptbezug zu Shakespeares „Titus Andronicus“ ein Jugendwerk, das aufgrund seiner für Shakespeare untypisch flachen Charaktere, der bizarren Handlung und der unglaublichen Brutalität immer wieder Zweifel an der Urheberschaft hervorgerufen haben.

Referenzen auf „Titus Andronicus“ sind für einen Krimi durchaus geeignet, da das Stück praktisch nur aus Morden und anderen Gräueltaten besteht. Doch abgesehen davon wird seit dem 18. Jahrhundert zu beweisen versucht, dass William Shakespeare nicht der Autor der ihm zugeschriebenen Werke ist. Einige Thesen wie die unterschiedliche Schreibweise des eigenen Namens bei Unterschriften und die Tatsache, dass kein einziges handschriftliches Original erhalten geblieben ist, greift Preyer in seinem Roman auf. Doch entgegen der Tradition der Anti-Stratfordianer, deren Spekulationen über Francis Bacon und Christopher Marlowe bis hin zu Königin Elisabeth reichen, entwickelt Preyer eine neue spannende Idee, die durchaus schlüssig erscheint, wenn man sich mit dieser Problematik bisher nicht beschäftigt hat.

Der Autor schickt nun also Sherlock Holmes in das Rennen um die Auflösung der wahren Identität William Shakespeares und natürlich des Rätsels um den Mörder mit der offensichtlichen Affinität zu Shakespeares Werken. Neben Holmes gibt es weitere Ermittler: Dr. Watson ist in Stratford vor Ort. Stephen Moriarty und die Literaturwissenschaftlerin Myra Hall, deren Familie selbst von den Morden betroffen ist, reisen in Sherlock Holmes‘ Namen einer Spur der Shakespeare-Verschwörung nach Italien und Schottland hinterher. Des Weiteren ist ein zwielichtiger Archäologe namens Dan Symmons mit von der Partie. Auch in der starken Reisetätigkeit und dem daraus resultierenden Tempo erinnert der Roman eher an Thriller oder Spionagewerke.

Die Geschichte wird nicht traditionell von Dr. Watson, sondern von Stephen Moriarty erzählt. Somit muss der Autor sich zwar nicht mit einer Anlehnung an Doyles Erzählstil belasten, büßt jedoch einen Großteil Atmosphäre ein. Moriarty ist kein ehrfürchtiger Bewunderer des Detektivs, der wenigstens Bruchteile von dessen Glanztaten an die Öffentlichkeit übermitteln möchte, sondern schreibt aus psychologischen Gründen, die sich dem Leser jedoch nicht völlig erschließen, weil sie nur damit erklärt werden, dass er ein Problem mit seiner Abstammung vom „Napoleon des Verbrechens“ (Professor Moriarty) hat.

Obwohl Preyer sowohl mit Verweisen auf die Unsterblichkeit der Personen von Shakespeares Stücken als auch mit der Übertragung dessen auf die Unsterblichkeit von Sherlock Holmes sowie Erwähnungen von gewissen exzentrischen Marotten des großen Detektivs nicht geizt, gelingt es ihm nicht, seinen Holmes überzeugend darzustellen. Im Grunde hätte es hier auch jeder andere Name sein können, was jedoch weniger verkaufsfördernd gewesen wäre. Zudem arbeitet der Autor mit kurzen Szenen, abrupten Übergängen und wenigen Beschreibungen, so dass der Leser allein auf seine eigenen Vorstellungsfähigkeiten zu bauen gezwungen ist. Preyer setzt dabei entweder auf die Wirkung archetypischer Orte wie Grabkammern, traditionelle Theaterbauten und Hotelzimmer oder altbekannter Orte wie die Bakerstreet 221B. Was jedoch in einer Shortstory legitim ist, wirkt in diesem Roman eher, als mangle es dem Autor an literarischen Fertigkeiten. Sherlock-Holmes-Fans werden daher von „Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung“ weniger angetan sein als die Freunde von Verschwörungstheorien und temporeich verpackten Bildungshäppchen.

|Criminalbibliothek, Band 2
256 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-89840-278-1|
http://www.BLITZ-Verlag.de