Der alte Mann ist ärgerlich. „Solche wie die RAF müsste es wieder geben, damit sich hier etwas ändert.“ Ein Zitat aus dem Spätsommer 2008, während einer Umfrage vor der Kommunalwahl in Potsdam. Drei andere Männer stehen an diesem Morgen um den wütenden Herren herum, alle mit kleinen Hunden an der Leine. Und alle nicken, als er die RAF und ihre Taten verherrlicht.
Die Bombenattentate von damals finden immer noch Sympathisanten – und sind inzwischen auch Filmattraktionen. Mit Streifen wie dem für den Oscar nominierten „Der Baader Meinhof Komplex“ (die Schreibung entspricht einer neueren Unsitte der Filmindustrie; die Buchvorlage schreibt sich ganz korrekt „Der Baader-Meinhof-Komplex“) oder dem Fernsehfilm „Mogadisch“ sind erst jüngst wieder die Rote Armee Fraktion und Namen wie Andreas Baader, Gudrun Enslin oder Brigitte Mohnhaupt zentral ins Gedächtnis der deutschen Öffentlichkeit gerückt – als Stoff für actionreiche Dramen. Und auch die Diskussionen um die Taten der RAF vor mehr als 30 Jahren halten an.
Einen betont nüchternen Beitrag zum Thema haben schon vor vier Jahren die Politikforscher Karin Wieland, Wolfgang Kraushaar und Jan Philipp Reemtsma vorgelegt. In ihrem Büchlein versuchen sie auf 150 Seiten den Mythos RAF und dazugehörige Legenden zu entzaubern. Drei Thesen stellen sie auf: Die Studentenbewegung, aus der die RAF schließlich entstanden ist, war längst nicht so unschuldig wie oft behauptet, der Terror längst nicht zufällig. In einem weiteren Text wird die Persönlichkeit von RAF-Chef Andreas Baader beschrieben, sein Narzissmus, sein Hochmut, seine Aggression, seine Unfähigkeit zu Selbstreflexion. Schließlich geht es um den Mythos RAF an sich: Wie vor allem schafften es Terroristen dieses Schlages, eine breite Unterstützerszene für ihr Tun zu gewinnen. Dieses Thema zieht sich auch durch die anderen Texte, besonders die linke Bewegung der Bundesrepublik wird kritisiert: Die Verbrechen der RAF seien oft übersehen worden. Stattdessen sei den Terroristen häufig mit Verständnis begegnet worden, weil diese angeblich von Staat und Gesellschaft isoliert worden seien – stattdessen hätten aber gerade ihre Taten die Isolierung bewirkt. Dazu werfen die Autoren der extrem linken Szene der damaligen Zeit eine Art Undankbarkeit vor: „Rückblickend besteht der Eindruck, als habe diese Generation alles unternommen, um zu vertuschen, dass sie die eigentlichen Gewinner der Bundesrepublik sind.“
Solche Positionen sind freilich streitbar. Doch sind die Argumentationsstrukturen der drei Autoren zumindest so klar aufgebaut, dass ihre Grundannahmen schlüssig belegt scheinen. Allein ein Problem gibt es: Leider sind vor allem die Texte von Kraushaar und Reemtsma allzu oft in stark wissenschaftlichem Stil gehalten, Laien könnten dies schnell als dialektisches Geschwurbel abtun. Dieser vielfach umständliche Ausdruck ist es dann aber auch, der Menschen mit Interesse für das Thema abschrecken könnte – gerade bei so spannender Materie wie dem Verhältnis von linker Szene und RAF ist das eine bedauernswerte Schwäche. Wer sich allerdings dann doch durch die 150 Seiten gekämpft hat, wird die RAF möglicherweise neu sehen – nicht als Heilsbringer, nicht als moderne Kinohelden. Sondern als ideologisch verblendete Verbrecher.
|142 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-936096-54-5|
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