Alle Beiträge von Michael Drewniok

Reiner Boller & Christina Böhme – Lex Barker. Die Biographie

In sieben Groß- und 25 Unterkapiteln wird das Leben und Schaffen des Alexander Crichlow „Lex“ Barker jr. vor dem überwältigten Leser ausgebreitet: Diese Biografie umfasst 550 großformatige, auf bestes Kunstdruckpapier gebannte Seiten – kein Buch, das man auf dem Rücken liegend & mit dem Bauch stützend lesen sollte …

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Bass, Bill / Jefferson, Jon – Knochenleser, Der

Knoxville im US-Staat Tennessee gehört zu jenen unglücklichen Städten, die nur über eine echte Sehenswürdigkeit verfügen, mit der indessen rein gar kein touristischer Staat zu machen ist: Hier hat die University of Tennessee in den 1970er Jahren die „Body Farm“ eingerichtet. Dr. Bill Bass, ein forensischer Pathologe, der von kriminalistischen Einrichtungen aller Art immer wieder als Berater bei rätselhaften Leichenfunden zu Rate gezogen wurde, war lange Zeit mit der ärgerlichen Tatsache konfrontiert, dass bei der Bestimmung der Zeit, die so ein „Kunde“ in einem Wald, einem Fluss oder unter dem Fundament eines Hauses gelegen hatte, der Zeitpunkt des Todes einfach nicht präzise festgestellt werden konnte: Niemand wusste wirklich, wie der Prozess der Verwesung ablief.

Aus Gründen, die auf der Hand liegen, waren selbst Wissenschaftler vor grundsätzlichen Forschungen auf diesem Gebiet zurückgeschreckt. Es bedarf einer besonderen Sorte Mensch, um sich planmäßig dem Grauen zu stellen, das Zeit, Feuchtigkeit und vor allem Insekten aus einer Leiche modellieren. Bill Bass ist ein solcher Mensch; zwar nicht immun gegen die unerfreulichen Seiten seiner Wissenschaft, aber mit Leidenschaft dabei, das Notwendige anzugehen. Den letzten Anstoß gab ihm die in ihrer grausigen Komik äußerst unterhaltsame Episode mit einer kopflosen Leiche, die er in einer bizarren Verkettung unglücklicher Zufälle um mehr als ein Jahrhundert falsch datierte.

Anschließend richtete Bass jene Institution ein, die von den dankbaren Medien später „Body Farm“ getauft wurde: Auf einem Stück Land wurden (und werden) Leichen auf den Waldboden oder in Pkw-Kofferräume gelegt, in Wasserbecken getaucht, flach oder tief eingegraben – und dann in Ruhe gelassen; in Ruhe der Fäulnis überlassen, um es beim Wort zu nennen, wobei dieser Vorgang detailliert in Wort und Bild festgehalten wird. Damit gewinnt man Vergleichsdaten, die es möglich machen, Leichen zu „entschlüsseln“, um so Todesursachen und –zeitpunkte zu fixieren.

Dass dies nicht nur Voyeure be- und Igittisten entgeistert, sondern von Wert für die kriminalistische Alltagsarbeit ist, weiß Bass an vielen Beispielen anschaulich zu belegen. So manchem Mörder konnte er ins Handwerk pfuschen, bevor dieser allzu sehr in Serie ging. Auch in der Archäologie sowie in allen Wissenschaften, die an den Überresten von Menschen über Menschen forschen, weiß man die Erkenntnisse zu schätzen, die Bass und seine magenstarken Kolleginnen und Kollegen ihren stinkenden Versuchspersonen entlocken.

Mit den Schilderungen berühmter oder „nur“ interessanter Fälle, an denen er forensisch beteiligt war, verknüpft Bass seine Lebensgeschichte. Beide Bereiche erklären einander, so dass Bass es nie nötig hat, in regelmäßigen Abständen einen neuen Gruselkadaver ins Geschehen zu bringen, um den gelangweilten Leser zu fesseln: „Der Knochenleser“ ist eine Biografie mit rotem Faden, keine kunterbunte Sammlung aberwitziger Anekdoten. An denen spart der Verfasser nicht, aber er stellt sie in den Dienst seiner Geschichte. Diese wird dadurch auch zur Historie der (US-)Forensik in den vergangenen fünfzig Jahren.

Weil Bass dabei das Persönliche nicht scheut, stellt er sich auch der verständlichen Frage, wie ein Mensch nur solche Arbeit tun kann. Unausgesprochen steht sie während der Lektüre immer im Raum. Die Labor- und Feldgeschichten sind spannend, sogar faszinierend, dazu witzig, aber dennoch … Wie schafft der Mann es, Tag für Tag mit faulenden, grässlich anzusehenden Leichen umzugehen, ohne darüber verrückt zu werden?

Die Antwort ist einfach – oder typisch amerikanisch, wenn man so möchte: Es liegt halt ein höheres Ziel und damit ein Sinn in dieser Tätigkeit. Bass sieht sich einerseits als Wissenschaftler, d. h. als Kopf-Mensch, der den Verstand an- und den Bauch (und die Nase) abschaltet, sobald ein „Job“ – die Identifizierung und Untersuchung eines Kadavers – ansteht. Andererseits gibt dies besagter Leiche, die einst ein Mensch war, der unter ungeklärten Umständen das Leben verlor, seine Identität, seine „Stimme“ zurück: Wenn er, Bill Bass, nicht klärt, was zum Zeitpunkt des Todes geschah, kommt ein Mörder davon und kann seine Tat womöglich wiederholen.

Starke Argumente, keine Frage, aber Mr. Bass gehört dennoch eindeutig einem ganz besonderen Menschenschlag an! Möglicherweise ist es ja auch sein Sinn für Humor bzw. die Absurditäten des Lebens & des Todes, die ihn zu seiner Arbeit befähigen. Negativ-Kritiker werden es ihm ankreiden, dass er es manchmal am gebotenen „heiligen“ Ernst mangeln lässt. Sie werden freilich überhaupt wie viele Bürger von Knoxville urteilen: Macht es, wenn es denn sein muss, aber schweigt darüber! Doch Bass ist stolz darauf, was er mit seinem Team geschafft hat. Außerdem will er der Mythenbildung vorbeugen.
Denn die „Body Farm“ ist spätestens seit Anfang der 1990er Jahre in aller Munde, als sie ganz besonderen Besuch bekam: Die ehemalige Forensikerin und spätere Schriftstellerin Patricia Cornwell besuchte Knoxville und ließ sich von Bass in die Geheimnisse der „Farm“ einweihen, die sie anschließend reichlich in einen ihrer enorm erfolgreichen Kay-Scarpetta-Romane („The Body Farm“; dt. „Das geheime ABC der Toten“) einfließen ließ. Seitdem genießt der seltsame Ort fast schon zu viel Publicity; sogar Pfadfindergruppen fragten schon Führungen nach … Faszination und Abscheu liegen beim Thema Tod sehr nahe beieinander!

„Der Knochenleser“ beinhaltet zwei Fotostrecken, die sich glücklicherweise nur in Andeutungen dessen ergehen, was der Verfasser im Text überaus drastisch beim Namen nennt. Der optische Eindruck davon, was den Alltag des Dr. Bass ausmacht, steigert allerdings die Bewunderung für das, was dieser Mann leistet. Seien wir ehrlich: Möchten wir wirklich die Fotos vom Hinterhof jenes pflichtvergessenen Bestatters sehen, der „seine“ Leichen nicht urnengerecht verbrannte, sondern sie zwischen Waldbäumen stapelte, in Schrottautos stopfte oder sonstwie „entsorgte“ – 339 Stück? Da kam es bei der anschließenden Identifizierung zu unerfreulichen Wiedersehensszenen zwischen Familienangehörigen, von denen die Lebenden die Toten längst in der Urne auf dem Kaminsims wähnten … Nein, wir sind Dr. Bass dankbar, dass er uns in klaren Worten, aber nicht gar zu krass über seine Arbeit informiert; darüber hinaus müssen und wollen wir nicht alles wissen! Das überlassen wir den Spezialisten, die es wissen müssen, um es anwenden zu können. Dank Bill Bass (wohltuend unterstützt vom wortgewandten Journalisten Jon Jefferson) ist uns nun klar, dass dieser Job keine Horde ghulischer Frankensteine erfordert, sondern Menschen mit Köpfchen, Herz & stählernen Nasen!

Margolin, Phillip M. – Hand des Dr. Cardoni, Die

Er ist ein echter Widerling, dieser Dr. Vincent Cardoni. Als Chirurg am St. Francis Medical Center in Portland, Oregon, schurigelt er seine Untergebenen. Die Kunstfehlerchen häufen sich, denn der Chirurg hat ein Kokainproblem. Seine schöne Frau, die Assistenzärztin Justine Castle, hat die Scheidung eingereicht, die schmutzig und teuer zu werden verspricht. Außerdem gibt es da womöglich Kontakte zum Drogengangster Martin Breach, dessen Gegner spurlos zu verschwinden pflegen.

Besagter Breach steigt gerade in den illegalen Organhandel ein. Er kauft und verkauft Herzen, Nieren und andere Innereien, deren ursprüngliche Besitzer sich womöglich nicht freiwillig davon trennen wollten. Gerade ist so ein Geschäft geplatzt, wofür Breach Cardoni verantwortlich macht. Der Arzt ahnt nichts von der Gefahr, die ihm durch den rachsüchtigen Gangster entsteht, denn ihn plagen ganz andere Sorgen: Auf dem Grundstück einer abgelegenen Waldhütte, die angeblich ihm gehört, wurden neun verstümmelte Leichen gefunden – offenbar mit Hilfe chirurgischer Instrumente teils zu Tode gefoltert, teils ausgeweidet.

Cardoni beteuert seine Unschuld und heuert als Anwalt den berühmten Frank Jaffe an. Diesem wird seit kurzem von seiner jungen, schönen (etc.) und ehrgeizigen Tochter Amanda assistiert. Mit der schleimigen Trickfertigkeit vorzüglich entlohnter US-Rechtsverdreher gelingt es dem Vater-Tochter-Team tatsächlich, der Polizei gravierende Verfahrensfehler nachzuweisen. Cardoni kommt frei – und vom Regen in die Traufe.

Ist er tatsächlich der Mörder, der jetzt womöglich weitermacht? Besonders Amanda macht dies zu schaffen. Ihre Ermittlungen deuten eine mögliche Schuld der gar nicht so redlichen Ex-Gattin Cardonis an. Amanda und ihr neuer Freund, der junge Arzt Tony Fiori – ein Kollege Dr. Castles – beschatten die Verdächtige und behalten auch Cardoni im Auge. Doch dieser verschwindet – nicht ganz spurlos, denn Amanda findet seine abgetrennte Hand …

Die Zusammenfassung macht es bereits deutlich: Originalität ist nicht gerade das Pfund, mit dem diese Story wuchern könnte. Stattdessen haben wir es mit einem durchschnittlichen Thriller zu tun, der seine grundsätzlich solide Geschichte ziemlich ungeschickt verkauft (und mit einem abstoßenden, die Selbstjustiz feiernden, zudem bei Quentin Tarantino „entliehenen“ Schlussgag ausklingt).

Denn Margolin ist durchaus in der Lage, Spannung und Atmosphäre zu erzeugen. Auch ein zu langsames Tempo kann man ihm nicht vorwerfen. Deshalb verzeihen wir ihm, dass er uns eigentlich nur alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen möchte. Sadist killt in Serie, dieses Mal als Arzt, was stets funktioniert, weil uns alle kalte Schauder erfassen, wenn wir uns OP-Tisch und Skalpell vorstellen. Um auf Nummer Sicher zu gehen, konstruiert Margolin einen zweiten Handlungsstrang um einen brutalen Gangster, der zwar „nur“ geschäftsmäßig, aber mindestens genauso eklig mordet.

Vordergründigkeiten à la Kopf im Kühlschrank verfehlen auch nie ihre Wirkung, das laute Gekreisch soll verbergen, dass die Story mächtig über tief ausgefahrene Geleise rattert. Manchmal wird sie allerdings unvermittelt umgeleitet – und dann ist man unwillkürlich gefesselt. Margolin rüttelt gern an den Grundfesten des Plots. Verdächtige werden zu Opfern, Opfer zu Mördern, Mörder zu Marsmenschen … Es ist alles möglich, und manchmal schafft es Margolin sogar, auf dem schmalen Grat zwischen Überraschung und Übertreibung zu balancieren. Bemerkenswert ist es beispielsweise, dass es nach US-Gesetz offenbar möglich ist, als Serienmörder vor Gericht freizukommen, wenn die Beweise für das blutige Tun nicht vorschriftsmäßig erbracht wurden; sie werden dann höchstrichterlich für nichtig erklärt. Kann (oder will) man das glauben? Immerhin fällt uns dies leichter als sich vorgaukeln zu lassen, der untergetauchte Verbrecher könne sich chirurgisch so „umbauen“ lassen, dass sich seine schändlichen Spiele am Schauplatz früherer Übeltaten und unter den Augen ehemaliger Kollegen und Freunde ungestört fortsetzen lassen … (Dies wird nicht der letzte Sturz ins logisch Leere bleiben.)

Eindeutig der Schwachpunkt dieses Romans – die Figurenzeichnung. Was heißt Schwachpunkt: Margolin versetzt seiner gar nicht unflotten Geschichte fast den Todesstoß, indem er sie ausschließlich mit oberflächlichen Pappkameraden besetzt. Man fasst sich bei der Lektüre an den Kopf, weil man es gar nicht glauben kann, dass sich der Autor eine Dreistigkeit dieses Ausmaßes tatsächlich traut. Da treten also alle Hoffungsträger des modernen Thrillers in einem Buch versammelt auf: der taffe Anwalt, der rettungswütige Arzt, die schöne Unschuld, die verdächtige Schöne, der hartnäckige Cop, der degenerierte Gangster, der psychopathische Serienmetzler … Es gibt für sie kein Entrinnen, sie sind an ihre Rollen gebunden, die sie bis zum allerletzten Klischee durchspielen müssen.

Für den europäischen Leser kommt erschwerend hinzu, dass er (und sie) sich nicht recht am Bild des US-Anwalts als Helden erfreuen kann. Viele Seiten füllt Margolin (der selbst Anwalt war) mit salbungsvollen Vorträgen Frank Jaffes, dass es schließlich der Job eines Strafverteidigers sei, seine Klientin freizubekommen. Die Frage der Unschuld ist für ihn sekundär; er hofft aber immerhin, nicht den einen oder anderen Serienmörder oder Kinderschänder wieder auf die Welt losgelassen zu haben …

Töchterchen Amanda, die weibliche Hauptrolle, agiert so naiv, dass man schreien möchte. Sie schlägt sich mit diversen Reiches-Mädchen-will-selbstständig-werden-Problemchen herum, will ein noch schärferer Justiz-Hund als Papi werden und sucht natürlich nebenbei nach Mr. Right. Dass sich genau der scheinbar gefundene Prinz als der wahre Täter erweist, vermag nur Amanda zu verblüffen; selbst der nicht besonders aufmerksame Leser hat das schon circa auf Seite 100 herausgefunden, so auffällig bemüht sich Margolin, ihn unverdächtig wirken zu lassen.

Es wird besser nach dem Zeitsprung über vier Jahre, der den zweiten Teil des Romans einleitet. Möglicherweise wollte Margolin seine Amanda einem Reifeprozess unterziehen. Weil sein schriftstellerisches Talent nun einmal beschränkt ist, muss er dabei halt mit dem Quast und nicht mit der Feder arbeiten. Das betrifft, wie weiter oben skizziert, ebenso das übrige Personal. Der Mörder ist übrigens fast nur Gaststar in seiner Geschichte. Von seinen grausigen Taten hören wir nur indirekt. Ein kluger Schachzug, der die Vorstellungskraft unheilvoll stimuliert – wäre da nicht der Verdacht, dass Margolin auch hier kühl kalkuliert: Offene Folter- und Metzelszenen könnten nämlich die Mainstream-Leserschaft verstören und vom Kauf abhalten. Das gilt auch für Hollywood, das sich womöglich für „Die Hand des Dr. Cardoni“ interessieren könnte, denn Margolin hat sein Bestes getan, alle Elemente eines Drehbuchs für einen potenziellen Blockbuster zusammenzutragen …

Phillip M. Margolin wurde 1944 in New York geboren. Nach dem College studierte er Jura in Washington und New York. Zwischenzeitlich ging er für zwei Jahre mit dem Friedenscorps der Vereinigten Staaten nach Monrovia. Der studentischen Puppenhülle entschlüpft, zog Margolin nach Oregon und eröffnete eine Anwaltskanzlei. Hier spezialisierte er sich als Strafverteidiger auf Mordfälle und war damit (nach US-Maßstäben) anscheinend recht erfolgreich.

Seit den späten 1970er Jahren verfolgte Margolin seine schriftstellerischen Ambitionen. Nach einigen Jahren zeichneten sich solche Erfolge ab, dass er sich ab 1996 ganz dem Schreiben widmete. Margolins Romane haben Stammplätze auf den US-Bestsellerlisten. Sein unbedingter Wille, es allen Recht zu machen, wird dabei keine geringe Rolle spielen.

Phillip M. Margolin lebt mit Frau und zwei Kindern in Portland, Oregon.

Homepage des Autors: http://www.phillipmargolin.com/

John S. Marr – Die achte Posaune

Das geschieht:

Zwei Jahre ist es her, dass die Welt (= die Vereinigten Staaten von Amerika) vom irren Reagenzglas-Psychopathen und Bio-Terroristen Theodore Graham Kameron heimgesucht wurde. Die zehn Plagen des Alten Testaments hatte der geniale, unter akutem religiösen Wahnsinn leidende Naturwissenschaftler in seinem Labor heraufbeschworen: dies sehr erfolgreich und mit für seine zahlreichen Opfer unerfreulichen Folgen.

Auf die Schliche gekommen war dem selbst ernannten Engel des Bösen damals Jack Bryce, Spezialist für Infektionskrankheiten. Noch heute leidet er unter den Folgen der Hetzjagd, die ihn das große Finale nur arg ramponiert überleben ließ. Schlimmer: Kameron konnte entkommen. Für die Behörden gilt er als tot, aber Bryce weiß es bald besser. Wie nahe ihm sein Feind ist, ahnt er nicht: Im US-Südstaat Virginia hat Bryce eine Stelle als Universitätsdozent angenommen. Der Zufall (bzw. die von Hollywood geprägte Dramaturgie des modernen Bestseller-Thrillers) hat ihn dorthin verschlagen, wo der Kameron-Clan – dessen Angehörige schon immer verhaltensauffällig waren – seit 150 Jahren Übles treibt.

Theodore wandelt auf den Spuren seiner Vorfahren. Wieder plant er die Welt für allerlei sündhaftes Tun zu strafen. Dieses Mal wählt er eine besonders widerliche Methode: Er malträtiert seine Opfer mit Würmern, Zecken oder Blutegeln, die er zusätzlich mit exotischen Krankheitskeimen auflädt. Im Inneren eines menschlichen Körpers entwickelt sich diese Höllenbrut prächtig, um dann am Tage X hungrig über die Organe ihres Wirtes herzufallen. Das garantiert ein eindrucksvolles Sterben, wie u. a. Shmuel Berger bestätigen kann (Kotztüten bereithalten!), dessen Studienfreund und Zimmergenosse just auf diese Weise zu Tode kam. Shmuel hatte damals geholfen, dem entfesselten Kameron das Handwerk zu legen. Mit im Bunde waren Vicky Wade, Fernsehreporterin, und FBI-Agent Scott Hubbard, die Kameron ebenfalls nicht vergessen hat.

Doch zunächst gilt es die übliche Alltagsarbeit eines gemeingefährlichen Irren zu verrichten. Kameron kontaminiert diverse Pechvögel mit seinen Parasiten, um jene Angst und jenen Schrecken zu säen, nach dem er süchtig ist. Lange dauert es nicht, bis Jack Bryce aufmerksam wird. Glücklicherweise hat er an seinem neuen Wirkungsort einige Verbündete gefunden, die mit den alten Mitstreitern dafür sorgen werden, dass die Posaune des achten Engels vorläufig noch im Schrank bleibt …

Mikro-Wesen säen Makro-Schrecken

Doch bis es soweit ist, gibt es wieder tüchtig Action und Krawall, in die sich dieses Mal mehr als ein ordentliches Quäntchen Splatter mischt. Recht unappetitlich fällt Kamerons zweite Attacke auf die sündige Menschheit aus. Was bleibt einem hart arbeitenden Unterhaltungs-Schriftsteller schon übrig, um auf dem umkämpften Markt des Medizin-Thrillers die leidige Konkurrenz auszustechen? Ekel mit der groben Kelle ist immer gut fürs Geschäft; die Leser lieben ihn, und die Tugendbolde schäumen, was für gern gesehene Gratis-Werbung sorgt.

Natürlich ist „Die achte Posaune“ ein Reißbrett-Roman von der ersten bis zur letzten Zeile. Hier wurde rein gar nichts dem Zufall überlassen. Nur bewährte Thriller-Elemente fanden Verwendung in einem mechanisch geplotteten Werk, das seinen Verfasser an die Spitze der Bestseller-Listen tragen sollte. Das hat recht gut geklappt. So schlecht klingt diese „Posaune“ außerdem nicht. Wenn man Überraschungen hasst und Remmidemmi liebt, kommt man auf seine Kosten.

Noch besser: Die Handlung entwickelt sich geradezu surreal, scheut nie vor dem völlig Absurden zurück und streift sogar den blanken Horror. Theodore Kameron entpuppt sich als letzter Vertreter einer wahrlich verdammten Sippe von Lumpen, Irren, Kannibalen und Serienkillern, die seit Jahrhunderten erst im alten Europa und dann in der Neuen Welt ihr Unwesen treiben. Das ist einfach hirnrissig, wird aber hinreißend erzählt.

Vollgas nach Stotter-Start

Dies sorgt für echte Verblüffung: John Marr gehört zu den seltenen Autoren, die denkbar ungeschickt starten, um sich dann zu echten Geschichtenerzählern zu mausern. „Die achte Posaune“ ist auch mit einer zweiten Eigenschaft etwas Seltenes: der zweite Teil einer Story, die den ersten deutlich übertrifft. Absurd ist dieses Garn zweifellos, aber eben auch vergnüglich und spannend, und wenn der erfahrene Thriller-Leser auch stets im Bilde ist, so geschieht doch ständig etwas, das die Aufmerksamkeit fesseln kann.

Liegt es daran, dass Marr das zweite Bryce/Kameron-Spektakel im Alleingang entfesselt? John Baldwin, Co-Autor von „The Eleventh Plague“ (1998; dt. „Die elfte Plage“) genoss derweil die Freuden der Vaterschaft, wie wir dem Nachwort entnehmen. Eine weitere Fortsetzung wäre möglich, denn der böse Hannibal Frankenstein entkommt schon wieder seinen Häschern!

Das lässt den Leser nicht leise aufstöhnen, sondern kann sogar Erwartungen wecken. Mit „Teddy“ Kameron ist Marr ein wirklich schaurig-schillernder Bösewicht gelungen. Heimlich, still und leise führt er seinen bizarren Ein-Mann-Krieg gegen den Rest der Welt und legt dabei einen ausgeprägten Sinn für schräge Einfälle an den Tag.

Medizinschrank als Gruselkabinett

Sind die beschriebenen Schrecken realistisch? Das bleibt Nebensache. Sie lesen sich jedenfalls spannend. Sein außerordentliches Hintergrundwissen bringt Marr, ein studierter Mediziner und Seuchenspezialist, der viele Jahre das Gesundheitsamt der Stadt New York leitete, dieses Mal deutlich souveräner als noch in „Die elfte Plage“ ins Spiel bzw. in den Dienst seiner Geschichte. Todesviren ziehen in Literatur und Film immer, und Marr weiß, wovon und wie man schreibt.

Leserherz (bzw. -hirn), was willst Du mehr? Manchmal wünscht man sich, Marr in seinem Enthusiasmus bremsen zu können, denn der Kampf gegen den biologischen Terror, der ganz real und auch ohne Dr. Kamerons Nachhilfe über die Menschheit kommen kann, ist dem Verfasser ein echtes Anliegen. Mehrfach unterbricht er seine Geschichte mit ausführlichen Referaten über Seuchen, die per Schiff oder Flugzeug in Windeseile um den Globus reisen, sich mit harmlosen einheimischen Krankheiten mischen und sich in das Unsägliche verwandeln könnten. Stört das den Fluss der Geschichte? Ganz erheblich, obwohl der Leser gern zugibt, dass solche Hintergrundinformationen das furchtsame Schütteln noch steigern!

Dass Marr seine Leser zwar ernst nimmt, um die ironischen Aspekte seiner Schauermär aber sehr wohl weiß, demonstriert er u. a. mit der Figur des Dwight Fry, den die Faszination in den Bann des dämonischen Dr. Kameron zwingt. Der Horrorfan erkennt die Anspielung: Dwight Frye (1899-1943) war der Schauspieler, der im Filmklassiker „Frankenstein“ (1931) die Rolle des „Fritz“ spielt, seinem Herrn hündisch ergeben ist und seinen Teil dazu beiträgt, Frankensteins Monster über die Welt zu bringen. Marrs Fry entspringt darüber hinaus dem legendären Schocker „Freaks“ (1931), den Regisseur Tod Browning mit tatsächlich körperbehinderten Männern und Frauen besetzte, die sich normalerweise ihren Lebensunterhalt als Jahrmarkts-Monstrositäten verdienten. Unter ihnen, die gequält und betrogen werden, bis sie sich gegen ihre Peiniger erheben: Johnny Eck, ein junger Mann ohne Unterleib!

Drama ohne Finale

Für den dümmlichen deutschen Titel, der wieder einmal platt das Alte Testament bemüht, um geradezu apokalyptische Dramatik zu suggerieren, dürfen wir den Verfasser nicht verantwortlich machen. Dem war „Wormwood“, also „Wermut“ eingefallen, aus dem u. a. der berüchtigte, halluzinogene und süchtig machende Absinth hergestellt wurde.

Teddy ist überaus einfallsreich, und der Wahnsinn liegt bei den Kamerons offensichtlich in den Genen. Hinter den Kulissen der Weltgeschichte waren sie schon immer für allerlei Schauerlichkeiten verantwortlich. Möglicherweise ist Theodore nur die Spitze des Eisbergs: Es gibt da einen finsteren, alten, komplexen Plan, der von Jack Bryce und seinen wackeren Gefährten bisher nur in Ansätzen enthüllt wurde. Die wiederum flüchtige Kameron selbst plant jedenfalls noch Großes für die Zukunft.

Wir sind durchaus gespannt. Auf eine Fortsetzung dürfen wir aber offenbar nicht mehr hoffen. John S. Marr, der so schwungvoll vom Arzt zum Unterhaltungsschriftsteller wurde, hat nach „Die achte Posaune“ keinen weiteren Roman geschrieben, sondern kehrte zur ‚reinen‘ Medizin zurück.

Taschenbuch: 477 Seiten
Originaltitel: Wormwood (New York : Frog City Ltd. 2000)
Übersetzung: Axel Merz
http://www.luebbe.de

Der Autor vergibt: (3.5/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Lincoln Child – Das Patent

Das geschieht:

„Utopia“, der größte und modernste Freizeitpark der Welt, ist eine Schöpfung des unlängst verstorbenen Zauberkünstlers und Visionärs Eric Nightingale. In der Wüste des US-Staats Nevada erhebt sich die gigantische Kuppel, unter der vier virtuelle Welten perfekter Illusionen täglich bis zu 70.000 Besucher anlocken. Doch es gibt Ärger im bisher so einträglichen Paradies: Die Roboter, die vor und hinter den Kulissen aktiv sind, zeigen seit einiger Zeit Fehlfunktionen. Gerade hat eine fehlgeleitete Reparaturmaschine eine katastrophale Achterbahn-Entgleisung provoziert. Funktioniert etwa „Metanet“, das neurale Netz zur zentral Steuerung, nicht mehr richtig? Oder probt es womöglich den Aufstand? Dazu könnte es fähig sein, wurde es doch von seinem Schöpfer als lernfähige künstliche Intelligenz entworfen.

Sarah Boatwright, die ehrgeizige Geschäftsführerin von „Utopia“, ruft Dr. Andrew Warne nach Nevada. Der kommt gern, denn mit seiner Karriere steht es schlecht. Auch lockt ihn die Anwesenheit Boatwrights, mit der ihn einst ein Verhältnis verband. Der Wissenschaftler ahnt nicht, dass die Fehlfunktionen auf das Konto einer Bande entschlossener Industriespione gehen. Unter der Leitung des charismatischen aber völlig skrupellosen „John Doe“ haben sie das „Metanet“ infiltriert. Nun schlagen sie zu, postieren Heckenschützen, legen Zeitbomben, nehmen die gesamten Besucher als Geiseln, um die Herausgabe des revolutionären Patents zu erzwingen, auf dem die Attraktionen von „Utopia“ basieren. Die Technik ließe sich von findigen Schurkenstaaten in eine Waffe verwandeln, die der Weltpolizei USA schwer zu schaffen machen könnte. Lincoln Child – Das Patent weiterlesen

William Shatner (mit Judith u. Garfield Reeves-Stevens) – Sternennacht (Star Trek)

Das geschieht:

Das Romulanische Reich ist in Aufruhr, seit der Klon Shinzon die gesamte Regierungsmannschaft umgebracht und die Macht an sich gerissen hatte. Der Usurpator konnte gestoppt werden, aber eine verhängnisvolle Lawine war in Gang gekommen: Romulus, der Zentralplanet des Reiches, besitzt einen bisher geheimen Nachbarn – Remus, einen unwirtlichen, düsteren Minenplaneten, auf dem die Remaner, das Brudervolk der Romulaner, Sklavenarbeit leisten müssen. Unter Shinzon begehrten die Unterdrückten auf. Auch nach dem Tod ihres Anführers fordern sie ihr Recht auf Mitsprache und dürsten nach Vergeltung. Auf Romulus und Remus liefern sich Separatisten, religiöse Eiferer, fanatische Neuerer und verbissene Wahrer alter Traditionen offene und heimliche Kämpfe.

In dieser Situation trifft Botschafter Spock auf Romulus ein. Der berühmte Diplomat träumt von einer Wiedervereinigung von Romulanern und Vulkaniern, Bei einem sorgfältig inszenierten Attentat ‚stirbt‘ er vor den Augen seines romulanischen Publikums, um so als Märtyrer seine Sache populär zu machen. William Shatner (mit Judith u. Garfield Reeves-Stevens) – Sternennacht (Star Trek) weiterlesen

Ann C. Crispin – Alien: Die Wiedergeburt

Zwei Jahrhunderte nach ihrem Tod erwacht Ellen Ripley als Mensch-Alien-Hybrid und Gefangene jenes Konzerns, dessen Bemühen, einen Alien-Krieger zu züchten, sie stets durchkreuzt hat. Zusammen mit einer bunt zusammengewürfelten Schmuggler-Truppe kämpft sie sowohl gegen als auch für die Aliens, da sie sich ihrer Herkunft nicht mehr sicher ist … – Faktisch überflüssige, aber zumindest als Film spannende und gut gefilmte Fortsetzung der „Alien“-Saga. Die Autorin hangelt sich brav am Drehbuch entlang, füllt aber diverse Handlungslücken: typisches, immerhin verbraucherfreundliches (= lesbares) Merchandising-Produkt.
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John Dickson Carr – Tod im Hexenwinkel

Das geschieht:

Student Tad Rampole, Sohn reicher Amerikaner und in diesem Jahr 1930 auf einer Bildungsreise durch das alte Europa, besucht in England den berühmten Privatgelehrten und Amateurdetektiv Dr. Gideon Fell. Dieser residiert in Chatterham, einem pittoresken Flecken in der Grafschaft Lincolnshire, wo die Uhren irgendwann in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts stehengeblieben zu sein scheinen.

Die ländliche Idylle wird seit jeher getrübt durch die unweit des Ortes dräuende Ruine des alten Gefängnisses, das seit 1837 leer steht. Der alte Anthony Starberth, ein bigotter, grausamer Mann, hatte es einst über dem alten Hinrichtungsplatz für Kapitalverbrecher und Hexen errichtet. Besonderes Grauen verbreitet der „Hexenwinkel“; dort stand der Galgen, und zu seinen Füßen ließ Anthony einen tiefen Brunnen graben, in den die Leichen der Gehängten geworfen wurden. Kein Wunder, dass es im Hexenwinkel umgehen soll! Anthony fühlte sich im Alter von den Geistern der von ihm Gemarterten verfolgt und endete mit gebrochenem Genick am Rande des verfluchten Brunnens. Seinen Sohn ereilte dasselbe Geschick, und seither starb kaum ein Starberth im Bett. John Dickson Carr – Tod im Hexenwinkel weiterlesen

Kenneth Robeson – Doc Savage: Der Gespensterkönig

Robeson Savage36 Gespensterkönig Cover kleinDas geschieht:

Im sumpfigen Marschland von Holland County geht der Geist von Englands Ex-König John um. Er beschuldigt die erstaunten Anwohner, ihm 1216 Gift in den Wein geträufelt zu haben, und zieht ihnen rachsüchtig eins mit dem Schwert über. Während sich die Presse lustig macht, findet der Archäologe und Geologe William Harper „Johnny“ Littlejohn endlich ein Ventil für seine Langeweile. Er reist nach England, stellt Nachforschungen an, trifft prompt den unfreundlichen König, wird von diesem niedergeschlagen und entführt.

Das war keine gute Idee, denn Littlejohn gehört zum Team von Dr. Clark „Doc“ Savage, jr., dem übermenschlich klugen und starken Bronzemann, der unermüdlich das Böse auf dieser Welt jagt und züchtigt. Als Savage, der in England einige Vorträge halten soll, seinen Freund und Gefährten vermisst, setzen er sowie Andrew Blodgett „Monk“ Mayfair und Theodore Marley „Ham“ Brooks sich auf dessen Spur. Kenneth Robeson – Doc Savage: Der Gespensterkönig weiterlesen

Alan Dean Foster – Alien 3

Mit knapper Not sind Ellen Ripley, Corporal Hicks, die junge Newt sowie der Androide Bishop vom Alien-Planeten Acheron entkommen (vgl. Alan Dean Foster: Aliens – Die Rückkehr, Wilhelm Heyne Verlag, TB Nr. 01/6839). An Bord des Truppentransporters SULACO sind sie auf dem Weg zur Erde; die Reise verbringen sie schlafend in den Kältekammern des Raumschiffs.

Doch auf Acheron konnte sich eine Alien-Larve an Bord der SULACO schleichen. Bei seinem Versuch, die Menschen in ihren Schlafkabinen anzugreifen, beschädigt das Wesen die Steuerung des Schiffs. Die SULACO kommt vom Kurs ab und setzt zu einer automatischen Notlandung auf dem Planeten Fiorina an. Die Schäden erweisen sich als so groß, dass der Transporter abstürzt. Das Alien stirbt, aber auch Hicks und Newt überleben das Unglück nicht. Allein Ripley kommt mit dem Leben davon.

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William Shatner (mit Judith u. Garfield Reeves-Stevens) – Sternendämmerung (Star Trek)

Das geschieht:

James Tiberius Kirk, Raumschiff-Captain außer Dienst aber weiterhin als Retter des Universums tätig, möchte mit seinem neuen Freund Jean-Luc Picard einige Tage Abenteuerurlaub machen. Aus Gründen der Handlungsdramatik beschließen die beiden, dies auf dem Planeten Bajor und im Schatten der Raumstation „Deep Space Nine“ zu tun. Sie haben keine Ahnung, dass sie ihre Atmosphären-Gleitsprünge ausgerechnet über einem Wüstengebiet absolvieren, das vor dreißig Jahren Schauplatz einer merkwürdigen Episode des bajoranisch-cardassianischen Krieges war. In Bar‘trila, der verlorenen Stadt, wurde eines jener als „Tränen der Propheten“ bekannten Artefakte vermutet, die der im Wurmloch über Bajor hausenden Superintelligenz zugeschrieben werden und dem Finder quasi übernatürliche Macht verleihen. Damals konnten die Bajoraner die Cardassianer unter hohen Opfern von diesem Platz verjagen. Die Überlebenden beider Seiten haben den ungehobenen Schatz freilich nicht vergessen.

Unsere gleitenden Helden werden zum Absturz gebracht. Die Notlandung lässt sie in der glühenden Wüste stranden. Während sie dem feuchten Horizont zustreben, bleibt viel Zeit, sich über Vergangenes zu unterhalten. Das bedingt eine lange Kette primär Kirkscher Reminiszenzen an glorreiche „Enterprise“-Zeiten und die Einsamkeit des Captains, der in brenzliger Lage kurzentschlossene Entscheidungen treffen muss.

Die Handlung wird wieder aufgenommen, als Kirk und Picard in eine archäologische Ausgrabung stolpern. Die verlorene Stadt wurde gefunden: von den Bajoranern, aber wohl nicht nur von ihnen, denn just fiel Professor Nilan einem merkwürdigen Unfall zum Opfer. Der Tod weiterer Forscher zeigt eine feindliche Macht am Werk ist. Oder sind es religiöse Fundamentalisten, die es nicht dulden, eventuelle Artefakte als Objekte der Wissenschaft missbraucht zu sehen? Die Lage ist undurchsichtig und eskaliert, als auf Kirk und Picard ein Mordanschlag verübt wird, der Letzteren in einem See versinken lässt. Ist Picard tot? Mit der für ihn typischen Mischung aus Elan und Zorn geht Kirk auf Konfrontationskurs und stört den Gegner auf …

Alter Mann mit jugendlichem Ego

Der rasende Rentner macht erneut das All unsicher. „Sternendämmerung“ ist der furiose Auftakt einer weiteren „Star-Trek“-Kirk-Trilogie. Weil er trotz seines überlebensgroßen Egos kein Dummkopf ist, hat sich William Shatner wiederum der Unterstützung des schreibenden Ehepaars Judith und Garfield Reeves-Stevens versichert. Eine kluge Wahl, denn kaum jemand kennt sich so gut im „Star-Trek“-Universum aus und trifft vor allem den Ton, der uns seine Protagonisten seit vielen Jahren zu lieben und teuren Feierabend-Gästen im Fernsehzimmer macht.

Shatner möchte selbstverständlich „Star-Trek“-Luxus-Science-Fiction produzieren. Das meint er sich und seinem Publikum als der leibhaftige und einzige James T. Kirk schuldig zu sein. Der Leser honoriert und schätzt es, nicht zum x-ten Male mit einem Abenteuer der legendären Fünfjahresmission behelligt zu werden, die sich längst alle irgendwie ähneln. „Sternendämmerung“ gelingt darüber hinaus, was man in Kino und Fernsehen oft entbehren muss: die (überzeugende) Verklammerung von „Star-Trek“- Vergangenheit und -Gegenwart, zwischen denen die Handlung immer wieder springt.

Damit stellt sich „Sternendämmerung“ tapfer der quasi realen, Jahrhunderte umspannenden Fiktion, welche die „Star-Trek“-Saga heute darstellt. Das Autorentrio fürchtet nicht die faktenreiche Historie (oder ihre detailversessenen, pingeligen Kenner), sondern stellt sie in den Nutzen ihrer Geschichte. Noch in den Nebensätzen werden immer wieder Ereignisse aufgegriffen, an die sich womöglich nur der absolute Trekkie erinnert. Das lässt ein außerordentlich dichtes Hintergrundgewebe entstehen, auf dem der eigentliche Plot stabil ruht.

Aller Anfang ist – langsam

‚Ruht‘ ist der zutreffende Ausdruck, denn obwohl stets etwas geschieht, ist „Sternendämmerung“ sichtlich die Ouvertüre zu einem Spektakel, das sich über mindestens 1200 Druckseiten hinziehen wird. So reihen sich zunächst zwar spannend geschriebene aber zusammenhanglos wirkende Episoden aneinander, bis endlich ein roter Faden – der Kampf gegen die „Totalität“ – sichtbar wird. Wer barockes Breitwand-Fabulieren schätzt, wird mit „Sternendämmerung“ nur allmählich auf seine Kosten kommen.

Wer ist der beste „Enterprise“-Kapitän aller Zeiten? William Shatner kennt die Antwort auf diese Frage genau, und seit er ‚Schriftsteller‘ geworden ist, nutzt er jede Gelegenheit, die Trekkies auf seine Seite zu ziehen. Dieses Mal konnten ihn die Reeves-Stevens offenbar nicht so gut kontrollieren wie sonst. Das Ergebnis: ein durch Raum und Zeit kapriolender Kirk, den sein Freund Picard gnädig begleiten darf (wenn er denn Schritt halten kann).

Jean-Luc Picard ist in der Tat ein manchmal dröger Zeitgenosse, aber zum Steigbügelhalter des entfesselten Kirk degradiert zu werden, hat er ganz sicher nicht verdient! Auf der anderen Seite weiß Shatner anschaulich zu machen, dass die Sturm- und Drangzeit der Föderation Männer wie ihn – Tatmenschen – benötigte, die nach der Konsolidierung einer nüchterner forschenden Generation Platz machen konnten und mussten.

Picard ist in der Krise durchaus zu schnellen, die Regeln großzügig auslegenden Entscheidungen fähig. Kirk lebt allerdings in einer Welt, der jedem Moment eine potenzielle Ausnahmesituation entspringen kann. Das hat ihn geprägt und zu dem unberechenbaren Strategen werden lassen, der geachtet und gefürchtet (oder verflucht) wird.

Interessant sind Kirks Selbstreflexionen, die viel vom wahren William Shatner verraten. „Im Gegensatz zu den verlorenen Details standen die Gefühle der damaligen Zeit … Einen Traum verwirklicht zu haben, mit hoch angesehenen Profis und guten Freunden zusammenzuarbeiten … Er konnte immer noch auf jene Erinnerungen zurückgreifen, auch wenn manche von ihnen dunkler und schmerzhafter waren“ (S. 100). Diese Passage spiegelt womöglich Shatners lückenhafte und geschönte Erinnerung an seine „Star-Trek“-TV-Tage wider, die er nach Auskunft seiner erbosten Schauspieler-Kollegen weitgehend vergessen hat, um sie erst im Alter autobiografisch und lukrativ wieder zum Leben zu erwecken.

Autor/en

William Shatner wurde am 22. März 1931 im kanadischen Montreal geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften, wurde aber schon in jungen Jahren Schauspieler – zunächst beim Theater, wo er u. a. in zahlreichen Shakespeare-Stücken auftrat. 1956 ging Shatner nach New York zum Broadway. Parallel dazu spielte er in TV-Dramen, die damals noch live gesendet wurden. Zwei Jahre später tauchte Shatner in „The Brothers Karamazov“ (dt. „Die Brüder Karamasow“) an der Seite von Yul Brunner und Maria Schell im Kino auf.

Der echte Durchbruch blieb aus. In den nächsten Jahren spielte Shatner in zahlreichen aber schnell vergessenen Kinofilmen und TV-Shows mit. Darin lieferte er trotz seiner theatralischen bis pathetischen Darstellungsweise durchaus achtbare Leistungen ab, die ihm die Kritik bekanntlich gern abspricht. 1966 bis 1969 folgte die Hauptrolle in „Star Trek – The Original Series“, gefolgt von einer langen Durststrecke und den für Shatner typischen Rollen in B-Movies und Fernsehserien.

Aber Shatner blieb am Ball. Die Rückkehr als Captain Kirk in den „Star-Trek“-Kinofilmen brachte ihm endlich die Popularität, die er sich wünschte. Er nutzte sie geschickt, um in den 1980er und 90er Jahren eine parallele Karriere als Regisseur, Drehbuchautor und Produzent in Gang zu bringen. Seine Aktivitäten als Schauspieler schränkte er keineswegs ein, versuchte sich als Sänger, wurde Pferdezüchter, gründete eine Firma für Spezialeffekte – und entwickelte schriftstellerische Ambitionen.

Von Anfang an sah sich Shatner primär als Lieferant von Plots und Ideen, die von Profischreibern in literarische Form gegossen wurden aber unter seinem zugkräftigen Namen erschienen. Als Ghostwriter für die „Tek-War“-Serie (ab 1994) fungierte SF- Veteran Ron Goulart. Da der Erfolg sich in Grenzen hielt, besann sich Shatner seines Alter Egos James T. Kirk, den er mit tatkräftiger Unterstützung der Reeves-Stevens (s. u.) ins Leben zurückkehren ließ.

Trotz seines Alters denkt Shatner nicht an den Ruhestand. In seiner Rolle als unwürdiger Greis besetzt er im Kulturleben der USA heute etwa dieselbe Nische wie hierzulande Dieter Bohlen oder Jürgen Drews und hat sich als Trash-Ikone und Amerikas liebster Toupet-Träger eine solide Alterskarriere aufgebaut. William Shatner ist in dritter Ehe verheiratet, hat vier Kinder und lebt in Südkalifornien und Kentucky.

Website

Judith und Garfield Reeves-Stevens schreiben Romane und Drehbücher. Außerdem sind sie Produzenten für Kinofilme und Fernsehserien, Ideenlieferanten für SF- und Fantasy-Games und, und, und … Im „Star-Trek“- Universum zählen die Reeves-Stevens zu den Besten unter den Fließband-Literaten des Franchises. Garfield allein schrieb bisher fünf Thriller, die Elemente der Science Fiction mit der des Horrors verknüpfen.

Garfield und Judith sind kompetente „Star-Trek“-Chronisten, die über die verschiedenen Serien großformatige, sehr informative und unterhaltsame Sachbücher verfasst haben.

Taschenbuch: 404 Seiten
Originaltitel: Captain‘s Peril (New York : Pocket Books 2002)
Übersetzung: Andreas Brandhorst
http://www.randomhouse.de/heyne

eBook: 730 KB
ISBN-13: 978-3-641-11518-0
http://www.randomhouse.de/heyne

Der Autor vergibt: (3.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (No Ratings Yet)

Andreas C. Knigge – Alles über Comics

Mit einer Mischung aus Rückblick und Comic-Biografie setzt „Alles über Comics“ ein: Autor Knigge erzählt unter dem Kapiteltitel „Vom heiteren Fridolin zum kleinen Arschloch. Reise durch ein Comic-Biotop“ von seinem persönlichen Werdegang im deutschen Comicland nach 1945, das von sekundärliterarischer Ignoranz einerseits und hysterischen Treibjagden auf „Schmutz & Schund“ andererseits geprägt wurde, bis sich einige wackere Pioniere daran machten, das Dunkel zu lichten, das über Vergangenheit und Gegenwart des geliebten und gehassten Mediums lastete.

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Iris Johansen – Das verlorene Gesicht

Johansen Gesicht Cover 2001 kleinDas geschieht:

Eve Duncan ist Spezialistin für computersimulierte Alterungsprozesse im „Nationalen Zentrum für verschwundene und missbrauchte Kinder“ in Arlington, US-Staat Virginia. Ihre Fachkenntnisse ermöglichen es, über einem Totenschädel das verschwundene Gesicht eines Opfers quasi neu erstehen zu lassen. Diese Mischung aus Wissenschaft und Kunst wird von der Justiz und den Polizeibehörden oft in Anspruch genommen. Sie hat sich ohnehin in einen Workaholic verwandelt, nachdem ihre kleine Tochter einem geistesgestörten Kindesmörder zum Opfer fiel.

John Logan ist ein amerikanischer Selfmade-Millionär. Er verdient viel Geld in der Hardware-Branche, nutzt aber sein Vermögen und seinen Einfluss auch, um in der Politik seines Landes mitzumischen. Dabei ist er einem Komplott auf die Spur gekommen, das ganz oben in der US-Hierarchie anzusiedeln ist und die Person des Präsidenten selbst in ein sehr schiefes Licht rückt. Wer regiert die letzte Großmacht dieses Planeten wirklich? Iris Johansen – Das verlorene Gesicht weiterlesen

Rollins, James – Sub Terra

McMurdo Base, eine Forschungsstation der US-Navy, auf Ron Island und unweit des Mount Erebus an der Antarktisküste – oder eigentlich darunter, ganze drei Kilometer sogar. Dort wurde ein gigantisches System unterirdischer Kavernen entdeckt; allein die Haupthöhle weist einen Durchmesser von acht Kilometern auf. Aber es kommt noch toller: Die Spähtrupps der Navy stießen auf Artefakte, die zwar primitiv, aber eindeutig einer intelligenten Zivilisation zuzuordnen sind. Datiert wurden sie auf ein stolzes Alter von 5,2 Mio. Jahre, und nun wird es unheimlich, weil sich der Mensch erst eine Million Jahre später zu entwickeln begann.

Da es in der unterirdischen Düsternis nichts gibt, auf das sich schießen ließe, ist nun der Zeitpunkt gekommen, wissenschaftliche Hilfe von außen anzufordern. Das chronische Misstrauen der Militärs – vielleicht findet sich da unten ja etwas, mit dem sich die vielen Feinde Amerikas noch besser in Schach halten lassen – bringt den Geologen und Vulkanologen Dr. Andrew Blakely ins Spiel. Er arbeitet ohnehin schon unter McMurdo für die Navy – da kann er wohl auch eine Expedition planen und mit anerkannten Fachleuten besetzen.

Professor Ashley Carter, Paläoanthropologin und Archäologin, gräbt gerade in Neumexiko alte Indianersiedlungen aus, als sie der Ruf aus der Antarktis erreicht. Sie sagt zu, bringt aber ihren elfjährigen Sohn Jason mit. Der Australier Benjamin Brust, Ex-Soldat und Höhlenforscher, organisiert den eher Körpereinsatz erfordernden Part der Kletterei; das Team wird komplettiert durch noch einen weiblichen Professor – die Biologin Linda Furstenberg aus Kanada -, Khalid Najmon, Geologe ägyptischer Herkunft, sowie Major Dennis Michaelson und zwei kernige Marines, die offiziell für die Logistik des Unternehmens, aber außerdem für den Schutz der Wissenschaftler zuständig sind. Denn der recht zwielichtige Blakely hat seinen Forschern eine kleine, aber wichtige Tatsache verschwiegen: Sie sind nicht das erste Team, das sich in die Tiefe wagt. Ihre Vorgänger sind allerdings spurlos verschwunden – und mit ihnen immer wieder Soldaten, die sich ein Stück zu weit ins Unbekannte gewagt hatten. Die Menschen sind ganz sicher nicht allein hier |sub terra|, und sie werden keineswegs gastfreundlich empfangen. Als ob dies nicht genug der Gefahr sei, entpuppt sich dann auch noch einer der Forscher als fanatischer Terrorist, der sicherstellen soll, dass sich die verhassten USA nicht auch noch unter der Erdoberfläche breit machen …

Dreimal geraten, liebe Leser, wer das wohl sein könnte aus unserer Runde! Nun ja, einmal wird wohl reichen (dazu unten mehr) – und damit wissen wir schon, wessen Geistes (Findel-)Kind der Roman „Sub Terra“ ist. Der Doktor und das liebe Leservieh … James Rollins alias James Clemens, geboren 1961 in Chicago, Illinois, als James Czajkowski, Doktor der Veterinärmedizin, vulgo Tierarzt, im kalifornischen Sacramento, dazu Reisender und Geschichtenerzähler – ein Lebenslauf, wie ihn die US-Amerikaner lieben, suggeriert er doch Weltläufigkeit und dass in diesem Land jedermann berühmt und reich werden, wenn er (oder sie) sich nur recht eifrig darum bemüht.

Die Qualität dessen, was dabei das Licht der Welt erblickt, ist von sekundärer Bedeutung. In unserem Fall ist das einleuchtend, wenn wir Dr. Czajkowski lauschen, wie er in Erinnerungen schwelgt an die schöne Zeit, als er mit der Linken hustende Dobermänner kurierte und mit der Rechten „Subterranean“, seinen Romanerstling, niederschrieb: drei Seiten an jedem schönen Tag, den der Herr werden ließ, nicht mehr, nicht weniger, bis das Werk getan. (Diese und weitere Informationen zur Person und zum Werk des James Rollins liefert die Website www.jamesrollins.com, die sich allerdings mit demselben Adjektiv wie das schriftstellerische Potenzial ihres Herrn beschreiben lässt: dürftig.)

Diese ungewöhnliche Art der Schriftstellerei bedingt natürlich gewisse Einschränkungen. Um den Tagesdurchschnitt von drei Seiten nicht zu gefährden, gilt es beispielsweise auf jeglichen Ehrgeiz zu verzichten, sein Werk um den Faktor Originalität zu bereichern. Wozu denn auch, steckt doch die Welt des Abenteuerthrillers voller erprobter und bewährter Szenen und Figuren, die förmlich danach schreien, dass sich ein fix und ökonomisch arbeitender Schreiber(ling) ihrer bedient.

Oder wollen wir männlichen Leser etwa behaupten, wir verfolgten nicht gern – in allen Ehren selbstverständlich – die Abenteuer der 2.004ten schönen Frau, die auf den Spuren Lara Crofts die Unterwelt der Antarktis erobert? Wir müssen uns da keine Vorwürfe machen, ist diese Ashley Carter doch nicht nur hübsch, sondern auch schlau und eine gute Mutter obendrein, so dass sie politisch völlig korrekt bewundert werden darf. Sicher, das Treiben ihres Sprösslings – einer Nerven sägenden Heimsuchung, die das Disney-Studio geschickt haben könnte – lässt insgeheim den Wunsch aufkommen, ein gütiges Schicksal – vielleicht in Gestalt eines hungrigen Höhlenbären? – möge ihn möglichst rasch aus dem Geschehen reißen, aber schließlich muss Autor Rollins schon eine zukünftige Verfilmung bedenken, und da ist eine Identifikationsfigur für die eintrittskartenkaufende US-Teenagerschaft unbedingt erforderlich.

Aber keine Sorge: Guter, altmodischer Abenteuer-Machismo manifestiert sich in der Figur des Australiers Benjamin Brust, der eine Art Stalaktite Dundee gibt und noch in lebensbedrohlicher Notlage die Muße findet, die unbemannte Ashley ordentlich zu bebalzen (was sich auch die moderne Frau des 21. Jahrhunderts insgeheim ganz gern gefallen lässt, wie Rollins mit einem Augenzwinkern deutlich macht). In Reserve hält sich Frau Nr. 2, Linda Furstenberg, der aber eher die Rolle der schwarzhaarigen Verderbnis zugedacht wurde, die ein übles Ende nimmt: In dieser Geschichte ist nur Platz für eine Heldin.

Klassisch auch die Schurkenrollen: Mit falschem Lächeln zieht Dr. Blakely – intrigant, egoistisch, ehrgeizig: kein vom Wissensdurst beseelter Forscher, sondern ein Politiker eben – feige hinter den Kulissen die Fäden. Fürs grobe Tücken vor Ort (Belügen & Bedrohen der Helden, Bestehlen & Umbringen der Eingeborenen, Versündigen gegen Mutter Erde etc.) ist Khalid Najmon zuständig, dessen Namen im Ohr des wachsamen Durchschnittsamerikaners verdächtig nach Ausland und Nahem Osten klingt. (Ägypten? Ist das nicht die Hauptstadt des Iran?)

Bleiben noch der stramme Major Michaelson und seine beiden Mannen, harter Kern in stählerner Schale, mutig und dringend erforderlich, um die gar zu sorglosen Wissenschaftler zu ihrem eigenen Besten vor den Gefahren der Finsternis zu schützen. Außerdem gilt es uramerikanische Interessen zu vertreten: Wo kämen wir denn dahin, wenn am Mittelpunkt der Erde ein anderes als das Sternenbanner wehte? Hei, da kommt patriotischer Stolz auf, wenn tapfere Marines den Polar-Morlocks tüchtig in die Ärsche treten! Ach, wenn das mit den Iranern (Libyern, Kubanern u. a. Strolchen) doch auch nur so einfach wäre!

Der Blick auf die Handlung zeigt indes, dass mit den oben beschriebenen Protagonisten genau die richtigen Personen „Sub Terra“ gegangen sind. Was in der Theorie paradox klingt, weiß Autor Rollins wunderbar zu realisieren: Geografisch geht es klaftertief hinab, während die Geschichte durchweg flach bleibt. Hier Jules Vernes wunderbare [„Reise zum Mittelpunkt der Erde“ 325 („Voyage au Centre de la Terre“, 1864) als Vorbild zu nennen, zeugt von einem gut ausgebildeten Selbstbewusstsein – oder kündet vom dreisten Versuch, den zögerlichen Buchladen-Besucher zwecks Kauf des Bandes zu überrumpeln. Parallelen gibt es in der Tat: Auch Vernes Forscher sind Papier gewordene Klischees. Allerdings fand ihre Reise vor fast anderthalb Jahrhunderten statt. Inzwischen hat sich in Sachen Figurenzeichnung und -entwicklung einiges getan – oder eben nicht, wie Rollins hier deutlich macht. Es reicht nicht, sich populärwissenschaftlich auf den aktuellen Stand zu bringen. Natürlich ist es richtig, dass es dieses Mal nicht mehr zum Mittelpunkt der Erde hinab geht, weil wohl heute selbst dem dümmsten Zeitgenossen klar ist, dass dieser einen glühenden, flüssigen und deshalb ziemlich unzugänglichen Kern bildet.

Ein bisschen Realität braucht auch ein Phantastik-Garn wie „Sub Terra“. Auch ein gewisser naiver Charme in Form und Inhalt schadet nicht in einem Genre, dessen Autoren kaum um den Nobelpreis für Literatur zu buhlen pflegen. Doch Rollins übertreibt es bzw. versucht erst gar nicht, Bekanntes wenigstens zu variieren, Das Ergebnis ist spannend dort, wo reine Aktion die Szene bestimmt. Rollins Darstellung einer exotischen Höhlenwelt tief unter der Erde hat ganz sicher ihre Reize. Doch sobald seine Protagonisten auf der Bildfläche erscheinen und womöglich auch noch den Mund aufmachen, ist der Zauber verflogen.

„Sub Terra“ ist ein Debütwerk und muss deshalb mit einer gewissen Nachsicht beurteilt werden. Allerdings lassen Rollins Nachfolgewerke nicht die geringste Tendenz erkennen, die oben beschriebenen Probleme in den Griff zu bekommen. Wie könnte dies auch geschehen, da es doch erklärtes Ziel des Verfassers ist, die lesende Welt mit mindestens einem Abenteuer/Mystery-Thriller und einem Fantasy-Roman – in Deutschland veröffentlicht Rollins als James Clemens die Serie „The Banned and the Banished“ – pro Jahr zu beglücken? Der selbst auferlegte Arbeitsdruck führt denn auch dazu, dass „Excavation“ (1999; dt. „Das Blut des Teufels“), „Deep Fathom“ (2000; dt. „Im Dreieck des Drachen“) und „Amazonia“ (2001, dt. „Operation Amazonas“) unter den bekannten Schwächen leiden.

Da „Sub Terra“ erfreulich preisgünstig erstanden werden kann, ist ein Kauf trotz der beschriebenen Mankos kein Fehler, wenn man einfach nur (irgendwie) und ohne jeden Tiefgang unterhalten werden möchte, was ja manchmal auch ganz angenehm ist.

Alan Dean Foster – Aliens – Die Rückkehr

Mit letzter Kraft hat sich Ellen Ripley, Deckoffizier an Bord des Raumfrachters NOSTROMO, des unheimlichen, schier unsterblichen Aliens erwehren können, das sie und ihre Kameraden auf Geheiß der „Gesellschaft“, eines mächtigen Konzernmultis, ahnungslos vom Planeten LV-426 bergen mussten. Mit Jones, der Schiffskatze, treibt sie im Kälteschlaf in der Rettungskapsel der untergegangenen NOSTROMO im All und wartet auf ihre Rettung. (Die Vorgeschichte beschreibt Alan Dean Foster in [„Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt“ 645 .)

Schließlich findet man die Kapsel, doch inzwischen sind 57 Jahre vergangen. Ripley kehrt zur Erde zurück, wo ihre Angehörigen und Freunde längst gestorben sind. Die Schatten der Vergangenheit lassen sie nicht los. Da sind die ständigen Albträume. Schlimmer sind allerdings die Intrigen der „Gesellschaft“, die das so fatal fehlgeschlagene und höchst heikle Projekt LV-426 unbedingt vertuschen will und Ripley zum Sündenbock für den Verlust der NOSTROMO und ihrer Mannschaft stempelt. Ripley findet sich auf einer schwarzen Liste wieder, was es ihr doppelt schwer macht, in einer ihr völlig fremd gewordenen Welt Fuß zu fassen.
Da wendet sich Carter Burke, ein Repräsentant der „Gesellschaft“, an Ripley. Sie muss erfahren, dass die „Gesellschaft“ in den vergangenen Jahrzehnten eine Kolonie auf LV-426 – jetzt „Acheron“ genannt – eingerichtet hat. Riesige Maschinen sollen den unwirtlichen Planeten in eine zweite Erde verwandeln. Im Verborgenen wird gleichzeitig das Wrack untersucht, in dem die Mannschaft der NOSTROMO einst auf das Alien stieß.

Ganz plötzlich ist der Kontakt zur Vorzeige-Kolonie abgebrochen. Hat Ripley womöglich doch die Wahrheit gesagt? Die „Gesellschaft“ geht kein Risiko ein. Sie schickt den Truppentransporter SULACO und eine kleine Gruppe kampferprobter Soldaten nach Acheron, die dort nach dem Rechten sehen sollen. Ripley wird ihnen als Beraterin zur Seite gestellt; ihr bleibt keine Wahl, denn der lange Arm der „Gesellschaft“ wird sonst dafür sorgen, dass sie nirgendwo eine Heimat findet.
Nach der Ankunft findet die Gruppe die Kolonie menschenleer und zerstört vor. Ripley findet die einzige Überlebende: die sechsjährige Newt, die ihnen berichtet, wie Horden von Aliens die Kolonie überfallen und sämtliche Bewohner getötet oder verschleppt haben.

Rasch müssen die Soldaten, die Ripleys Warnungen über die Gefährlichkeit der Aliens bisher keinen Glauben geschenkt haben, die Erfahrung machen, dass ihre Bewaffnung und ihre Ausbildung gegen diesen Feind wenig ausrichten. Ein erster Vorstoß in das Nest der Aliens endet in einem Fiasko; einige Männer, darunter der Kommandant, sterben, das Landefahrzeug wird zerstört. Nun ist die Gruppe auf Acheron gefangen – und in der Nacht werden die Aliens kommen …

Seit etwa 1980 ist der „tie-in-Roman“ – die Nacherzählung eines Kino- oder TV-Films – eine feste Größe im Vermarktungskonzept der Film- und Fernsehindustrie. Das Drehbuch liegt sowieso vor; warum es dann nicht als Grundlage eines Romans noch einmal profitbringend recyceln? Im schlimmsten Fall werden die schon vorhandenen Dialoge und Handlungsvorgaben mit einigen Überleitungen verbunden, und schon kann das Produkt – und mehr ist es dann nicht – auf den Markt geworfen werden.
Unter diesem Aspekt ist es einleuchtend, dass sich eine ganze Reihe von zweit- und drittklassigen Autoren auf das Verfassen von Filmromanen spezialisiert hat. Aber auch Schriftsteller von Rang und Namen verdienen sich gern ein kleines Zubrot, wenn die Karrierekurve einmal einen Knick erfährt.

Alan Dean Foster gehört zu den redlichen Vertretern seiner Zunft. Er begann als „richtiger“ Autor und debütierte 1972 mit dem Roman „The Tar Aiym-Krang“ (dt. „Das Tar Aiym Krang“) dem er bis heute knapp 100 (!) weitere folgen ließ: Foster gilt als schneller, aber versierter und unterhaltsamer Handwerker. Als solcher erregte er schon früh die Aufmerksamkeit der Film- und Fernsehindustrie, der er schon vorher durch seine Arbeit in der PR-Abteilung eines kleinen kalifornischen Studios verbunden war. Zwischen 1974 und 1978 verwandelte er die Drehbücher der STAR TREK-Zeichentrickserie in eine zehnbändige Buchreihe. Anschließend ging es Schlag auf Schlag: Neben den „Alien“-Romanen entstanden Bücher zu Filmen wie „Starman“, „Das Ding aus einer anderen Welt“ oder „Outland – Planet der Verdammten“, aber auch zu Western wie „Pale Rider – Der namenlose Reiter“ – bis Anfang der 90er Jahre insgesamt etwa 25 Romane.

Der fleißige Autor hatte 1979 bereits den ersten Teil der „Alien“-Saga in Romanform gebracht und dabei sehr gute Arbeit geleistet. Die Fortsetzung sollte ihn vor ungleich größere Probleme stellen. „Aliens – Die Rückkehr“ ist ein James-Cameron-Film. Dieser Regisseur und Drehbuchautor ist bekannt und berühmt für seine fabelhaften Action-Filme (u. a. „Terminator“, „Terminator II“, „Abyss“). Gegen sein enormes Talent, eine spannende Geschichte in packende Bilder zu kleiden, fällt seine Fähigkeit, dieser Geschichte Tiefe zu verleihen, ab. Zumindest der frühe Cameron (mit „Titanic“ hat sich seine inszenatorische Bandbreite stark erweitert) achtete deshalb darauf, dass vor der Kamera immer etwas geschieht. In „Aliens – Die Rückkehr“ gibt es durchaus ruhige Passagen (das gilt besonders für den „Director´s Cut“, der fast eine halbe Stunde länger ist als die Kinofassung), der Film weist dennoch einen völlig anderen Grundton auf als sein Vorgänger.

Zwangsläufig erschwert die Betonung des Körperlichen einem Schriftsteller wie Alan Dean Foster die Arbeit. Er denke sich gern in die Köpfe seiner Figuren, sagte er in einem Interview einmal (nachzulesen in: Jens H. Altmann, „Am Ende passt alles zusammen“. Ein Interview mit Alan Dean Foster, in: Wolfgang Jeschke [Hg.], Das Science Fiction Jahr 1998, Heyne Verlag, Nr. 06/5925, S. 565-574). Dazu lässt ihm das Drehbuch zu „Aliens“ wenig Spielraum. Foster kann in die actionbetonte Story keine längeren Passagen einfügen, die dieser völlig entgegenlaufen. Also muss er sich mit Andeutungen begnügen. (So erfährt man beispielsweise zum ersten Mal etwas über das Privatleben Ellen Ripleys, die hier zudem endlich zu ihrem Vornamen kommt). Trotzdem gelingt ihm wieder ein spannend zu lesender Roman, der gegen den auf seine Art überragenden Film, der sich wie sein Vorgänger sofort zu einem Klassiker des Genres entwickelte, allerdings dieses Mal deutlich abfällt.

Taschenbuch : 282 Seiten
www.heyne.de

Agatha Christie – Das Haus an der Düne

Als direkt unter seinen Augen ein Mordanschlag verübt wird, fühlt sich Meisterdetektiv Hercule Poirot herausgefordert. Mit seinem treuen Gefährten Hastings lädt er sich selbst in das Haus an der Düne ein, welches von einer fidelen Gesellschaft bewohnt wird. Darunter befindet sich ein kaltblütiger Mörder, der sein Glück erneut versuchen wird … – Der Wettlauf mit dem genretypisch gut getarnten Übeltäter ist klassisch spannend, wird aber von den penetranten Possen des eingebildeten Poirot künstlich dramatisiert: ein ‚nur‘ mittelmäßiger Krimi der englischen „Queen of Crime“.
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Mickey Spillane – Tod mit Zinsen

Spillane Tod mit Zinsen Cover kleinDas geschieht:

Privatdetektiv Mike Hammer wird alt. Er weiß es, nachdem ihn zwei Bauchschüsse trafen und deutlich mehr Zeit als früher verstreicht, bis er halbwegs auf den Beinen und den nichtswürdigen Strolchen hinterher ist, die ihn so rüde aus dem Weg schaffen wollten. Seinen Beinahe-Mörder, den Mafia-Kronprinzen Azi Ponti, hat Hammer zwar mit seiner alten .45er den Schädel vom Hals geschossen. Azis Bruder, der verrückte Ugo, ist noch sehr lebendig und hat Blutrache geschworen.

Eigentlich wollte Hammer sich in Florida auskurieren. Doch in New York erwischt es seinen alten Armee-Kumpel Marcus Dooley, der als Buchhalter für den Mafia-Paten Lorenzo Ponti – Azis und Ugos Vater – gearbeitet hat. Voller Reue über seinen Absturz ins Verbrechen hatte Dooley dessen größten Coup sabotiert: Lorenzo ließ die Gewinne der Mafia einsammeln. Die stolze Summe von 89 Milliarden Dollar war dabei zusammengekommen, die Lorenzo für schlechte Zeiten bunkern wollte. Mickey Spillane – Tod mit Zinsen weiterlesen

Preston, Douglas / Child, Lincoln – Ritual – Höhle des Schreckens

Medicine Creek, Cry County, ist ein sterbendes Städtchen im US-Staat Kansas. Hier lebt man mehr schlecht als recht von der Landwirtschaft. Riesige Maisfelder prägen das Bild; sie werden von großen Konzernen betrieben, während immer mehr örtliche Farmer aufgeben müssen.

Deshalb ist auch das eher fragwürdige Angebot einer Universität, ein Versuchsfeld mit genmanipuliertem Mais anzulegen, sehr willkommen, denn Geld und Arbeitsplätze winken. Dass es gute Gründe geben könnte, wieso die im Sold der Pharmaindustrie stehenden Forscher sich in einem möglichst entlegenen Winkel ansiedeln möchten, reden sich die verzweifelten Bürger schön.

Noch ist die Entscheidung für Medicine Creek nicht gefallen. Zwischenfälle sind daher höchst unwillkommen. Sheriff Dent Hazen, der energische, aber etwas denkfaule Sheriff, soll sie gefälligst verhindern oder vertuschen. Doch das gelingt nicht mit dem grausigen Mord, der auch überregional für Aufruhr sorgt: In einem Maisfeld findet man aufgebahrt zwischen toten Krähen die grässlich verstümmelte Leiche einer Frau.

Die mysteriösen, geradezu übernatürlich anmutenden Umstände der Untat locken den mit Spuk und Serienmord vertrauten FBI-Agenten Pendergast nach Medicine Creek. Der eigenwillige Mann schafft sich mit seiner Ankündigung weiterer Morde keine Freunde. Leider behält er Recht. Die nächsten Leichen sehen sogar noch schlimmer aus.

Spuren weisen zurück in die Vergangenheit. 1865 haben wütende Cheyenne-Indianer die berüchtigten Marodeure der „Fünfundvierziger“-Bande bei Medicine Creek überfallen und abgeschlachtet. Kehren sie oder ihre Opfer aus dem Jenseits zurück? Oder landen nachts Außerirdische in den Maisfeldern, um mit den Erdmenschen zu „experimentieren“?

Sheriff Hazen verdächtigt eher Neider, die den Genforschern Medicine Creek verleiden wollen. Er stellt Pendergast kalt und verfolgt lieber Mörder von dieser Welt. Unabhängig voneinander richten der Sheriff und der FBI-Agent ihre Augen auf Kraus‘ Kavernen, ein gewaltiges Höhlensystem, das sich unter der Erde wer weiß wohin erstreckt. Sie behalten beide Recht, was aber unkommentiert bleibt, als unter Tage ein Kampf auf Leben & Tod entbrennt …

Wobei die eigentliche Erklärung dem Rätsel von Medicine Creek wieder einmal nicht gewachsen ist. Sie soll angeblich überraschen, worauf man als Leser freilich lieber nicht wetten sollte, da „Ritual“ zwar jederzeit spannend, aber niemals verblüffend ist.

Die schier endlosen Maisfelder des Mittleren US-Westens haben seit jeher etwas Magisches und Unheimliches an sich. Der nüchterne Betrachter sieht nur öde Pflanzungen, aber der Romantiker fühlt sich verloren und beengt zwischen den übermannshohen, raschelnden, stickig riechenden Stauden, in deren Schutz sich unerfreuliche Besucher unbemerkt anschleichen können. Stephen King siedelte die Menschen opfernden „Kinder des Zorns“ im Mais an, M. Night Shyamalan ließ in „Signs“ die Außerirdischen dort landen, zuletzt sprang Jason Vorhees mit seiner Machete aus dem Mais, um eine Horde haltloser Teenager niederzumetzeln („Freddy vs. Jason“).

Von oben betrachtet, wirken diese Maiswälder wie ein Meer, unter dessen Oberfläche sich allerlei verbergen kann. Preston/Child bedienen sich zusätzlich, aber wenig innovativ der Historie, die in Kansas vergleichsweise unspektakulär ablief. Man blickt allerdings auf die Indianerkriege zurück – keine ruhmreiche Episode, aber eine, die in vielen Köpfen präsent ist und die sich in einen Gruselplot einbauen lässt.

Zur Abwechslung sind es nicht die Indianer, die hingeschlachtet wurden und als rächende Geister zurückkehren. Politisch korrekt hat es einst weiße Strolche erwischt, die ihr wüstes Ende wohl verdient hatten. Ob sie es sind, die Medicine Creek heimsuchen, soll hier nicht verraten werden.

Ohnehin gehen die Verfasser auf Nummer Sicher. Die Rache aus der Vergangenheit wird mit möglichen Drohungen aus dem All konterkariert. Berühmt (und berüchtigt) sind die Kornkreise geworden, mit denen die Besucher vom Planeten Schizophrenia VI ihren Kumpanen signalisieren, dass hier auf der Erde reiche Beute lockt, die man erschrecken, in ihre Fliegenden Untertassen entführen und schwängern kann. (Bordfunk scheint in fremden Welten unbekannt zu sein.) Deshalb könnten es auch gar nicht spukige, doch deshalb nicht weniger unheimliche Gestalten sein, die des Nachts durch die Feldfurchen stolpern. (Wieso sie dabei wie eine Kuh brüllen, fällt aber nicht nur dem überschlauen Pendergast ziemlich früh ein, sondern auch dem Leser, wie man den Verfassern leider vorwerfen muss.)

Medicine Creek ist eine überschaubare Kulisse: ein Flecken mit 150 Einwohnern, umgeben von Maisdschungeln. Weiterhin gibt’s eine alte Begräbnisstätte und eine Höhle, so dass es nicht schwer fällt zu raten, wo sich denn das Grauen verbirgt. Nur die Anwohner sind, wie es sich gehört, mit Blind- und Blödheit geschlagen. Um dem Finale die gebührende Bildgewalt zu verleihen, bricht selbstverständlich das schlimmste Unwetter des Jahrhunderts los. Die Auflistung weiterer Grusel-Bausteine sei den Lesern hier erspart, aber sie seien versichert: Preston/Child graben sie alle aus!

Spannend ist das Garn dennoch, das unser Verfasserduo hier spinnt. Preston und Child sind Profis darin, die immer identischen Module ihrer Spannungsgeschichten neu zu arrangieren. Wirklich spannend im Sinne von überraschend ist das nie, aber es liest sich angenehm und selten langweilig. Um zu diesem günstigen Urteil zu kommen, muss man freilich die Erkenntnis verdrängen, dass „Ritual“ über weite Strecken nichts als ein 1:1-Remake von „Relic“ ist, dem ersten und weiterhin besten Werk von Preston/Child.

Rein gar nichts mit der Medicine-Creek-Handlung haben diverse Kapitel zu tun, die in New York und in den Gewölben des Kuriositätenkabinetts spielen, das Schauplatz des Preston/Child-Thrillers „The Cabinet of Curiosities“ (2002; dt. [„Formula – Tunnel des Grauens“ 192 ) war. Damals waren noch einige Fragen offen geblieben, was vor allem die merkwürdigen familiären Hintergründe und Verwicklungen des Agenten Pendergast in das mörderische Geschehen betraf. Offenbar wollen die Autoren eine Pendergast-Saga entwickeln. Gut und schön, aber die sollte dann integraler Bestandteil der Story und dieser nicht aufgepfropft sein!

Agent Pendergast soll nach dem Willen seiner geistigen Väter eine ebenso faszinierende wie fremdartige Person (bzw. Persönlichkeit) sein. Dunkel und von Geheimnissen umwittert ist seine Vergangenheit, exzentrisch sein Verhalten. Als Ermittler ist er genial, übersieht keine Spuren, durchschaut Verdächtige auf Anhieb, bricht unentwegt Lanzen für unverstandene Außenseiter der Gesellschaft. Anders ausgedrückt: Pendergast ist eine hundertprozentige Kunstfigur und ein übler und reichlich arroganter Besserwisser, wie er uns aus tausend Hollywood-Blockbustern mehr als bekannt ist.

Seine Schnurren sind zu zahlreich und übertrieben, werden einfach behauptet, statt begründet zu werden; offenbar bleibt dies zukünftigen Bänden der Pendergast-Serie vorbehalten. Auf Biegen und Brechen, aber mit einfachsten Mitteln soll die Hauptfigur „interessant“ gemacht werden. Meist geht der Schuss nach hinter los. Wir ertragen Pendergast, aber er ist uns völlig gleichgültig.

Ähnlich durchsichtig ist die Figur der Corrie Swanson angelegt: Sollte „Ritual“ dereinst verfilmt werden, benötigt das Drehbuch unbedingt eine Identifikationsfigur für die jüngere Zuschauerschaft, die besonders kopfstark in die Kinos drängt. Also erleben wir eine völlig absurde „Assistentin“, die wieder einmal brachial den unverstandenen und (in Maßen) aufmüpfigen Teen mimen muss. Ungewöhnlich ist indessen, dass es außer Corrie keine weibliche Hauptrolle gibt und diese kein „love interest“ ist – eine Liebesgeschichte bleibt aus und wird in einer Geschichte dieses Kalibers auch gar nicht vermisst.

Ansonsten tummelt sich niveaugerecht allerlei US-Landvolk im Geschehen. Das angebliche „Salz der Erde“ gibt sich rollentypisch bodenständig, fremdenfeindlich, konservativ und drischt mehr markige Sprüche als Mais. Dent Hazen ist der bärbeißige Sheriff par excellence – vierschrötig, engstirnig, aber irgendwie doch tüchtig und sympathisch in seiner selbstgerechten Emsigkeit. Journalisten sind die Pest, Politiker notorisch verlogen, Firmenbosse wirtschaften in die eigenen Taschen; auch hier ist der Leser vor Überraschungen gefeit.

Douglas Preston wurde 1956 in Cambridge, Massachusetts geboren. Er studierte ausgiebig, nämlich Mathematik, Physik, Anthropologie, Biologie, Chemie, Geologie, Astronomie und Englische Literatur. Erstaunlicherweise immer noch jung an Jahren, nahm er anschließend einen Job am |American Museum of Natural History| in New York (!) an. Während der Arbeit an einem Sachbuch über „Dinosaurier in der Dachkammer“ – gemeint sind die über das ganze Riesenhaus verteilten, oft ungehobenen Schätze dieses Museums – arbeitete Preston bei |St. Martin’s Press| mit einem jungen Lektor namens Lincoln Child zusammen. Thema und Ort inspirierten das Duo zur Niederschrift eines ersten Romans: „Relic“.

Wenn Preston das Hirn ist, muss man Lincoln Child, geboren 1957 in Westport, Connecticut, als Herz des Duos bezeichnen. Er begann schon früh zu schreiben, entdeckte sein Faible für das Phantastische und bald darauf die Tatsache, dass sich davon schlecht leben ließ. So ging Child – auch er studierte übrigens Englische Literatur – nach New York und wurde bei |St. Martins Press| angestellt. Er betreute Autoren des Hauses und gab selbst mehrere Anthologien mit Geistergeschichten heraus. 1987 wechselte Child in die Software-Entwicklung. Mehrere Jahre war er dort tätig, während er nach Feierabend mit Douglas Preston an „Relic“ schrieb. Erst seit dem Durchbruch mit diesem Werk ist Child hauptberuflicher Schriftsteller.

Selbstverständlich haben die beiden Autoren eine eigene Website ins Netz gestellt. Unter http://www.prestonchild.com wird man großzügig mit Neuigkeiten versorgt (und mit verkaufsförderlichen Ankündigungen gelockt).

Inzwischen gehen Preston und Child schriftstellerisch auch getrennte Wege. 2002 verfasste Child „Utopia“ (dt. „Das Patent“), 2004 zog Preston mit „Codex“ nach. Die Unterschiede zum Gemeinschaftswerk sind eher marginal. Weiterhin stellt sich heraus, dass die Alleinautorenschaft in beiden Fällen keineswegs mit dem Drang zur Originalität einher geht. Wiederum gemeinsam ging es 2004 mit „Brimstone“ weiter, dem nächsten Pendergast-Spektakel.

Douglas Preston ist übrigens nicht mit seinem ebenfalls schriftstellernden Bruder Richard zu verwechseln, aus dessen Feder Bestseller wie „The Cobra Event“ und „The Hot Zone“ stammen.

Alan Dean Foster – Alien. Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt

Die angebliche Rettung havarierter Raumfahrer entpuppt sich als Falle, die der Crew eines Erzfrachters ein schier unsterbliches Alien beschert, das für Terror & Tod an Bord sorgt. Erbittert kämpfen die Männer und Frauen der „Nostromo“ um ihr Leben, das anderenorts längst als entbehrlich abgehakt wurde … – Foster erzählt nicht nur das Drehbuch zu einem der besten SF-Filme aller Zeiten nach, sondern verwandelt es in einen eigenständigen Roman, der den Film ergänzt und erweitert. Alan Dean Foster – Alien. Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt weiterlesen

Pelot, Pierre – keltische Grab, Das

An der Universität von Rennes möchte Chloé Séverin Geschichte und Ethnologie studieren. Der Ort ist gut gewählt, denn just haben im geheimnisvollen Wald von Brocéliande groß angelegte Ausgrabungen begonnen. Ein gewaltige keltische Kultstätte wurde dort gefunden. Vor zwei Jahrtausenden haben Druiden an diesem Ort ihre mysteriösen Zeremonien abgehalten.

Was die Wissenschaftler (noch) nicht ahnen: Besagte Druiden geboten einst über einen okkulten Wachschutz. Bei Bedarf erweckten sie gegen ihre Feinde einen urzeitlichen Dämonen: die fürchterliche Furie Morrigane. Der gefiel es noch nie in ihrer privaten Hölle, die sie gar zu gern verlässt, um Mord & Schrecken über die Menschen zu bringen.

Chloé sieht sich zu ihrem Schrecken in diverse unheimliche Ereignisse verwickelt. Vor ihren Augen wird des Nachts ein irischer Gelehrter von einem Ungeheuer in Stücke gerissen. Die Polizei kann keine Spuren entdecken und tippt sich viel sagend an den Kopf. Das Monster verfolgt anschließend Chloé; besser gesagt: Es bewacht sie.

Die junge Frau hat inzwischen Freunde gefunden und macht sich daran, das Rätsel zu lüften. Der berühmte Professor Brennos scheint weitaus mehr zu wissen als er bereit ist zuzugeben. Die Archäologen der Universität finden im Fort von Brocéliande immer mehr Spuren, die zur Beunruhigung Anlass geben.

Immer deutlicher werden für Chloé die Hinweise auf ein schreckliches Geschehen, in dem sie die Hauptrolle spielt. In der Nacht vom 31. Oktober auf den 1. November berühren sich die Welten der Lebenden und der Toten: Samhain, heute Halloween genannt, ist blutige Realität. Morrigane benötigt ein letztes Menschenopfer, dann wird sie ihre Schreckensherrschaft antreten. Wer diese Rolle übernehmen soll, erfährt Chloé, als es für sie beinahe zu spät ist …

Manche Horrorromane gleichen den Spukgestalten, von denen sie erzählen: Es sollte sie eigentlich gar nicht geben, aber trotzdem existieren sie, denn sie sind verflucht. Gespenster, Dämonen und andere Bewohner der Unterwelt sind freilich unterhaltsamer als dieses Buch. Das ist außerordentlich überflüssig weil langweilig, vorhersehbar und in seiner dunklen Liebe zum abgedroschenen Klischee wahrhaft höllisch.

Grundsätzlich ist es lobenswert, dass sich europäische Unterhaltungsautoren auf ihr reiches mythologisches und historisches Erbe berufen. Der alte Kontinent birst praktisch vor fabelhaften Geschichten. Die Kelten sind ideal als Ausgangspunkt – ein hoch zivilisierter, aber immer noch wenig bekannter, fremd wirkender Verbund von Stämmen, deren kultisches Treiben heutzutage überaus bizarr und grausam anmutet.

Leider bleibt davon in der literarischen oder filmischen Umsetzung allzu oft nur das Bild hakennasiger Druidenpriester mit Rauschebart im Wallewallelaken („Modell Miraculix“), die kreischende Gefangene auf Altarsteine zwingen und mit der Sichel aufschlitzen, während wohlgestalte Tempeldienerinnen heidnisch nackt die Szene umtanzen. Auch bei Pierre Pelot läuft es letztlich genau darauf hinaus.

Bis es so weit ist, reihen sich langweilige Ankündigungen drohenden Unheils aneinander, die selbst im Halbschlaf als solche zu erkennen sind und ganz & gar nicht fesseln können. Wie üblich gibt sich die Heldin ausgesprochen dämlich; sie bleibt irgendwie die einzige, die einfach nicht begreifen will, was sich da abspielt.

Sie ist eine schreckliche Nervensäge, die arme Chloé. Ihr bleibt gar keine Alternative, denn sie muss die übliche Rolle des schönen Opfers im minderbemittelten Gruselschocker übernehmen. Chloé ist folglich vom Schicksal arg gebeutelt, trotzdem überaus reizvoll anzuschauen, aber ein „gutes Mädchen“, das viele wertvolle Gedanken (die sie den Lesern leider nicht vorenthält) bezüglich der Frage wälzt, mit wem sie denn ihr schmales Studentenlager teilen könnte. Kurz und schlecht: Chloé ist eine fade und langweilige Figur, der man schließlich insgeheim wünscht, dass ihr Schädel die Kultstätte von Brocéliande schmücken möge.

Wer sich sonst noch dort oder auf dem Campus von Chloés Uni herumdrückt, wurde ebenfalls nach Schema F geformt. Die Schurken in dem trüben Schauspiel bleiben nur für Chloé unerkannt, und dass ihre angeblichen „Freunde“ bis zum Hals im keltischen Komplott stecken, ist auch nur für sie eine Überraschung.

Was Morrigane will in der Welt des 21. Jahrhunderts, muss ihr Geheimnis bleiben. So ist das oft mit heraufbeschworenen Ungeheuern: Ihnen bleibt keine Zeit, sich über moderne Zeiten zu wundern, denn in letzter Sekunde werden sie von heldenhaften Geisterjägern zurück in die Hölle befördert. So auch dieses Mal – und das ist kein Spoiler, der erwartungsvollen Lesern den Spaß verderben könnte, sondern die traurige Realität einer Geschichte, deren Ablauf schon nach den ersten fünf Seiten absolut klar ist, bis sie in ein jämmerliches Finale mündet, das an Lächerlichkeit schwer zu übertreffen ist.

„Brocéliande“ ist das Buch zum gleichnamigen Spielfilm, der 2002 in Frankreich entstand. Unter dem Titel „Pakt der Druiden“ ist dieser auch in einer deutschen Fassung erhältlich. Regisseur Doug Headline (= Jean Manchette) schuf einen Gruselstreifen, der daheim in den Kinos floppte und in Deutschland gleich auf DVD bzw. Video veröffentlicht wurde; dort gehört er auch hin, denn da ist rein gar nichts, das dieses Werk aus der Flut ähnlicher Horrorfilme ragen lässt.

Pierre Pelot (geb. 1945) ist ein Veteran der Unterhaltungsliteratur, der sich seit vier Jahrzehnten in allen Genres tummelt. (Wer der französischen Sprache mächtig ist, findet seine sehr interessante Website unter http://perso.club-internet.fr/ppelot/index.htm.) Dass er sich nicht zu schade ist, Filmdrehbücher in Romane umzusetzen, bewies er u. a. mit dem Buch zum ungleich gelungeneren Horrorfilm „Der Pakt der Wölfe“. Vermutlich ist der Erfolg dieser Geschichte, die auch in Deutschland erschien, der Grund für die Veröffentlichung des neuen Machwerks, welches hoffentlich wie die Morrigane bald wieder vom Erdboden verschwunden ist.