Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Michael Moorcock – Zeitnomaden. Die Abenteuer Captain Oswald Bastables

Der Brite im Tempel des Todes

Dieser Sammelband umfasst die drei OSWALD-BASTABLE-Romane, in denen Moorcock in den Jahren 1971, 1974 und 1981 die Abenteuer des Captain Oswald Bastable auf alternativen Zeitströmen schilderte:

1. Warlord of the Air, Ace Books 1971, OCLC 14007905
Die Herren der Lüfte, König 1973, Übersetzer Walter Ernsting und Rosemarie Ott, ISBN 3-8082-0052-9
2. The Land Leviathan, Doubleday 1974, ISBN 0-385-01473-2
Der Landleviathan, Heyne 1982, Übersetzerin Sylvia Pukallus, ISBN 3-453-30827-1
3. The Steel-Tsar, Mayflower / Granada 1981, ISBN 0-583-13432-7
Der Stahlzar, Heyne 1984, Übersetzerin Sylvia Pukallus, ISBN 3-453-31086-1
The Nomad of Time, Granada 1984, (Sammelausgabe von 1–3)
Zeitnomaden. Heyne 1991, ISBN 3-453-05009-6
The Flight from Singapore (1979, Kurzgeschichte) (Quelle: Wikipedia.de)

In drei Geschichten besucht der Ich-Erzähler Captain Oswald Bastable, ein Viktorianer von altem Schrot und Korn, drei unterschiedliche Welten: Eine Welt, in der bis in die 1970er Jahre die Imperialmächte (lang lebe Kaiserin Victoria!) mit Luftschiffen und Kolonien die Welt beherrschen, zweitens eine durch Kriege zerstörte Welt und schließlich eine des Russischen Bürgerkriegs. Alle drei Romane sind wunderbar illustriert von Themistokles Kanellakis.

Der Autor

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Edgar Allan Poe – Der Bericht des Arthur Gordon Pym (Lesung)

Der Traum von einem Abenteuer zur See kann ganz schnell in einen Albtraum umschlagen, aus dem es offenbar kein Erwachen gibt. So ergeht es dem 16-jährigen blinden Passagier des Titels, der in die Antarktis und darüber hinaus in eine weiße Region vordringt, die noch kein Mensch zuvor gesehen hat.

Der Autor
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Julian May – Der Sporn des Perseus (Die Rampart-Welten 1)

Detektivthriller, Familiensaga und Abenteuerexpedition

Eine spannende Mischung aus Detektivthriller, Familiensaga und Abenteuerexpedition – so kommt der Startband einer neuen Science Fiction-Trilogie von Altmeisterin Julian May daher. Die Mischung funktioniert, doch überfordert das Buch den jugendlichen Leser in keinster Weise. Wahrscheinlich unterfordert er sogar die meisten erwachsenen Leser.

Die Autorin
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Polidori, John William / Byron, Lord George / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Vampir, Der (Gruselkabinett 30)

_Ursprung des Vampirmythos: der ewige Versucher_

England 1823: Percy Aubrey, der Spross einer noblen englischen Familie, begibt sich auf eine ausgedehnte Reise zu den Stätten der Antike. Sein Begleiter ist ein geheimnisvoller junger Mann, den er auf einem Ball in London kennengelernt hat und der ihn fasziniert: Lord Ruthven, ein notorischer Verführer, wie sich herausstellt – aber bei weitem nicht nur das …

Der Autor Polidori machte seinerzeit selbst mit Lord Byron Bekanntschaft und verarbeitete dessen Vorlage zu seiner Story „Der Vampir“. Mehr dazu im nächsten Abschnitt.

_Die Autoren_

|John William Polidori:|

John William Polidori wird 1795 in London geboren. Er geht auf ein kirchliches College in Yorkshire und studiert danach erfolgreich Medizin an der Universität von Edinburgh. Im Frühjahr des Jahres 1816 zieht er mit dem bereits sehr erfolgreichen Schriftsteller Lord Byron an den Genfer See. Nach ihrer Trennung im Herbst desselben Jahres arbeitet Polidori das beim Autorenwettstreit entstandene – und auf Eingebungen Byrons basierende – „Vampyr“-Bruchstück zur fertigen Geschichte aus, welche 1819 in einer englischen Zeitschrift veröffentlicht wird – wobei Byron als Ko-Autor genannt wird!

Es bleibt sein einziger erfolgreicher Versuch als Schriftsteller, denn seine Stücke und späteren Prosatexte werden fast durchweg abgelehnt. Er praktiziert danach wieder recht erfolglos als Arzt. Im August 1821 stirbt Polidori im Alter von nur 26 Jahren; vermutlich durch Selbsttötung mittels Gift.

|Lord Byron:|

Der berühmte englische Dichter Lord George Gordon Noel Byron (1788-1824), genannt Lord Byron (und unter Freunden „Albie“), stellte zeitlebens seine recht zwiespältige Natur zur Schau. Leidenschaftliche Liebe, ausschweifende Lebensfreude, Weltschmerz und Selbstmitleid kennzeichneten ihn. Seine als Belastung empfundene körperliche Behinderung durch ein verkrüppeltes Bein (ein Klumpfuß) kompensierte er durch gelebte Sinnlichkeit und diabolische Ablehnung von Teilen seiner Umwelt (so etwa Polidori).

Inzestverdacht sowie finanzielle Exzesse machten ihn 1816 in der englischen Gesellschaft zu einem Exoten und Außenseiter. 1824 entschloss er sich zur Reise nach Griechenland, um die Nation in ihrem Kampf gegen die Türken zu unterstützen. Er starb jedoch kurz nach der Landung an Malaria. Berühmt wurde er bereits durch sein Frühwerk »Childe Harold’s Pilgrimage« (deutsch »Ritter Harolds Pilgerfahrt«) von 1812, in dem er Erlebnisse auf einer Jahre zuvor unternommenen Mittelmeer- und Orientrundreise verarbeitet.

Das Urbild des Vampyrs erfand er bereits 1813 in seinem Versepos „The Giaour“ (Der Ungläubige). Die Stelle ist im Booklet abgedruckt: „Doch zunächst, als Vampir gesandt zur Erden, / Soll dein Leichnam dem Grab entrissen werden / Um sodann deine Geburtsstätte gespenstisch heimzusuchen / Und das Blut all deiner Artverwandten auszusaugen.“ (meine Übersetzung)

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Percy Aubrey: Patrick Bach (Synchronstimme in „Silas“ und „Jack Holborn“)
Lord Ruthven: Christian Stark (‚Robin‘ in „Batman & Robin“, Justin Whalin)
Jane Aubrey: Kristine Walther
Onkel Henry: Jochen Schröder (James Cromwell, Lionel ‚Max‘ Stander)
Onkel Edgar: Kaspar Eichel (James ‚Scotty‘ Doohan)
Ianthe: Sarah Riedel (Teal ‚Louise Grant‘ Redmann in „Gilmore Girls“, Samaire ‚Emily‘ Armstrong in „Entourage“)
Wirt, Ianthes Vater: Bodo Wolf (Christopher Walken, William H. Macy)
Lady Hamilton: Anita Lochner (Miou-Miou, Isabelle Adjani, Samantha ‚Moneypenny‘ Bond)
Damen der Gesellschaft: Philine Peters-Arnolds (Joan Cusack) und Ursula Heyer (Joan Collins, ‚Lwaxana Troi‘)

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand in den |Planet Earth Studios| und bei |Kazuya c/o Bionic Beats| statt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

|PROLOG.|

Während Percy Aubrey seine Geschichte niederschreibt, wird es Mitternacht. Nun läuft die Eidesfrist ab, die ihn bisher daran gehindert hat, die Wahrheit zu sagen und seine Umgebung vor jenem Monster zu warnen, das drauf und dran ist, seine Familie ins Unglück zu stürzen: der Vampir.

(Binnenhandlung)

|London: die Begegnung|

Percy und seine Schwester sind nach dem Tod ihrer Eltern als Vollwaisen von ihren Vormündern Onkel Henry und Onkel Edgar aufgezogen worden. Doch weil sie auf dem Lande aufwuchsen, sind sie unvorbereitet auf die Schliche der Londoner Gesellschaft, in die Percy nun eintritt. Jane muss noch warten. Schon zerreißen sich die Klatschtanten das Maul über den hübschen jungen Mann, an den sie gerne ihre heiratsfähigen Töchter verschachern würden. Percy hält ebenso wenig von diesem Verhalten wie der hochgewachsene, gutaussehende junge Gentleman, der sich nun neben ihn stellt.

Der Mann stellt sich als Lord Ruthven (ausgesprochen [riwen]) vor und drückt seinen Abscheu in gewählten Worten aus, so dass Percy ihm seine Bewunderung nicht versagen kann. Der Lord umschmeichelt Percy und bietet ihm an, ihn auf der traditionellen Reise junger englischer Gentlemen zu begleiten, welche von jeher zu den Stätten der Antike führt, von denen ihre Schulen so schwärmen. Percy fühlt sich gebauchpinselt und sagt sofort zu. Endlich käme er mal raus aus diesem Land der Bēl und des Regens. Seine Vormünder geben ihr Plazet, und schon bald sieht er sich neben dem Lord auf der Fähre nach Calais stehen. Freiheit!

Der einzige Wermutstropfen ist der, dass Jane ihn schrecklich vermissen wird, wie sie zum Abschied sagte. Was Percy in Frankreich zunehmend Verdruss bereitet, ist die Vielzahl von Mädchen, die der Lord in wahlloser Abfolge zu vernaschen pflegt. Sein Freund scheint sich auch kein Gewissen daraus zu machen, jede Wirtstochter und jedes Dienstmädchen flachzulegen. Ganz im Gegensatz zu Percy, der kein einziges weibliches Wesen, das diese Bezeichnung verdient, auch nur anrührt. Zunehmend fühlt sich Percy in Gesellschaft seines Begleiters unwohl.

|Italien: der Bruch|

In Rom kommt es zum Bruch. Zwei Briefe warten schon auf Percy. Seine Vormünder warnen ihn vor dem schlechten Leumund des Lords, der eine Spur der Verwüstung unter den jungen Damen hinterlassen haben muss. Und die liebe Jane sehnt sich nach Percys baldiger Rückkehr. Percy schreibt ihr, wie der Lord die junge Tochter des Hauswirts bereits verführt habe. Für Marias Zukunft erwarte er nichts Gutes. Er protestiert gegenüber dem Lord gegen dessen verwerfliches Betragen. Das habe mit Liebe sicher nichts zu tun. Lord Ruthven ist ungerührt und bietet Percy einen „Anteil“ an Maria an: eine reife Frucht, die es zu pflücken gelte. Percy lehnt entrüstet ab und warnt insgeheim die Eltern Marias vor der Gefahr, bevor er abreist.

|Griechenland: der Vampir|

Percy erholt sich in der griechischen Natur und tut zugleich etwas für seine Bildung. Die Ruinen antiker Stätten besucht er regelmäßig, gerne an der Hand von Ianthe, der hübschen, freundlichen Tochter seiner Wirtseltern. Als die Nacht hereinbricht und sie immer noch nicht zu Hause sind, warnt sie ihren Begleiter ängstlich vor den Gefahren der Umgebung. Nicht die Räuber und Wegelagerer gelte es zu fürchten, sondern den Vampir, der hier vor Jahren sein Unwesen getrieben habe.

Er lebte in seiner Höhle und zahlreiche junge Frauen fielen ihm zum Opfer, berichtet Ianthe. Der Vampir verlängerte sein Leben, indem er das Blut der Jungfrauen trank. Und als sie ihn beschreibt, ersteht vor Percys geistigem Auge das Gesicht von Lord Ruthven, dem Schürzenjäger. Ein großer Schreck fährt ihm in die Glieder, und er verspricht, Ianthe vor diesem Ungeheuer zu beschützen und der Vampirhöhle fernzubleiben.

Sogleich schreibt er seiner Schwester Jane über seinen Verdacht, um sie zu warnen. Ianthes Eltern bestätigen ihre Geschichte, doch das hält ihn keineswegs davon ab, weiterhin Spaziergänge zu unternehmen. Diesmal kann seine Freundin nicht mitkommen. Als ein Gewitter aufkommt, ist es bereits später Abend. Der Regen rauscht herab, und Percy sucht Unterschlupf. Im Licht eines Blitzes erblickt er eine Höhlenöffnung. Ist es die Vampirhöhle? Das ist ihm im Augenblick gleichgültig, solange er nur trocken bleibt.

Da hört er ein Wimmern und Flüstern in der Tiefe der Höhle. Ianthes Stimme erschallt, als sie ihn vor der Gefahr warnt, die ihm droht. Er attackiert ihren Peiniger, der sie gepackt hält, doch der Typ lacht bloß hämisch, bevor er zusticht und an Percy vorbeihuscht, hinaus in die regnerische Nacht. Percy hört Ianthes Vater nach ihr rufen. Gemeinsam suchen sie das Mädchen. Weiter hinten in der Höhle finden sie sie tot vor. Entsetzt fragen sie sich, wer das getan haben mag. Da entdeckt Percy nicht nur den verzierten Dolch, sondern auch die Bisswunden am Hals der Toten. Der Vampir ist zurück!

_Mein Eindruck_

Die Begegnung mit dem Vampir ist nur die nächste Runde in Percys Ringen mit dem teuflischen Treiben des Gegners, den er in Lord Ruthven hat. Dieser Lord ist völlig ohne Gewissen, was ihn umso gefährlicher macht. In dieser Geschichte wird erstmals der Mythos vom unsterblichen Vampir erzeugt, wie wir ihn heute kennen und als bekannt voraussetzen. Ironisch, dass der Vampir ausgerechnet in Griechenland, der Wiege von Philosophie und Demokratie, auftaucht. Er spiegelt die dunkle Seite der klassischen Aufklärung wider.

Doch für Polidori war der Vampir mehr als ein aristokratischer Übermensch, der den Tod überwunden hat. Er ist ein Fluch, der über die Menschheit gekommen ist: ein Wesen, das ewige Jugend gewinnt, indem es sich vom Lebenssaft junger Damen ernährt. Der Fluch entspringt dem Glauben, man könne die Sterblichkeit überwinden, aber nicht, wie von der Kirche gepredigt, durch Aufgehen der Seele in Gott, sondern durch ewiges Wandeln dieser Seele auf Erden. Dadurch ist der Vampir zutiefst unchristlich, weil er ein Jenseits nicht nur leugnet, sondern es zudem von sich weist. Für einen Schriftsteller christlichen Glaubens (wie auch Leser) wird der Vampir so automatisch zum Antichristen.

Für Percy Aubrey, das Alter Ego des Autors Polidori, ist es selbstverständlich, dass er den Kampf gegen dieses Wesen aufnimmt. Doch er selbst ist zwiegespalten und lässt sich von Lord Ruthven ein zweites Mal täuschen. Das führt dazu, dass Ruthven ihn im Sterben schwören lässt, sein Geheimnis für ein Jahr zu bewahren. Diese Frist erweist sich als verhängnisvoll, denn wenn er den Schwur einhält, kann er seine Umgebung nicht vor der möglichen Gefahr warnen. Folglich hält man ihn für verrückt – das Schicksal eines jeden Propheten.

Als er erfährt, dass seine Schwester einen gewissen Earl of Marston heiraten will und dieser mit seinem Erzfeind identisch ist, stürzt seine Welt zusammen. Die Frage ist aber, nach welcher Logik die Fristen eingehalten werden. Während sich Percy an seinen Schwur gehalten hat, ist dies Ruthven nicht eingefallen, wie sein freches Auftreten vor Ablauf der Frist beweist. Ruthven ist also auch nicht von seiner Wiederkehr her an die Frist gebunden – er ist wirklich unsterblich. Jedenfalls solange er seine Nahrung bekommt.

Das dramatische Finale läuft nun erwartungsgemäß darauf hinaus, die nichts ahnende Jane vor dem Mörder zu bewahren, vor dem Percy sie gewarnt hat. Es soll nicht verraten werden, ob Percy und seine Helfer noch rechtzeitig eintreffen.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Patrick Bach spricht seinen Percy als anfangs naiven, aber zunehmend energischen jungen Mann, der offenbar in dem Wahn gefangen ist, er werde von einem Unwesen namens „Vampir“ verfolgt. Kein Wunder, dass Schwesterherz Jane – sehr zärtlich: Kristine Walther – sich große Sorgen um ihn macht.

Lord Ruthven ist ein Wesen mit zwei Gesichtern und verlangt darum eine besondere Darstellung. Das sollte man erwarten, doch Christian Stark erhält nur selten Gelegenheit, der hellen Seite Ruthvens einen sinistren Unterton zu verweilen. Das passiert beispielsweise auf dem Ball, auf dem der Lord Percy kennenlernt. Er warnt diesen davor, er könne seine Unschuld verlieren.

Doch wenn der Vampir erscheint, ist vom feinen Lord rein gar nichts wiederzufinden. Das ist ein wenig schade. Die Dramaturgie muss zu einem Notbehelf greifen, indem sie den Vampir aus dem Off sprechen lässt, als befinde er sich im Unterbewusstsein von Percy. Mit diesem etwas altmodischen Kniff gelingt es dem Hörspiel, dem Vampir das letzte Wort zu überlassen: Er macht Percy das ewige Leben zum Geschenk – aber das setzt eben die Missachtung aller Gebote für das Leben eines Sterblichen voraus.

So wird der Vampir nicht nur zum Fluch, sondern auch zum Versucher – eine Verkörperung des Bösen. Kein Wunder, dass der Vampir hämisch lacht, und zwar so oft, dass es schon wieder zum Klischee wird. Das fand ich nicht besonders elegant, sondern reichlich plump.

|Musik|

Auffallend ist die Häufung von Walzer-Rhythmen, die offenbar zum Standard einer Abendgesellschaft in England gehörten, wenn es nach den Machern geht. Walzer signalisieren Fest, Tanz und Fröhlichkeit – kein Wunder, dass Jane ganz außer Atem gerät. Diesen Festen stehen die Vampirszenen sowie die Seelenqualen Percys gegenüber, die völlig anders instrumentiert sind: mit düsteren Streichern und unheilkündenden Chören.

Die Musik gibt also sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit klassischem Instrumentarium produziert. Für klassische Stoffe werden in der Regel keine Synthesizer verwendet, mit der Ausnahme des Prologs. Dieser ist mit einer melancholischen Kadenz aus dem elektronischen Instrumentarium unterlegt.

Die Musik steuert nicht nur die Emotionen des Publikums auf subtile Weise, sondern bestreitet auch die Pausen zwischen den einzelnen Akten. Dann stimmt sie das Publikum auf die „Tonart“ des nächsten Aktes ein. Heitere Klänge wie etwa ein Tamburin oder helle Glocken wechseln sich mit düsteren Passagen ab, die von Streichern und Chören bestritten werden. Mitunter sind sehr tiefe Bässe zu hören, die Unheil verkünden. Als Ruthven erstmals erscheint, so wird dies mit einem Gongschlag begleitet.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Bemerkenswert ist der ständige Wechsel zwischen heiter gestimmten Landszenen, etwa in Griechenland, die mit Vogelgezwitscher unterlegt sind, und düsteren Szenen, in denen der Vampir auftritt. Dann kracht regelmäßig der Donner, und Regen rauscht hörbar. Nächtliche Gefahr kündet regelmäßige der dunkle Ruf des Käuzchens an – keine Nachtigallen für Percy und seine Ianthe.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von |Titania Medien|. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher. Die Titelillustration von Firuz Akin auf dem Schubereinband fand ich wieder einmal sehr passend und suggestiv. Aber den Vampir hätte ich mir etwas weniger blauhäutig vorgestellt. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 14 Jahren.

Diesmal sind in einem zusätzlichen Katalog Hinweise auf die nächsten Hörspiele zu finden:

Nr. 31: Rudyard Kipling: Die Gespenster-Rikscha (November)
Nr. 32 + 33: Barbara Hambly: Die Jagd der Vampire (2 CDs, erscheint im März 2009)
Nr. 34: F.M. Crawford: Die obere Koje (erscheint im April 2009)
Nr. 35: Bram Stoker: Das Schloss des weißen Lindwurms (erscheint im April 2009)
Nr. 36+37: Oscar Wilde: Das Bildnis des Dorian Gray (erscheint im Herbst 2009)

_Unterm Strich_

Die Story ist dramatisch und geschickt auf dramaturgische Höhepunkte verteilt. Das Finale sieht einen Wettlauf um Leben und Tod. Der Vampir erscheint als ein fremdes Wesen, das nicht der menschlichen Rasse angehört. Und doch handelt es sich um die zweite Natur des adeligen Lord Ruthven, ein Raubtier in Menschengestalt. Es ist das überspitzte Zerrbild von Lord Byron, dem berühmt-berüchtigten Verführer.

Neben Frankensteins Ungeheuer ist der Vampir die wichtigste Ausgeburt jener Gespensternacht des Jahres 1816 am Genfer See. Erst Bram Stoker sollte dem Vampir-Mythos die wichtigsten Konturen verleihen, einem Mythos, der uns heute so geläufig ist wie die Grimmschen Märchen. In Polidoris Fassung findet man die Urversion.

Mehr dazu in der Hörspielbesprechung von [„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“. 525

|Das Hörspiel|

Ich selbst kenne diese Geschichte inzwischen aus den beiden Hörbüchern, die Andreas Fröhlich mitgestaltet hat. Der Unterschied ist jedoch sehr deutlich. Wo sich Fröhlich & Gustavus auf den AUTOR konzentrieren, legt das vorliegende Hörspiel den Schwerpunkt ganz auf die GESCHICHTE. Es weiß nichts von seinem Schöpfer und seinen Lebensumständen.

Dadurch ist es ironischerweise zugleich unterhaltsamer als auch belangloser als die Fröhlich-Fassung. Belanglos in dem Sinne, als die literaturhistorische Relevanz des Textes überhaupt keine Rolle spielt. Der Text steht für sich allein, und für anspruchslose Hörer genügt dies vollauf: Er ist spannend und dramatisch, romantisch und an drei Stellen sogar actionreich – was will man mehr?

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Wer jedoch mit Melodramatik absolut nichts am Hut hat, sich aber trotzdem zünftig gruseln will, der sollte zu härterer Kost greifen.

|Basierend auf: The Vampire, ca. 1818
60 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-7857-3638-8|

Home – Atmosphärische Hörspiele


http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)

Michael McCollum – Die Lebenssonde

Revival der Space Opera

Mit diesem action- und spannungsgeladenen Abenteuer in einer fernen Galaxis präsentiert sich Michael McCollum als neuer Starautor im populären Feld der Space Opera. (Verlagsinfo) McCollum hat bei Heyne mit gleich drei Romanen debütiert: „Die Lebenssonde“ (1996), „Antares erlischt“ (1996) und „Die Wolken des Saturn“ (1995) (Heyne HSF 06/5381-5383).
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anonym / Färberböck, Max / Rohrbach, Günter – Anonyma. Eine Frau in Berlin (Hörspiel)

_Bescheidene Umsetzung: Besser den Film sehen!_

Das Original-Hörspiel zum Film von Max Färberböck, der seit dem 23. Oktober 2008 in den Kinos gezeigt wird.

April 1945. Die Rote Armee marschiert in Berlin ein. In einem halb zerstörten Wohnhaus werden die Frauen Opfer von Vergewaltigungen. Eine von ihnen ist ANONYMA (Nina Hoss), einst Journalistin und Fotografin. In der Not fasst sie den Entschluss, sich einen russischen Offizier zu suchen, der sie beschützt. Und es geschieht, worauf sie am wenigsten gefasst war: Es entsteht eine Beziehung zu dem Offizier (Evgenij Sidikhin), die sich wie Liebe anfühlt, wäre da nicht die Barriere, die sie bis zum Ende Feinde bleiben lässt. (Verlagsinfo)

_Die Macher_

|Autorin: anonym|. Alle Zitate aus: „Anonyma. Eine Frau in Berlin. Tagebuchaufzeichnungen vom 20. April bis zum 22. Juni 1945.“ © Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 2003.

|Regisseur Max Färberböck|

Der Absolvent der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) sammelte erste Erfahrungen am Theater, u. a. als Regieassistent von Peter Zadek am Schauspielhaus in Hamburg. Es folgten Theaterinszenierungen in Heidelberg, Köln, Italien und Argentinien, bevor er mit drei Folgen von „Der Fahnder“ (1990) seine Fernseharbeit begann. Er schrieb und inszenierte die bei Publikum und Presse gleichermaßen erfolgreichen, preisgekrönten TV-Movies „Schlafende Hunde“ (1992) sowie „Einer zahlt immer“ (1993) und schuf 1993 die Fernsehfigur „Bella Block“ und realisierte zwei Folgen: „Die Kommissarin“ (1994), für die er mit dem Adolf Grimme Preis in Gold ausgezeichnet wurde, und „Liebestod“ (1995). Mit „Aimée und Jaguar“ (1999) gab Färberböck dann sein überaus erfolgreiches Kinodebüt. Das von Günter Rohrbach produzierte Drama eröffnete 1999 die Internationalen Filmfestspiele Berlin und erhielt eine Nominierung für den |Golden Globe|. Seinen Hauptdarstellerinnen Juliane Köhler und Maria Schrader brachte „Aimée und Jaguar“ den |Silbernen Bären|, den |Bayerischen Filmpreis| und den |Deutschen Filmpreis| als Beste Darstellerinnen ein.

Max Färberböcks zwei Jahre später realisierter Fernsehfilm „Jenseits“ gewann 2001 den Fernsehpreis des SWR und wurde beim Internationalen Fernsehfestival von Monte Carlo mit zwei |Goldenen Nymphen| ausgezeichnet. Der Kinofilm „September“ (2002), der bei den Internationalen Filmfestspielen in Cannes in der Reihe |Un Certain Regard| Premiere feierte, war eine unmittelbare Auseinandersetzung Färberböcks mit den Folgen des 11. Septembers 2001 in Deutschland.

|Produzent Günter Rohrbach|

Nach seinem Studium der Germanistik und Philosophie mit anschließender Promotion war Günter Rohrbach vor allem als Filmkritiker tätig. Ab 1961 arbeitete er beim WDR, wo er ab 1965 Fernsehspielchef und ab 1972 auch Unterhaltungschef war. Von 1979 bis 1994 war er Geschäftsführer der |Bavaria-Film| in München und seit 1992 nebenamtlich tätig als Abteilungsleiter und Honorarprofessor an der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) in München. Seit 1994 arbeitet er als freier Produzent. Neben zahlreichen Fernsehspielproduktionen produzierte Günter Rohrbach über 40 Kinofilme und wurde dafür vielfach ausgezeichnet, darunter mit mehreren Bundesfilmpreisen und Bayerischen Filmpreisen, dem Adolf-Grimme-Preis, zwei |Goldenen Kameras| sowie Nominierungen für den |Oscar| und den |Golden Globe|.

Zu seinen Produktionen zählen Filme wie Rainer Werner Fassbinders „Berlin Alexanderplatz“ (1980), Wolfgang Petersens „Das Boot“ (1981), Peter Zadeks „Die wilden Fünfziger“ (1982), Hajo Gies „Schimanski – Zahn um Zahn“ (1985), Dominik Grafs „Die Katze“ (1987) und „Die Sieger“ (1994), Peter Timms „Go, Trabi, go“ (1991), Helmut Dietls „Schtonk!“ (1992), Rainer Kaufmanns „Die Apothekerin“ (1997) und „Kalt ist der Abendhauch“ (1999), Jan Schüttes „Fette Welt“ (1998), Max Färberböcks „Aimée & Jaguar“ (1999) und Hermine Huntgeburths „Die weiße Massai“ (2005) und „Effi“ (2008). Seit 2003 zeichnet er an der Seite von Senta Berger als Präsident der |Deutschen Filmakademie| verantwortlich.

|Musik: Zbigniew Preisner|

Der polnische Komponist Zbigniew Preisner erlangte Weltruhm durch seine langjährige Zusammenarbeit mit dem 1996 verstorbenen Regisseur Krzysztof Kieslowski. Preisner gewann 1994 einen |César| für seine Musik zu Kieslowskis „Drei Farben: Rot“, 1996 bekam er einen weiteren |César| für seine Musik zu Jean Beckers „Eliza“. 1997 wurde Zbigniew Preisner bei den Berliner Festspielen mit dem |Silbernen Bären| für die Musik zu dem dänischen Film „The Island on Bird Street“ (Regie: Soren Kragh-Jacobsen) ausgezeichnet. Des Weiteren komponierte er u. a. für drei Filme von Agnieszka Holland, „Der Priestermord“ (1988), „Hitlerjunge Salomon“ (1990) und „Der geheime Garten“ (1993). 1992 schrieb er die Musik zu Louis Malles „Das Verhängnis“.

Die Erzählerin: Ursula Illert

_Handlung_

|Zitat: ANONYMA, Montag, 23. April 1945, 9 Uhr früh
„Beim Bäcker hieß es, die Russen stünden nun bei Weißensee und Rangsdorf. Im Rangsdorfer Strandbad habe ich oft gebadet. Ich spreche es versuchsweise laut vor mich hin: ‚Die Russen in Rangsdorf‘. Es will nicht zusammenklingen. Im Osten heute feurig roter Himmel, endlose Brände.“|

Es sind die letzten Tage des Krieges, April 1945 in Berlin. Im Keller eines halb zerstörten Wohnhauses kauern die Menschen und warten. Sie haben die Bombennächte überstanden und auch den Artilleriebeschuss. Die meisten von ihnen sind Frauen und sie ahnen, was sie erwartet. Der Einmarsch der Roten Armee in Berlin steht unmittelbar bevor.

Da ist die stets hilfreiche Witwe (Irm Hermann), da sind die lebenslustigen Schwestern Bärbel (Jördis Triebel) und Greta (Rosalie Thomass), die ältere Buchhändlerin (Katharina Blaschke), die Likörfabrikantin (Maria Hartmann), deren Mann sie einer Jüngeren wegen sitzen ließ, das lesbische Liebespaar Steffi (Sandra Hüller) und Lisbeth (Isabell Gerschke), die resolute Achtzigjährige (Erni Mangold), das verzweifelte Flüchtlingsmädchen (Anne Kanis), da sind Mütter mit ihren Kindern und auch ein paar ältere Männer, aus denen der Krieg alle Kraft herausgesogen hat.

Vor allem aber ist da die knapp dreißigjährige Anonyma (Nina Hoss), dereinst Journalistin und Fotografin. Sie wird die Ereignisse der nächsten Tage für ihren Lebensgefährten Gerd (August Diehl) festhalten, der vor Jahren an die Ostfront verschwand.

|Zitat: ANONYMA, Sonntag, 13. Mai
„Über Berlin läuten die Glocken zum Sieg der Alliierten. Irgendwo steigt in dieser Stunde die berühmte Parade, die uns nichts angeht. (…) Liebe? Die liegt zertreten am Boden. Und stünde sie wieder auf, so würde ich ständig darum bangen, fände keine Zukunft darin, wagte nie mehr, Dauer zu erhoffen. (…) Trotzdem reizt das dunkle und wunderliche Abenteuer des Lebens. Ich bleibe schon aus Neugier dabei; und weil es mich freut, zu atmen und meine gesunden Glieder zu spüren.“|

Es werden Tage der Schrecken und widersprüchlichsten Erfahrungen. Anonyma wird, wie die meisten Frauen, von den Siegern mehrfach vergewaltigt. Doch sie taugt nicht zum Opfer. Mit Mut und dem unbedingtem Willen, ihre Würde zu verteidigen, fasst sie einen Entschluss. Sie wird sich „einen Wolf“ suchen, einen russischen Offizier, der sie vor den anderen schützt. Als Gegenleistung wird sie mit ihm schlafen – freiwillig. Und es geschieht, worauf sie am wenigsten gefasst war: Der höfliche, melancholische Offizier Andrej (Evgeny Sidikhin) weckt ihr Interesse, ja, es entsteht eine Beziehung, die sich wie Liebe anfühlt. Und doch schwindet nie die Barriere, die beide nicht vergessen lässt, dass sie feindlichen Lagern angehören.

Auch die anderen Frauen entwickeln ihre Strategien, mal schnoddrig, mal unterwürfig, auf kleine Vorteile bedacht. Und es zeigt sich, dass auch die sowjetischen Soldaten nach menschlicher Nähe verlangen. Sie nisten sich ein in diesem zerbombten Haus. Und schließlich werden Sieger und Besiegte sogar das Ende des Krieges zusammen feiern. Denn etwas vereint sie doch: Sie sind – nach einem langen Krieg – dem Tod entronnen.

|Zitat: ANONYMA, Freitag, 27. April 1945, Tag der Katastrophe, wilder Wirbel – notiert
Samstag Vormittag
„Es begann mit Stille. Allzu stille Nacht. Gegen Mitternacht meldet Fräulein Behn, daß der Feind bis an die Schrebergärten vorgedrungen sei und die deutsche Linie bereits vor uns liege. Ich konnte nicht einschlafen, probierte in Gedanken mein Russisch aus, übte Redensarten, von denen ich annahm, daß ich sie nun verwenden könnte. (…) Gegen 18 Uhr ging es los. Einer kam in den Keller, Bullenkerl, stockbesoffen, fuchtelte mit seinem Revolver herum und nahm Kurs auf die Likörfabrikantin. Die oder keine. Er jagte sie mit dem Revolver quer durch den Keller, stieß sie vor sich her zur Tür. Sie wehrte sich, schlug um sich, heulte – als plötzlich der Revolver losging. Der Schuß hallte wischen die Balken, in die Mauer, ohne Schaden anzurichten. Darob Kellerpanik, alle springen auf, schreien …

Da haben sie mich. Die beiden haben hier gelauert. Ich schreie, schreie … Hinter mir klappt dumpf die Kellertür zu. Der eine zerrt mich an den Handgelenken weiter, den Gang hinauf. Nun zerrt auch der andere, wobei er mir seine Hand so an die Kehle legt, daß ich nicht mehr schreien will, in der Angst erwürgt zu werden. Beide reißen an mir, schon liege ich am Boden. Aus der Jackentasche klirrt mir etwas heraus. Es müssen die Hausschlüssel sein, mein Schlüsselbund. Ich komme mit dem Kopf auf der untersten Stufe der Kellertreppe zu liegen, spüre im Rücken naßkühl die Fliesen. Oben am Türspalt, durch den etwas Licht fällt, hält der eine Mann Wache, während der andere an meinem Unterzeug reißt, sich gewaltsam den Weg sucht.“|

|ANONYMA, von Samstag, 16. Juni, bis Freitag, 22. Juni 1945
„Ich habe Gerd inzwischen meine Tagebuchhefte gegeben (es sind drei Kladden voll geworden). Gerd setzte sich eine Weile drüber hin, gab mir dann die Hefte zurück, meinte, er könne sich nicht durchfinden durch mein Gekritzel und die vielen eingelegten Zettel mit den Steno-Zeichen und den Abkürzungen. ‚Was soll denn das heißen?‘ fragte er und deutete auf Schdg. Ich mußte lachen: ‚Ja, doch natürlich Schändung.‘ Er sah mich an, als ob ich verrückt sei, sagte nichts mehr.“|

Für seine „Verbrüderung mit dem Feind“ wird der Major strafversetzt, kurz nachdem Anonymas Gatte Gerd aus dem Krieg heimgekehrt ist. Doch schon nach zwei Tagen hält er nicht mehr aus, aus ihren Notizbüchern über von all dem zu erfahren, was sie und die anderen Frauen getan haben. Voll Abscheu verschwindet er ins Nirgendwo.

_Anmerkungen_

|Anmerkungen von Günther Rohrbach, Produzent des Films:|

Es ist das letzte große Tabu des II. Weltkriegs. Bis heute gibt es, auch in der Wissenschaft, darüber nur wenige Veröffentlichungen, kein Standardwerk, keine verlässlichen Zahlen. Hunderttausende Frauen sind vor allem im Osten Deutschlands in den letzten Kriegswochen vergewaltigt worden. Manche Schätzungen bewegen sich zwischen einer und zwei Millionen, zuverlässig sind sie nicht. Wie sollten sie auch, denn kaum jemand hat darüber öffentlich gesprochen, am wenigsten die Frauen selbst. Sogar in den Familien gab es so etwas wie einen Schweigebann. So groß wie das Leid war die Scham, auch und gerade dem eigenen Mann, den eigenen Kindern gegenüber.

Soweit sich die Wissenschaft überhaupt dem Thema näherte, stützte sie sich auf die wenigen schriftlichen Zeugnisse, die ihr zugänglich waren. Historiker arbeiten nach Aktenlage. Mündliche Recherchen sind ihnen fremd. So waren es Journalisten wie Erich Kuby („Die Russen in Berlin 1945“) und vor allem die Filmemacherin Helke Sander, die die fundiertesten Beiträge zum Komplex der Vergewaltigungen geliefert haben. Helke Sanders Film „Befreier und Befreite“ erschien Anfang der 90er Jahre zusammen mit dem gleichnamigen Buch. Ergänzend zu zahlreichen persönlichen Zeugnissen wird hier erstmals auch versucht, den bestürzenden Umfang der Ereignisse mit Zahlen zu unterlegen. Gegenüber der Methodik dieser Ermittlung mag es Zweifel geben, unzweifelhaft ist aber, dass es hier um eine Größenordnung geht, deren erfolgreiche Verdrängung durchaus skandalös genannt werden kann. In den Kriegen der Männer waren die Frauen seit jeher eine mehr oder weniger selbstverständliche Beute. Heute nennt man das Kollateralschäden. Daran hat sich, folgt man den Berichten aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus dem Irak oder Afghanistan, bis in unsere Gegenwart hinein nichts geändert. Dennoch war das Ausmaß der Vergewaltigungen von 1945 extrem und beispiellos.

Die Tabuisierung dieser Ereignisse hat viele Gründe. Der wichtigste: Die eigene schwere Schuld hat es den Deutschen jahrzehntelang schwer, ja unmöglich gemacht, sich auch mit jenen Verbrechen der Nazizeit und des Krieges zu beschäftigen, bei denen sie sich selbst als Opfer sehen konnten. Diese Haltung war im Nachkriegsdeutschland weitgehend unumstritten. Erst in letzter Zeit hat man, nicht ohne kritische Begleitgeräusche, damit begonnen, in diesem oder jenem Falle eine andere Perspektive zuzulassen. Zweifellos hat es auch eine Rolle gespielt, dass bei den Vergewaltigungen die Täter vor allem Soldaten der Roten Armee waren, die Opfer Bürger der DDR. Es war gerade in der DDR politisch nicht opportun, die Befreier mit einem solchen Makel zu belasten. So war es eine große Ausnahme, wenn Bert Brecht in seinem Arbeitsjournal unter dem Datum vom 25.10.1948 mit aller Vorsicht und im Bemühen um Gerechtigkeit folgendes schrieb:

|[Zitat] „immer noch, nach den drei jahren, zittert unter den arbeitern, höre ich allgemein, die panik, verursacht durch die plünderungen und vergewaltigungen nach, die der eroberung von berlin folgten. In den arbeitervierteln hatte man die befreier mit verzweifelter freude erwartet, die arme waren ausgestreckt, aber die begegnung wurde zum überfall, der die siebzigjährigen und die zwölfjährigen nicht schonte und in voller öffentlichkeit vor sich ging. Es wird berichtet, dass die russischen soldaten noch während der kämpfe von haus zu haus, blutend, erschöpft, erbittert, ihr feuer einstellten, damit frauen wasser holen konnten, die hungrigen aus den kellern in die bäckereien geleiteten, die unter trümmern begrabenen ausgraben halfen, aber nach dem kampf durchzogen betrunkene horden die wohnungen, holten die frauen, schossen die widerstand leistenden männer und frauen nieder, vergewaltigten vor den augen von kindern, standen in schlangen an vor häusern usw …“ [Zitat Ende]|

Nicht zuletzt waren es die Frauen selbst, die eine Auseinandersetzung mit diesem Thema verhinderten, weil sie kein Interesse daran hatten, mit dem, was sie trotz allem auch für ihre Schande hielten, erneut konfrontiert zu werden. Auch in der von dem Historiker Rolf-Dieter Müller im Auftrag des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes herausgegebenen zehnbändigen Gesamtdarstellung des II. Weltkriegs werden die Vergewaltigungen nur beiläufig behandelt. Auch hier keine Zahlen – man beschränkt sich auf die pauschale Formulierung „Hunderttausende“ und resigniert vor der Unmöglichkeit einer zuverlässigen Quantifizierung mit dem Begriffspaar „zahllos und namenlos“.

|Anonyma|

Wann immer freilich in den vergangenen Jahrzehnten die Verbrechen an den Frauen im Berlin des Jahres 1945 zum Thema wurden, hat man sich nicht zuletzt auf die Tagebuchaufzeichnungen der Anonyma unter dem Titel „Eine Frau in Berlin“ berufen. Sie sind bis heute die einzige authentische Veröffentlichung, die es über die Massenvergewaltigungen des letzten Krieges gibt. Es ist bezeichnend, dass die Autorin ihren Namen auch Jahrzehnte nach den geschilderten Vorgängen nicht genannt hat. Wir haben ihren Wunsch, auch über den Tod hinaus anonym zu bleiben, respektiert, obwohl der Name an anderer Stelle inzwischen öffentlich geworden ist.

Es hat Versuche gegeben, die Authentizität dieses Dokumentes in Zweifel zu ziehen. Überzeugend waren sie nicht. Ein Gutachten Walter Kempowskis hat sie im Übrigen widerlegt. Die Ereignisse selbst sind ohnehin unumstritten.

Die Anonyma hat in der Zeit vom 20. April bis 22. Juni 1945 in Berlin Tagebuch geführt und diese Aufzeichnungen unter Anleitung ihres Mentors Kurt W. Marek (dem berühmten „C. W. Ceram“ bei |Rowohlt|) erstmals 1954 in New York in englischer Übersetzung veröffentlicht. Das Buch wurde auf Anhieb ein großer Erfolg. Nach etwa einem Dutzend weiterer ausländischer Ausgaben erschien das Buch Ende der 50er Jahre auch in Deutschland – und blieb weitgehend unbemerkt. Zu kurz war damals noch der Abstand, zu frisch waren die Wunden. Ohnehin war man in jenen Jahren vor allem damit beschäftigt, die Ereignisse des II. Weltkriegs möglichst aus dem kollektiven Gedächtnis zu verdrängen.

Es war allerdings nicht nur der Inhalt, der die Leser abschreckte, sondern vor allem der Ton, in dem die Anonyma ihre Erlebnisse verarbeitet hatte. Er ist frei von jeder Larmoyanz, kein Opfer-Pathos, kein Mitleidsappell. Anonyma schildert diese Wochen des Grauens und der Verfolgung selbstbewusst und mit jener schnoddrig sachlichen Kühle, die so typisch ist für die Berlinerin. Sie hat sich nicht unterkriegen lassen, so wenig wie viele der Frauen in ihrer Umgebung, ihr Überlebenswille war groß und stark. Und sie hat sich auch nicht gescheut, sich zu prostituieren, wenn anders das Weiterleben nicht gewonnen werden konnte.

Aber genau das, ihre Bereitschaft, das scheinbar Unmögliche zu tun, mit kühner Entschlossenheit die Gesetzlichkeiten der bürgerlichen Moral zu ignorieren und es auch noch trotzig niederzuschreiben, hat die deutschen Zeitgenossen der 50er Jahre empört. Ihr Bild von der deutschen Frau ließ nichts anderes zu als den Opfergang, im Zweifel bis zum Letzten.

Als Hans Magnus Enzensberger zu Beginn dieses Jahrhunderts das Buch wieder aufgriff und es in seiner „Anderen Bibliothek“ veröffentlichte, war die Resonanz überwältigend positiv. Befördert vom Enthusiasmus der Kritiker enterte das Buch auf Anhieb die Bestsellerlisten. Erneute Veröffentlichungen in zahlreichen Ländern waren die Folge.

|Der Film|

Der Film stellt sich dem Thema in seiner ganzen Komplexität, das heißt, er erzählt keine Opfergeschichte. Er verschweigt also nicht, wer in diesem Krieg die Angreifer, wer die Täter waren. Es ist kein Film über arme deutsche Frauen und böse russische Soldaten. Dennoch weicht er den harten Fakten nicht aus. Das ist ein schmaler Grat, auf dem er sich bewegt, aber es ist möglich, weil die Anonyma für sich selbst die mutige Entscheidung getroffen hat, kein Opfer sein zu wollen. Sie hat uns überdies die Chance gegeben, das zu vermeiden, was in vergleichbaren deutschen Filmen immer wieder geschieht, dass nämlich die Hauptfiguren aus dem politischen Kontext der Nazizeit herausgelöst und ideologisch entschuldet werden.

Wir haben uns dem Problem gestellt, dass die Anonyma ein Teil des Systems war. „War ich selber dafür? Dagegen?“, schreibt sie in ihrem Tagebuch, „Ich war jedenfalls mittendrin und habe die Luft eingeatmet, die uns umgab und die uns färbte, auch wenn wir es nicht wollten.“ Sie war Journalistin, da hatte sie nicht viele Möglichkeiten, den Ansprüchen derer zu entkommen, die dieses Land regierten. Sie hat Texte geschrieben, wie sie damals geschrieben wurden, auch von Journalisten, die später den demokratischen Geist der Bundesrepublik repräsentierten.

Wir haben uns auch bemüht, den russischen Soldaten Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. Sie waren zum großen Teil einfache Bauern, denen man dieses reiche Deutschland als Beute versprochen hat, als Ausgleich für erlittenes Leid. Kein anderes Volk hat auch nur annähernd so viele Opfer gebracht. Von den über 50 Millionen Toten des II. Weltkriegs waren mehr als die Hälfte Bürger der Sowjetunion.

Den Rahmen des Films bilden die Vergewaltigungen und die mutige Selbstbehauptung, mit der eine Gruppe von Berliner Frauen versucht, damit umzugehen. In seinem Kern aber erzählt der Film eine hochdramatische Geschichte zweier Menschen, die Feinde sind und die dennoch ein starkes Gefühl füreinander entwickeln. Wir stützen uns dabei auf vorsichtige Andeutungen der Tagebuchautorin, erlauben es uns aber, darüber hinauszugehen.

„Der Krieg verändert die Worte“, sagt Anonyma zu ihrem Beschützer, „Liebe ist nicht mehr das, was es war.“ Als am Ende Gert, ihr Mann, zurückkehrt, erleben wir das wahre Drama dieser Geschichte. Die Frauen haben, jedenfalls in ihrer Mehrheit, ihre Verletzungen tapfer ertragen. Es waren die Männer, die es nicht schafften.

_Mein Eindruck_

Was die Inhaltsangabe und Rohrbachs Anmerkungen verschweigen, sind die verräterischen Aktionen auf beiden Seiten. Der Major, Andrej, verbrüdert sich mit dem Feind und wird dafür strafversetzt – Sibirien. Aber zuvor kam es zu einem schweren Verstoß gegen die Sicherheitsbestimmungen der Russen durch die Bewohner des Hauses, in dem Anonyma lebt.

Alle Deutschen sollten selbstverständlich ihre Waffen abgeben. Doch Anonyma hat in ihrer Dachwohnung einen jungen deutschen Soldaten geduldet, der bewaffnet war und Essen von den Russen stahl. Sie brachte es nicht übers Herz, ihn durch Verrat nach Sibirien zu schicken. Doch Petka, ihr erster „Kavalier“, durchsuchte das Haus bis zum Dach auf der Suche nach einem weiblichen Ersatz für die vorenthaltene Anonyma. Er stößt auf das schlesische Flüchtlingsmädchen, das zur Freundin des jungen deutschen Soldaten geworden ist. Der Soldat schießt auf den russischen Gegner, der sich an dem Mädchen vergreifen will.

Alles fliegt auf, und das ganze Haus muss Sanktionen der Russen erdulden. Nun hat der Rivale des Majors, Oberleutnant Andropov, Oberwasser und nutzt die Chance, ihn auszubooten und versetzen zu lassen. Für das Verstecken des deutschen Soldaten muss sich Anonyma Vorwürfe von ihren deutschen Mitbewohnern anhören, sogar von Eckart, dem alten Volkssturmangehörigen.

Verrat ist eben auf beiden Seiten zu finden und meist durch das definiert, was dem jeweiligen Machthaber nützt. Die Frauen mussten sich durch dieses moralische Minenfeld hindurchlavieren. Anonyma will nicht zur Beute aller werden und stellt sich unter den Schutz eines einzigen dieser „Wölfe“, des Majors. Sie hintergeht ihn, indem sie verschweigt, wen sie in der Dachwohnung beherbergt. Da sie selbst aber machtlos ist, kann sie niemanden wirklich schützen. Es kommt zur Katastrophe.

Aber sie wird überleben. Sie erinnert an die Deutsche Lena Brandt in Soderberghs Film [„The Good German“,]http://www.powermetal.de/video/review-1044.html der auf dem Roman „In den Ruinen von Berlin“ von Joseph Kanon beruht. Gerade die Deutschen haben dafür einige Redensarten erfunden. „Not kennt kein Gebot“ und „Nach dem Fressen kommt die Moral“.

Doch der Film ist nicht zynisch oder kaltschnäuzig inszeniert, sondern steht auf der Seite der Menschen, nicht auf jener der Geschichtsschreibung oder irgendeines Systems. Deshalb nimmt er keine Verurteilungen vor. Das fand ich sehr positiv. Allerdings sind viele Szenen ohne Dialoge geschrieben, sondern wurden für Blicke und Gesten inszeniert. Dies wird dem Hörspiel zum Verhängnis …

_Die Inszenierung des Film-Hörspiels_

Mehr als einmal gibt es lange Szenen in diesem Film, in denen kaum ein Wort gesprochen wird. Kennt der Hörer den Film noch nicht, muss er sich Gesten, Mienen und Blicke vorstellen. Das fällt schwer in einem Film, der so von Emotionen getragen ist wie dieser. Mehrmals habe ich die Machart des Films mit [„Die Welle“]http://www.powermetal.de/video/review-1622.html verglichen. Dort gibt es aber wesentlich mehr Dialoge, da sich der ganze Film um Kommunikation und Gemeinschaft dreht.

Eigentlich sollte es in „Anonyma“ ebenfalls darum gehen, doch es fehlen die Worte. Und wenn es sie mal gibt, dann an den entscheidenden Stellen in russischer Sprache. Einer der entscheidenden Nachteile des Hörspiels besteht im Fehlen von Untertiteln. Entscheidende Stellen des interkulturellen Dialogs – Anonyma spricht ja auch russisch! – gehen so verloren.

Alle diese Mankos könnte die Erzählstimme auffangen – tut sie aber nicht. Die Aufgabe der Erzählstimme besteht vielmehr darin, Gedanken wiederzugeben, also sehr Intimes, sowie geschichtliche Zusammenhänge, also sehr Allgemeines. Dazwischen liegt die Sphäre des Films, mit den genannten Leerstellen.

Am meisten geärgert hat mich die entscheidende Szene zwischen Anonyma und dem heimgekehrten Gatten Gerd. Wir hören jede Menge Möbelrücken, Poltern und Kratzen – möglicherweise versucht er, in der Dachwohnung sein früheres Fotoatelier einzurichten. Diesem galt seine erste Frage an seine Frau, nicht etwa ihrem Wohlbefinden. Die Musik steigert sich zu dramatischen Dimensionen, doch immer noch fällt kein Wort, was doch auf die Dauer etwas unbefriedigend ist. Ob sie nun miteinander schlafen oder nicht – wir können es uns nur vorstellen. Und das ist viel zu wenig, wie sich herausstellt.

|Sound & Geräusche|

Bei einem Film-Hörspiel kann man auch einen anständigen SOUND erwarten. Der wird zum Glück auch geliefert, wenn auch nicht in DD 5.1, sondern nur in Stereo. Das reicht aber völlig aus, um gewaltige Explosionen und Granateinschläge sowie Gewehr-Salven im Wohnzimmer oder Kopfhörer des Zuhörers losdonnern zu lassen. Ich bin selbst mehrmals zusammengezuckt, mir wurde mulmig im Magen. Erst angesichts dieser Gewalten kann man sich den Überlebenskampf in den Berliner Häuserschluchten einigermaßen vorstellen.

|Musik (Original-Score)|

Der Score von Zbigniew Preisner ist klassisch instrumentiert. Er muss mit leisen Tönen gegen die Geräusche des Überlebenskampfes ankommen. Vielfach ist ein leises Piano zu hören, auch eine junge russische Solosängerin und eine Sopranistin, die eine Kantilene singt. Einmal spielt der „Major“ Andrej selbst am Piano eine schöne Melodie, vielleicht Chopin. Am besten gefielen mir die Stellen, in denen es dramatischer und flotter zuging; dann spielt das ganze Orchester mit. Ob der Komponist auch für die russische Party- und Tanzmusik zuständig war, kann ich nicht sagen.

Der Abspann und Ausklang wird von einem einzelnen Piano bestritten, das mit seinem Klang die verschwindende Erinnerung charakterisiert, auch wenn diese noch so schmerzhaft und traurig sein mag. Dieser Ausklang dauert immerhin fast 120 Sekunden lang.

_Unterm Strich_

Man sollte vor dem Hören dieser Produktion meiner Ansicht nach den Film gesehen haben. Als Appetizer taugt das Hörspiel ebenso wenig wie als Souvenir. Die Geschichte an sich wird zwar deutlich und klanglich anschaulich dargestellt, aber das Fehlen von Erzählkommentaren (und Untertiteln) an entscheidenden Stellen hat mich mehr als einmal geärgert und frustriert. Der Preis von knapp 20 €uronen ist erheblich zu hoch für diese bescheidene Leistung.

Dennoch habe ich keinen Zweifel, dass dies ein wichtiger Film für deutsche Zuschauer ist und wesentlich zur Aufklärung über ein dunkles Kriegskapitel beiträgt. So wie „Die Welle“ über das Entstehen des Faschismus aufgeklärt hat, so erhellt „Anonyma“ das bestehende Verhältnis zwischen Deutschen und Russen. (Man lese dazu die Anmerkungen von Produzent Rohrbach.)

|120 Minuten auf 2 CDs
ISBN-13: 978-3-8218-6300-9|
http://www.eichborn-lido.de
http://www.anonyma.film.de

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Die Leichenkutsche von London (Folge 68) (Hörspiel)

_Gehässiger Leichenkutscher: Dämon im Gepäck_

„Geisterjäger“ John Sinclair ist Oberinspektor in einer Sonderabteilung von Scotland Yard, die sich mit übersinnlichen Fällen befasst. Sinclair wird von einem Kreuz beschützt und gewarnt, das vom Propheten Hesekiel selbst stammt. Zur doppelten Sicherheit trägt er auch eine Beretta-Pistole mit sich, die mit Silberkugeln geladen ist. Werwölfe und ähnliches Gelichter mögen so etwas gar nicht. Heißt es.

In der Londoner Unterwelt ist offenbar ein Bandenkrieg in Vorbereitung. Logan Costello, allseits bekannter Verbündeter der Mord-Liga, hat es auf Cass Garretts Organisation abgesehen. Sein Werkzeug: der Dämon Xorron …

Folge Nr. 68 entspricht dem Band 214 der Bastei-Romanserie aus dem Jahr 1982.

Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 18 Jahren.

_Der Autor_

Der unter dem Pseudonym „Jason Dark“ arbeitende deutsche Autor Helmut Rellergerd ist der Schöpfer des Geisterjägers John Sinclair. Am 13. Juli 1973 – also vor 37 Jahren – eröffnete der Roman „Die Nacht des Hexers“ die neue Romanheft-Gruselserie „Gespenster-Krimi“ aus dem Hause Bastei. Inzwischen sind über 1700 „John Sinclair“-Romane erschienen, die Gesamtauflage der Serie beträgt laut Verlag über 250 Millionen Exemplare.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Frank Glaubrecht spricht den Geisterjäger himself und ist die deutsche Stimme von Al Pacino.
Joachim Kerzel, die deutsche Stimme von Jack Nicholson und Dustin Hoffman, spricht den Erzähler.
Sir James Powell: Karlheinz Tafel
Suko: Martin May
Jane Collins: Franziska Pigulla
Wesley Steele: Rainer Fritzsche
Jason Frogg: Wolfgang Bahro
Logan Costello: Bernd Vollbrecht
Xorron: Udo Schenk
Lana: Marie Bierstedt
Rod Kane: Kaspar Eichel
Mark: Oliver Kalkofe
Und viele Weitere.

_Der Regisseur_

… ist Oliver Döring, Jahrgang 1969, der seit 1992 ein gefragter Allrounder in der Medienbranche ist. „Als Autor, Regisseur und Produzent der „John Sinclair“-Hörspiele hat er neue Maßstäbe in der Audio-Unterhaltung gesetzt und ‚Breitwandkino für den Kopf‘ geschaffen“, behauptet der Verlag. Immerhin: Dörings preisgekröntes „Sinclair-Spezial“-Hörspiel „Der Anfang“ hielt sich nach Verlagsangaben wochenlang in den deutschen Charts.

Buch und Regie: Oliver Döring
Realisation: Patrick Simon
Tontechnik und Schnitt: ear2brain productions
Hörspielmusik: Universal
Produktion: Alex Stelkens (WortArt) und Marc Sieper (Lübbe Audio)

_Handlung_

Der Londoner Gangster Wesley Steele bekommt von seinem Konkurrenten Logan Costello ein Ultimatum gestellt. Er soll alle leute entlassen und die Stadt verlassen. Darüber kann Wesley nur lachen. Schließlich gehört er zur Organisation von Cass Garrett. Welche Druckmittel hat denn Costello vorzuweisen? Das soll Wesley schon bald am eigenen Leib herausfinden …

Am Montag merken die Leute vom Scotland Yard, dass etwas im Busch ist. Logan Costello, Diener der Mord-Liga, hat etwas vor, um die Londoner Unterwelt zu dominieren. Sinclair und Suko sind schon auf dem Sprung, um eingreifen zu können. Am Donnerstag tun sich merkwürdige Dinge vor der schwer gesicherten Villa des Gangsters Rod Kane.

Rod lässt sich gerade die Augen durch einen heißen Striptease seiner Freundin Lana verwöhnen, als er ein seltsames Geräusch am Fenster hört. Immer diese Störungen gerade dann, wenns am schönsten wird! Während sich die süße Lana wieder anzieht, schaut Rods Leibwächter Tony nach: Eine Feder steckt im Panzerglas. Sehr merkwürdig.

Dann geht der Bodyguard nach draußen auf den Rasen, und weil er nach Rod ruft, folgt ihm sein Boss. Das hätte er nicht tun sollen. Denn kaum hat er die merkwürdige Leichenkutsche und den lachenden Gnom erblickt, fühlt er etwas Kaltes in seinen Eingeweiden wühlen …

_Mein Eindruck_

Diesmal ist der Blickwinkel der Handlung etwas ungewöhnlich, denn die Gangster wie Rod Kane, Wesley Steele und Jason Frogg stehen ganz beträchtlich im Vordergrund. Das hat seinen guten Grund: Xorrons Attacken sorgen für unterhaltsame Action, während John Sinclair und Suko selbiger Action immer nur hinterherhetzen. Damit er dabei nicht so alt aussieht, tut John schon mal so, als wäre der Handyempfang gestört. Das nimmt ihm natürlich Sir James natürlich keine Sekunde ab, und Suko kann sich bloß über seinen Chef wundern.

Während das dynamische Duo bei Rod Kane und Wesley Steele zu spät kommt (wobei John die süße Lana höchst korrekt behandelt), treffen sie bei Jason Frogg auf Widerstand. Schüsse und Schreie in Froggs Villa sind ein sicheres Anzeichen für zünftige Schäden, die ein Dämon verursacht. Sie brauchen ihnen bloß zu folgen.

Dabei war es zuvor gar nicht so einfach, den Granatwerfern und Bazookas auszuweichen, die Wesley Steeles Handlanger vor dessen Disco aufgebaut hatten – leider an der falschen Stelle, sodass Xorron durch die Hintertür eindringen und Kleinholz aus Steeles Büro machen konnte – und aus dessen Bewohner.

Wie auch immer: In Froggs Haus hat Sinclair endlich Gelegenheit, die Silberkugeln seiner Beretta und das Kreuz des Hesekiel einzusetzen. Mit null Wirkung, was ihn doch einigermaßen verblüfft. Nun ist Suko mit seiner Dämonenpeitsche an der Reihe. Hoffen wir, dass er dem unterirdischen Gesocks mehr Beine machen kann als sein Chef…

Und was ist jetzt mit der titelgebenden Leichenkutsche, dürfte sich so mancher Hörer fragen. Nun, sie dient Xorron lediglich als extravagantes Transportmittel. Der erwähnte Gnom ist der Chauffeur. Und beide stammen mitsamt den schwarzen Pferden (ja, genau, die mit den blutroten Augen) natürlich aus dem Umkreis der Hölle. Q.E.D.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück tun Kerzel, Pigulla, Bierstedt, Glaubrecht und Co. dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen.

Die meisten Figuren klingen erstaunlich „normal“, falls dies in einem Horror-Drama möglich ist. Übertrieben sprechen lediglich die Schurken, insbesondere der Dämon Xorron und sein Helfer, der lachende Gnom. Xorron, gesprochen von Udo Schenk, der schon Grima Schlangenzunge die nötige Dämonie verlieh, spricht sehr tief und stark verzerrt. Aber trotzdem ist nicht schwer zu verstehen, was er seinem Opfer zu verkünden hat: den bevorstehenden Tod.

Bemerkenswert ist in dieser Folge der permanente Einsatz von Funksprechgeräten und Mobiltelefonen. Deshalb klingen die Stimmen der Sprecher in fast allen Fällen verzerrt, wobei ein Tonfilter sicher hilfreiche Dienste geleistet haben dürfte.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem halbwegs realistischen Genre-Spielfilm oder Anime erwarten würde, und dazu gehören leider auch etliche Splattereffekte, bei denen man das Blut förmlich spritzen hört. Und auch wenn sich Rod Kanes Eingeweide selbständig machen, bekommen wir dies akustisch in großem Detailreichtum dargeboten.

Die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen recht stimmungsvoll aufgebaut. Dazu zählt besonders Lanas erotischer Tanz sowie die Disco von Wesley Steele. Hier spielt naturgemäß die Musik eine wichtige Rolle.

|Musik|

Die Hintergrundmusik zu Lanas Striptease trägt eine in der Serie ungewohnt deutliche Erotik bei, die aber gar nicht unangebracht wirkt – schließlich ist die Serie ab 18 Jahren, oder etwa nicht? Und in der Disco wummert als Kontrast eine Techno-Musik, auf die wir gerne dankend verzichten. Sie läuft barmherzigerweise nur im Hintergrund – jedenfalls dann, bevor die Schreie anfangen …

Die Musik leitet in der Regel in den kurzen Pausen bzw. Übergängen gleich zur nächsten Szene über. Sie wurde von einem kleinen Orchester eingespielt, und bevorzugt werden düstere, basslastige Instrumente und Effektgeräte eingesetzt. Die Titelmelodie der Serie erschallt als Intro in einem hämmernden Rock-Rhythmus aus den Lautsprecherboxen. Sehr sympathisch. Sie wird am Schluss der CD kurz zitiert.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil Angaben über die zahlreichen Sprecher und die Macher sowie sämtliche Hörfolgen.

_Unterm Strich_

Diese Folge ist weniger eine Horrorshow als vielmehr ein Krimi, der in der Londoner Unterwelt angesiedelt ist. Logan Costello vernichtet seine Konkurrenz mit Hilfe eines höllischen Maskottchens: dem Dämon Xorron. Dessen Einsatz erweist sich als so wirkungsvoll, dass der gegnerische Gangsterboss, Cass Garrett, schon gar nicht mehr zum Kampf antritt, sondern sich gleich erhängt. (Damit wohl wenigstens seine schwarze Seele vor der Hölle sicher ist, vermute ich.)

Scotland Yard hetzt den sich überstürzenden, aber reichlich vorhersehbaren Ereignissen etwas hilflos hinterher und flüchtet sich in lachhafte Aktionen. Die holde Weiblichkeit tritt in lediglich zwei Figuren auf. Die prostituierte Lana legt einen perfekten Striptease, der leider rüde abgebrochen wird – was die Nachwelt für immer und ewig bedauern dürfte.

Außerdem tritt in einem Epilog Sinclairs Freundin Jane Collins auf. Sie hat vom Gynäkologen ein süßes Geheimnis erfahren, mit dem sie ihrem John schon bald einen gehörigen Schrecken einzujagen gedenkt … Wir dürfen auf die Fortsetzungen gespannt sein.

|Das Hörbuch|

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Die Action kommt niemals zu kurz, was die Game-Freunde doch einigermaßen zufriedenstellen sollte.

|Audio-CD mit ca. 49 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3-7857-4474-1|
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_
[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)
[„Im Jenseits verurteilt“ (Folge 57)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6469
[„Sakuro, der Dämon“ (Classics, Folge 5)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6765
[„Das Erbe des Schwarzen Tods“ (Folge 59)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6768
[„Verlorene Seelen“ (John-Sinclair-Jubiläumsbox)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6846
[„Ich stieß das Tor zur Hölle auf“ (Folge 60)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6888
[„Im Zentrum des Schreckens“ (Folge 61)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6889
[„Bring mir den Kopf von Asmodina“ (Folge 62)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6890
[„Tokatas Todesspur“ (Folge 63)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7004
[„Die Leichenkutsche von London“ (Folge 68)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7370

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Maske des Roten Todes, Die (POE #4)

Vierter und (zunächst) letzter Teil der Hörspielserie zu Geschichten von Edgar Allan Poe. Diesmal ist das Thema „Die Maske des Roten Todes“, eine der bekanntesten (und am meisten kopierten) Geschichten Poes. Statt ins frühe 19. Jahrhundert wird der Zuhörer diesmal in die Epoche des italienischen Barock entführt – das suggeriert zumindest die Hintergrundmusik, die vom Barockorchester Berlin vorgetragen wird. Die Regie führten wie stets Christian Hagitte und Simon Bertling.

Die Reihe wurde mittlerweile weitergeführt mit:
– Sturz in den Mahlstrom
– Der Goldkäfer
– Lebendig begraben
– Die Morde in der Rue Morgue

|Der Autor|

Edgar Allan Poe (gestorben 1849) gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Er gab verschiedene Zeitschriften heraus, veröffentlichte aber nur wenige eigene Werke in Buchform, sondern sah seine Geschichten und Gedichte lieber in Zeitschriften gedruckt. Er starb im Alkoholdelirium. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. („Allan“ ist übrigens kein Vorname, sondern der Familienname seines Ziehvaters.)

|Die Sprecher|

Ulrich Pleitgen spricht die Figur des „Fremden“, der den Namen E.A. Poe annimmt. Hier interpretiert er den Fürsten Prospero, der sich den Einflüsterungen seines Hofmeisters hilflos offen zeigt.
Dr. Templeton: Till Hagen
Hofmeister: Peter Groeger
Küchenmagd Louisa: Yara Bümel
Gedicht am Anfang/Lied am Schluss: Heinz Rudolf Kunze

_Handlung_

Vorgeschichte: Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und jetzt entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Er ist im Hafen angelangt, von dem sein Schiff in den Fernen Osten abfahren soll. Dr. Templeton drängt ihn zwar, hierzubleiben und seine Identität herauszufinden, doch E. A. Poe lehnt ab. Er besäuft sich im nächstbesten Wirtshaus. Dort hat er eine venezianische Maske an der Wand hängen sehen. Der rote Fleck auf der Maske stamme von Blut, sagt der Wirt. Dann beginnt Poe zu träumen …

Der Erzähler findet sich eingeschlossen in einem großen Palast vor – einem venezianischen Palazzo: Er ist Fürst Prospero. Seine Hoheit freut sich über die fremden Händler und Gaukler, die seine schöne Stadt beehren. Insbesondere den Feuerwerker würde er gerne kennen lernen. Während sich die Küchenmagd Louisa und ein Gaukler näher kennenlernen, beginnt einer der Fremden zu husten – es ist der Feuerwerker. Der Arzt stellt den Roten Tod fest. Fürst Prospero vernimmt die Nacht mit größtem Bedauern, aber da kann man wohl nichts machen.

Schon wenige Tage später fallen der Seuche, die schlimmer wütet als die Pest, dreißig Einwohner und Fremde zum Opfer. Louisa flüchtet sich ebenso wie der Hofstaat in den Palast und wagt sich nicht mehr heraus. Der Hofmeister rät, die Tore zu verriegeln. Vor den zugemauerten Toren stirbt die im Stich gelassene Bevölkerung an der furchtbaren Seuche. Wochenlang.

Der Fürst jedoch hat sich mit all seinem Hofstaat von der Außenwelt abgeschlossen, um dem Roten Tod zu entgehen. Auf Anraten seines schlauen Hofmeisters veranstaltet er einen Maskenball (masque), um den Hofstaat aufzuheitern und auf andere Gedanken als an den Tod zu bringen. Ein prächtiges Spektakel beginnt. Am Vorabend stürzt sich Louisa von den Mauern.

Die Party ist in vollem Gange und man amüsiert sich prächtig, doch unter den Gästen nimmt der Fürst plötzlich eine Maske (masque) wahr, die keiner zu kennen scheint. Und als ob sie dem Ablenkungsmanöver des Fürsten Hohn sprechen wolle, handelt es sich um die Maske des Roten Todes. Der Fürst ist empört und lässt dem todeswürdigen Maskenträger die Fratze abreißen: Doch da ist kein Gesicht …

_Mein Eindruck_

Die Binnenerzählung, der Traum des E. A. Poe, vermittelt durchaus gelungen das Gefühl nahenden Verhängnisses: die steigende Zahl der Erkrankungen, das fehlende Heilmittel, die unterbleibenden Hygienevorkehrungen, schließlich die verstreichenden Wochen des Eingemauertseins. Louisas Abschiedsworte bringen es auf den Punkt: Sie kann dieses Gefühl, lebendig begraben zu sein, nicht mehr ertragen und springt hinaus aus ihrem Gefängnis – in den Tod.

Was hier jedoch fehlt, ist die Stimme eines Erzählers, der dem Zuhörer das drohende Unheil, das über Prospero hereinbricht, näher bringt. Louisa, der Küchenmagd, gelingt dies leider nicht, obwohl es ihre Aufgabe wäre – sie wurde extra dafür erfunden, denn meines Wissens kommt sie in der Originalstory nicht vor. Dennoch: Ihr Tod rührt uns, und das ist wichtig.

Auch der Augenblick höchsten Grauens, als der Rote Tod in aller „Pracht“ hervortritt, ist wenig geglückt umgesetzt. Das Grauen bleibt beim Zuschauer jedenfalls aus. Und der Rückstürz in den Traum des E. A.Poe in seinem Kaffeehaus erfolgt völlig übergangslos, so dass der Zuhörer für einen Moment desorientiert ist.

Am wichtigsten ist jedoch die Fehlinterpretation der Figur des Füsten Prospero durch Ulrich Pleitgen. Seinen Fürsten könnte ein idealistischer Goethe oder Schiller erfunden haben, so freundlich und großzügig gibt er sich zunächst, wird nur durch die Einflüsterungen seines skrupellosen Hofmeisters zu der infamen Abschottung veranlasst. Keine Spur also von schicksalsverachtender Überheblichkeit, die die Götter als frevelhafte Hybris durch das Senden des Roten Todes zu bestrafen trachten. Der Fürst tut uns leid, und das ist das Letzte, was diese Horrorstory vertragen kann.

|Der Song|

Das Stück klingt wieder mit H. R. Kunzes Lied über E. A. Poe, „Der weiße Rabe“, aus. Es ist quasi eine Moritat, die versucht, diesen Dichter als Warner seiner Zeitgenossen in einen soziokulturellen Kontext zu stellen. Der Fünf-Minuten-Song ist zwar textlastig wie jede Moritat, aber stimmungsvoll instrumentiert und vorgetragen: schön schräg intoniert, mit „singender Säge“ unterlegt und wohligen Schauder erzeugend.

|Die szenische Musik|

Im Hintergrund der szenischen Hörspiels erklingt hin und wieder Musik. Es handelt sich um Barockmusik, die das Leben feiert. Aber auch eine Memento mori gibt es: Das Kirchenlied „Dies irae, dies illa“ („Tag des Zornes, jener Tag“, oft übersetzt als „Tag der Rache, Tag der Sünden“) ist dem Leser sicherlich durch die besonders bekannte Vertonung Mozarts in seinem „Requiem“ vertraut. In zahlreichen Abwandlungen wird es eingestreut und unterlegt. Hinzu kommen Punktuationen: ein Klang, der eine Szene von der nächsten abtrennt, beispielsweise eine Glocke.

_Unterm Strich_

Dieser (zunächst) letzte Teil der aufwendig inszenierten Hörspielreihe verpasst die obligatorische Gelegenheit, die Reihe mit einem Paukenschlag abzuschließen. Man hat auch hier wieder auf gepflegten Grusel setzen wollen, aber das Geschehen plätschert so vor sich hin, bis es zum logischen Endpunkt gelangt – und gleitet dann wieder in die Rahmenhandlung zurück, die auch nichts mehr von Bedeutung zu bieten hat.

Dabei gäbe es doch so schöne Storys zu verarbeiten! Man braucht sich nur Alan Parsons Auswahl aus seinem Album „Tales of Mystery and Imagination“ anzusehen: „The System of Dr. Tarr and Professor Feather“, „The Tell-tale Heart“ und ganz besonders „Das Fass Amontillado“ eignen sich ebenso zur Hörspielbearbeitung wie die Frauenstorys „Morella“, „Ligeia“ und „Eleonora“. Geboten werden in der Fortsetzung hingegen die oben angeführten Storys:
– Sturz in den Mahlstrom
– Der Goldkäfer
– Lebendig begraben
– Die Morde in der Rue Morgue

Wer die härtere Horror-Gangart sucht, wird von |Lübbe| aber auch bestens bedient: Lovecrafts Cthulhu-Storys sind ebenso zu haben wie „Necroscope“ von Brian Lumley. Ich bin sicher, wir werden noch mehr Gruseliges von |Lübbe| auf die Ohren bekommen …

|Umfang: 55 Minuten auf 1 CD|

Doris Lessing – Bericht über die bedrohte Stadt. Vier Erzählungen

Vier exemplarische Erzählungen der Nobelpreisträgerin

Sprachliche Präzision, leiser Humor und ein unbestechlicher Blick auf die Wirklichkeit kennzeichnen die Geschichten von Doris Lessing. Schauplätze sind die Stationen ihres eigenen Lebens: das Farmland in Afrika und die Großstadt London, denn sie sagt selbst: „Alles, was ich sah und berührte, konnte Ausgangspunkt einer Geschichte sein.“ (Verlagsinfo)

Die Autorin
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Hermann Hesse – Unterm Rad (Lesung)

Das autobiografische Werk „Unterm Rad“ ist der bedeutendste und meistgelesene deutsche Schulroman. 1906 erschienen, stellte er sich in den folgenden Jahren – mit einer Unterbrechung während des Dritten Reiches – als das provozierendste und folgenreichste Buch Hesses heraus. Seine Auflage beläuft sich inzwischen auf zwei Millionen Exemplare.

_Der Autor_

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Morrell, David – Creepers

_Action hoch zwei: Schatzsucher in der Todesfalle_

Asbury Park, New Jersey: In einer kalten Oktobernacht dringt eine Gruppe von fünf Abenteurern – sie selbst nennen sich Kulturarchäologen – in ein ehemaliges Luxushotel dieses fast ausgestorbenen Seebads ein. In dem halb verfallenen Gebäude ist die Vergangenheit unerwartet lebendig – und fordert von ihnen einen hohen Preis. Denn das Paragon Hotel hat immer noch Gäste. Die Nacht verwandelt sich in einen Albtraum, aus dem es für einige der fünf kein Entrinnen gibt …

_Der Autor_

Der Amerikaner David Morrell schreibt schon seit den siebziger Jahren Bestseller. Gleich sein Debütroman „First Blood“, in dem er die Figur des Vietnamveteranen John Rambo erfand, wurde mit Riesenerfolg verfilmt. Daher gilt der promovierte Literaturwissenschaftler Morrell inzwischen als Vater des Actionthrillers.

_Der Sprecher_

Stefan Kaminski wurde 1974 in Dresden geboren. Sein Schauspielstudium absolvierte er an der Hochschule für Schauspielkunst „Ernst Busch“ in Berlin. Seit 1996 ist er beim SFB/ORB als freier Schauspieler, Sprecher und Autor tätig. Am Deutschen Theater in Berlin spielte er zunächst als Gast, seit Januar 2003 gehört er fest zum Ensemble. Im |Hörverlag| ist er vor allem als Stimme von „Marvi Hämmer“ bekannt. Zuletzt vertonte er dort [„Septimus Heap“ 2469 auf beeindruckende Weise.

Die gekürzte Lesefassung erstellte Frank Bruder, der auch Regie führte. Die Aufnahme erfolgte im Berliner Studio „der apparat multimedia“.

_Handlung_

Statt in Kapitel sind die Abschnitte der Geschichte in Stunden eingeteilt. Um 21:00 trifft Frank Bellinger in dem abseits gelegenen Motel ein. Es ist der 24. Oktober 2005. Bellinger gibt sich als Journalist aus, als ihn Professor Robert Conklin einlässt und den anderen vorstellt. Das sind die rothaarige Cora und der muskulöse Rick Magell, ein Ehepaar, sowie Vincent Minelli, genannt Vinnie. Sie alle kennen sich von der Uni Buffalo, an der der Prof Literatur lehrt. Sie nennen sich Creepers, Infiltratoren.

Der Prof zieht es vor, sich als Großstadt-Paläontologen zu bezeichnen. Er riskiert heute Nacht zwar seine Karriere, aber er will Bellingers Artikel über sein Unternehmen in der Zeitung sehen. Jemand sollte den Amerikanern das Gedächtnis für ihre schwindende Kultur wiedergeben. Alles wird abgerissen, um schon wenige Jahre später durch etwas Neues ersetzt zu werden. Man nehme nur ihr heutiges Ziel: Das Paragon Hotel, 1901als Luxushotel in dem Seebad Asbury Park, New Jersey, errichtet, ist seit über 30 Jahren dem Verfall preisgegeben und soll nächste Woche abgerissen werden. Wahrscheinlich, um einen Supermarkt darauf zu errichten. Dabei steht in der Nähe sogar ein zehnstöckiges Wohnhaus leer.

Bellinger pfeift drauf, denn er hat anderes vor, aber das behält er für sich, und natürlich ist er kein Journalist. Um 22:00 Uhr geht’s los. Sie haben Ausrüstung dabei, die einem Team Höhlenforscher oder Bergsteiger alle Ehre gemacht hätte. Der Prof folgt einem Bauplan und lotst seine Gruppe durch die Entwässerungstunnel des in Strandnähe stehenden Hotels. Über ihnen ragt es wie eine Maya-Pyramide empor: Es sind sieben Stufen bis zur Spitze, wo das Penthouse sitzt. Eine verrückte Architektur, die sich nur ein Exzentriker wie Morgan Carlyle einfallen lassen konnte. Weil er ein Bluter war, traute er sich nie heraus und ließ sogar alle Fenster und Türen mit Läden aus stabilem Metall von innen versperren – daher der Umweg über den Tunnel. Es gibt keinen anderen Zugang.

Was die Studenten des Profs nicht wissen: Sowohl der Prof als auch Bellinger haben ihre geheimen Ziele. Wie er ihnen auf dem Weg verrät, sucht er nach dem Goldschatz eines Mafioso namens Carmine Danatta, der in den späten 20er und den 30er Jahren hier in einer exklusiven Suite wohnte. Er wurde 1940 erschossen und muss einen Berg von seltenen Goldmünzen hinterlassen haben. Aber keiner weiß, wo sich der Tresorraum dafür befindet. Höchstens Carlyle wusste es, doch der erschoss sich schon 1971 – seltsamerweise draußen auf dem Strand.

Mutierte Katzen und Ratten scheinen die einzigen Bewohner dieses verrotteten Kastens zu sein. In der feuchten Dunkelheit durchsuchen die Forscher einige Zimmer. Die morschen Dielenbretter geben plötzlich nach und Vinnie stürzt um ein Haar in die Tiefe. Sie können gerade noch retten. Da hören sie Stimmen, die ihnen gefolgt sind: drei junge Einbrecher. Und sie können mit ihren Nachtsichtbrillen sehr gut im Dunkeln sehen. Die Kerle wollen genau das, was auch der Professor will: das Gold der Mafia. Wie ernst es ihnen ist, demonstrieren Todd, Mac und J.D. sogleich an Rick …

Allerdings rechnet keiner in dieser illustren Gesellschaft damit, dass es noch zwei Bewohner des alten Kastens gibt. Der Herr des Hauses kennt sich hervorragend mit den Geheimgängen, Falltüren und Gucklöchern in den Zwischenwänden aus. (Wer weiß, was Carlyle alles in seinen vier Wänden beobachtet hat.) Der Herr des Hauses hat nicht vor, irgendjemanden entkommen zu lassen. Niemand darf von seinem Geheimnis erfahren. Und auf genau dieses Geheimnis hat es Frank Bellinger abgesehen.

_Mein Eindruck_

„Creepers“ ist wieder mal ein makelloser, perfekt gebauter Actionthriller vom Meister himself. Die Action beginnt nach einem langsamen Auftakt, der den Entdeckungen gilt: an Ort und Stelle, aber auch in der Vergangenheit des geschichtsträchtigen Hotels. Diese Vergangenheit scheint mit Leichen gepflastert zu sein, und sie stoßen auch auf die eine oder andere: mumifiziert. Und alle sind blond …

|Der Faktor X|

Richtig zur Sache geht es erst mit dem Auftauchen der drei Einbrecher. Das sind hammerharte Typen, die nichts anbrennen lassen, so dass sich unsere Infiltratoren schon bald in der Defensive wiederfinden und um ihr Leben bangen. Und Cora muss um mehr als ihr Leben bangen, denn Mac hat Gefallen an ihr gefunden. Der Triumph, den Tresorraum gefunden und geöffnet zu haben, verfliegt jedoch schnell, als sie entdecken, dass es noch jemanden im Haus geben muss.

Ein Gewittersturm schüttet Wassermassen durchs Oberlicht ins den Treppenschacht, die Treppen sind ebenso morsch wie die Zimmerböden. Jederzeit kann jemand durchbrechen. Diese Szenerie erinnerte mich stark an den Schluss von [„Blade Runner“, 1663 wo sich Harrison Ford und Rutger Hauer, der Letzte der Androiden, einen packenden Showdown liefern. Schauplatz ist das alte Bradbury Hotel (eine Hommage an Ray Bradbury, den Autor der Story „The day it rained forever“), und es gießt in Strömen. An einer Stelle bricht Hauer durch eine der morschen Wände und packt Ford an der Gurgel. Genau so hat man sich den Schauplatz des Paragon Hotel vorzustellen, nur ein klein wenig trockener – und viel explosiver …

|Ein Golfkriegsopfer|

Die wichtigste Figur ist Frank Bellinger. Seine Maske als Journalist verrutscht schon bald, als er zu viel von sich preisgibt. Das ist aber nichts gegen die hammerharte Story, die er Todd, Mac und J.D. erzählt, um seinen Hals als ihr wichtigster Helfer auf der Suche nach dem Mafiatresor zu retten. Der Mann war nicht nur im ersten, sondern auch im zweiten Golfkrieg! Und dort hatte er ein derart traumatisches Erlebnis, dass er es unbedingt loswerden muss. Die drei harten Jungs staunen nicht schlecht. Bellinger darf leben.

|Der Schauplatz|

Eine weitere Hauptperson ist das Hotel selbst. Obwohl es selbst nicht dämonisiert und mit einem Willen ausgestattet wird, so sorgen seine vergangenen und gegenwärtigen Herren für genügend Schrecken, um jede Menge Menschenleben zu fordern. Der Erbauer spielte einen unsichtbaren aber allgegenwärtigen Gott, als er seine Gäste ausspionierte. Doch der gegenwärtige Beherrscher der Pyramide hat ein weit weniger harmloses Hobby. Die beiden sind durch Vorfälle in den sechziger Jahren verbunden, die ich einem Leser bzw. Hörer erst ab 16 Jahren zumuten würde.

Geisterhäuser gibt es in der Horrorliteratur und im Film natürlich haufenweise. Man denke nur an Shirley Jacksons wunderbaren Gruselroman [„The Haunting of Hill House“ 368 (1959) und seine Verfilmungen. In jedem Fall entpuppt sich der Ort des schaurigen Geschehens als eine Versuchsanordnung, die man leichthin als Todesfalle bezeichnen könnte. In jedem Fall fördert eine schwere psychologische Prüfung zutage, aus welchem Holz die gefangenen Insassen geschnitzt sind.

In Frank Bellingers Fall bricht aus ihm die Vergangenheit im Golfkrieg hervor, im Fall der Einbrecher und des Prof hat man es auf den Mafiaschatz abgesehen – schnöder Mammon (im Wert von einigen Millionen Dollar). Doch das wertvollste Gut, das auf dem Prüfstand steht, sind natürlich Menschen – und ihre Vergangenheit. Werden sich die Überlebenden gegenseitig so helfen, dass sie a) überleben und b) auch dem Verletzten beistehen statt ihn zurückzulassen? Hat Solidarität eine Chance oder herrscht nur noch der nackte Überlebenstrieb?

|“Schwester Carrie“|

Vinnie erwähnt keineswegs zufällig (bei einem Literaturwissenschaftler kann so etwas kein Zufall sein) den Roman „Schwester Carrie“ des deutsch-amerikanischen Schriftstellers Theodore Dreiser (1871-1945). Veröffentlicht in England im Jahr 1901 (nach zahlreichen Änderungen) und in den USA erst 1908, beschreibt „Sister Carrie“ den Lebensweg einer 18-jährigen Frau (die auf seiner Schwester Emma beruht), die aus dem Mittelwesten in die Großstadt zieht. Deren Werte sind völlig andere als in ihrer Heimat und schon bald hat sie als „gefallene Frau“ erhebliche Schwierigkeiten.

Was Dreiser demonstrieren will, ist, dass die Herkunft und die Umstände den Weg eines Menschen determinieren. Menschen existieren nicht als soziale und moralische Wesen, sondern als reagierende Objekte ihrer Umwelt. Der freie Wille ist maximal eingeschränkt, als Carrie Meeber zu überleben versucht. Sie muss alle möglichen Kompromisse eingehen – einer der Gründe, warum die Verleger das Buch als „unmoralisch“ ablehnten. Aber obwohl es sich schlecht verkaufte, begründete es einen harschen amerikanischen Naturalismus, der Romane von Frank Norris, John Steinbeck und Upton Sinclair ermöglichte – allesamt Reporter.

|Das Experiment|

Die Versuchsanordnung des Paragon Hotels, mit seinen schicksalhaft darin gefangenen Insassen, ist der Versuch des Autors zu beweisen, dass es möglich ist, seiner eigenen Vergangenheit zu entkommen, ohne sie zu leugnen. Frank Bellinger ist sein Alter Ego, der seinen Fall in der Geschichte verficht – besonders gegen den aktuellen Herrn des Hauses. Der Zweck, so scheint mir, besteht darin, das Bewusstsein Amerikas von der Besessenheit allem Neuen gegenüber zu befreien. Die amerikanische Zivilisation hat mit ihren vielen besonderen Merkmalen nicht nur Großartiges geschaffen, sondern auch jede Menge Opfer gefordert, inner- wie außerhalb der Landesgrenzen. Diese Schuld wird unterschiedlich verarbeitet, häufig leider beschönigend und revisionistisch, zuweilen aber auch einfach ignorant nach dem Motto: Schwamm drüber!

Doch der Protagonist Bellinger kann weder das eine noch das andere tun. Er kann nicht anders, als sich mit der Vergangenheit des Hotels auseinanderzusetzen und sie zu bewältigen. Sein Grund sei hier nicht genannt, aber man kann es sich leicht anhand meiner Andeutungen vorstellen. Es kostet ihn alle Kraft, die er hat, um diese Konfrontation zu überleben. Das ist packend erzählt und äußerst fesselnd. Ob er es schafft? Selber lesen! Und wer nicht lesen will, muss hören.

|Der Sprecher|

Stefan Kaminski zuzuhören, ist ein Erlebnis. Und mit ein wenig Glück vergisst man sogar, dass es ihn gibt. Das ist gar nicht so schwierig, wie man glaubt, denn es gelingt ihm, hinter den Figuren zu verschwinden. Das Einzige, was noch echter Kaminski ist, ist der Erzähler.

Für jede – und wirklich jede – Figur hat Kaminski eine passende Interpretation gefunden: Tonlage, Stimmfarbe, Gefühlsausdruck, Sprechweise und Ausdruck kommen zu einer jeweils individuellen Darstellung für die jeweilige Figur zusammen, um den Anschein eines Auftritts zu vermitteln. Lediglich das Bild fehlt noch – das muss man sich selbst ausmalen. So macht der Sprecher mit seinen vielfältigen Ausdrucksmöglichkeiten die Lesung zum Hörspiel. Fehlt nur noch die Musik, und das Kino für die Ohren wäre perfekt.

_Unterm Strich_

Wie gesagt, ist „Creepers“ ein perfekt gebauter und mit steigender Spannung fesselnder Actionthriller, der an einem Schauplatz spielt, den man eigentlich aus dem Horrorgenre kennt. Nur beherbergt das Paragon Hotel, diese alte Maya-Pyramide, keinen Geist in seinen Wänden, sondern fast so etwas wie einen rachsüchtigen Gott, der keinen der Eindringlinge entkommen lassen will. Durch den Hinweis auf Großstadt-Archäologie, Golfkriegssyndrom und den Roman „Schwester Carrie“ schafft der Autor zahlreiche Bezüge, die dem Kenner einen Blick in die philosophische und psychologische Tiefe der Erzählung erlauben. Dies ist mitnichten ein Fliegengewicht, eignet sich aber dennoch als Thrillerkost für zwischendurch.

Stefan Kaminski ist einer meiner Lieblingssprecher, denn es gelingt ihm, jeder Figur ihren ganz individuellen, unverwechselbaren Ausdruck zu verleihen. Obendrein hat er ein Repertoire an Ausdrucksmöglichkeiten – hohe und tiefe Stimmlagen, Flüstern, Wimmern, Schreien und sogar Brüllen –, welches das Anhören seiner Geschichte zu einem Erlebnis macht.

|Originaltitel: Creepers, 2005
Aus dem US-Englischen übersetzt von Christine Gaspard
422 Minuten auf 6 CDs|
http://www.argon-verlag.de

Siehe auch die [Rezension 3049 von Dr. Michael Drewniok zur Buchausgabe bei |Knaur|.

Dark, Jason / Döring, Oliver – John Sinclair – Schreie in der Horror-Gruft (Folge 39)

_Techtelmechtel und Keilerei unter Untoten_

„Schreie in der Horror-Gruft“ ist die zweite Folge der Fariac-Trilogie und entspricht dem Band 140 der |Bastei|-Romanserie. John Sinclair verschlägt es ins 17. Jahrhundert, wo er sich mit Nachfahren der transsilvanischen Pfähler gegen die Vampirsippe des Grafen Fariac verbündet.

Die Trilogie:

Nr. 38: Im Land des Vampirs
Nr. 39: Schreie in der Horror-Gruft
Nr. 40: Mein Todesurteil

_Der Autor_

Der unter dem Pseudonym „Jason Dark“ arbeitende deutsche Autor Helmut Rellergerd ist der Schöpfer des Geisterjägers John Sinclair. Am 13. Juli 1973 eröffnete der Roman „Die Nacht des Hexers“ die neue Romanheft-Gruselserie „Gespenster-Krimi“ aus dem Hause |Bastei|. Inzwischen sind über 1700 John-Sinclair-Romane erschienen, die Gesamtauflage der Serie beträgt laut Verlag über 250 Millionen Exemplare.

_Die Inszenierung_

Frank Glaubrecht spricht den Geisterjäger himself und ist die deutsche Stimme von Al Pacino, Jeremy Irons, Pierce Brosnan und Kevin Costner.
Joachim Kerzel, die deutsche Stimme von Jack Nicholson, Dennis Hopper und Sir Anthony Hopkins, spricht den Erzähler.
Jane Collins: Franziska Pigulla, die deutsche Stimme von Gillian „Scully“ Anderson
Bill Connolly: Detlef Bierstedt, die deutsche Stimme von George Clooney
Suko: Martin May
Sir James Powell: Karl Heinz Tafel
Graf Fariac: Helmut Gauß (Liam Neeson, Samuel L. Jackson als Mace Windu in „Star Wars“)
Gräfin Fariac: Kerstin Sanders-Dornseif (Susan Sarandon, Glenn Close)
Jan Ziegler: Hans-Jürgen Wolf
Stephan Marek: Ernst August Schepmann
Ilona Marek: Marie Bierstedt, die deutsche Stimme von Kirsten Dunst und Kate Beckinsale
Karel Marek: Dietmar Wunder (Cuba Gooding jr., Don Cheadle)
Und andere.

_Der Produzent_

… ist Oliver Döring, Jahrgang 1969, der seit 1992 ein gefragter Allrounder in der Medienbranche ist. „Als Autor, Regisseur und Produzent der John-Sinclair-Hörspiele hat er neue Maßstäbe in der Audio-Unterhaltung gesetzt und ‚Breitwandkino für den Kopf‘ geschaffen“, behauptet der Verlag. Immerhin: Dörings preisgekröntes Sinclair-Spezial-Hörspiel [„Der Anfang“ 1818 hielt sich nach Verlagsangaben wochenlang in den deutschen Charts.

Buch und Regie: Oliver Döring
Regieassistenz: Patrick Simon
Hörspielmusik: Christian Hagitte, Simon Bertling, Florian Göbels
Tontechnik: Arne Denneler
Schnittassistenz: Jennifer Kessler
Produktion: Alex Stelkens (WortArt) und Marc Sieper (Lübbe Audio)

Mehr Infos: http://www.sinclair-hoerspiele.de, http://www.wortart.de

_Vorgeschichte_

Oberinspektor John Sinclair vom Scotland Yard wehrt gerade einen zudringlichen Straßenräuber ab, als der Privatdetektiv Jan Ziegler auftaucht und ihm einen wertvollen Tipp gibt: In den Labors von |Fariac Cosmetics| soll sich Sinclair doch mal das merkwürdige Mosaik anschauen, mit dem etwas nicht stimmt. Obwohl Sinclair dem Schnüffler nicht ganz vertraut, begleitet er ihn auf einem kleinen Einbruch in das Labor. Und merkt gleich, dass er hier richtig ist: Es riecht nach Blut!

Das Mosaik ist gigantisch: sechs Meter lang und mehrere Meter hoch. Es schimmert leicht rötlich, als sei es ebenfalls mit Blut getränkt. Es zeigt entstellte Wesen, Aderlasse und darüber zwei Blutsauger mit gefletschten Zähnen. Hier ist John an genau der richtigen Adresse … Ziegler wundert sich: Wohin ist der Oberinspektor verschwunden? Ein seltsamer Ton wie ein Herzschlag erfüllt die Luft. Ziegler versucht abzuhauen, doch er kommt nicht weit. Ein Schrei dringt aus dem Labor.

John gerät in eine albtraumhafte Szene. Ein Planwagen, der von einer jungen Frau gelenkt wird, wird von zwei Reitern immer weiter auf einen Abgrund zu getrieben. Die junge Frau scheint die Kontrolle über die wild gewordenen Pferde verloren zu haben. John greift ein und bringt den Wagen zum Stehen, knapp vor dem Sturz in den Abgrund. Die Reiter verschwinden. Die junge Frau ist sehr schön, nennt sich Ilona und verrät John, dass er im Jahr 1649 in Deutschland gelandet sei, nicht weit von einem Fluss namens Rhein.

Ein alter Mann, Ilonas Vater, entsteigt dem Planwagen und stellt sich als Stefan Marek vor. Sind sie etwa Verwandte von Frantisek Marek, dem Pfähler, der ihm in Transsilvanien gegen die Vampire half? Die wilden Reiter seien Söldner des Grafen Fariac, der oben auf einer großen Burg lebe und von dort mit ihnen das Land terrorisiere. Die Sonne geht unter. Ilona und Stefan bekommen Angst. Fariac sei ein Vampir und ein Herrscher über die Untoten. John fragt sich, ob dieser Fariac ein Urahn des Besitzers von |Fariac Cosmetics| sein könnte.

Unterdessen in London.

Sir James Powell, Sinclairs Chef, erfährt, dass Sinclair spurlos verschwunden sei. In der letzten Nacht habe die Stadtpolizei einen Mann namens Jan Ziegler aus der Themse gefischt, einen Privatdetektiv. Der hatte einen Hinweis auf Sinclair bei sich. Powell verständigt Sinclairs Freundin Jane Collins, die sich schon Sorgen macht. Bei Ziegler findet sich auch ein Scheck von |Fariac Cosmetics|, und Powell schickt Jane mit Suko los, um dort nach Sinclair zu suchen.

Im Jahr 1649 entwickeln sich die Dinge für Sinclair nicht sonderlich günstig. Die Söldner Fariacs haben ein Auge auf die schöne Ilona geworfen und fordern sie von Stefan und seinem Sohn Karel, den sie in einem Rheindorf getroffen haben. Als John sich gegen die Söldner stellt, wird auch er niedergeschlagen, Ilona auf die Burg des Grafen verschleppt. Sie soll dort von Gräfin Katharina für die „Vermählung“ mit dem Grafen vorbereitet werden, um das „ewige Leben“ zu erlangen, wie die Frau behauptet. Ilona hat keine Möglichkeit der Gegenwehr.

Die beiden Mareks haben sich John als Pfähler aus Transsilvanien zu erkennen gegeben und er sich als Erbe des Kreuzes von Hesekiel. Mit im gleichen Geist vereinten Kräften wollen sie Ilona aus den Klauen der Vampire retten. Hoffentlich ist es nicht schon zu spät für das Mädel!

_Handlung_

O-Ton: |“Da sind sie. Schlagt sie tot!“ Die Stimme des Mannes überschlug sich. Er war der Anführer einer mehrköpfigen Horde, die uns töten wollte: Karel Marek und mich! Ich packte den jungen Marek an der Schulter und wuchtete ihn herum. Der Anblick seines toten Vaters hatte ihn bis ins Mark getroffen.“| (O-Ton Ende) Sie wenden sich zur Flucht, landen im Pferdestall und legen dort Feuer, bevor sie auf eine Steintreppe eilen. Sie suchen Ilona, Karels Schwester.

Unterdessen sieht sich die entführte Ilona einem seltsamen Tableau gegenüber. Die Gattin Graf Fariac hat sie in einen Thronsaal vor den Herrn des Hauses geführt, doch ein Fluchtversuch scheitert. Sechs Mädchen, eine schöner als die andere, sind um den Thron gruppiert, auf dem der Obervampir Ilona willkommen heißt. Sie muss sich ausziehen und ihren Hals entblößen … Als Karel und Sinclair endlich durch die Tür in den Saal brechen, liegt Ilona scheinbar leblos am Boden. Ein Kampf gegen acht teuflische Gegner entbrennt. Oder sind es jetzt neun …?

|Gegenwart|

Bill Connolly und Jane Collins haben sich als Journalisten bei Gordon Fariac ausgegeben und eine Einladung nach Deutschland erhalten, um den Stammsitz der Fariacs zu besuchen. Da sie keine Waffen durch die Sicherheitskontrollen am Airport bringen können, kontaktieren sie einen Freund vor Ort: Kommissar Will Mallmann. Am Treffpunkt übergibt er ihnen ein paar dringend benötigte Ballermänner und macht sich dann separat auf den Weg, die Burgmauer zu ersteigen. Er wird Augenzeuge, wie zwei Leichenbestatter einen Sarg in die Gruft des Schlosses tragen.

Mallmann folgt dem Weg der Bestatter, die wieder abziehen, und gerät in ein Gewölbe, das jetzt zehn Särge beherbergt. Er öffnet einen davon und erlebt eine böse Überraschung. Unterdessen bittet Gordon Fariac Jane und Bill zu einem kleinen Umtrunk bei der Party, die er arrangiert hat – zu einem besonderen Anlass …

_Mein Eindruck_

Man sollte eine Kultserie, die schon derartig lange läuft, nicht in ihrem Grundkonzept ändern. Meist wird das von den Fans der jeweiligen Serie nicht begrüßt oder toleriert. Und der Autor Helmut Rellergerd hütet sich dementsprechend auch, irgendwelche störenden, womöglich revolutionär gedachten Elemente einzuführen. Was sich lange bewährt, ist schließlich gut! (um mal Goethe abzuwandeln)

Nein, der „Sohn des Lichts“ schlägt die Vampire, wo er auf sie stößt. Und sei er noch so verwirrt durch Graf Fariacs listig im Mosaik verborgenen Zeitmaschine, so weiß er doch, was er zu tun hat, wenn er ein Mädel in Not sieht, noch dazu ein so hübsches wie Ilona Marek. Leider schließt sein Pflichtbewusstsein auch ihre Tötung in Folge 40 ein – das Leben ist hart, aber die Pflicht ist härter! Es kommt eben darauf an zu wissen, auf welcher Seite man steht, und Ilona, wenn auch nicht durch ihre eigene Schuld, stand nach ihrer Vampirwerdung eindeutig auf der falschen.

Ein wenig erstaunlich fand ich es schon, dass die Vampire, die die Mareks schon längst ausgespäht haben, nicht sogleich bei Nacht über sie herfallen, sondern vielmehr ihre Söldner aussenden, um nur Ilona zu verschleppen. Offenbar sind Vampire auch und besonders in deutschen Rheinlanden ein wählerisches Völkchen, das sich nur das Beste vom Besten schnappt; also junge Weibchen der menschlichen Spezies! Man kann die Sekunden zählen, bis sich selbiges Weibchen vollständig zu entblößen hat. Diesmal passiert es vor einer anderen Frau. Ein Narr, wer jetzt eine heiße Lesbenszene erwartet. Vielmehr erinnert alles fatal an gewisse Graf-Dracula-Szenen.

Vielleicht ist es aber nicht so fördernd für den Spaß an dieser einfachen Geschichte für etwa sechzehnjährige Jungs und Mädels, wenn man sich den Kopf über die offenen Fragen und die Motivationen der Figuren zerbricht. Ein zerbrochener Kopf hat noch nie viel Spaß gehabt, wenn man den Berichten glauben darf.

Bloß gut für unseren Helden, dass seine Freunde auf der anderen Seite der Zeit (was wir für unsere Gegenwart halten) auf dem qui-vive sind und eins und eins zusammenzuzählen wissen. Suko liefert die Fakten, Jane Collins die Gefühle, Sir Powell die Befehle – dann kann die Rettungsaktion ja losgehen. Die Spur führt, wie könnte es anders sein, direkt zu |Fariac Cosmetics|, und dessen Besitzer ist aufgrund der Familienähnlichkeit offensichtlich ein schlimmer Finger, dem Scotland Yard schon bald auf denselben hauen wird. Die Frage ist natürlich: Wie tötet man einen Untoten? Vielleicht sollte man doch die guten alten Silberkugeln wieder hervorkramen.

_Die Inszenierung_

Die Macher der „Geisterjäger“-Hörspiele suchen ihren Vorteil im zunehmend schärfer werdenden Wettbewerb der Hörbuchproduktionen offensichtlich darin, dass sie dem Zuhörer nicht nur spannende Gruselunterhaltung bieten, sondern ihm dabei auch noch das Gefühl geben, in einem Film voller Hollywoodstars zu sitzen. Allerdings darf sich niemand auf vergangenen Lorbeeren ausruhen: bloßes Namedropping zieht nicht, und So-tun-als-ob ebenfalls nicht.

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück schaffen die Profis dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen.

|Musik und Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem halbwegs realistischen Genre-Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen recht stimmungsvoll aufgebaut. Die Besonderheit dieser Episode liegt darin, dass die Szenen, die im Jahr 1649 spielen, völlig andere Geräusche aufweisen als jene Szenen, die in der Gegenwart spielen. Das sorgt für einen reizvollen Kontrast.

Und es erinnert den Hörer wiederholt daran, dass er es mit einer Zeitreisegeschichte zu tun hat. (Sich zu fragen, wie die Zeitreise funktioniert, führt nur zu einem zerbrochenen Kopf – davor wird dringend gewarnt. Man nehme an, dass es sich um Magie handelt, denn merke: „Eine Technik, die genügend weit fortgeschritten ist, lässt sich von Magie nicht unterscheiden.“ Sagte schon Arthur C. Clarke.)

Die Musik gibt ziemlich genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und leitet in den kurzen Pausen bzw. Übergängen gleich zur nächsten Szene über. Sie wurde von einem Orchester eingespielt, und so entsteht der Eindruck, die Begleitmusik zu einem alten Hollywood- oder British Horror Film zu hören. Stets gibt sie sehr genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit einem klassischem Instrumentarium produziert. Mit einer einzigen Ausnahme: Die Titelmelodie der Serie erschallt in einem hämmernden Rock-Rhythmus aus den Lautsprecherboxen. Sehr sympathisch.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil Angaben über die zahlreichen Sprecher und die Macher. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 16 Jahren.

_Unterm Strich_

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und Stimmen von Hollywoodstars einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis. Dabei kommt aber die Action nie zu kurz, auch nicht die Erotik und Romantik. Wieder mal verliebt sich John Sinclair in eine Schönheit, ohne einen Gedanken an seine Jane zu verschwenden. Offenbar weiß er die Früchte, die der Augenblick bietet, stets rechtzeitig zu pflücken. Oder sein Schöpfer will das Publikum nicht mit solchen Feinheiten langweilen (ein sehr ehrenwerter Grund).

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Die Action kommt niemals zu kurz, sondern steht in diesem Mittelteil der Trilogie sogar im Vordergrund. Um die Story komplett zu verstehen, empfiehlt es sich selbstredend, auch den ersten Teil der Trilogie anzuhören. An Unterhaltung mangelt es jedenfalls in keinem davon, das kann ich versprechen.

|50 Minuten auf 1 CD|
http://www.sinclairhoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de
http://www.wortart.de

_|Geisterjäger John Sinclair| auf |Buchwurm.info|:_

[„Der Anfang“ 1818 (Die Nacht des Hexers: SE01)
[„Der Pfähler“ 2019 (SE02)
[„John Sinclair – Die Comedy“ 3564
[„Im Nachtclub der Vampire“ 2078 (Folge 1)
[„Die Totenkopf-Insel“ 2048 (Folge 2)
[„Achterbahn ins Jenseits“ 2155 (Folge 3)
[„Damona, Dienerin des Satans“ 2460 (Folge 4)
[„Der Mörder mit dem Januskopf“ 2471 (Folge 5)
[„Schach mit dem Dämon“ 2534 (Folge 6)
[„Die Eisvampire“ 2108 (Folge 33)
[„Mr. Mondos Monster“ 2154 (Folge 34, Teil 1)
[„Königin der Wölfe“ 2953 (Folge 35, Teil 2)
[„Der Todesnebel“ 2858 (Folge 36)
[„Dr. Tods Horror-Insel“ 4000 (Folge 37)
[„Im Land des Vampirs“ 4021 (Folge 38)
[„Schreie in der Horror-Gruft“ 4435 (Folge 39)
[„Mein Todesurteil“ 4455 (Folge 40)
[„Die Schöne aus dem Totenreich“ 4516 (Folge 41)
[„Blutiger Halloween“ 4478 (Folge 42)
[„Ich flog in die Todeswolke“ 5008 (Folge 43)
[„Das Elixier des Teufels“ 5092 (Folge 44)
[„Die Teufelsuhr“ 5187 (Folge 45)
[„Myxins Entführung“ 5234 (Folge 46)
[„Die Rückkehr des schwarzen Tods“ 3473 (Buch)

Dark, Jason – John Sinclair – Sakuro, der Dämon (Classics, Folge 05) (Hörspiel)

_Doppelter Showdown: In der Pyramide des Dämons_

„Geisterjäger“ John Sinclair ist in den CLASSICS-Hörspielen noch ein ganz gewöhnlicher Inspektor beim Scotland Yard, der sich zunehmend mit übersinnlichen Fällen befassen muss. Zur doppelten Sicherheit trägt er auch eine Beretta-Pistole mit sich, die mit Silberkugeln geladen ist. Werwölfe und ähnliches Gelichter mögen so etwas gar nicht. Heißt es.

Dies ist die Episode, in der sich Sheila Hopkins und Bill Conolly endlich kennenlernen. Sheila droht dem altägyptischen Dämon Sakuro zum Opfer zu fallen, und Bill & Sinclair müssen sie aus einer Pyramide retten, um sie vor einem grausamen Tod zu bewahren.

Dieses Hörspiel empfiehlt der Verlag nur Erwachsenen.

_Der Autor_

Der unter dem Pseudonym „Jason Dark“ arbeitende deutsche Autor Helmut Rellergerd ist der Schöpfer des Geisterjägers John Sinclair. Am 13. Juli 1973 – also vor 37 Jahren – eröffnete der Roman „Die Nacht des Hexers“ die neue Romanheft-Gruselserie „Gespenster-Krimi“ aus dem Hause Bastei. Inzwischen sind über 1700 John-Sinclair-Romane erschienen, die Gesamtauflage der Serie beträgt laut Verlag über 250 Millionen Exemplare.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Frank Glaubrecht spricht den Geisterjäger himself und ist die deutsche Stimme von Al Pacino.
Wolfgang Pampel, die deutsche Stimme von Harrison Ford, spricht den Erzähler.
Sir James Powell: Karlheinz Tafel
Bill Connolly: Detlef Bierstedt (dt. Stimme von George Clooney)
Sheila Conolly: Daniela Hoffmann (dt. Stimme von Julia Roberts)
Sir Gerald Hopkins: Engelbert von Nordhausen (dt. Stimme von Samuel L. Jackson)
Sakuro: Viktor Neumann
Kenneth Brandon: Oliver Kalkofe
Farah: Alexander Lange
Bob: Martin Keßler
Wendell Carson: Thomas Petruo
Pfarrer: Oliver Stritzel
Sallah: Alexander Doering
Gordon: Nico Sablik
Chris Randall: Rainer Fritzsche
Und weitere, darunter Philipp Schepmann.

_Der Regisseur_

… ist Oliver Döring, Jahrgang 1969, der seit 1992 ein gefragter Allrounder in der Medienbranche ist. „Als Autor, Regisseur und Produzent der John-Sinclair-Hörspiele hat er neue Maßstäbe in der Audio-Unterhaltung gesetzt und ‚Breitwandkino für den Kopf‘ geschaffen“, behauptet der Verlag. Immerhin: Dörings preisgekröntes Sinclair-Spezial-Hörspiel „Der Anfang“ hielt sich nach Verlagsangaben wochenlang in den deutschen Charts.

Buch und Regie: Oliver Döring
Realisation: Patrick Simon
Tontechnik und Schnitt: ear2brain productions
Hörspielmusik: Universal Publishing Production Music
Produktion: Alex Stelkens (WortArt) und Marc Sieper (Lübbe Audio)

_Handlung_

Earl Brandon, der berühmte Archäologe, ist gestorben. In einem Trauergottesdienst nehmen sein Sohn Kenneth und dessen verlobte Sheila Hopkins Abschied von ihm. Sheila will Kenneth trösten, als der Sarg der Einäscherung übergeben wird. Ihr Verlobter ist merkwürdig nervös. Kaum schlagen die ersten Flammen hoch, erklingt aus dem Sarg ein grässlicher Schrei! „Hilfe!“ Es muss Earl Brandon sein, der aus seinem Scheintod erwacht ist. Kenneth stürzt zum Offen, doch es nützt ihm nichts: Er kann die Einäscherung des noch lebenden Vaters nicht aufhalten …

|Einen Monat später|

Kenneth hat das Elternhaus in einer südenglischen Grafschaft geerbt. Er fährt mit Sheila hin, um die Aufzeichnungen seines Vaters zu suchen. Vielleicht gibt ihm dies einen Hinweis auf das Geheimnis jenes schrecklichen Todes. Während er sucht, begibt sich Sheila zu Bob, dem Verwalter, der sich um das Anwesen kümmert und gleich daneben wohnt. Beide sind besorgt.

Kenneth findet das Tagebuch seines Vaters. Dieser befand sich auf einer Expedition in Nordafrika, als er am 4. Mai von Albträumen heimgesucht wurde. Es gab eine Warnung vor einem Dämen namens Sakuro, der befreit worden sei und zurückkehren werde – zu Brandons Sohn. Als Sheila und Bob einen Aufschrei hören, stürzen sie in Brandons Haus: Er liegt wie tot da. Sheila ist verzweifelt.

„Päng!“ John Sinclair absolviert gerade seine Schießübungen, als er zu Sir James Powell, seinem Chef, gerufen wird. Dessen Freund Sir Gerald Hopkins habe ein Anliegen: Seine Tochter Sheila habe ihren Verlobten verloren. John soll die Leiche, an der es keine Autopsie gegeben hat, untersuchen, weil sich möglicherweise das Übernatürliche daran bemerkbar gemacht hat. E gab da einen Hinweis auf einen Dämon in Earl Brandons Tagebuch. Da geht die Meldung ein, dass die Leiche Kenneths verschwunden sei. Das wird ja immer rätselhafter. John beschließt, seinen Freund Bill Conolly, einen Journalisten und Ägyptologen, hinzuziehen.

Als er Sheila besucht, darf er einen Blick in das Tagebuch werfen. Darin schreibt Brandon etwas von einem Reiseführer Wendell Carson, der die Expedition von Kairo aus zu einer Pyramide in der Wüste geführt habe. Dort fanden sie die Mumie eines „Dämons“. Von einer Farah ist in dem Gestammel ebenfalls die Rede. Als John aus einer Schatulle, die Sheila in Brandons Besitz fand, ein Metallstück herausnimmt, packt ihn etwas Unsichtbares. Er schreit auf und verliert die Sinne. Die tiefe Stimme beruhigt Sheila. Eins ist klar: Sie müssen zusammen nach Kairo, soll Sheila nicht wie Earl und Kenneth Brandon enden.

Als Bill Conolly seine Reisegefährten auf dem Privatflugplatz sieht, ist er ganz und weg von Sheila Hopkins. So sehr, dass er kaum eine Begrüßung stammeln kann. So sammelt er bei ihr garantiert keine Sympathiepunkte. In einem Vorort von Kairo logieren sie in einem Hotel, wo sie nach dem Reiseführer Wendell Carson fragen. Während sie auf den Mann warten, macht sich John auf den Weg in die Slums, um die Wahrsagerin Farah zu suchen. Farah warnt ihn vor Gefahr durch das Übernatürliche und nennt ihn den „Sohn des Lichts“. Diese Bezeichnung hört John zum zweiten Mal und erinnert sich den verrückten Orgov. Er soll „ein Kämpfer gegen das Böse“ sein? Farah gibt ihm einen Schutz: ein Amulett. Anders als seinerzeit Earl Brandon, der nicht auf sie hörte, nimmt John es an.

Als John nicht zurückkehrt, begeben sich Sheila und Bill zu Johns Zimmer. Doch aus Sheilas Zimmer dringt ein männliches Lachen: Ein Kerl, der nicht freundlich aussieht – Wendell Carson? Dass sich Bill schützend vor Sheila stellt, nützt nichts: Ein Schlag, und er ist weggetreten. Als John eintrifft, ist Sheila verschwunden. Sie müssen sie in jener alten Pyramide suchen, die Earl Brandon damals zum Verhängnis wurde …

_Mein Eindruck_

Pharaonen wie Xotares, von denen man noch nie etwas gehört hat. Zauberer, die als Mumien einbalsamiert wurden und als dämonische Geistwesen wiederauferstehen. Es geht durchaus ein wenig wild zu in dieser Episode der John-Sinclair-Genesis. Doch innerhalb des Sinclair-Universums ist eine recht wichtige Episode. Nicht nur hört der Held erneut davon, dass er der „Sohn des Lichts“ sei und erhält eine mächtige magische Waffe.

Nein, auch Sheila Hopkins und Bill Conolly, deren Ehe schon 30 oder 40 Folgen später ein fester, unverrückbarer Grundbaustein der Serie ist, lernen sich hier erstmals kennen und lieben. Dass seine Hormone verrückt spielen und sich sein Hirn verknotet, als er das erste Mal Sheilas ansichtig wird, kann man ihm nicht verdenken. Er ist nur ein Adamssohn, und sie ist eine sehr schöne Evastochter.

|Zwei Showdowns|

Es dauert nicht allzu lange, bis Bill ihr seine Liebe beweisen kann. Der erste von zwei Showdowns, die diese Episode vorzuweisen hat, findet wie erwartet in der Pyramide von Xotares statt. Der Trick, den der Dämon anwendet, ist immer der gleiche, aber nichtsdestotrotz sehr effektiv: Er nimmt den Geist seines Opfers in Besitz. Das Dumme dabei: Man sieht es dem Opfer nicht an, dass es besessen ist! Und aus vermeintlich Toten können so auch wieder Lebende werden. Das hat der Dämon schon bei den beiden Brandons erfolgreich praktiziert. Die Definition von „geistiger Gesundheit/Wahnsinn“ ist ebenso aufgehoben wie die von „Tod/Leben“. Das macht den besonderen Reiz dieser Folge aus.

Über den ersten Showdown in der Pyramide darf natürlich nichts verraten werden. Nur so viel: Auf einmal ist der Dämon verschwunden. Und deshalb muss es einen zweiten Showdown geben. Darüber darf natürlich noch viel weniger verraten werden. Nur so viel: Bei beiden Gelegenheiten kommt John ausgiebig dazu, das Amulett, das Farah ihm gab, einzusetzen. Zu einer mächtigen Waffe wird es allerdings erst, wenn man den Metallsplitter einsetzt, den Kenneth in Earl Brandons Schatulle fand …

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Macher der „Geisterjäger“-Hörspiele suchen ihren Vorteil im zunehmend schärfer werdenden Wettbewerb der Hörbuchproduktionen offensichtlich darin, dass sie dem Zuhörer nicht nur spannende Gruselunterhaltung bieten, sondern ihm dabei auch noch das Gefühl geben, in einem Film voller Hollywoodstars zu sitzen. Allerdings darf sich niemand auf vergangenen Lorbeeren ausruhen: Bloßes Namedropping zieht nicht, und So-tun-als-ob ebenfalls nicht.

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück tun Pigulla, Kerzel, Glaubrecht und Co. dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen.

Übertriebene Ausdrucksweisen heben die Figuren in den Bereich von Games- und Comicfiguren. Das kann bei jugendlichen Hörern ein Vorteil sein. Die Figuren schreien wütend, fauchen hasserfüllt oder lachen hämisch. Besonders unheimlich ist die Darstellung des Spuks, eines wirklich mächtigen Dämons. Leider erfahren wir rein gar nichts über seine Herkunft und Entstehung. Auch alle anderen Figuren muss der Hörer bereits kennen, um sie zuordnen zu können. Aber als Fan der Serie kennt man ja Bill Conolly, Sinclair und Sheila bereits. Alle anderen Figuren sind jedoch völlig, was für den Hörer, der schon alle Figuren zu kennen glaubt, einige Überraschungen bereithält.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die Gleichen, wie man sie in einem halbwegs realistischen Genre-Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen recht stimmungsvoll aufgebaut. Insbesondere die Szenen in der Pyramide sind stilecht mit viel Hall und Donner aufgebaut. Auch ein Energiezischen kommt mal vor, und dass die Schreie der Jungfer Sheila obligatorisch sind, versteht sich von selbst. Schließlich ist dies hier der Auftritt eines Dämons und kein Kindergeburtstag (obwohl gestressten Eltern der Unterschied wirklich nur minimal erscheinen mag).

|Musik|

Die Musik gibt ziemlich genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und leitet in den kurzen Pausen bzw. Übergängen gleich zur nächsten Szene über. Sie wurde von einem Orchester eingespielt, und so entsteht der Eindruck, die Begleitmusik zu einem alten Hollywood- oder British Horror Movie zu hören.

Stets gibt die Musik genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit einem klassischen Instrumentarium produziert. Mit einer einzigen Ausnahme: Die Titelmelodie der Serie erschallt in einem hämmernden Rock-Rhythmus aus den Lautsprecherboxen. Sehr sympathisch.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Booklet|

… enthält im Innenteil Angaben über die zahlreichen Sprecher, die Macher sowie sämtliche Hörfolgen der |Classics|-Reihe.

_Unterm Strich_

In dieser Episode hört John Sinclair erneut, dass er der auserwählte „Sohn des Lichts“ sei, bekommt aber immer noch keine Begründung dafür. Seine Herkunft liegt weiterhin im Dunkeln. Ist er womögliche der illegitime Sohn eines Engels? Wer weiß das schon genau, nach nur fünf Episoden.

Wie auch immer: John scheint auf unangenehme Begegnungen mit übernatürlichem Gesocks abonniert zu sein, das sich einfach mit einem Ruhesitz im Grab zufriedengeben will, sondern stets mehr oder weniger nach der Weltherrschaft strebt, um seine Rachsucht zu stillen. Dass diesen asozialen Elementen eins auf die Nase gehört, versteht sich von selbst. Ganz besonders dann, wenn so schöne Frauenzimmer wie Sheila Hopkins dafür ins Gras beißen sollen. Das kann John keinesfalls zulassen – und der verliebte Bill Conolly erst recht nicht.

Sehr hübsch fand ich, dass diese Episode sich nicht mit einem einzigen Showdown zufriedengibt. Vielmehr wird der Hörer eine Zeitlang im Ungewissen gelassen, wo denn der Dämon abgeblieben ist. In dieser gruseligen Ungewissheit liegt die besondere Würze. Denn hier sind die bekannten Vorstellungen von „Leben/Tod“, „Vernunft/Wahn“ und „Freiheit/Besessenheit/Besitz“ aufgehoben und relativiert.

Erst im zweiten Showdown werden dann die bekannten Vorstellungen wieder an ihren angestammten Platz zurückgesetzt (auf den Default-Wert sozusagen). Die Welt ist wiederhergestellt. Doch ein Unbehagen bleibt: Der Horror spielt sich nicht nur in der Fremde ab, fern von daheim, sondern auch im eigenen Heim.

|Konservativer Horror|

Wie man sieht, ist der Sinclair-Horror wie der meiste Horror recht konservativ: Er versucht zu bewahren, was aus dem Lot gerückt war. Dazu gehört insbesondere die Aufhebung des Fluchs der Vergangenheit à la Sünden der Väter. Doch der Horror kann sich auch dialektisch verhalten. Zwischen der ursprünglichen These (dem Defaultwert) und der – hier dämonischen – Antithese kommt es zu einer Auseinandersetzung, deren Ergebnis eine Synthese ist. In diesem Fall eine bereinigte Ausgangssituation.

Aber das stimmt nicht ganz, denn das Rad hat sich weitergedreht: Sheila und Bill sind jetzt zusammen und werden Kinder hervorbringen, und John ist nicht mehr der Geisterjäger, der er zuvor war. Hätte dieses Hörspiel eine vierte Stufe, nämlich der Transzendenz, dann würde John jetzt die Bekanntschaft einer weiteren Instanz des guten Übernatürlichen machen und endlich, endlich das Kreuz des Hesekiel ausgehändigt bekommen, die ultimative Waffe gegen das Böse.

Doch leider ist dies eine Serie, und so müssen die Sinclair-Fans mindestens noch eine Episode länger warten, bis das genannte Ereignis eintritt.

|Audio-CD mit ca. 56 Minuten Spieldauer
ISBN 978-3-7857-4290-7|
[www.sinclair-hoerspiele.de]http://www.sinclair-hoerspiele.de
[www.wortart.de]http://www.wortart.de

Noch mehr über |John Sinclair| finden Sie unserer [Rezensions-Datenbank]http://www.buchwurm.info/book/ .

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Schweigen (POE #13)

_Der Schleier beginnt sich zu lüften_

„Schweigen“ ist der dreizehnte und spät nachgelieferte Teil der Edgar-Allan-Poe-Reihe von |Lübbe Audio|, die unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten zu Gehör bringt.

Zunächst sieht es so aus, als hätte sich Poe von Leonie getrennt. Aber die Wahrheit ist eine ganz andere und bohrt sich tief in beider Seelen. Und dann taucht der verhüllte Reiter auf, der an Poes und Leonies Feinden grausam Rache nimmt. Nach und nach können Poe und Leonie erste Geheimnisse lüften – der Rest jedoch versinkt in tiefstem Schweigen.

Nach langer Wartezeit – immerhin vier Folgen, nachdem Folge 13 hätte erscheinen müssen – lösen wir die ersten Rätsel der mysteriösen Serie um Edgar Allan Poe und seiner Suche nach sich selbst. Wieder eine Wanderung zwischen Alptraum und Verzweiflung und dem Mut zweier Menschen, die dagegen ankämpfen.

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den vorhergehenden Folgen der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan aus Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Hannelore Hoger wurde am 20. August 1942 in Hamburg geboren. Sie beginnt ihre Schauspielerausbildung 1958 an der Hamburger Hochschule für Musik und spielt seit 1960 an den Bühnen in Ulm, Bremen, Stuttgart, Köln, Berlin und (1981 – 85) in Hamburg. Das Theater ist ihre eigentliche Domäne geblieben. Um sich zu verbessern, nahm die Schauspielerin später noch einige Male Unterricht bei Lee Strasberg. Ihr Fernsehdebüt mit dem Titel „Tag für Tag“ fällt ins Jahr 1965. Hannelore Hoger ist seit 1970 in gut zwei Dutzend Filmen präsent. Daneben ist sie auch in Fernsehserien gegenwärtig. Populär wird die Bühnenschauspielerin und Mutter der Schauspielerin Nina Hoger durch die Rolle der TV-Kommissarin „Bella Block“, für die sie mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet wird. Die gleichnamige Krimiserie startete 1993 in loser Reihenfolge und entpuppte sich als gut gesetzter Kontrapunkt zur Männer-dominierten Krimi-Massenware.

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Laurie Randolph, die Ansage erledigt André Sander. Das Gedicht „An Helen“, übersetzt von Melchior Hala, wird von Hannelore Hoger vorgetragen. Die Musik dazu liefert das |STIL|-Team.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon zwölf Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt. (Besonders hilfreich ist in dieser Hinsicht Episode 10, „Das ovale Portrait“.)

_Handlung_

Der Mann, der sich Poe nennt, ist bereits eine Tagesreise von New Orleans entfernt, als er in eine sumpfige Gegend des Deltas gerät. Er trauert Leonie Goron nach, die er schnöde sitzen ließ, um sie nicht noch weiter in Gefahr in Gefahr zu bringen. Nur einen Abschiedsbrief hat er im Wirtshaus hinterlassen, nichts weiter.

Da hörte er Schritte. Es ist die junge Magd aus dem Wirtshaus. Sie verrät aber nicht, was sie von ihm will. „Ihn auf andere Gedanken bringen“, klingt eindeutig zweideutig, aber Poe reagiert nicht. Zum Glück, denn gleich darauf erscheint der Wirt selbst mit einer doppelläufigen Flinte und brüllt „Miststück!“. Offenbar denkt er, sie treibe Unzucht mit dem Gast. Zu guter Letzt erscheint auch noch Leonie Goron, die dem Wirt einen Schlag auf den Kopf versetzt. Im Handgemenge löst sich ein Schuss …

Auf der Weiterreise gerät Poe in eine Flutwelle, die von einem gebrochenen Damm herrührt. Vor dem Ertrinken wird er nur durch einen hilfsbereiten Schäfer bewahrt, der ihm als Zugabe eine Lebensweisheit mit auf den Weg gibt. „Es zählt nur, was man tut, und das kommt immer wieder zu einem zurück.“ Da kapiert Poe endlich, dass er nie frei sein kann, solange Dr. Baker alias Templeton noch frei herumläuft. Also muss er ihn erst finden.

Doch sowohl die Villa als auch das Landhaus des Doktors sind niedergebrannt worden, und zwar erst kürzlich. Im Gebüsch des Landhauses findet Poe einen sterbenden Mann vor, der mit mehreren Stichen verletzt worden ist. Es ist sein alter Bekannter Hochwürden Crane. In seiner Hand hält Crane ein Stück Papier. Es stellt sich als Lucy Monaghans letzter Brief an ihre Schwester Leonie Goron heraus. Doch wo ist Leonie jetzt? Er sollte ihr diesen Brief geben.

Leonie ist nach dem Zwischenfall im Sumpf ins Wirtshaus zurück und beschließt ebenfalls, Dr. Baker zu suchen. Denn er müsste wissen, was mit ihrer Schwester Lucy Monaghan, seiner Frau, los war. Wusste sie von seinen scheußlichen Experimenten an Menschen (vgl. Episode 10: „Das ovale Portrait“)? In einer Hütte auf dem Weg nach New Orleans belauscht Leonie ein Gespräch. Deibler, den sie von Poe erstochen glaubte, lebt! Er erwähnt, dass Dr. Baker nach New York City will, über Rattleborough, wo er etwas abholen wolle.

Als man sie hört, haut sie ab. Auf der Straße in einem Vorort der Stadt wird sie von einem unheimlichen schwarzen Reiter überholt. Doch wie seltsam: Sie kann den Hufschlag seines Pferdes nicht hören. An einem See ein Stück weiter erblickt sie im Nebel des Morgens eine Gestalt auf einem flachen Felsen mitten im Wasser. Doch der Wind treibt die Nebelschwaden vor sich her, und die Gestalt ist gleich darauf verschwunden. Sie reitet weiter in die Stadt. Sie ahnt nicht, dass sie Poe, den sie nie wiedersehen will, nur knapp verfehlt hat.

_Mein Eindruck_

Diese Episode spielt die Rolle eines Füllsels, das einige offene Fragen zu beantworten hat. Ich habe diese Fragen oben erwähnt. Die wichtigste ist natürlich, warum sich Leonie und Poe getrennt haben und dennoch sich beide Richtung Norden, gen New York auf den Weg machen. Leonie hat dazu Informationen aus erster Hand, von Deibler und Hochwürden Crane, doch Poe weiß nichts dergleichen und geht dennoch nach New York. Er hat in der Episode 10 herausgefunden, dass ein New Yorker Maler namens Jimmy Farrell ihn ebenso wie eine junge Frau namens Lucy porträtiert hat. Um herauszufinden, was Farrell über Poes wahre Identität weiß, muss Poe also nach New York. Er geht in Mobile, Alabama, an Bord eines Seglers (in Episode 14: „Die längliche Kiste“).

Eigentlich erwartet der Hörer, dass sich Leonies und Poes Pfade wieder kreuzen, als sie Spuren von Dr. Baker suchen, doch dies geschieht nicht. Denn ein solches Treffen stünde nicht im Einklang mit den nachfolgenden Episoden, in denen jeder seinen eigenen Weg geht. Das Ergebnis ist eine merkwürdige Parallelität der Ereignisse: Beide treffen Hochwürden Crane, beide den Schattenreiter, beide die Hütte, in der die Schergen Dr. Bakers zusammentreffen, nachdem die Häuser abgebrannt sind.

Dass beide den gleichen See betrachten, sich aber wegen des Nebels nicht sehen können, ist symbolisch für ihre Position im Leben. Sie passieren die gleichen Orte, doch ohne zueinander zu finden. Poe will Leonie durch die Trennung vor den Gefahren, die ihm selbst drohen, schützen, doch sie hadert mit ihm, dass er sie hat sitzen lassen und zu einem Verbrechen verleitet hat (die Sache mit dem Wirt und der Magd).

Diese letzte Szene lebt alleine von der Stimmung. Was dies alles mit einer Geschichte von Poe zu tun haben soll, wie es ja der Reihentitel reklamiert, ist ein Rätsel. Ich jedenfalls kenne keine Poe-Erzählung oder ein Gedicht von ihm, in dem die beschriebenen Szenen erwähnt werden.

_Das Gedicht „An Helen“_

Das Gedicht aus Poes letzten Lebensjahren ist der Dichterin Sarah Helen Whitman gewidmet, die er liebte und heiraten wollte. Sie lehnte seinen Antrag jedoch ab, weil Poe bei ihren Freunden und Ratgebern in Ungnade gefallen war. Die Übersetzung des Gedichts, die Melchior Hala anfertigte, ist längst nicht so emphatisch und blumig wie das Original, das mir vorliegt. Die relative Nüchternheit bekommt der Aussage des Textes jedoch recht gut, denn nun erhalten die zahlreichen poetischen Bilder eine größere Glaubwürdigkeit. Hannelore Hogers langsamer und deutlicher Vortrag unterstreicht diesen Eindruck noch.

Das lyrische Ich erzählt, er habe sein liebliches Gegenüber vor Jahren in einer Julimondnacht kennen gelernt, in einem verzauberten Garten voll duftender Rosen. Und alle Rosen hätte ihre Köpfe auf SIE gerichtet. Sie habe in diesem Rosengarten gelegen, voller Kummer und allein, doch wunderschön. Doch sobald der Mond hinter einer Sturmwolke verschwunden ist, erkennt er, dass sie nur ein Geist ist, der verschwindet. Doch die Erinnerung an ihre Augen bleibt, Augen, die für immer seine Führer sein sollen: Venus‘ Führer zur Liebe, voller Schönheit und Hoffnung.

Das Gedicht ist doch recht romantisch mit seiner Verklärung von Liebe, Schönheit, Hoffnung, für die die geliebte Frau insgesamt steht. (Diese Frau wird stets mit dem vertraulicheren „thee“ und „thou“ angesprochen, nie mit dem steiferen „you“.) Bedenkt man aber Poes von zahlreichen Unglücken und Kämpfen überschattetes Leben, so blieb ihm wohl nur der Blick auf Schönheit, um in seinem Jammertal wieder Hoffnung schöpfen zu können. Seine Frau Virginia starb 1847, ihm selbst blieben nur noch zwei Jahre zu leben, bis er am 3. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden wurde und vier Tage später in Washington starb.

_Musik und Geräusche_

Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt. Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Wir hören Hufgetrappel in der richtigen Gangart (Schritt oder Galopp), Käuzchen und Möwen, aber auch die unterscheidbaren Wellen eines Sees bzw. des Meeres. Selbst der Schuss klingt einigermaßen „echt“, allerdings nicht gerade wie in einem Spaghetti-Western.

Die Musik erhält aufgrund der Handlungsarmut der Episode eine umso wichtigere Bedeutung: Sie hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Diesmal fehlt jedoch der übliche Traum, den Poe regelmäßig erlebt, und so kommentiert die dramatische Musik ein rein weltlich-realistisches Geschehen. Hier hätte ich mir gewünscht, dass sich die Musik etwas zurückgenommen hätte. Versatzstücke wie das Requiem „Dies illa, dies irae“, gesungen von einem Mädchenchor, wirken ein wenig aufgesetzt und unangemessen.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

Einen abschließenden Song gibt es diesmal nicht, denn er wurde durch das Gedicht ersetzt.

_Unterm Strich_

Wer sich gefragt hat, warum sich Leonie und Poe beide fast gleichzeitig nach Norden Richtung New York City wenden, der findet in dieser Episode die Antworten (siehe oben). Ansonsten hat „Schweigen“ – wie bezeichnend – keine Erzählung von Edgar Allan Poe zum Inhalt, sondern bietet von Poe lediglich sein schönes Liebesgedicht „An Helen“, das Hannelore Hoger einfühlsam zu Musikbegleitung vorträgt. Es ist ein Bonustrack, der den üblichen Abschlusssong der Episoden-CDs ersetzt.

Das Ende der Serie ist mit Episode 25 wohl endgültig gekommen. Jedenfalls wird im Sommer das Buch zur Serie, geschrieben von Melchior Hala, erscheinen. Und dann werden alle Rätsel gelöst.

|74 Minuten auf 1 CD|
http://www.luebbe-audio.de

Peter Straub – Schattenstimmen

Literatengrusel: Rückkehr zum Geisterhaus

„Schattenstimmen“ ist die indirekte Fortsetzung von „Haus der blinden Fenster“ mit dem Straub großen Erfolg hatte.

Willy Patrick ist eine erfolgreiche Autorin von Jugendbüchern (darunter „Schattenstimmen“) und steht kurz davor, einen noch weitaus erfolgreicheren Firmenanwalt zu heiraten. Doch Freunde warnen sie vor dem Mann, und Albträume suchen Willy heim. Vor zwei Jahren verlor sie ihren Mann und ihre Tochter bei einem Unfall. Nun erscheint ihr ihre Tochter bereits am hellichten Tag. Wird sie verrückt? Als ein Freund andeutet, dass ihr Verlobter etwas mit jenem Autounfall zu tun gehabt haben könnte, ergreift Willy die Flucht …

Willy stammt ebenso wie der Schriftsteller Tim Underhill aus dem kleinen Städt Millhaven in Illinois. Auch Tim wird heimgesucht: von seiner toten älteren Schwester April. Ein rabiater Fan scheint hinter ihm her zu sein und verwüstet sogar seine Wohnung. Obendrein bekommt er weiterhin unheimliche E-Mails. Als Underhill bei einer Lesung Willy Patrick kennen lernt, kriegt er Panik: Sie sieht genauso aus wie die Heldin in seinem neuesten Roman, an dem er vergeblich schreibt. Zudem scheint sie in der gleichen Gefahr zu schweben, die er für seine Heldin erfunden hat …
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Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Untergang des Hauses Usher, Der (POE #3)

_Von Wahnsinn und Inzest_

Diese CD ist Teil 3 der Lübbe-Hörspielserie mit Geschichten von Edgar Allan Poe. Obwohl es kaum Action gibt, ist der Gruseleffekt dennoch recht groß.

|Der Autor|

Edgar Allan Poe (gestorben 1849) gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Er gab verschiedene Zeitschriften heraus, veröffentlichte aber nur wenige eigene Werke in Buchform, sondern sah seine Geschichten und Gedichte lieber in Zeitschriften gedruckt. Er starb im Alkoholdelirium. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas.

Mehr Informationen bei [wikipedia]http://de.wikipedia.org/wiki/Edgar__Allan__Poe.

|Die Sprecher|

Ulrich Pleitgen spricht die Figur des „Fremden“, der den Namen E.A. Poe annimmt.
Dr. Templeton: Till Hagen
Roderick Usher: Klaus Jepsen
Lady Madeline Usher: Viola Morlinghaus
Diener Brandan: Thomas B. Hoffmann
Gedicht am Anfang/Lied am Schluss: Heinz Rudolf Kunze

_Handlung_

Vorgeschichte: Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert wurde und nach zehn Wochen kürzlich entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Mittlerweile befindet sich E. A. Poe auf dem Weg zur Westküste, wo er ein Schiff in den Fernen Osten zu besteigen gedenkt. Bevor es abfährt, steigt er in einem Hotel am Hafen ab, wo er wie schon in Teil zwei Briefe seines Psychiaters Dr. Templeton erhält. Dieser berichtet von einem Zeitungsartikel über eine getötete Sheila Coyle. So hieß die junge Frau in „Die schwarze Katze“.

Der Wirt warnt „Allan“ vor einem Ritt zu jenem „See der Träume“, der in der Nähe liegt und der angeblich schon so manches ahnungslose Opfer in seine dunklen Tiefen gelockt habe. Darunter sei auch eine junge Frau gewesen. „Allan“ reitet dennoch unerschrocken auf die Heide und passiert prompt den See, der ihn in seinen Bann zieht …

In der dritten Folge kehrt der Erzähler aufgrund eines Briefes zurück zu einem Jugendfreund Roderick Usher, der einsam mit seiner Schwester Lady Madeline auf seinem Landsitz lebt. Aber in dem herrschaftlichen Haus, das verwahrlost mitten in einem ausgedehnten Moorgebiet liegt, geschehen seltsame Dinge. Roderick kann sich an den Brief nicht erinnern. Hat ihn wirklich sein Jugendfreund eingeladen oder war es vielmehr Lady Madeline, Rodericks Schwester? Warum ist außer dem Butler Brendan kein Personal im weitläufigen Haus?

Eines Abends, als Gäste zum Dinner erwartet werden, ruft man ihn in das nächste Dorf. Angeblich ist der Hufschmied vom Pferd gefallen und benötige einen Arzt. Roderick bittet „Allan“, sich seiner medizinischen Vergangenheit zu erinnern und einzuspringen. Doch auf halbem Wege kehrt er, nachdem der Sohn des Schmieds die Nachricht als Unwahrheit entlarvt hat, um … und erlebt den Untergang des Hauses Usher.

Denn Roderick ist vor Trauer um bestimmte verstorbene Frauen offensichtlich dem Wahnsinn verfallen. Sein Geigenspiel ist amelodisch und zeugt von tiefer Schwermut, sein Orgelspiel erinnert an „Dies irae, dies ille“. Und doch redet er völlig klar und verständlich, als er „Allan“ mitteilt, Lady Madeline sei gestorben. Allan, der total verwirrt und geschockt ist, und Roderick tragen sie in die Gruft der Ahnen. Merkwürdig: Dort liegt noch eine andere Frauenleiche, mumifiziert und noch im Tode schön … Was und wer ist Roderick Usher wirklich?

_Mein Eindruck_

Ohne die Musik würde diese Episode kaum funktionieren. Deshalb müssen Musik und Soundeffekte enorm suggestiv wirken, um die Geschichte halbwegs plausibel werden zu lassen. Denn der Horror, den sie entfaltet, ist vollständig innerlich.

Ushers wahnwitziges Geigenspiel, das sich zu unglaublichen Höhen aufschwingt, ist ebenso ein Hinweis auf sein verwirrtes Gemüt wie sein bombastisches Orgelspiel, das vom „Tag des Zorns“ kündet, sprich: vom Tag des Untergangs des Hauses Usher. Wobei „Haus“ sowohl das Gebäude als auch die Familie meint. Hinzu kommen wieder einmal effektvolle Bässe, die von einem Tieftöner (Subwoofer) adäquat umgesetzt werden sollten.

|Die Bedeutung|

Das Haus Usher ist ein Geisterhaus (so sehe ich das). Das Problem, das Allan zunehmend erkennt, besteht darin herauszufinden, wer die Lebenden sind und wer die Toten. Das Haus steht für das Grenzreich zwischen Leben und Tod, eine Zone, in der die Einbildungskraft eine entscheidende Große spielt. Roderick stellt sich beispielsweise jenes Dinner vor, von dem Madeline spricht, und ebenso die Gäste beim Dinner. Die Frage ist berechtigt, was sich Madeline vorstellt – und was Allan?

Möglicherweise ist die Geschichte, in der das dekadente Haus (Familie) der Ushers (der Willkommenheißenden) erst dem Wahnsinn und dann buchstäblich (= Gebäude) den Flammen zum Opfer fällt, ein Symbol für das europäische Erbe, das die Vereinigten Staaten mit sich herumschleppten, als Poe die Story schrieb. Vielleicht will er sagen: Verbrennt die Brücken, wenn ihr kraftvoll und ungehindert leben und die Neue Welt erobern wollt. (Warum „dekadent“?, könnte man fragen. Nun, schon Poe deutet an, dass die Beziehung zwischen Roderick und Madeline ein wenig intimer ist als platonische Liebe. Sie begehen die Ursünde des Inzests.)

Das Gleiche tut die Gestalt des E. A. Poe in dieser Hörspielserie: Er löst sich von seiner Vergangenheit, nachdem er einen „schweren Unfall“ erlitten und zweieinhalb Monate in der Irrenanstalt verbracht hat. Im vierten Teil vollzieht er die Trennung, besteigt ein Schiff und segelt noch weiter westwärts, in den Fernen Osten.

|Die Sprecher|

Da diese Episode sehr wenig Action aufweist, kommt es darauf, die wichtigen Informationen über das gesprochene Wort und die Musik zu transportieren. Die Musik wurde bereits vorgestellt. Der Text wird von kompetenten Sprechern umgesetzt: Pleitgen spricht Poe bzw. „Allan“, wie Usher ihn nennt. Viola Morlinghaus, die fabelhafte Berenike in „Grube und Pendel“, haucht Lady Madeline (buchstäblich) Leben ein.

Der beste Sprecher ist diesmal jedoch Klaus Jepsen, die deutsche Stimme von Bilbo Beutlin. Er spielt den wahnsinnigen Usher nicht übertrieben, so dass die Ver-rücktheit anfangs nicht zum Ausdruck kommt (das besorgt sein Geigenspiel). Der Wahnsinn wird erst gegen Schluss offenbar, nach Lady Madelines „Tod“.)

Alle Dialoge wurden im Dolby-Digital-Verfahren aufgenommen. Wer also über eine entsprechende Anlage verfügt, etwa einen DVD-Player mit DD5.1-Wiedergabe, der hört die Dialoge genau so, als würden sie in einem dreidimensionalen Raum gesprochen werden. (Meine Heimkinoanlage steuerte dabei die 2 hinteren Lautsprecher nicht an.)

|Die szenische Musik|

Die Musik ist diesmal, wie gesagt, von höchster Bedeutung, um das innere Grauen, das sich aufbaut und steigert, hervorzurufen. Ein Filmorchester, eine Kantorei, ein Streichquartett, die Solovioline und Singende Säge (Chr. Zimbel), Orgel und Klavier (Peter Jackson – der ist wirklich überall) sowie Vocalisen (Gaby Bultmann) liefern alle einen Beitrag, um die Stimmung zu erzeugen, die für die Wirkung der Geschichte entscheidend ist. Die Aufnahmequalität ist ausgezeichnet und könnte kaum besser sein.

|Der Song|

Das Stück klingt wieder mit H. R. Kunzes Lied über E. A. Poe, „Der weiße Rabe“, aus. Es ist quasi eine Moritat, die versucht, diesen Dichter als Warner seiner Zeitgenossen in einen soziokulturellen Kontext zu stellen. Der Fünf-Minuten-Song ist zwar textlastig wie jede Moritat, aber stimmungsvoll instrumentiert und vorgetragen: schön schräg intoniert, mit „singender Säge“ unterlegt und wohligen Schauder erzeugend.

_Unterm Strich_

Anders als in „Grube und Pendel“ oder „Schwarze Katze“ passiert in „Usher“ relativ wenig, das dazu beitragen könnte, dem Zuhörer eine rationale Erklärung für die Vorgänge zu liefern. Im Gegenteil: Da sich die Geschichte der rationalen Erklärung verweigert, wirkt sie für den Unvorbereiteten ganz einfach langweilig. Es ist von äußerster Wichtigkeit, genau zuzuhören, weil viele Indizien aus der Vergangenheit herangezogen werden. Und erst, wenn man das Hörspiel mindestens zwei- oder dreimal gehört hat, erschließt sich einem die Bedeutung der letzten Szenen im Usher-Stammsitz.

Ein gute Soundanlage ist wichtig, um den optimalen Eindruck dieses Hörspiels zu erhalten, mehr noch als bei den anderen Episoden. Wer einmal das Geigensolo und die Orgelpassage ordentlich laut gehört hat, weiß, wie es um Roderick Ushers Gemüt bestellt ist: gar nicht gut.

|Umfang: 61 Minuten auf 1 CD|

Michalewsky, Nikolai von / Redeker, Jochim-C. / Weymarn, Balthasar von – Mark Brandis: Aufstand der Roboter (Hörspiel, Folge 4)

_Spannend: Entscheidungskampf gegen die Klon-Armee_

Das Jahr 2121: General Gordon B. Smith beherrscht nach seinem Putsch die Erde und die Venus – bei seinem Aufstieg zur Weltherrschaft stehen ihm nur noch die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) im Weg. Die Aufrüstung für einen Krieg mit den VOR läuft auf Hochtouren. Smith hat einen Plan, wie er den Frieden nach innen und die Überlegenheit der Union gegenüber den Republiken sichern will.

Ein Jahr ist die |Delta VII| seit dem „Unternehmen Delphin“ schon in den Weiten des Sonnensystems unterwegs, ohne Stützpunkt und immer auf der Flucht vor Smiths fanatischer Sekte, der „Reinigenden Flamme“, die sie unerbittlich jagt. Der Hunger treibt Commander Mark Brandis und seine Besatzung zu einer aufgegebenen Raumstation. Dort entdecken sie das grausame Geheimnis Smiths, das dem Bürgerkrieg eine neue Wendung geben kann …

Dieses Hörspiel schließt den „Bürgerkriegs-Zyklus“ in der Mark-Brandis-Serie ab.

_Der Autor_

Nikolai von Michalewsky (1931-2000) war bereits Kaffeepflanzer, Industriepolizist, Taucher und Journalist gewesen, als sein erster Roman 1958 veröffentlicht wurde. Am bekanntesten wurde er ab 1970 mit den Mark-Brandis-Büchern, der bis heute (nach Perry Rhodan) mit 31 Bänden erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Reihe.

Seine konsequente Vorgehensweise, Probleme der Gegenwart im Kontext der Zukunft zu behandeln, trug Michalewskys Serie eine treue Leserschaft und hohe Auflagenzahlen ein. Seine besondere Zuneigung galt besonders dem Hörspiel. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Kriminalhörspiel- und Schulfunkautoren Deutschlands. (Verlagsinfo)

Folge 1: [„Bordbuch Delta VII“ 4995
Folge 2: [„Verrat auf der Venus“ 5013
Folge 3: [„Unternehmen Delphin“ 5524

_Die Inszenierung_

Die Macher und Regisseure sind Interplanar.de:

Joachim-C. Redeker: Sounddesign und Musik
Redeker und Balthasar von Weymarn: Produktion, Regie und Schnitt

Jochim-C. Redeker, geboren 1970, lebt seit 1992 in Hannover. Gelernt hat er das Produzieren in der SAE Frankfurt, seither arbeitet er als Tonmeister für Antenne Niedersachsen. An zwei Virtual-Reality-Projekten hat er als Sounddesigner gearbeitet. Er gibt Audio- und Hörspielseminare und arbeitet als Werbetexter und Werbesprecher für zahlreiche Unternehmen sowie für Kino- und Radiowerbung. Musikalisch betreut er neben seinen eigenen Projekten auch Jingle- und Imageproduktionen. Bereits 1988 brachte ihm eine frühe Hörspielarbeit mit Balthasar den Sonderpreis der Jury für akustische Qualität beim Maxell-Momentaufnahmen-Wettbewerb ein.

Balthasar von Weymarn, geboren 1968, lebt seit 2006 im Taunus bei Frankfurt. Ausgebildeter Dramaturg und Filmproduzent (Filmstudium Hamburg); arbeitet auch als Skriptdoktor, -autor und Ghostwriter für Unternehmen wie Bavaria Film, Odeon Pictures, Tandem Communications, Storyline Entertainment u. a.

Die Aufnahmeleitung lag in den Händen von Thomas Weichler.

Die Sprecher und ihre Rollen:

Michael Lott spricht: Commander Mark Brandis
Wolf Frass: Prolog, Samuel Hirschmann
Fang Yu: VOR-Minister Tschou Fang-Wu
Martin Wehrmann: Lt. Iwan Stroganow
Christine Mühlenhof: Bordcomputer CORA
Holger Umbreit: Cpt. Robert Monnier
Rasmus Borowski: Lt. Antoine Ibaka
Christian Rode: Gen. Gordon Smith
Martin Kunze: Col. Maxime Larriand
Gerhart Hinze: John Harris
Esther Schramm: Cpt. Karen Danielson
Werner Möhring: Lt. Michael Horstmann
Dorothea Anna Hagena: Ruth O’Hara
Dennis Bruhn: Sgt. Fahrettin Kemal
Joachim-C. Redeker: Homo factus
Michael Westphal: Cpt. Martin van Kerk
Und weitere.

Das Hörspielmanuskript schrieb Balthasar v. Weymarn nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky.

_Hintergrund und Vorgeschichte_

Die Mark Brandis-Hörspielreihe begann 2005-2007 mit [„Bordbuch Delta VII“. 4995 Inhaltlich unterscheidet sie sich in einigen wichtigen Punkten von den Büchern.

* Die Geschichten sind um 50 Jahre in die Zukunft verlegt, die Saga beginnt also 2119;

* Die Kürzel EAAU und VOR sind zu „die Union“ und „die Republiken“ geworden;

EAAU: Die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU) ist ein transkontinentaler Staatenverbund und wurde als Zusammenschluss der drei Kontinente Europa, Amerika und Afrika ca. 1999 gegründet – ihr assoziiert ist Australien. Während Europa der Kontinent ist, der über die längste Tradition verfügt, haben sich Afrika und Amerika zu den industriell bedeutendsten Kontinenten entwickelt.
Flagge: ein Ring goldener Planeten um drei kleeblattartig angeordnete grüne Kontinente auf weißem Grund.
Hauptstadt: Metropolis

VOR: Die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) sind ein transkontinentaler Staatenverbund und umfassen zwischen Ural und der Pazifikküste die asiatischen Staaten einschließlich Ozeaniens.
Flagge: zwei gekreuzte Mongolenschwerter vor einer gelb-roten Sonne.
Hauptstadt: Peking

* Computer müssen nicht jedes Mal neu programmiert werden, sondern kümmern sich selbständig um ihre Aufgaben (daher kein „Technobabble“). |Delta VII| besitzt eine sprechende „Persönlichkeit“ mit dem Namen CORA, die von jedem Ort im Schiff aus zu erreichen ist;

* Die |Delta VII| besteht aus Brücke, Aufenthaltsraum/Messe, Maschinenraum und den Quartieren, dazu noch zwei Schleusen (Hauptschleuse kielseits und Dingischleuse deckseits); sie ist außerdem kein raketenartiger Vertikalstarter mehr;

* Mark Brandis und Ruth O’Hara können sich „Videobriefe“ schreiben; sog. Homeservice-Tapes (erinnert sich hier wer an „Das Arche Noah-Prinzip“?***) und sind bereits verheiratet, dafür hat Lt. Antoine Ibaka seine Frau Lydia erst auf der Venus kennengelernt;

* Die Geschichte ist gestrafft – so beginnt sie bereits mit dem Anflug auf die Erde (statt dem Anflug auf die Venus);

* Die „Reinigende Flamme“ hat bereits einmal (vor dem ersten Band) versucht, die Macht in der EAAU zu übernehmen. Da dieser Putsch damals vereitelt wurde, sind Mitglieder der Regierungen der Bedrohung gegenüber nachlässig geworden;

* Tom Collins‘ Rolle als Wegbereiter Smiths ist ausgedehnt;

* Alexander Repin ist nicht „Vorsitzender des Rates für Innere und Äußere Sicherheit“ auf der Venus, sondern Gouverneur;

* Die Venus leitet Energie aus dem Treibhauseffekt per Fernübertragung an die Erde;

* |Delta VII| kann in der SK-Konfiguration bis zu acht schwere Raketentorpedos neben den Energiewaffen abfeuern;

* Robert Monnier hat eine medizinische Zusatzausbildung;

* Die Technik der Gehirntransplantation (Brigadegeneral Rodriguez) ist durch ein verfeinertes Scanning-Verfahren ersetzt;

* Der Frachterkapitän Nelson (vgl. Aufbruch zu den Sternen) hat eine Tochter, die als Reporterin arbeitet.

***: Am Anfang seiner Spielfilmkarriere ging es Roland Emmerich um eins: Um die Umwelt. Das ARCHE NOAH PRINZIP (1984) könnte man als Öko-Klimakatastrophen-Science-Fiction-Thriller bezeichnen.

|Die Venus-Kolonie|

Die Chinesen errichteten auf dem Mars die erste Kolonie, deshalb wollte die westliche Union lieber die Venus besiedeln. Erst mit der Entdeckung einer chemischen Konstante Mitte des 21. Jahrhunderts gelang ein Durchbruch, und seither macht die Zersetzung von Schwefelsäure und Kohlendioxid in der Venus-Atmosphäre Fortschritte, wird aber erst Ende des 22. Jahrhundert abgeschlossen sein. Aufgrund der hohen Oberflächentemperatur von zunächst 450 °C und der langen Venustage (1 Tag entspricht 5832 Stunden) war und ist eine Besiedlung nur in Polnähe möglich. Bis 2095 wurde eine Strafkolonie unterhalten. Ein Schirm wurde errichtet, Forscher und Zivilisten folgten. Bodenwärme wurde in Energie umgewandelt, und die Venuskolonie prosperiert. (aus dem Booklet, abgewandelt)

_Handlung_

Sieben Monate und zwei Wochen ist die |Delta VII|, das schnellste Raumfahrzeug im Sonnensystem, bereits unterwegs, stets verfolgt von den Schergen des Generals Gordon Smith, der Sekte, die sich „Reinigende Flamme“ nennt. Inzwischen hat die Besatzung nur noch für zwei Tage Wasser übrig. Das Wasser ist streng rationiert. Lt. Antoine Ibaka, der Bordingenieur, hat Fieber und braucht medizinische Hilfe. Lt. Iwan Stroganoff, dem Navigationsoffizier, gelingt es auf geniale Weise, eine verlassene Raumstation zu orten. Sofort fliegen sie nach Astrostad.

Brandis und Danielson dringen in die Station ein – und stoßen auf einen Scatz: Massen von Nahrungsmitteln und Getränken. Doch der Hort hat einen Wächter: einen geklonten Menschen, einen homo factus. In einer wilden Schießerei können sie ihn unschädlich machen. Jetzt wissen sie, dass diese Station der Reinigenden Flamme gehört. Aber wozu diente sie? Eine Woche später geht es Ibaka wieder gut und er findet einige Fakten darüber heraus.

Der homo factus ist eine aggressive Züchtung, um den Feind mit geballter Feuerkraft als loyale Einheit anzugreifen. Das Geheimnis: Die Persönlichkeit eines Originals wird gespeichert (wobei das Original zerstört wird) und beliebig weiterkopiert, wobei weitere Originale zerstört werden. Auf diese Weise lassen sich von Tausenden von – meist gezüchteten – Originalen in Windeseile Kopien von wenigen, natürlich loyalen Dienern des Generals erzeugen. Im Handumdrehen hat der General eine Armee. Aber es gibt eine Achillesferse in diesem Plan. Brandis findet dies extrem schaurig und will dem Spuk ein Ende machen. Doch der Weg dorthin verläuft ganz anders, als er erwartet hat …

Sobald er wieder Kontakt zur Erde hat, erfährt er, dass jetzt sein alter Kommandeur John Harris das Amt des Präsidenten innehat. Harris befiehlt ihm, einen Konvoi des Gegners abzufangen, der etwas sehr Wichtiges von der Venus zur Erde bringen soll. Diese Fracht ist an Bord der |Najade|. Als Brandis mit einem VOR-Kreuzer den Konvoi angreift, erschallt jedoch die Stimme seiner Frau Ruth O’Hara im Kopfhörer: Sie ist eine Geisel des Feindes! Und sie ist in Lebensgefahr!

Dennoch fragt sich Brandis, ob es sich die VOR-Kräfte leisten können, einen kriegswichtigen Konvoi passieren zu lassen, dessen Fracht womöglich über den Ausgang des Krieges entscheidet. Brandis befiehlt, den Angriff fortzusetzen. Es ist die richtige Entscheidung, wie sich am Ende zeigt …

_Mein Eindruck_

(Für den weiteren Text setze ich die Kenntnis der Hintergrundinformationen voraus.)

So eine Raumschlacht ist schön und gut, wenn sie in einer Space Opera auftaucht, die sich über mehrere Folgen hinzieht. Da ist jeder Actionhöhepunkt willkommen. Zum Glück besteht die Handlung keineswegs aus Raumschlachten: Das Geballer könnte einfach zu dumpfsinnig erscheinen. Deshalb haben der Autor und die Hörspielmacher dafür gesorgt, dass immer wieder sehr ruhige Passagen folgen, in denen sich sowohl der Verlauf der Handlung ändert als auch ein Licht auf die Welt geworfen wird, in der die Handlung angelegt worden ist.

Es ist eine Welt, in der ein einziger Despot sich anschickt, eine faschistische Diktatur zu errichten. Obwohl schon eine sektenartige Organisation nach Vorbild der SS ihm dient, baut er noch eine Armee aus Klonen auf, die alle das Gleiche denken. Diese roboterhafte Armee aus Gleichgeschalteten erinnert ebenfalls an Hitlers Drittes Reich. Der Gipfel der Perfidie: Der homo factus soll über den homo sapiens Mark Brandis ein Urteil fällen.

Diese Gerichtsfarce ist eine spannende Szene, denn Brandis stellt die Prämissen des homo-factus-Klons in Frage, so dass deren Absurdität offenbart wird. Diese Szene ist ein Wendepunkt des Hörspiels, denn nach der Verkündung des Todesurteils gegen Mark & Co. findet ein unerwarter Aufstand statt – ausgerechnet unter den Massen des homo factus. Die Ursache soll hier aber nicht verraten werden, um die Spannung nicht zu zerstören.

Der Showdown mit dem General bildet den finalen Höhepunkt des Hörspiels, danach folgen nur noch mehrere Epiloge, die den Zuschauer sich entspannen lassen. Der Showdown ist folgerichtig eingefädelt. Wenn der General sich selbst auf die empfangsbereiten homines facti überträgt, kann es zu keinen Loyalitätskonflikten mehr kommen. Entscheidend ist nun, dass Mark diese Übertragung rechtzeitig verhindert. Dies gelingt natürlich erst in allerletzter Sekunde. Aber bedeutet dies auch die Rettung der VOR? Weiterhören!

Einziger Schönheitsfehler dieser Produktion: Die Roboter aus dem Titel kommt nicht vor. Aber das ist vielleicht Definitionssache. Der Aufstand findet unter dem homines facti statt. „Ob nun Klon oder Roboter, wo ist der Unterschied?“, mag man sich fragen. Für mich liegt ein himmelweiter Unterschied zwischen einem mechanischen Konstrukt und einer biologischen Züchtung. Von den zahllosen Fehlerquellen beim Klonezüchten mal ganz abgesehen.

_Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Wurden in den anfänglichen Folgen Sprecher zu Lieferanten von Sprechblasen degradiert, so trifft dies zu meiner positiven Überraschung seit Folge drei nicht mehr zu. An mehreren Stellen finden sich ausgezeichnete, längere Dialoge. Der beste ist sicherlich jener, in dem Brandis Abschied von Ibaka nehmen muss. Ibaka ist verletzt und zieht den Freitod vor, der seinem Volk nützt. Hier mischen sich Trauer, Betroffenheit und Hoffnung zu einem bewegenden Gesamteindruck.

Auch das Wiedersehen Marks mit seiner Frau ist ähnlich schön gestaltet, allerdings viel kürzer. Dennoch hatte ich nicht den Eindruck, als wäre dieses Szene nur dazu da, um Minuten zu schinden. Sie ist vielmehr der private Höhepunkt des Geschehens für Mark, die Hauptfigur, und insofern unerlässlich.

Diese Dialoge belegen die Verhaltensweisen von Erwachsenen statt von Jugendlichen. Man nimmt den Figuren jetzt ab, dass sie über Krieg und Frieden sowie den Tod von Menschen zu entscheiden in der Lage sind. Die Ernsthaftigkeit von „Raumpatrouille Orion“ ist nun mit der schnellen Handlung von „Perry Rhodan“ bestens kombiniert. Auch Gewaltszenen an Bord von Raumfahrzeugen sind nicht selten. Der Gewalt geht ohne Ausnahme eine verbale Auseinandersetzung voraus, und sie hat immer personelle Konsequenzen. Daher ist Gewalt nicht um ihrer selbst willen inszeniert, sondern hat eine durchaus einsehbare Funktion.

|Die Geräusche|

Die Geräuschkulisse erstaunt den Hörer mit einer Vielzahl mehr oder weniger futuristischer Töne, so etwa die Triebwerke der |Delta VII| oder das Öffnen und Schließen ihrer Luken und Schleuse. Doch wenn man ein Fan von SF-Fernsehserien ist, dann dürfte einen dies nicht gerade umhauen, sondern eher ganz normal vorkommen. Ungewöhnlich sind eher Sounds, die an das Brutzeln von Eier erinnern, an stockende Sounds – das lässt aufhorchen. Hier haben die Macher dazugelernt. Der gute Sound trägt dazu bei, den Hörer direkt ins Geschehen hineinzuversetzen, und das kann man von den wenigsten SF-Fernsehserien behaupten. Ich fand es beispielsweise ungewöhnlich, eine Episode ohne jedes Wort beginnen zu lassen, sondern eine Minute lang Töne zu kombinieren, so etwa Delphinpfeifen und ähnliches.

Die meisten SF-Serien wie etwa „Classic Star Trek“ oder „Raumpatrouille Orion“ sind viel zu alt für solchen Sound, und „Babylon 5“ oder „Andromeda“ klingen zwar toll, spielen aber in abgelegenen Raumgegenden, wo irdische Ereignisse kaum eine Rolle spielen. Dadurch hebt sich „Mark Brandis“ im Hörspiel bemerkenswert von solchen TV-Produktionen ab, von SF-Hörspielen ganz zu schweigen. Nur |Lübbe|s „Perry Rhodan“ kann in dieser Liga mitspielen. Auch das Design von verzerrten Meldungen ist ähnlich professionell gehandhabt. Ein Satz kann mittendrin seine Klangcharakteristik ändern – faszinierend.

|Musik|

Ja, es gibt durchaus Musik in diesem rasant inszenierten Hörspiel. Neben dem Dialog und den zahllosen Sounds bleibt auf der Tonspur auch ein wenig Platz für Musik. Sie ist wie zu erwarten recht dynamisch und flott, aber nicht zu militärisch – ganz besonders im Intro und in den Intermezzi. Ganz am Schluss erklingt ein flottes Crescendo, das den Ausklang zu dieser enorm langen Episode bildet.

Danach folgt nur die Absage, bei der der Sprecher sämtliche Sprecher und, wo sinnvoll, ihre Rollen aufzählt. Den Abschluss bildet der Hinweis auf die nächste Folge mit dem Titel „Testakte Kolibri“. Die dynamische Hintergrundmusik stimmt den Zuhörer erwartungsfroh. Ich kann es kaum erwarten.

|Das Booklet|

Das achtseitige Beiheft erzählt dem Hörer, was bisher geschah: Das wurde in „Bordbuch Delta VII“, „Verrat auf der Venus“ sowie „Unternehmen Delphin“ berichtet. Eine weitere Seite listet astronomische und andere Begriffe auf.

Die mittlere Doppelseite liefert Kurzbiografien von:
Prof. Dr. Juan Segovia
Cpt. Martin van Kerk (SR)
Lt. Michael Hartmann (SR)
Sgt. Konstantinos Simpopoulos (SR)

Die nächste Seite enthält einen Auszug aus der „Allgemeinen Erklärung der Menschenpflichten“, worauf die Macher etwa Werbung für Ihren VEGA-Shop und dessen Produkte machen: T- und Sweatshirts sowie ein Kaffeebecher sind das bescheidene Angebot. Die letzte Seite bringt Infos zu den Machern (siehe oben). Die Rollenliste ist auf dem Rückcover der Jewelbox abgedruckt, ebenso die Kapitelüberschriften.

_Unterm Strich_

Ähnlich wie manche Handlungsstränge der „Perry Rhodan“-Hörspiele greift auch die Mark-Brandis-Serie politische Themen auf statt nun auf die Karte der abenteuerlichen Erforschung fremder Welten zu setzen. Das finde ich schon mal sehr löblich, denn so kann der Hörer die gezeigten Vorgänge mit seinen eigenen sozialen und politischen Verhältnissen vergleichen und sie, mit etwas Verstand, auch kritisch bewerten.

Unterschwellig warnt der Autor dieses Stoffes vor einer faschistischen Diktatur. Die Handlung präsentiert keine einfachen Lösungen, so etwa wenn sich Brandis zwischen dem taktischen Vorteil und dem Leben seiner Frau zu entscheiden hat. Auch Gewalt ist nie die Lösung, sondern das Problem, so als Lt. Ibaka den Kommissars, der seine Frau hinrichten ließ, nicht nur niederschlägt, sondern auch noch vorsätzlich tötet.

Die spannende Frage ist nun, ob Ibaka mit der Tötung eines Feindes davonkommt oder vors Kriegsgericht gestellt wird. Beides ist der Fall, doch das ist beileibe nicht das Ende vom Lied, denn sonst käme ein Soldat ja mit jedem Mord durch. Das ist nicht die Moral, die der Autor hier vorbringt. Und so hat Ibakas Tat noch ein bitteres Nachspiel.

|Das Hörspiel|

„Mark Brandis“ ist als Hörspiel professionell inszeniert, spannend, stellenweise actionreich und mitunter sogar bewegend. Im Unterschied zu den ersten Folgen wurden nun mindestens zwei größere Dialogszenen eingebaut, die mir sehr gut gefallen haben. Sie charakterisieren besonders Mark Brandis als einen moral- und verantwortungsbewussten Erwachsenen, der auch mal seine Fehler korrigieren kann.

Dies ist beruhigend weit entfernt von Kinderkram und rückt die Serie in die Nähe der POE-Hörspiele, die mir fast durchweg gut gefallen. In zehn Jahren wird man diese Serie als Vorbild für eine gelungene SF-Serie aus deutschen Landen auf gleicher Höhe mit „Perry Rhodan“ setzen. Und die Sammler werden sich die Finger danach lecken.

Hinweis: Die Fortsetzung trägt den Titel „Testakte Kolibri“.

|80 Minuten auf 1 CD
ISBN-13: 978-3-88698-436-7|
http://www.sprechendebuecher.de
http://www.markbrandis.de
http://www.interplanar.de

Classic Shop

Dan Simmons – Die Feuer von Eden

Magische Inseln, exzellenter Schmöker

„Die Feuer von Eden“ – damit sind die mächtigsten und aktivsten Vulkane der Welt gemeint, die auf Hawaii, besonders Mauna Loa und der benachbarte Kilauea. 9670 Meter ragt der Mauna Loa vom Meeresboden des Pazifiks auf – der höchste Berg der Welt. Ereignet sich in dieser Gegend ein Seebeben, verwüstet wenig später eine Tsunami von ungeheurer Wucht die Küstenstriche.

In dieser von Elementarkräften der Natur beherrschten Welt hat sich bis in unsere Zeit eine vielfältige Mythologie erhalten. In ihr beherrscht die Göttin Pele die Kräfte des Vulkanfeuers und des Erdbebens. Sie hat zahlreiche Feinde, darunter Kamapua, der mit Sturm und Regen ihre Feuer zu ersticken versucht. Er erscheint seinen Opfern, deren Seelen er frisst, als riesiger Eber. Um die Gebete, um diese beiden Naturgottheiten zu beschwören, wissen nur noch die kahunas, die weisen Männer auf Hawaii. Doch wie sich herausstellt, gibt es auch noch die Schwesternschaft Peles, die im Verborgenen wirkt … Optimale Voraussetzungen für einen horrormäßigen Zombie-Roman.

Der Autor

Dan Simmons ist bekannt geworden mit dem Horror-Roman „Sommer der Nacht“, der auch für „A Winter Haunting“ den Hintergrund bildet. Beide Romane sind in dem Buch „Elm Haven“ vereint. Noch erfolgreicher wurde er allerdings mit Science Fiction-Romanen: „Hyperion“ und Hyperions Sturz“ sowie „Endymion“ und „Endymion – Die Auferstehung“ fanden ein großes Publikum. Diese Tradition setzte er im Herbst 2003 mit seinem Roman „Ilium“ fort, in dem griechische Götter eine wichtige Rolle spielen. (Die Fortsetzung trägt den Titel „Olympos“.)

Außerdem ist Dan Simmons ein Verfasser exzellenter Kriminalthriller (z.B. „Darwin’s Blade/Schlangenhaupt“) und Kurzgeschichten (z.B. „Styx“ bei Heyne oder „Lovedeath“ bei Festa). Mit „Eiskalt erwischt“ hat er eine Krimireihe um den „gefallenen“ Privatdetektiv Joe Kurtz gestartet, die mit „Bitterkalt“ und „Kalt wie Stahl“ fortgesetzt wurde.

Dan Simmons‘ erster Roman „Göttin des Todes“ (Song of Kali) wurde mit dem World Fantasy Award ausgezeichnet (siehe dazu meinen Bericht). Weitere Horror-Romane und zahlreiche –Stories folgten. Für seine Science Fiction-Romane um die Welten Hyperion und Endymion wurden er mit Preisen überhäuft.

In den letzten Jahren hat sich Simmons dem Mainstream angenähert. „Fiesta in Havanna“ erzählt von Hemingways Spionageabenteuern auf Kuba, und „Darwin’s Blade“ ist ein waschechter Kriminalthriller. Sein Bestseller „Terror“ wurde zu einer erfolgreichen TV-Serie verarbeitet.

Simmons lebt in Colorado in dem Ort Windwalker in einem Haus namens „Shrike Hill“. „Shrike“ heißt das Monster in den „Hyperion“-Romanen…

Handlung (deren zwei)

Der amerikanische Milliardär Byron Trumbo hat drei Frauen und ein teures Hotel. Zwei der Frauen will er loswerden, zugleich mit dem Luxushotel, das auf Big Island, der größten Insel von Hawaii, liegt. Als er es baute, zog er sich den Zorn der Insulaner zu, weil er in einer heiligen Gegend baute, gar nicht weit weg von Mauna Loa. Inzwischen häuft sich das mysteriöse Verschwinden von Hotelgästen.

Als er einfliegt, um das Hotel samt riesigem Areal mit zwei Golfplätzen an Japaner zu verscherbeln und sich damit zu sanieren, sind bereits neue Opfer zu beklagen. Die Gäste werden unruhig. Kurz nach seinem Eintreffen finden sich auch seine drei Frauen ein: seine Ex, seine Ex-Geliebte und seine aktuelle Loverin, eine Minderjährige. Damit beginnt für Byron Trumbo eine Kette von mittleren bis größeren Katastrophen – er bewältigt sie allerdings mit bewunderswerter Dickschädeligkeit. Trumbo ist ein richtiges New Yorker Arschloch, das seine Untergebenen opfert, wenn es ihm nur die eigene Haut rettet oder ihm einen Vorteil verschafft.

Eleanor Perry

Dr. Eleanor Perry ist Doktor der Philosophie in Ohio. Sie stellt Nachforschungen auf der Insel an, die auf Informationen aus dem Tagebuch ihrer Urururugroßtante Lorena Kidder beruhen, die im Jahr 1866 Big Island besuchte, zu einer Zeit, als Missionare versuchten, die Heiden zu bekehren und dabei manchmal Opfer von Pogromen der Einheimischen wurden. In Kidders Begleitung befand sich der junge Korrespondent Samuel Langhorne Clemens, besser bekannt unter seinem Schriftstellerpseudonym „Mark Twain“. Tante Kidders Tagebuch stellt eine parallel geschaltete Handlungsebene dar, die die unheimlichen Geschehnisse im Mauna Pele Hotel von Byron Trumbo auflockern, antizipieren und in ein neues Licht rücken. Tante Kidder steig nämlich mit Mr. Clemens in die Unterwelt hinab, um eine vom Gott Kamapua geraubte Seele zurückzuholen …

Cordie Stumpf

Begleitet wird Eleanor bei ihren Forschungen ins Unheimliche von Cordie Stumpf, einer pummelig und weich erscheinenden Geschäftsfrau aus Illinois, die sich jedoch als ein gestandenes Weibsbild herausstellt, das ebenso mit ihrer spitzen Zunge wie mit ihrem 38er-Revolver umgehen kann. Und das am Schluss für eine ziemliche Überraschung gut ist. Eleanor hat Cordie das Tagebuch von Tante Kidder zu lesen gegeben, und so weiß Cordie, womit sie es zu tun haben, als ihnen ein schwarzer Hund mit Menschen- statt Hundezähnen über den Weg läuft und als Cordie auf dem Wasser von einem Haifisch mit Menschenbeinen attackiert wird. Es sind Dämonen, die von Kamapua angeführt werden. Sie wurden von kahunas herbeibeschwört, die Trumbo vertreiben wollen. Das Tor zur Unterwelt ist geöffnet, und die kahunas können es nicht mehr schließen …

Ein Mitarbeiter Trumbos nach dem anderen wird ein Opfer der Dämonen. Krampfhaft versucht der Milliardär, nichts davon merken zu lassen, aber es nützt ihm nichts, als eines Nachts auch einer der Japaner verschwindet. Nachdem auch Eleanor das Opfer von Kamapua geworden ist, wird er schließlich von Cordie gezwungen, mit ihr zusammen – wie weiland Tante Kidder und Mark Twain – in die Unterwelt zu steigen. – Mehr soll nicht verraten werden.

Mein Eindruck

Der Roman bietet hochgradig spannenden und unterhaltsamen Lesestoff. Die letzten 50 Seiten sind einfach un-put-down-able! Die unheimliche Atmosphäre des Buches wird nicht vom Autor behauptet, sondern entsteht aus dem Zauber des Ortes, der in aller gebotenen Tiefe erklärten Mythologie und Kultur sowie durch die zeitliche Spannen zwischen 1866 und der Gegenwart der Erzählung. Was damals galt, gilt nun auch weiterhin. Und wer sich, wie Trumbo, diesen Gesetzen widersetzt, muss büßen. Da nützt auch Trumbo all seine Kaltschnäuzigkeit nicht, die ihn selbst in der Unterwelt zu einer frechen Antwort an Kamapua veranlasst…

So erscheint das Geschehen ebenso plausibel wie spannend. Simmons zieht den Leser unmerklich tiefer in den Bann der Story. Doch nicht allein Horror ist darin das treibende Element, sondern auch die keimende Liebe zwischen Tante Kidder und Samuel Clemens, einem höchst gegensätzlichen Paar, das dennoch in einer Unternehmung des blanken Wahnsinns – wer steigt schon freiwillig in die Welt der Toten und Dämonen? – zueinander finden. Allerdings gibt sie ihm nicht das Ja-Wort, was zwar ein Jammer ist, aber verhindert, dass ihre Geschichte in einem kitschigen, aufgesetzten Happyend ihren Abschluss findet. (Mark Twain fand wenig später die Frau seines Lebens.)

Fazit

Am Schluss hat man etwas fürs Leben gelernt: Die Inseln von Hawaii gehören gewiss zu den magischsten Orten der Welt! Empfehlung: uneingeschränkt lesenswert!

Taschenbuch: 450 Seiten
Originaltitel: Fires of Eden, 1994
Aus dem Englischen von Ute Thiemann
ISBN-13: 9783442415977

www.randomhouse.de

Der Autor vergibt: (5.0/5) Ihr vergebt: SchrecklichNa jaGeht soGutSuper (1 Stimmen, Durchschnitt: 5,00 von 5)

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – Fall Valdemar, Der (Poe #24)

_Jack Sparrow lässt grüßen!_

Die Reihe bringt unter Mitwirkung von Ulrich Pleitgen und Iris Berben, eingebettet in eine Rahmenhandlung, Erzählungen des amerikanischen Gruselspezialisten Poe zu Gehör.

Ein geheimnisvoller Schlafwandler kommt Poe und Leonie auf der Seucheninsel zu Hilfe. Doch Dr. Baker besitzt mehr Macht, als sie beide wissen können. Das geplante Tauschgeschäft wird für Poe zum Albtraum.

Ulrich Pleitgen und Iris Berben haben auch an den ersten 23 Hörbüchern der Serie mitgewirkt:

#1: Die Grube und das Pendel
#2: Die schwarze Katze
#3: Der Untergang des Hauses Usher
#4: Die Maske des roten Todes
#5: Sturz in den Mahlstrom
#6: Der Goldkäfer
#7: Die Morde in der Rue Morgue
#8: Lebendig begraben
#9: Hopp-Frosch
#10: Das ovale Portrait
#11: Der entwendete Brief
#12: Eleonora
#13: Schweigen
#14: Die längliche Kiste
#15: Du hast’s getan
#16: Das Fass Amontillado
#17: Das verräterische Herz
#18: Gespräch mit einer Mumie
#19: Die Sphinx
#20: Scheherazades 1002. Erzählung (auch: Die 1002. Erzählung)
#21: Schatten (ursprünglicher Titel: Die Scheintoten)
#22: Berenice
#23: König Pest
#24: Der Fall Valdemar
#25: Metzengerstein

Nächste Staffel (02/2008):
#26: Der Kopf des Teufels
#27: Der Mann in der Menge
#28: Die Flaschenpost
#29: Landor’s Landhaus

Das Taschenbuch ist unter dem Titel [„Lebendig begraben“]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3404156757/powermetalde-21 bei |Bastei Lübbe| erschienen.

_Der Autor_

Edgar Allan Poe (1809-49) wurde mit zwei Jahren zur Vollwaise und wuchs bei einem reichen Kaufmann namens John Allan in Richmond, der Hauptstadt von Virginia, auf. Von 1815 bis 1820 erhielt Edgar eine Schulausbildung in England. Er trennte sich von seinem Ziehvater, um Dichter zu werden, veröffentlichte von 1827 bis 1831 insgesamt drei Gedichtbände, die finanzielle Misserfolge waren. Von der Offiziersakademie in West Point wurde er ca. 1828 verwiesen. Danach konnte er sich als Herausgeber mehrerer Herren- und Gesellschaftsmagazine, in denen er eine Plattform für seine Erzählungen und Essays fand, seinen Lebensunterhalt sichern.

1845/46 war das Doppeljahr seines größten literarischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Erfolgs, dem leider bald ein ungewöhnlich starker Absturz folgte, nachdem seine Frau Virginia (1822-1847) an der Schwindsucht gestorben war. Er verfiel dem Alkohol, eventuell sogar Drogen, und wurde – nach einem allzu kurzen Liebeszwischenspiel – am 2. Oktober 1849 bewusstlos in Baltimore aufgefunden und starb am 7. Oktober im Washington College Hospital.

Poe gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, psychologische Horrorstory, Science-Fiction, Shortstory. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas. Er beeinflusste zahlreiche Autoren, mit seinen Gedichten und seiner Literaturtheorie insbesondere die französischen Symbolisten.

_Die Inszenierung_

Ulrich Pleitgen, geboren 1946 in Hannover, erhielt seine Schauspielerausbildung an der Staatlichen Hochschule für Musik und Theater in seiner Heimatstadt. Pleitgen wurde nach seinen Bühnenjahren auch mit Film- und Fernsehrollen bekannt. Er hat schon mehrere Hörbücher vorgelesen und versteht es, mit seinem Sprechstil Hochspannung zu erzeugen und wichtige Informationen genau herauszuarbeiten, ohne jedoch übertrieben zu wirken. In der POE-Reihe interpretiert er den Edgar Allan Poe und andere Figuren.

Iris Berben gehört zu den bekanntesten und profiliertesten Schauspielerinnen hierzulande. Ihr Repertoire umfasst Krimis („Rosa Roth“) ebenso wie Komödien und klassische Werke. Für ihre Leistungen wurde sie u. a. mit dem Bambi und mit der Goldenen Kamera ausgezeichnet. In der POE-Serie interpretiert sie die weibliche Hauptrolle Leonie Goron und andere Figuren.

Kapitän Hardy: Jürgen Wolters
Pater O’Neill: Jaecki Schwarz
Anna Rogêt: Clara Nicolai
George Appo: Gerald Schaale (Andy ‚Lorne‘ Hallett in „Angel“, Matt Craven)
Rick Ellis: Tilo Schmitz (Ving Rhames, Michael Clarke Duncan)
Edward Bunting: Hasso Zorn (David Kelly)

Der deutsche Prolog wird von Heinz Rudolf Kunze vorgetragen, der englische von Laurie Randolph, die Ansage erledigt André Sander. Die deutsche Hörspielfassung stammt von Melchior Hala nach einer Idee von Marc Sieper, Dickky Hank und Thomas Weigelt. Für Regie, Musik und Ton waren Christian Hagitte und Simon Bertling vom |STIL|-Studio verantwortlich.

|Das Booklet|

Jede CD enthält ein achtseitiges schwarz gehaltenes Booklet. Eingangs gibt es einen mittlerweile recht umfangreichen Abriss der Vorgeschichte der Episode. Kleine Biografien stellen die beiden Hauptsprecher Ulrich Pleitgen und Iris Berben vor. Die mittlere Doppelseite zeigt alle bislang veröffentlichten CDs. Danach folgt eine Seite, die sämtliche Credits auflistet. Die vorletzte Seite wirbt für das Hörbuch [„Edgar Allan Poe: Visionen“, 2554 das ich empfehlen kann. Die letzte Seite gibt das Zitat aus E. A. Poes Werk wieder, das am Anfang einer jeden Episode – jeweils abgewandelt – zu hören ist.

_Vorgeschichte_

Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der nach einem schweren Unfall bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert und mittlerweile entlassen wurde. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aus der Vergangenheit aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan?

Schon zwanzig Stationen hat der Fremde durchwandert, stets begleitet von Alpträumen. Nach einem Aufenthalt in einem Gasthaus begibt sich der Fremde ohne Gedächtnis auf eine Seereise, die ihn zunächst nach New Orleans führt. Aus einem Schiffswrack rettet er eine schöne Landsmännin, Leonie Goron. Sie weist ihn darauf hin, dass man ihm möglicherweise nach dem Leben trachtet. Nur zu wahr, denn auf der letzten Station vor dem Ziel New Orleans muss sie ihm das Leben retten. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton als Francis Baker darin spielt. Selbst in der großen Stadt bleibt Poe nicht von Alpträumen nicht verschont. Doch er findet etwas über seine und Leonies Vergangenheit heraus und welche finstere Rolle Dr. Templeton darin spielt.

Am Anfang rekapituliert Poe sehr knapp die unmittelbare Vorgeschichte. Das erleichtert den Einstieg in die Serie ein wenig, aber nur minimal. Daher noch ein wenig mehr Inhaltsangabe:

|Episode 21:|

Kapitän Hardy, der süffelnde Kommandant des untergegangenen Segelschiffs „Independence“, hat Poe geraten, sich vor seinem unsichtbaren Verfolger ein gutes Versteck zu suchen. Wie wär’s mit dem Totenschiff der Armen, das im nördlichen Hafen New Yorks vor Anker liegt? Die „Rachel“ durchsucht bestimmt keiner. Gesagt, getan.

Allerdings macht dieser abgetakelte Segler keinen besonders vertrauenerweckenden Eindruck. Der einzige Lebende an Bord ist der alte Ismael. Als Poe ihm zwei Flaschen guten Whiskys in die Hand drückt, ist er überredet: Poe darf frei logieren. Ismael warnt ihn aber vor den Ratten, die recht groß werden können. Und eine der Türen sei für ihn verboten, da habe er keinen Zutritt. Alles klar? Alles klar.

Ismael geht von Bord, denn er wolle einen Freund besuchen. Auf Blackwell Island (dort liegt Dr. Bakers Klinik!) sei die Cholera ausgebrochen, und schon bald werde es die ersten Leichen abzuholen geben. Wenig später kommt Leonie Goron an Bord. Zusammen machen sie hinter der verbotenen Tür eine grausige Entdeckung.

|Episode 22:|

Leonie und Poe gelangen durch die Hilfe von George Appo, Kapitän Hardy und den Wirt Rick Ellis auf Blackwells Insel, die im East River liegt. Ihre erste Begegnung mit Pater Bunting ist kurz, denn er stirbt schon bald an der Seuche, die hier grassiert …

|Episode 23:|

Der Besuch im Asyl führt beinahe dazu, dass Poe durch Elektroschocks sein Gedächtnis verliert. Nur das beherzte Eingreifen Leonies rettet ihn, doch sie müssen in das Dorf der an der Seuche Erkrankten fliehen, wo nur König Pest herrscht. Und ihm entkommt man nur als Leiche, oder?

_Handlung von Episode 24_

Poe hat drei Tage Zeit, um in New York das Gegenmittel für die Seuche zu beschaffen, die Leonies Leben bedroht. Sie hat bereits mit dem Leben abgeschlossen, als ein Herr Valdemar auftritt und Poe einen kühnen Plan vorschlägt. Er selbst sei gegen die Seuche bereits immunisiert und wolle den Experimenten Dr. Bakers entkommen. Baker behandle seine, Valdemars, somnambule Anfälle, aber auf so grausame Weise, dass Valdemar ihm entkommen will.

Am Abend haben sie genügend Treibgut zusammengetragen, um ein behelfsmäßiges Floß zu basteln. Damit wollen sie sich an den Patrouillenbooten vorbeischmuggeln, die den Weg nach New York blockieren. Ein Feuer im Seuchendorf lenkt die Wärter wie auch König Pest von ihrer Abfahrt ab. Auf das Floß haben sie Leonie gebunden.

Kurz bevor sie die Kräfte verlassen, greift ein Fischerboot sie auf. Kapitän Starling ist stolz auf seine Abstammung von einem gewissen Jack Sparrow, seines Zeichens Pirat. Doch er will das Boot keineswegs zum Hafen lenken, sondern ist auf dem Weg zu Fischgründen. Poes Hoffnung schwindet völlig, das Gegenmittel binnen drei Tagen zu beschaffen. Doch in der Nacht wendet sich das Blatt …

Poe träumt von einer blutigen Mörderhand und glaubt, an Deck Geräusche, Rufe und Schreie zu vernehmen. Das Kribbeln in seinem Kopf ist heftig, eine geistige Verbindung ist hergestellt worden. Als sie endet, geht Poe am nächsten Morgen an Deck. Er macht eine grausige Entdeckung.

_Mein Eindruck_

Was für ein blutige Episode! Zum Glück erlebt Poe das Gemetzel nur durch die undeutliche Vermittlung der telepathischen Verbindung, die er ab und zu mit dem mysteriösen Anstaltinsassen hat. Als er an Deck geht, ist das wahre Ausmaß der empfangenen Szenen zu besichtigen: Das Blutbad ist nicht nur umfassend, sondern auch noch höchst real!

Erstaunlich ist die Gemütsruhe, zu der Poe wenig später zurückfindet, müsste ihm doch sein neuer Mitpassagier höchst unheimlich vorkommen. Die bewusstlose Leonie hat von alldem nichts mitbekommen, was wohl ganz gut ist. Sie wird nach einem actionreichen Gefecht auf der New-Jersey-Seite des Hudson River ins Krankenhaus nach New York gebracht. Bei diesem Gefecht hatte ich den Eindruck, dass die Macher der Hörspielreihe „Geisterjäger John Sinclair“ ihren Einfluss schon seit geraumer Zeit geltend machen: Die Action ist von realistischen Geräuschen begleitet, die das Geschehen noch eindrücklicher wirken lassen. Zwar spritzt nicht allenthalben das Blut wie bei Sinclair, aber Schläge werden durchaus freigiebig ausgeteilt.

Wie verhält es sich nun mit dem „Fall Valdemar“? Viel ist von der originalen Poe-Erzählung nicht übrig geblieben, bis auf den horriblen Schlusseffekt jener Story: Mr. Valdemars Körper zerfällt zu Staub. Der Arzt erklärt, es habe sich bei ihm nur um eine „Scheinlebendigkeit“ gehandelt, das Gegenstück zum „Scheintod“, und Valdemar wurde nur durch den Willen aufrecht und am Leben erhalten. Wie so vieles bei Poe kann man das glauben oder auch nicht.

Auch in diese Folge haben die Macher wieder einen Insider-Witz eingebaut, vielleicht um zu testen, ob die Rezensenten die Folge überhaupt ganz angehört haben. Wie auch immer es sich damit verhält, so dürfte doch wohl jedem Hörer auffallen, dass die Rede von einem gewissen Jack Sparrow ist, der seines Zeichens als Pirat die Karibik unsicher gemacht habe. Kapitän Starling ist zum Glück nicht verwandt mit Clarice Starling aus [„Das Schweigen der Lämmer“, 354 aber wenn man das Blutbad berücksichtigt, dann sind Hannibal Lecters „Heldentaten“ und diese Poe-Folge nicht weit voneinander entfernt.

_Die Inszenierung_

|Musik und Geräusche|

Der Sound liegt im Format PCM-Stereo vor, wie mir mein DVD-Spieler angezeigt hat, und klingt glasklar. Mindestens ebenso wichtig wie die Sprecher sind bei den POE-Produktionen auch die Geräusche und die Musik. Hut ab vor so viel Professionalität! Die Arbeit des Tonmeisters beim Mischen aller Geräusche ist so effektvoll, dass man sich – wie in einem teuren Spielfilm – mitten im Geschehen wähnt.

Die Geräuschkulissen sind entsprechend lebensecht und detailliert gestaltet. Wie schon durch den Hinweis auf „Geisterjäger John Sinclair“ klar sein dürfte, umfasst die actionbasierte Geräuschkulisse recht häufig Schlagen, Schreien, Rufen, Gurgeln, Lachen und Dröhnen. Flammen prasseln, Pferde wiehern, Wasser zischt – das volle Programm. Wenn alle Schreie wieder verklungen sind, erklingen wieder Glocken, wie in fast jeder Episode.

Auf die Dreidimensionalität wurde stärker geachtet: Stimmen von links und rechts, in der Ferne (leiser) und im Vordergrund (lauter), ja sogar innerer Monolog (spezielle Musikuntermalung mit ausgeblendeten Geräuschen) vermitteln den Eindruck einer Welt, in der sich ein Betrachter wie im Zentrum des Geschehens fühlen könnte.

Die Musik hat die Aufgabe, die emotionale Lage der zwei Hauptfiguren und ihres jeweiligen Ambientes darzustellen. Die Musik rückt diesmal eher in den Hintergrund, wie mir scheint, denn die Geräusche, die von der Action verursacht werden, verdrängen sie fast. Dennoch gibt es natürlich Musikeinlagen, um die Szenen voneinander abzutrennen sowie für Einleitung und Ausklang.

Ein Streichquartett, Musiker des Filmorchesters Berlin sowie die Potsdamer Kantorei an der Erlöserkirche wirken zusammen, um eine wirklich gelungene Filmmusik zu den Szenen zu schaffen. Das Booklet führt die einzelnen Teilnehmer detailliert auf, so dass sich niemand übergangen zu fühlen braucht.

|Der Song|

|Edgar Allan’s Project|s „Ich bin nicht wahnsinnig“ ist ein Remix aus der Hörspielserie mit Originalauszügen und angereichert mit der Musik, die das Berliner Filmorchester für Visionen und auch für die Hörspielserie eingespielt hat. Produziert von Simon Bertling und Christian Hagitte (|STIL|).

Den Anfang macht ein gewohnt schauerliches Zitat, wie es jedem der Poe-Hörspiele vorangestellt ist: „Ich bin nicht wahnsinnig“. Weitere Zitate stammen aus „Die Grube und das Pendel“ sowie aus „Das Haus Usher“. Die Instrumentierung ist wie gehabt: Drums, Bass und – sehr dezent – Orchester. Die Sprecher sind schwer zu identifizieren, aber es könnte sich um die Originalsprecher der Hörspiele handeln, nur etwas verzerrt.

_Unterm Strich_

Diese Episode zerfällt ebenfalls in zwei Hälften und beide gipfeln in Actionszenen. Mich hat das Maß der Gewalt überrascht, das hier gezeigt wird. Diese Folge hat nichts mehr mit dem melancholisch-grüblerischen Ton der ersten Folgen zu tun, sondern folgt einem Ziel, das der Hörer schon frühzeitig erkennen kann. Damit das Gegenmittel Leonie retten kann, muss sie ins Krankenhaus, egal wie. Ein schauerliche Pointe liefert das Ende – Tod kann man es wohl kaum nennen – von Mr. Valdemar. Poe hat ihn kaum gekannt, aber das war vielleicht ganz gut so. Und weil Poe auch Leonie für verloren hält, endet die Folge wieder mal mit einem Cliffhanger.

Der Erfolg hat der Poe-Hörspielreihe zu langer Laufzeit verholfen. Würde der Erfolg fehlen, wäre sie schon längst abgebrochen worden, wie es unlängst der VAMPIRA-Reihe wiederfahren ist, die |Lübbe Audio| nach inoffiziellen Informationen nicht mehr weiterführen will. Der hohe Produktionswert der Poe-Reihe wird vor allem vom |STIL|-Studio gewährleistet, das für einwandfreie Musik- und Geräuschuntermalung sorgt. Hoffentlich bleibt das auch so.

|Basierend auf: The facts in the case of M. Valdemar, 1845
53 Minuten auf 1 CD|
http://www.poe.phantastische-hoerspiele.de
http://www.luebbe-audio.de

Poe, Edgar Allan / Hala, Melchior / Sieper, Marc / Hank, Dickky / Weigelt, Thomas – schwarze Katze, Die (POE #2)

Diese CD ist die gelungene Fortsetzung für die Hörspielserie, in der |Lübbe| vier Erzählungen von E. A. Poe verarbeitet hat. Diesen Herbst wurde die Poe-Reihe mit vier weiteren Produktionen fortgesetzt.

|Der Autor|

Edgar Allan Poe (gestorben 1849) gilt als der Erfinder verschiedener literarischer Genres und Formen: Detektivgeschichte, Horrorstory, Science-Fiction, Short-Story. Er gab verschiedene Zeitschriften heraus, veröffentlichte aber nur wenige eigene Werke in Buchform, sondern sah seine Geschichten und Gedichte lieber in Zeitschriften gedruckt. Er starb im Alkoholdelirium. Neben H. P. Lovecraft gilt er als der wichtigste Autor der Gruselliteratur Nordamerikas.

Mehr über den Autor bei [wikipedia.]http://de.wikipedia.org/wiki/Edgar__Allan__Poe

|Die Sprecher|

Ulrich Pleitgen spricht die Figur des „Fremden“, der den Namen E. A. Poe annimmt.
Wirt: Thomas Danneberg (dt. Stimme von S. Stallone, Arnold Schwarzenegger, John Travolta)
Dr. Templeton: Till Hagen (dt. Stimme von Kevin Spacey & „Bester“ aus Babylon 5)
Sheila: Yara Bümel
Eileen: Anna Thalbach
Gedicht am Anfang/Lied am Schluss: Heinz Rudolf Kunze

_Handlung_

Vorgeschichte: Ein Mensch ohne Namen. Und ohne jeden Hinweis auf seine Identität. Das ist der Fremde, der bewusstlos in die Nervenheilanstalt des Dr. Templeton eingeliefert wurde und jetzt entlassen wird. Diagnose: unheilbarer Gedächtnisverlust. Er begibt sich auf eine Reise zu sich selbst. Es wird eine Reise in sein Unterbewusstsein, aus dem schaurige Dinge aufsteigen. Woher kommen sie? Was ist passiert? Was hat er getan? Diese Fragen stellt sich der Mann ohne Gesicht, der im Gasthaus den ersten Namen wählt, der ihm in den Sinn kommt: Edgar Allan Poe. (Edgar heißt der zahme Rabe des Gastwirts.)

Obwohl die Ausstattung des ärmliches Gasthauses in der neuenglischen Provinz ärmlich ist und im Gastzimmer Spinnen ihre Netze weben, findet der Gast Zeit zum Träumen. Und in den Träumen kommen Erinnerungen aus dem Unterbewussten …

Er ist der trunksüchtige Ehemann der zartfühlenden und tierlieben Eileen. Er heiratete sie ein Jahr nach dem tragischen Tod ihrer jüngeren Schwester Sheila (16), die über die Brüstung des Balkons in die Tiefe stürzte. Während dieses Unglücks hatte Eileen Sheilas Lieblingslied auf dem Piano gespielt. An Sheila erinnert bald nur noch ein Porträt, das über dem Kamin hängt. Doch merkwürdig: Ihre Augen sind statt des realistischen Grüns in einem Gelb dargestellt, das viel eher zu einer Katze passen würde. Wann immer der Mann an dieses Unglück denkt oder erinnert wird, hört er eine Katze laut miauen und das Klavierstück in allen möglichen Intonationen.

Eileen hat als liebstes Haustier einen Kater, der laut schnurrt, wenn man ihn streichelt. Das tut der Ehemann jedoch nie. Im Gegenteil: Die Augen der Katze gemahnen ihn an Sheila, an deren Tod er möglicherweise er schuldig ist (er bedrängte sie mit seinen Avancen). Zu gerne würde er dem Katzenvieh einen Tritt verpassen, um es zu verjagen. Auch die Melodie, die Sheila auf dem Piano zu klimpern pflegte, geht ihm nicht mehr aus dem Sinn. Bei einem Feuer brennt das Haus bis auf die Grundmauern nieder und das Ehepaar muss umziehen, in eine verrufene Gegend, in der es nicht nur vierbeinige Ratten gibt.

Um diese Gedanken der Schuld zu vertreiben, ertränkt er sie immer öfter in Alkohol. Bis er schließlich auch im Wirtshaus eine schwarze Katze bemerkt, die er mit nach Hause nimmt. Einmal sticht er ihr vor Wut ein Auge aus, und seine Frau kehrt sich von ihm ab. Um nun auch das kätzische Gejaule aus dem Keller zu beenden, bringt er dort die Katze um. Auch Eileen muss daran glauben. Er mauert sie und die Katze in einem blinden Kamin im Keller ein.

Doch der Fluch der bösen Tat fordert Sühne. Als der Polizeiinspektor Fragen nach der verschwundenen Gattin stellt und das Haus durchsucht, wird der Trunkenbold und Frauenmörder ein wenig zu übermütig angesichts der Tatsache, dass der Inspektor nichts gefunden hat. Er schwingt die Hacke gegen die Ziegel des Kamins …

_Mein Eindruck_

Natürlich ist die Prämisse, dass eine Kette böser Taten – Sheilas verschuldeter Sturz, die Verstümmelung der Katze, der Mord an Eileen und der Katze – auf jeden Fall nicht ungesühnt bleiben kann und wird, eine romantische Wunschvorstellung. Es kommen allzu viele Verbrecher mit ihren Taten davon.

Doch das Neue an der Geschichte besteht darin, dass die Bestrafung nicht von außen erfolgt, etwa durch göttliche oder fürstliche Intervention (wie in Sagen, Legenden, Mythen und Märchen). Vielmehr kommt dieser Impuls von innen, aus der Psyche des unbestraften Verbrechers selbst: Er muss sich selbst entlarven, um Erlösung von der Last seiner Schuld zu erlangen. Schon lange vor Freud also wird tiefer schürfende Psychologie als Triebfeder einer Story-Handlung eingesetzt.

Interessant ist an dieser Inszenierung, dass nie eindeutig geklärt wird, wann eine Katze halluziniert wird und wann sie real vorkommt. Die Katze ist das Symbol der Schuld und somit vom Verbrecher bereits verinnerlicht – genauso wie das Klavierstück und das Bildnis Sheilas, das sie mit einem gelben Auge zeigt. Man spricht hier von Projektion. Was bricht also aus dem Kamin hervor, hinter der die eingemauerte Gattin zu vermuten ist? Eine gute Frage! Man höre selbst.

|Die Sprecher|

Pleitgen spielt E. A. Poe als den leicht verwirrten und träumerischen Geisteskranken, der ausgerechnet im Gasthaus „Zum verlorenen Poeten“ Zuflucht sucht und Unterkunft findet. Dann aber spielt er auch den vulgären Trunkenbold und Tierquäler, dessen Brutalität in seinen Flüchen und der Mordtat zum Ausdruck kommt. Die zwei Charaktere sind grundverschieden, und doch gelingt es Pleitgen, beide Figuren überzeugend darzustellen. Es ist etwa so, wie dem schizophrenen Gollum zuzuhören – nur dass hier die zwei Figuren in getrennten Storys vorkommen.

Es ist schade, dass dem Trunkenbold in Poes Geschichte niemand Ebenbürtiges gegenübersteht. Weder Eileen (Anna Thalbach) , die die unterwürfige treue Ehefrau spielt, noch der Wirt (Danneberg) können dem Killer Paroli bieten. Dadurch erscheint dieser sehr einseitig als der Schurke schlechthin, wodurch er sich einem Verständnis nicht gerade anbietet. Vielmehr freut sich der Zuhörer, wenn ihn endlich der Arm der Gerechtigkeit erreicht.

|Die szenische Musik|

Neben dem wiederkehrenden Klavierstück und dem leitmotivischen „Dies irae“ ist diesmal recht häufig die singende Säge zu hören, gespielt von Christhard Zimbel. Dieses Motiv ist eng verbunden mit dem Erscheinen der schwarzen Katze. Außerdem gibt es reichlich bassbetonte Effekte, die unterschwellig ein Gefühl der Bedrohung verbreiten. Wohl dem, der einen Tieftöner sein Eigen nennt.

|Die Katze – gequält oder nicht?|

Die Darstellung der realen wie der eingebildeten Katze (als Bote des Unterbewussten) erfolgt durch häufig ein markerschütterndes, kreischendes Miauen, das im Moment des Todeskampfes geradezu in menschliche Dimensionen wechselt. Deshalb beunruhigt uns folgender Hinweis im Booklet: „Bei der Produktion dieses Hörspiels wurden keine Tiere gequält“, denn dieser Verdacht könnte sehr leicht entstehen. Katzenliebhaber seien gewarnt.

|Der Song|

Das Stück klingt wieder mit H. R. Kunzes Lied über E. A. Poe, „Der weiße Rabe“, aus. Es ist quasi eine Moritat, die versucht, diesen Dichter als Warner seiner Zeitgenossen in einen soziokulturellen Kontext zu stellen. Der Fünf-Minuten-Song ist zwar textlastig wie jede Moritat, aber stimmungsvoll instrumentiert und vorgetragen: schön schräg intoniert, mit „singender Säge“ unterlegt und wohligen Schauder erzeugend.

_Unterm Strich_

In dieser psychologisch vorangetriebenen Story über Schuld und den Fluch der bösen Tat(en) erreicht der Horror recht handfeste Dimensionen: Es hagelt geradezu Leichen und Verstümmelte, ein Haus brennt ab, der Trunkenbold tobt, bis buchstäblich die Polizei kommt. Die Leitmotive sind immer wieder zu hören, und ein Zuhörer, der Subtilität wünscht, könnte durchaus vor dieser Penetranz kapitulieren.

Aber „Die schwarze Katze“ ist, wie „Das geschwätzige Herz“, die Geschichte eines vulgären Menschen, eines Verbrechers aus niederen Beweggründen. Genausowenig Subtilität, wie er in seinem Verhalten zeigt (er zertritt aus Versehen mal so nebenbei Eileens geliebte Schildkröte), ist auch von seinem weiteren Vorgehen und in dessen Darstellung zu erwarten. Daher finde ich diese Inszenierung in Ordnung.

Die Rahmenhandlung in Dr. Templetons Anstalt taugt durchaus dazu, die Serie zu tragen, allerdings sind die Traumreisen in Poe’sche Storywelten nur mit romantischen Mitteln zu erklären, es sei denn, der Patient Poe bekäme zur Heilung ein traumförderndes Medikament. Dies ist im Gasthaus „Zum verlorenen Poeten“ aber nicht der Fall: Poe zählt nur Spinnweben und Spinnen. Auch das kann ja einschläfernd wirken. Ein Angelsachse würde den naheliegenden Begriff „wool-gathering“ für Tagträumen verwenden.

Sprecherdarbietungen und Musik- & Soundkulissen verschmelzen zu einer stimmigen Einheit. Zusammen mit der dynamischen Handlung bietet „Die schwarze Katze“ daher ein unterhaltsames und wahrhaft Schauder erregendes Hörspiel. Die anderen beiden Hörspielen „Usher“ und „Maske des Roten Todes“ sind lange nicht so unterhaltsam, sondern wirken dagegen langweilig.

|Umfang: 53 Minuten auf 1 CD|