Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Taylor, Stephen B. / Lueg, Lars Peter – Gruselmärchen mit Alptraumgarantie

_Der wahre Horror der Brüder Grimm_

Sechs „Gruselmärchen“ trägt der junge Schriftsteller seinem Gastgeber vor, und sie erzählen von den Entbehrungen, denen unsere Vorfahren in Zeiten des Hungers, der Armut und des Krieges ausgesetzt waren. Hier treten auf: Engel, Teufel, Ungetüme, Menschenfresser, Untote und – wie könnte es anders sein? – der TOD.

_Die Autoren_

Als Autoren führt das Booklet lediglich Stephen B. Taylor und Lars Peter Lueg auf. Doch werden wenigstens die Brüder Grimm als Inspirationsquelle genannt. Aber das erweist sich als trügerisch, denn die beiden Brüder, die die bekannten „Kinder- und Hausmärchen“ im Jahr 1812 veröffentlichten, griffen ja ihrerseits auf die mündliche Überlieferung zurück, die sie auf ihrer Suche nach „unverfälscht deutschem“ Märchen- und Sagengut sammelten. Und diese Erzähler sind in den seltensten Fällen festzustellen.

_Der Sprecher_: Stéphane Bittoun; den „Gastgeber“ spricht der bekannte Hörbuchproduzent Lars Peter Lueg. Die Musik steuerte die Band Mountain Birds bei. Ein Booklet enthält einen kleinen Einführungstext sowie diverse Kinderzeichnungen mit gruseligen Motiven (siehe auch das Titelbild). Die Gesamtspielzeit der zwei CDs beträgt immerhin 131:52 Minuten, also über zwei Stunden.

_Die Rahmenhandlung_

Ein junger Schriftsteller bleibt eines Nachts während eines Unwetters mit dem Auto liegen. Er findet Zuflucht in dem Haus eines netten kultivierten Mannes, der in dieser Gewitternacht keinen Schlaf finden kann. Aus Dankbarkeit für das warme (und trockene) Plätzchen am Kamin liest ihm der junge Autor aus seinem neuesten Manuskript vor. Die Märchen, die er darin zusammengetragen hat, hörte noch nie ein Mensch zuvor. Doch ahnt der junge Autor nicht, wer sein Gastgeber in Wahrheit ist …

_Die „Gruselmärchen“_

|Eine Nacht auf dem See|

Der alte Fischer fährt um Mitternacht noch einmal auf den See hinaus. Nach einer Weile fällt ihm auf, dass es vollkommen still ist. Er staunt nicht schlecht, als mehrere große Fische in sein Boot hüpfen, als flöhen sie in Panik vor etwas. Bekanntlich ist Schrecken ansteckend, und so rudert der Fischer flugs zurück zum Ufer. Keinen Augenblick zu spät, denn hinter sich kann er im Mondlicht einen monströsen Schatten erkennen, der ihm folgt.

An einem Nagel verletzt er sich, doch stolpernd kann er sich zur nahen Fischerhütte retten. Im Schein der Laterne erblickt er ein Ungetüm, das sich über den Blutfleck auf dem Gras beugt und den Lebenssaft aufleckt. Sofort verriegelt der Fischer Tür und Fensterläden, doch zu spät – das Ungetüm hat ihn erspäht und rüttelt schon bald mit Macht an den Barrieren. Er flieht aus dem anderen Fenster und in den nahen Wald.

Während seine Hütte niederbrennt – die Laterne setzte mit ihrem Öl das Holz in Brand – gerät er auf die Landstraße, wo er das Licht eines Fuhrgespanns erblickt. Dass der Bauer mit seinen Ochsen noch so spät unterwegs ist, stört unseren Fischer nicht, denn er ist froh, den „Wegelagerern“, wie behauptet, entronnen zu sein. Der Fuhrmann fragt ihn nur, ob er vielleicht seinen Bruder gesehen habe, denn ihrer beider Mutter mache sich allmählich Sorgen um dessen Verbleib.

Da stoppt der Fuhrmann sein Gespann, denn auf der Straße vor ihnen liegt ein Mann am Boden. Als unser Fischer den Zustand der Leiche erkennt, kommen ihm erste Zweifel, ob dieses nächtliche Abenteuer für ihn gut ausgehen wird …

|Der Trank|

Eine Prinzessin im heiratsfähigen Alter, die von der perfekten Liebe träumt, hat schon viele Freier abgewiesen. Sie hauen meist sogar freiwillig ab, denn die Bedingung, die sie stellt, ist abschreckend: Der Ehemann soll ihr im Falle ihres Todes in die Gruft folgen. Das hält einen Prinz nicht ab, um sie zu freien, und so wird schon bald Hochzeit gefeiert.

Der Prinz ist jedoch nicht dumm und besorgt sich bei einem Alchemisten in der Stadt ein Elixier, mit dem sich Tote wiedererwecken lassen. Der Haken bei der Sache: Das Elixier fördert das wahre Wesen des Toten zutage. Doch Jahre vergehen, ohne dass sich der Prinz darum zu sorgen braucht. Als aber die Pprinzessin einer Krankheit zum Opfer fällt, wird auch der Prinz mit ihr in eine vorbereitete Zelle im Weinkeller eingemauert.

Der weise König hat zwei Wachen davor aufstellen lassen. Ihnen fällt fast die Lanze aus der Hand, als sie einen Tag und eine Nacht später lautes Rufen und Klopfen aus der Gruft vernehmen. Sie befreien Prinz und Prinzessin, welche wundersamerweise immer noch – oder schon wieder ? – quicklebendig sind. Darüber ist der König zunächst sehr froh, doch seine Freude verwandelt sich in Entsetzen, als er einen Tag später mit dem Prinzen ins Gemach seiner Tochter tritt: Der Mönch, der der Genesenden Beistand leistete, liegt zerfleischt in seinem Blut, doch von der Tochter findet sich keine Spur.

Wochen später kommen dem Prinzen die ersten Berichte zu Ohren, dass eine Hexe im Wald Kinder hole und sie fresse. Seine schlimmsten Befürchtungen sollen sich bestätigen …

|Gevatter Tod|

Ein armer Mann ist mit einem wahren Kinderreichtum gesegnet: Zwölf Kinder hat ihm sein Weib schon geboren, doch er hat seinen Job verloren und der Winter steht vor der Tür. Wie soll er die Brut nur ernähren? Die Geburt eines dreizehnten Kindes, eines Sohnes, lässt ihn vom Glauben an Gott abfallen, und Wochen später raubt er das Kindchen heimlich aus der Wiege und bringt es zum alten Friedhof, der schon längst aufgegeben worden ist.

Gerade als er dem Söhnchen, das ihn beständig anschaut, den Dolch auf die Brust setzt, meint er eine Stimme zu hören, die ihm Einhalt gebietet. Doch er vertreibt den Engel des Herrn, der um die Seele des Kleinen bittet. Als eine weitere Stimme von weitaus finsterer Natur um das Kind bittet, weiß der gute Mann auch den Versucher aus der Hölle zu vertreiben. Allerdings hat er vor Schreck seinen Dolch fallen lassen, der sein Kind im Gesicht verletzt hat. Sofort blutet die Wunde heftig.

Da ertönt eine dritte Stimme, und ihrem Klang kann sich der Mann nicht verschließen. Er blickt in das Gesicht des Wesens, das von einer Kapuze nur halb verdeckt ist: Es ist ein junger Mann, allerdings mit einer Narbe im Gesicht. Da willigt der Vater ein, dem TOD seinen Sohn zu überlassen, welcher ihn mit Vergessen seiner Tat besänftigt. Nur in unruhigen Träumen ahnt er, dass er seine eigene Nemesis geschaffen hat …

|Frisches Fleisch|

Es war einmal ein fahrender Händler, der neben Töpfen und Pfannen auch diverse Giftstoffe unters Volk zu bringen wusste. Es ist tiefer Winter, als er sein Fuhrwerk durch den Wald lenkt. Der Pfeil eines Wegelagerers tötet sein Pferd und ein weiterer verwundet den Händler, der unter seinem Pferd begraben wird, so dass eine Flucht unmöglich ist …

Wenig später taucht der Wegelagerer in der Verkleidung als wohlhabender Händler auf einem Bauernhof auf. Die tüchtige Bauerstochter namens Maria begrüßt den Neuankömmling freundlich und bittet ihn ins Haus. Dort macht er sich mit Klatsch aus der Stadt beliebt, doch er kann den Stallknecht nicht täuschen, der sein Gesicht noch aus der Dorfschenke kennt. Als der Knecht ihn heimlich zu erpressen versucht, wird er Opfer eines unglücklichen Sturzes von der Treppe.

Nach dem Begräbnis des armen Knechtes wundert sich der Wegelagerer beim Leichenschmaus, wie es diese armen Bauern geschafft haben, in so kurzer Zeit so viel Fleisch aufzutischen. Vorsichtshalber schaut er im Sarg nach, der ihm eh schon auffallend leicht vorkam. Tatsächlich ist die letzte Ruhestätte leer, und ein schrecklicher Verdacht beschleicht den Wegelagerer. Doch für eine Flucht ist es bereits zu spät.

|Bruder Lukas|

Lukas ging zu den Soldaten, um seinem Landesfürsten zu dienen, wunder was träumend, wie tapfer er sich gegen den Feind schlagen würde. In der ersten Schlacht starrt er entsetzt auf das Gemetzel, das unter seinen Kameraden angerichtet wird. Er fleht zu Gott, dass dieser Irrsinn enden möge, und anscheinend wird sein Gebet erhört: Obwohl die Pfeile dicht fallen wie Hagel, verfehlen sie ihn doch allesamt, und er kann unversehrt vom Schlachtfeld taumeln. Der Anblick eines Ritters in schwarzer Rüstung jagt ihm Grauen ein.

In einer niedergebrannten Hütte an einem See findet Lukas endlich Rast und Ruhe. Am nächsten Morgen taucht ein Junge auf, dem er erzählt, er wolle Prediger bei den Dominikanern werden, war doch sein Gebet auf wundersame Weise erhört worden. Vielleicht könnte er unter den Menschen noch viel Gutes tun. Als der schwarze Ritter erscheint, bringt die Furcht Lukas dazu, ihn fortzuschicken.

Doch weder der Ritter noch Lukas‘ Zustand erweisen sich als das, was sie zu sein scheinen. Er zeigt sich als Engel des Herrn und behauptet, Lukas sei bereits tot. Was für ein Unsinn, denkt Lukas. Doch da vernimmt er eine Grauen erregende Stimme hinter sich: „Nun gehörst du mir!“

|Furcht|

Diesmal berichtet der Autor eines Tagebuchs, wie er als Halbwaise zufrieden auf einem Bauernhof aufwuchs, bis er in einer nebligen Herbstnacht eine Stimme vernahm: „Ich fürchte nichts.“ Die Stimme behauptet, seinem unbekannten Bruder zu gehören. Er sei unter dem Holzstapel an der Scheune von seinem Vater eingesperrt worden. Ob sein Bruder wohl bitte die Tür öffnen könne? So blöd ist sein Bruder denn doch nicht, sondern öffnet nur eine enge Luftklappe. In dem Schacht dahinter sind zwei „brennende Augen“ zu erkennen. Ihn schaudert es.

Durch seine Unvorsichtigkeit konnte der Insasse des Verlieses jedoch den Holzstapel umkippen und entkommen. In dem bestialisch stinkenden Verlies findet unser Berichterstatter nicht weniger als sechs Leichen. Sie tragen allesamt einen Strick um den Hals: Gehängte!

Als er aus dem Verlies emporkriecht, ist es auf dem Bauernhof auffallend still. Wo ist sein Vater, damit er ihn vor seinem Bruder warnen kann? Denn dieser würde doch sicher Rache an seinem Vater üben wollen, oder? In der Schlachtkammer erkennt er, dass sein Bruder bereits zugeschlagen hat. Er ahnt noch nichts vom traurigen Schicksal, dass sein Bruder für ihn selbst bereithält …

_Mein Eindruck_

Wer dachte, er hätte schon alles gelesen, was die Brüder Grimm Anfang des 19. Jahrhundert gesammelt haben, wird eines Besseren belehrt, wenn er die vorliegenden „Grüselmärchen“ zu hören bekommt. Diesmal winkt dem Fischer jedoch nich nicht das Glück eines fetten Fangs mit drei freien Wünschen („Der Fischer un sine Fru“), sondern die Entdeckung einer ganzen Familie von „Ungetümen“ erweist sich als Ursache seines vorzeitigen Ablebens. Anklänge an die Ungeheuer im „Beowulf“-Epos sind unverkennbar, doch weit und breit ist hier kein Recke zu entdecken, der Grendel und seine Mutter erschlägt.

Ebenso schwarzen Humor legt auch die Geschichte um das wundersame Elixier an den Tag. Klingt die Handlung zunächst ähnlich wie das letzte Drittel von Shakespeares „Romeo und Julia“, in dem ja ein Scheintod künstlich herbeigeführt wird, so schlägt die Angelegenheit nach Wiedererweckung der Lady definitiv in finsterste Gefilde der Horror-Fantasy um: Oh ja, von menschenfressenden Hexen, die im Wald unschuldigen Kindern auflauern, meinen wir schon etwas gehört zu haben („Hänsel und Gretel“). Aber noch nie in so brutaler Eindeutigkeit. Und was noch schlimmer ist: Es gibt offenbar kein Ende des Schreckens, denn der Held versagt.

Dass kein gottgegebenes Schicksal ist, sondern vielmehr ein „Geschenk“ des Teufels sein kann, belegt die Geschichte „Gevatter Tod“. Diese Titelfigur mag ja auch gern in GROSSBUCHSTABEN sprechen, bloß hört man das relativ schlecht. Ungewöhnlich ist vielmehr das Konzept, dass jeder Mensch seinen „persönlichen Tod“ hat und – unter gewissen Bedingungen – sogar dessen Gesicht sehen kann. Und dieser Tod hat auch keinen trockenen Humor wie Pratchetts Sensenmann, sondern bietet sogar seine Hilfe an, wo Engel und Dämonen abgewiesen werden. Neu ist mir auch, dass der Tod Vergessen spenden kann (was keineswegs abwegig erscheint).

Da aber das hier ausnahmsweise einmal das genretypische Prinzip gilt, dass keine Untat unbestraft bleiben soll, muss selbst der bedauernswerte arme Mann büßen. Als der verlorene 13. Sohn zurückkehrt, artet seine Rachemaßnahme jedoch in ein Grand-Guignol-Theaterstück von makabrem Geschmack aus – als wär’s ein Stück von Clive Barker (der Grand Guignol als eine seiner Inspirationen nennt). Die Pointe kann man sich fast denken, kommt dann aber doch wie ein Tiefschlag. So viel Unglück auf einmal – darf das sein?

Dass der Tunichtgut seine gerechte Strafe erhält, indem er unter die Kannibalen gerät, ist ja – im Vergleich dazu – schon fast wieder eine aufbauende moralische Botschaft. Stephen King und Clive Barker lassen grüßen: Der Körper ist letzten Endes der soziale Kriegsschauplatz, den das Verbrechen hervorruft.

„Bruder Lukas“ bedient sich des gleichen erzählerischen „conceits“ wie der bekannte Gruselschocker „The Others“. Das Leben der Toten unterscheidet sich im Grunde keineswegs von dem der Lebenden, nur sind seine grundlegenden Bedingungen ein klein wenig anders. Doch unser Dominikanermönchlein in spe hat leider ein kleinen fatalen Fehler: Er hat sein Gottvertrauen doch ein ganz klein wenig eingebüßt und verkennt die Gestalt des schwarzen Ritters. Für ihn ist dieser nicht etwa ein Sendbotte Gottes, sondern einer aus der Hölle. Schwärzeste Ironie ist es daher, dass er durch seinen Irrtum eben dieser Hölle anheimfällt.

Die letzte Geschichte ist offensicht die ehrgeizigste und folglich auch die längste der Sammlung. Dennoch – oder deshalb? – hatte ich meine Mühe damit. Die erste Hälfte spielt, wie oben skizziert, auf dem Bauernhof des Erzählers, eines jungen Burschen. Für die vermeintliche Ermordung seines Vaters wird er (evtl. durch Anschwärzen herbeigeführt) verhaftet und in den Kerker geworfen.

Nein, falsch, dies ist nicht der Kerker, wie er erwartet hat, sondern seltsamerweise das Irrenhaus. Doch die Situation ähnelt sehr jener, in der sich sein Bruder im Verlies befand, als er unfreiwillig sechs Gehängten Gesellschaft leisten durfte. Nach einem halben Jahr im Irrenhaus-Verlies versteht unser Berichterstatter endlich, warum sein Bruder keine Furcht kannte, wie er behauptete: Furchtlosigkeit sieht genauso aus und fühlt sich wohl genauso an wie ein anderer Geisteszustand: Wahnsinn …

Die Spiegelstruktur der Story ist nicht auf Anhieb zu entdecken, sondern erst nach zwei- oder dreimaligem Anhören. Es fällt auf, dass der Schluss nur scheinbar offen ist, sondern aufgrund der reflexiven Umkehrung lediglich der Beginn eines weiteren Zyklus von Vergeltung unter Brüdern. Diese kreisförmige Struktur ist bereits bei „Gevatter Tod“ zu beobachten. Merke: Richtig schlimmes Unglück wie etwa Armut oder Wahnsinn haben keine Ende, sondern besteht in nicht beendbaren Schrecken, deren Kreislauf stets erneut Opfer fordert.

Den Schluss der Rahmenhandlung kann ich nicht kommentieren, ohne die Pointe zu verraten und lasse es daher lieber bleiben. Aber man geht sicher nicht fehl in der Annahme, dass es mit unserem jungen hoffnungsvollen Schriftsteller, aus dessen Feder all diese Geschichten flossen, kein gutes Ende nehmen wird. Fehlt eigentlich nur, dass sein Gastgeber eine Augenklappe und einen schwarzen Umhang trägt.

|Die Sprecher|

Den Erzähler Stéphane Bittoun kenne ich zwar nicht, aber an seinem Vortrag gibt es nichts auszusetzen. An Stellen, an denen diese Stilmittel angebracht sind, bedient er sich einer (künstlich?) tiefen Stimme, dann auch wiederum einer derangierten, „durchgeknallten“ Stimme, schließlich eines unheimlichen Flüsterns. Bittouns Kollege Lars Peter Lueg erweist sich als weit weniger sprachgewandt, und es scheint mir eine gute Sache zu sein, dass er sich zurückhält. Sein Part in der Rahmenhandlung ist auf wenige Sätze begrenzt.

Hin und wieder erklingt am Ende einer Story Babygeschrei oder ein hämisches Kichern (wie von einer Hexe), dann auch wieder Schreie. Obwohl es sich um Stimmen handelt, so stammen sie doch nicht vom Sprecher, sondern kommen vom Band. Sie sind eher der Kategorie „Soundeffekte“ zuzuordnen.

|Geräusche und Musik|

Es handelt sich nicht um ein Hörspiel, jedenfalls nicht im landläufigen Sinne, sondern um eine inszenierte Lesung. Dies ist am besten an der Rahmenhandlung festzustellen: Donnergrollen deutet ein Gewitter an, eine tickende Uhr macht sich durchweg im Hintergrund ebenso bemerkbar wie ein leise knisterndes Kaminfeuer.

In den Storys selbst wird weitgehend auf solche dekorativen Geräusche verzichtet, denn sie würden mit der Musik interferieren, die das hauptsächliche Mittel darstellt, um die Emotionen des Hörers zu stimulieren und zu steuern. Wenn’s richtig unheimlich werden soll, geht eben nichts über einen tief rumpelnden Bass. Die Instrumentierung ist nicht klassisch, verzichtet also weitgehend auf Streicher und Bläser, sondern ist modern, setzt also die Keyboards mit entsprechenden Effekten ein.

_Unterm Strich_

So hat man sich die Grimmschen Haus- und Kindermärchen sicher noch nicht vorgestellt. Engel, Teufel, Ungetüme, Menschenfresser, Untote, Wahnsinnige, Gehängte, Hexen und obendrein der Tod himself feiern ein schwarzhumoriges Stelldichein in diesen sieben Storys plus einer Rahmenhandlung von ähnlich makabrer Qualität. Durchweg ist jedoch ein relativ hohes Niveau im überraschungsreichen Verlauf der Story wie auch in den auftretenden Kalamitäten für die Opfer der diversen Schrecken festzustellen.

Obwohl die Figuren märchentypisch überhaupt nicht charakterisiert werden (allenfalls Bruder Lukas ein wenig), kann sich der Gruselfreund dennoch an den Schrecken (= terror) erfreuen, die nicht nur in der Story selbst auftauchen, sondern allzuoft auch am Grauen (= horror) nach deren Ende. Hier hat jemand den Unterschied zwischen terror und horror kapiert und dementsprechend erzählt.

Die Inszenierung verrät keinen allzu hohen Aufwand seitens der Produktion: Samples wie Donnern, Babygeschrei oder Kichern kommen wohl vom Band, und auch die Musik ist nicht die einfallsreichste. Aber dies macht der Sprecher Stéphane Bittoun wieder durch seinen genau auf den Inhalt abgestimmten Vortrag wett. Dafür, dass es sich um Lars Peter Luegs „Erstlingswerk“ handelt, ist das Hörbuch doch eine gelungene Sache, die sich der Gruselfreund mal zu Gemüte führen sollte. Nicht nur aufgrund der Grimmschen Quellen.

http://www.lpl.de

Thomas Harris – Das Schweigen der Lämmer (Lesung)

Dieser Psychothriller mit Horrorelementen wird von Jodie Fosters deutscher Synchronsprecherin, der Schauspielerin Hansi Jochmann, gelesen (sie trat bereits in „Tatort“, „Lisa Falk“ und „Ein Fall für Zwei“ vor die Kamera). Jodie Foster spielte in der Verfilmung von „Das Schweigen der Lämmer“ die FBI-Agentin Clarice Starling. Sie stand auch in der Fortsetzung „Hannibal“ im Mittelpunkt.

Die Hörbuchfassung ist gegenüber dem Buch gekürzt worden. Aber das merkt man nicht, denn die wichtigsten Stellen befinden sich immer noch in all ihrer düsteren Pracht darin – unheilvoll wie der Totenkopffalter vor Jodie Fosters Gesicht (das Filmposter). Auffallend sind jedoch die Abweichungen gegenüber der Filmversion (mehr dazu unten).

_Handlung_

Clarice Starling (Jodie Foster) trainiert in Langley, Virginia, für die Abschlussprüfung für die Aufnahme ins FBI. Jack Crawford (Scott Glenn), der zuweilen Uni-Kurse gibt, leitet die Abteilung für Psychologie und legt Profile von Serienmördern an, darunter jenes von „Buffalo Bill“, der seine weiblichen Opfer zum Teil häutet. Crawford erteilt Clarice den Auftrag, dem psychotischen Mörder Dr. Hannibal Lecter einen Besuch abzustatten. Lecter habe so viele Geisteskranke in seiner psychotherapeutischen Praxis behandelt, da könne ihm auch Buffalo Bill untergekommen sein.

Starlings erster Besuch bei Lecter ist nicht sonderlich Erfolg versprechend. Lecter scheint ein neues Opfer gefunden zu haben, das er demütigen kann. Doch ihr Besuch führt zum Tod eines Mitgefangenen Lecters, einer engeren Bindung, die bei einem zweiten Besuch vertieft wird: Starling macht den Fehler, Lecter vom Tod ihres Vaters zu erzählen, eines Polizisten, und davon, wie es ihr später erging. Schon bald erblickt Lecter in ihr seine Fahrkarte in die Freiheit.

Buffalo Bill begeht den Fehler, die Tochter einer Senatorin, Catherine Martin, zu entführen und einzukerkern. Lecters oberster Anstaltsleiter und Gefängniswärter, Dr. Chilton, übt mit Senatorin Martins, Catherines Mutter, politischen Druck aus: Lecter soll als Gegenleistung für Informationen über Buffalo Bill in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt werden, so dass das FBI ausgebootet wird.

Zunächst kommt Lecter in Polizeigewahrsam nach Memphis. Doch die Sicherheitsmaßnahmen der Polizei sind zu lasch: Lecter kann sich befreien. Groteske Szenen folgen, in denen Lecter die Senatorin Martin demütigt (Lecter stammt aus den gleichen gehobenen Kreisen). Nachdem Starling ihn gegen jede Anweisung besucht und ihm von ihrem Bedürfnis erzählt hat, dass die Lämmer schweigen mögen, gibt er ihr einen entscheidenden Hinweis auf Bill. Sobald sie verschwunden ist, bricht er aus und hinterlässt fünf Leichen.

Dieses Desaster bekommen Starling und Crawford sehr zu spüren – das wird in der Romanfassung deutlich, nicht aber in der endgültigen Kinofassung. In Wahrheit macht sich Starling nun – dank Lecters Hinweisen – auf eigene Faust auf den Weg zu Buffalo Bill, während Crawford gleichzeitig einer parallelen Spur folgt. Beide suchen einen gewissen Transsexuellen namens Jame Gumb, der sich mal wegen einer Geschlechtsumwandlung an Kliniken gewandt hatte, aber abgelehnt wurde.

Showdown: Im gekürzten Hörbuch fehlt der geniale Parallelschnitt des Films. Jack Crawford und Clarice Starling jagen beide den gleichen Mann, Jame Gumb, aber an verschiedenen Orten: Crawford in der Nähe von Chicago, Starling in dem Ohio-Städtchen, aus dem das erste Opfer stammte. Als sie Jame Gumb antrifft und ihm Fragen stellt, taucht ein schwarzer Nachtfalter taucht. Sofort realisiert der Killer, dass die FBI-Beamtin ihn erkannt hat. Er stellt ihr im Keller eine Falle…

_Mein Eindruck_

Hansi Jochmann macht ihre Arbeit ausgezeichnet. Sie verleiht den Akteuren verschiedene Tonlagen und lässt sie sehr prononciert sprechen. Dr. Lecters Stimme hat etwas Hypnotisches, aber Kultiviertes, denn er war ja früher ein Psychotherapeut für die Wohlhabenden. Jack Crawford wirkt forsch, beinahe schon barsch. Leider fehlt die nuancierte Unsicherheit in der Stimme für Clarice Starling, die für die Polizeischülerin so charakteristisch ist. Was ich aber gut finde, ist, dass die CDs/Kassetten meist an einem Höhepunkt der Handlung aufhören. Man ist praktisch gezwungen weiterzuhören, um den Rest zu erfahren.

In der Hörbuchfassung gehen Crawford und Starling mehrmals auf einen FBI-Ermittler namens Will Graham ein, dessen Gesicht Hannibal Lecter zerfleischt hatte. Dieser Verweis auf die Ereignisse in „Roter Drache“ wurde aus dem Film „Schweigen der Lämmer“ getilgt. Die Neuverfilmung von „Roter Drache“ mit Anthony Hopkins kam im Oktober 2002 in unsere Kinos.

_Unterm Strich_

Jodie Fosters deutsche Stimme Hansi Jochmann lullt keineswegs ein, sondern schafft mit ihrer Lesung das Kunststück, auf beherrschte Weise den ganzen Horror und Wahnwitz dieses spannenden Stücks Literatur zu vermitteln, ohne zu den Stilmitteln eines Rufus Beck greifen zu müssen.

Natürlich setzt ein Hörbuch immer voraus, dass man genügend Geduld mitbringt. Es eignet sich ausgezeichnet für lange Autofahrten, wie sie beispielsweise Vertreter und Berater machen müssen. Ich höre AudioBooks am liebsten nach dem Essen beim Entspannen und am späten Abend, wenn ich nichts mehr lesen mag.

Umfang: 220 Minuten auf 3 CDs/MCs

_Michael Matzer_ © 2002ff

John Brunner – Reisender in Schwarz

Philosophische Fantasy mit kritischem Ansatz

In der Vergangenheit herrschte das Chaos, es gab keine Naturgesetze, und Magie machte es möglich, die Dimensionen von Zeit und Raum zu wechseln. Vernunft versuchte das Chaos zu bändigen, doch es gibt immer wieder Rückschläge durch Katastrophen und Irrationalität. Überall wo dies geschieht, taucht ein Mann in Schwarz auf, ein unscheinbarer Reisender, der einen Stab aus Licht bei sich trägt.

Er hat die Macht, Wünsche zu erfüllen. Waren es die Richtigen, besserte sich die Lage der Menschen, waren es die falschen, fanden die Frevler bald ihren gerechten Lohn. Aber der Reisende entstammt einer noch älteren Welt, einer Welt der Wunder der dunklen Naturkräfte. Als er das Chaos zurückgedrängt hat, ist er am Ende seiner Reise angelangt … (Verlagsinfo)

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Georges Bataille – Story of the Eye (Modern Classics)

Simones obszöne Akte

Georges Bataille veröffentlichte seinen Roman „Histoire de l’Oeil“ unter dem Pseudonym „Lord Auch“ 1928. Es erlebte drei weitere Auflagen bis 1967, doch diese Ausgaben weichen von der Urform erheblich ab. Die vorgestellte englischsprachige Ausgabe beruht auf der Erstausgabe von 1928 und umfasst die dazugehörige biographische Notiz, in der der Autor Parallelen zu seinem eigenen Leben zieht.

Mit Essays von Susan Sontag – „The Pornographic Imagination“ (1967) – und Roland Barthes – „The Metaphor of the eye“ (1963) – hat der nicht genannte Herausgeber diesen Band sinnvoll ergänzt und abgerundet mit Aspekten, die weit über das Werk hinausweisen.
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John Brunner – Durchstieg ins Irgendwann. Erzählungen

Klassische SF-Ideen gegen den Strich gebürstet

Dieser Band von Science-Fiction-Erzählungen enthält zwei Novellen und einen Kurzroman von John Brunner, die er zuerst in den fünfziger Jahren veröffentlichte und dann 1972 komplett überarbeitete.

1) In „Die Epidemie“ breitet sich eine rätselhafte Seuche rasend schnell in der Welt aus, doch alle Anzeichen sprechen dafür, dass sie absichtlich eingeschleppt und verbreitet wurde – wer ist der Terrorist und was ist sein Motiv?

2) In „Lungenfische“ erreicht das Generationenraumschiff endlich die Welt Tau Ceti II, doch ein unerwarteter Konflikt zwischen den erdgeborenen Auswanderern und den Schiffgeborenen droht, das Unternehmen kurz vorm Ziel scheitern zu lassen.

3) „Die Welt der Telepathen“: Ist es Zufall oder Absicht, dass ein Mann und eine Frau von verschiedenen Enden der Welt nach London kommen, um dort ausgerechnet in einem Hauseingang zusammenzutreffen, der das Tor zu einer anderen Welt verbirgt?

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Isaac Asimov & Martin Greenberg (Hg.) – Die besten Stories von 1940

SF-Stories aus dem Goldenen Zeitalter: Grüße von Klaatu

Dieser Auswahlband der „Great SF Stories“ enthält zwölf Erzählungen. Sie stammen von einigen bekanntesten SF-Klassikern, darunter A.E van Vogt, Fritz Leiber, Theodore Sturgeon und Isaac Asimov, aber auch von etlichen Autoren, die heute völlig (zu Unrecht!) vergessen sind, darunter ein gewisser Willard Hawkins und Harry Bates. Der „Astounding“-Herausgeber Bates jedoch lieferte die Vorlage zu dem zweimal verfilmten SF-Klassiker „Der Tag, an dem die Erde stillstand“. Die erste Verfilmung stammt aus dem Jahr 1951.

Jede Erzählung wird mit einer Anmerkung von Greenberg zum Autor und seinem Werk eingeleitet. Asimov steuert lediglich eine persönliche, gewöhnlich ironische Anekdote bei, wie er den Autor kennengelernt hat – oder auch nicht.
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Isaac Asimov & Martin Greenberg (Hg.) – Science Fiction aus den goldenen Jahren

Classic SF aus dem Golden Age

Dieser Auswahlband von „Great SF Stories“, die im Jahr 1944 veröffentlicht wurden, enthält 12 Erzählungen und einen Kurzroman. Sie stammen von einigen der bekanntesten SF-Klassiker, darunter A.E van Vogt, Fritz Leiber, Theodore Sturgeon, Leigh Brackett (Drehbuchautorin von „Das Imperium schlägt zurück“) und Catherine L. Moore, aber auch von etlichen Autoren, die heute völlig (zu Unrecht!) vergessen sind, darunter ein gewisser John R. Pierce und der einst berüchtigte Cleve Cartmill.

Jede Erzählung wird mit einer Anmerkung von Herausgeber Martin Greenberg zum Autor und seinem Werk eingeleitet. Isaac Asimov steuert lediglich eine persönliche Anekdote bei, wie er den Autor kennengelernt hat – oder auch nicht.
Isaac Asimov & Martin Greenberg (Hg.) – Science Fiction aus den goldenen Jahren weiterlesen

Gaspard, Jan / Lueg, Lars Peter – Fußball-Gott, Der (Offenbarung 23, Folge 6)

_Der Gott ist rund, die Kirche auch_

Was bisher bloße Verschwörungstheorie war, wird Realität: Die geheimnisvollsten Tragödien, die skrupellosesten Verbrechen werden entschlüsselt. Die Welt wird nicht mehr die gleiche sein, denn auch das letzte Rätselt wird gelöst.

Die schönste Nebensache der Welt. Warum hat sich Hacker Tron zu seinen Lebzeiten auf die Spur des Mannes gemacht, der wie kein zweiter mit dem Volkssport der Deutschen in Verbindung steht? Student Georg Brand glaubt nicht, dass der tote Hacker-Kaiser sich wirklich für seinen Standesvetter interessiert hat. Und doch entdeckt Georg manche Seltsamkeit in der Geschichte des deutschen Fußballs. Musste Tron etwa dafür sterben? (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Über Jan Gaspard ist nichts bekannt, und es scheint sich um ein Pseudonym zu handeln (siehe Webseite von |LPL records|). Jedenfalls zeichnet er nach Angaben des Booklets für „Idee, Konzeption, Recherche & Buch“ verantwortlich.

Für die praktische Umsetzung dieser Steilvorlage sorgte hinsichtlich Regie, Produktion & Dramaturgie Lars Peter Lueg, seines Zeichens Verlagsleiter von |LPL records|. Für den „heiligen Geist“ in Form von „Inspiration“ sorgte Koproduzent Marc Sieper. (Es dürfte auch eine Menge „Transpiration“ gegeben haben, wenn man Thomas A. Edison glauben darf.) Schnitt, Musik und Tontechnik lagen in den kompetenten Händen von Andy Matern.

Andy Matern wird von zwei Spezialisten unterstützt. Markus Wienstroer bearbeitete die Gitarren – das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen.

|1. Staffel von „Offenbarung 23“:|
1) [„Wer erschoss Tupac?“ 1934
2) [„Tupacs Geheimnis“ 1948
3) [„Die ‚Titanic‘ darf nie ankommen“ 2012
4) [„Die Krebs-Macher“ 2015

Einschub: [„Offenbarung 23 – Machiavelli“ 2472

|2. Staffel:|
5) [„Das Handy-Komplott“ 2576
6) [„Der Fußball-Gott“ 2577
7) [„Stonehenge“ 2590
8) [„Macht!“ 2591

|3. Staffel:|
9) [„Gier!“ 3104
10) [„Die traurige Prinzessin“ 3113
11) [„Die Hindenburg“ 3131
12) [„Der Piratenschatz“ 3136

|4. Staffel:|
13) [Das Wissen der Menschheit 3885
14) Das Bernsteinzimmer
15) Durst!
16) Krauts und Rüben

Mehr Infos: http://www.offenbarung23.de und http://www.vertraue-niemandem.net

Hinweis: Die vier Rückseiten der vier Booklets der zweiten Staffel ergeben ein Zusammensetzbild (vulgo: Puzzle), auf dem das Reichtagsgebäude vor einem brandroten Himmel zu sehen ist. Auf dem Platz vor dem Gebäude zeichnet sich dunkel das Emblem der Serie ab.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

In der Riege der Sprecher finden sich etliche einschlägig vorbelastete Herrschaften, die man schon aus dem Hause |LPL records| kennt. Als da wären:

David Nathan spricht die Hauptfigur Georg Brand alias T-Rex und klingt wie Johnny Depp.
Marie Bierstedt spricht Tatjana Junk alias Nolo, die Freundin von „Tron“.
Detlef Bierstedt spricht den Boulevard-Reporter Kai Sickmann und klingt wie George Clooney am Telefon.
Dagmar Berghoff spricht eine Nachrichtensprecherin und klingt wie Dagmar Berghoff (logo!).
Dietmar Wunder spricht T-Rex’ besten Kumpel Kim Schmittke und klingt wie Cuba Gooding jr. bzw. Adam Sandler.
Till Hagen spricht Ian G. und klingt wie Jonathan Pryce in „Fluch der Karibik“.
Lutz Riedel spricht LKA-Mann Wim Banner und klingt wie Timothy „James Bond“ Dalton.
Benjamin Völz spricht Boris F. alias „Tron“.
Arianne Borbach spricht Margo und klingt wie Catherine Zeta-Jones.
Friedrich Schoenfelder spricht die „Stimme der Wahrheit“.
Helmut Krauss ist der Erzähler und klingt verdächtig nach Marlon Brando oder Samuel L. Jackson.

_Vorgeschichte_

Der Berliner Informatikstudent Georg Brand, in Hackerkreisen als „T-Rex“ bekannt, ist auf eine Verbindung zwischen dem besten deutschen Hacker Boris F. alias „Tron“, und dem Rapper Tupac Shakur gestoßen. Alle möglichen Leute, die Geheimnisse aufdecken oder vertuschen wollen, interessieren sich auf einmal für T-Rex. Während Georg mit Trons ehemaliger Freundin Tatjana Junk alias Nolo anbandelt, meldet sich Tron quasi aus dem Jenseits: Er ist seit 1998 offiziell tot. Ist er das wirklich? Jedenfalls gibt Nolo Georg eine „Chiffre“ nach der anderen in die Hand. Chiffren sind eine Umschreibung für Hinweise auf die Geheimnisse, die Tron vor seinem Tod aufgedeckt hat – brisanter Stoff sozusagen. Georg verscherbelt seine Ermittlungsergebnisse an eine große Boulevardzeitung aus Berlin. Aber manche Geheimnisse sind sogar für dieses Medium zu heiß – so etwa jenes über den „Kaiser“ …

_Handlung_

Übertragung: Die Bundesrepublik Deutschland wird die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 austragen.

TV-News: Die Abstimmung der FIFA fiel denkbar knapp aus und die Deutschen bekamen den Zuschlag nur, weil ein Jurymitglied der letzten Wahl fernblieb. Hat da jemand was gedreht?

Georg Brand muss immer noch Buße tun für seinen Mordversuch an Tatjana (Ep. 5) und hat sie ins Hotel Adlon zu einem piekfeinen Abendessen ausgeführt. Es ist 23:23 Uhr (!). Trotz seiner bezaubernden Gesellschaft erscheint Georg auf einmal massiv abgelenkt: Seine Hoheit, der „Kaiser“, hat das Restaurant betreten. Nolo ist nicht beeindruckt: Herr Kaiser sieht aus wie ein Versicherungsvertreter. Aber sie erinnert sich, dass ihr verstorbener Freund Boris F alias Tron einmal ein Autogramm vom Kaiser bekam. Sie hat es sogar bei sich und zeigt es Georg. Wow: ein WM-Ticket. Und was bedeuten die Zahlen darauf? Na, das ist der Zugangscode zum Laptop des Kaisers, natürlich per WLAN. Gleich mal testen – die Unterschrift ist wirklich echt, findet Georg schnell heraus.

Auf der Festplatte des kaiserlichen Laptops findet Georg zu seinem nicht geringen Erstaunen ein WORD-Dokument, das den Namen von Tron trägt. Er druckt es aus und bringt es in die Redaktion, in der sein Bekannter Kai Sickmann arbeitet. Nolo kommt mit. Sickmann winkt ab. Na und? Tron hat also den kaiserlichen Laptop geknackt, wen wundert’s? Und überhaupt: Der Kaiser ist unantastbar: „vermintes Gelände“. Ganz einfach aus folgendem Grund: Der Kaiser ist mittlerweile der Berlusconi der deutschen Medien und Werbeträger. Wer versucht, ihn abzuschießen, schießt sich nur selbst ins Knie. Und wer’s mal aus Versehen tut (wie einmal ein Kollege vom „Mannheimer Morgen“), ist ganz schnell weg vom Fenster. Die Kollegen von der Sport-Redaktion lauern schon darauf, dass Sickmann mal einen Fehler macht …

Und was hatte Tron mit dem Kaiser am Hut? Hat ihn diese Sache das Leben gekostet? Sickmanns Tipp: Sucht die fehlenden Spieler. Georg wird fündig: Es ist Rupert Murdoch, mit dem Tron in Sachen Bezahlfernsehen verbunden war. Tron hatte eine SmartCard entwickelt, mit der man sich Pay-TV kostenlos besorgen konnte, und Murdochs Firma NDS lieferte ihm dafür die Technik. Als das durch Trons Kaiser-Kontakt bekannt wurde und die Sicherheit des Pay-TV zweifelhaft erschien, zog sich Bertelsmann aus dem Joint Venture mit Kirchs Fernsehimperium zurück, woraufhin dessen Thron heftig zu wackeln begann. 1998 wurde Schröder zum Kanzler gewählt, und Deutschland durfte die Weltmeisterschaft 2006 austragen. Alles nur Zufall?

Ian G ruft auf dem Handy an. „Schnell raus hier! Brich alles ab! Du hast nur 30 Sekunden!“ Georg und sein Kumpel Schmittke brechen sofort ihren netten Chat mit der Quelle „Softie“ ab und machen, dass sie wegkommen. Die Flucht gelingt über das zweite Treppenhaus ihres Studentenwohnheims. Wenig später beobachten sie, wie zwei Typen aus dem Gebäude kommen, die aussehen wie die Killer in „Pulp Fiction“: Travolta und Jackson. Ein schlechter Traum?

_Mein Eindruck_

Das alles erscheint uns heute wie olle Kamellen, doch die Sache im Hintergrund ist weiterhin relevant, und wer weiß: Vielleicht wird der Kaiser ja wirklich mal Bundeskanzler. Der Weg dorthin wird im Hörspiel deutlich aufgezeigt. Wie 1974, als die Fußball-WM bei uns stattfand, das Farbfernsehen seinen Durchbruch erlebte, so soll auch diesmal eine neue Medientechnik ihren Durchbruch erleben: HDTV alias High-Definition Television.

Was aber die wenigsten wissen oder sagen: HDTV stellt einen Rückkanal bereit. Dieser Rückkanal erlaubt es dem jeweils eingeschalteten Sender zu registrieren, was der einzelne Haushalt gerade ansieht und zudem die Interaktion mit dem Zuschauer. Die Rückkopplungsschleife könnte laut Hörspiel wie folgt aussehen. Gebt dem Volk, was das Volk will, d. h. nach Erkenntnissen der Markt- und Meinungsforscher nur solche Inhalte, die die größte Masse interessiert. Dreimal darf man raten, was das wohl sein könnte. Man braucht sich nur erinnern, was die Privat-TV-Sender Anfang der achtziger Jahre als erstes sendeten: Erotik und bunte Werbung. Aber noch viel wichtiger im aktuellen Kontext: BUNDESLIGA & Co.! Und die Übertragungsrechte sind bekanntlich Milliarden wert …

Kein Wunder also, dass zur Fußball-WM das HDTV gepuscht wird, denn schließlich sind die Übertragungsrechte ebenso viel Gold wert wie das Renovieren all der Stadien landauf landab. Von den zusätzlich verkauften überteuerten TV-Geräten ganz zu schweigen. Und überall soll der Kaiser seine Finger drin haben? Klingt uns und Georg etwas zu weit hergeholt.

An diesem Punkt wird’s metaphysisch. Auf einmal heißt es „Fußball sei ‚Opium fürs Volk'“, eine Abwandlung des bekannten Marx-Zitats, wonach Religion Opium fürs Volk sei. Die Stadien seien die Kirchen und Kathedralen dieser Religion, der Kaiser sei der Hohepriester und sein Manager der Mann, der die Fäden zieht. Im Schatten dieser Volksverblödungsaktion wachse eine Schattenwirtschaft heran, die garantiert noch stärker gefördert werde, sollte der Kaiser je Bundeskanzler werden. (Hat der Kaiser überhaupt ein Parteiamt? Soweit ich weiß, nicht. Wer soll ihn also wählen können?)

Na, prost! Denkt sich Georg, und sein Kumpel Schmittke meint: Die haben doch alle ’ne Schraube locker. Genau meine Meinung. Aber dann taucht auf einmal Margo bei Georg auf, der in Tatjanas Reisebüro sitzt. Und sie hat Redakteur Kai Sickmann im Schlepptau. Da wird Georg ganz flau im Magen. Es war doch Margo, die Georg (in Ep. 5) ferngesteuert hat, damit er Nolo umbringt! Doch Nolo sagt, es sei okay. Und Margo weiß bestimmt schon alles, was er, T-Rex, Sickmann verklickert hat!

Mit Nolos Erlaubnis geht er mit Sickmann durch Berlin. In einen düsteren Keller, welcher der Urania-Loge der Freimaurer gehört. Und dort bekommt T-Rex von dem Unbekannten aus der S-Bahn noch mehr Rätsel zu hören. Er nennt sich Saint-Clair, so wie viele der Tempelritter, und ist angeblich ein Verleger. Na, wer’s glaubt, wird selig!

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Es ist schon lustig, wenn man in einem Serienhörspiel all jene Schauspieler sprechen hört, die man sonst mit bildschirmfüllenden Actionkrachern oder großartigen Romanzen in Verbindung bringt: Catherine Zeta-Jones, Johnny Depp und George Clooney. Das hebt die Handlung, die ansonsten leicht etwas trivial hätte wirken können, doch gleich eine Stufe höher, verleiht ihr den Glanz von Hollywood.

Besonders David Nathan als T-Rex hat mir gefallen, denn man hört immer einen leichten ironischen Zungenschlag bei ihm heraus. Etwas Humor hat die Hörspielserie nämlich dringend nötig. Paranoia ist ja schön und gut, aber sie ist schwer die ganze Zeit zu ertragen. Und der denkende Zeitgenosse – wiewohl eine aussterbende Spezies – kann sich die Paranoia ja selber erzeugen, wenn er sie braucht.

_Geräusche und Musik_

Alle Geräusche sind natürlich aus der Realität entnommen und verleihen der Handlung den Anstrich von Filmqualität. Aber sie kommen nie den Dialogen in die Quere, sondern sind in dieser Hinsicht zurückhaltend.

Die Musik fungiert meist ein Pausenfüller: Rapmusik, fetzige Gitarren, für die Markus Wienstroer verantwortlich zeichnet, und schließlich etwas wie Elektro-Rock. Mir gefielen mehr die Gitarren, weil ich mit Rap nur wenig anfangen kann.

_Unterm Strich_

Diese Episode gewährt – sofern man es glauben mag – einen tiefen Einblick in das System, das die Nation im wahrsten Sinne des Wortes bewegt. Besonders in diesen Tagen, da die Fußball-Weltmeisterschaft hierzulande gastiert, werden einige Phänomene sichtbar, die dem aufmerksamen Zeitgenossen zu denken geben: die massive Werbung für das manipulationsfähige HDTV, die enormen Summen (etwa 1,6 Mrd. Euro) für die Renovierung und den Ausbau der Fußballstadien, die hohen Summen, die für die Übertragungsrechte gezahlt werden mussten. Kein Zweifel, die Huldigung an den Fußball-Gott ist ein teurer Spaß. Und man fragt sich, wer davon am meisten profitiert. Das Hörspiel von „Jan Gaspard“ gibt ein paar bedenkenswerte Antworten.

Das mit 75 Minuten ungewöhnlich lange Hörspiel ist von |Lübbe| und |LPL records| gewohnt sorgfältig produziert worden und es gibt absolut nichts daran auszusetzen – wie schade. Die Stimmen der Hollywoodschauspieler verleihen der ansonsten etwas trivialen Handlung den Glamour des Abenteuers.

Grisham, John – Liste, Die

Eine junge Frau und Mutter wird im Bundesstaat Mississippi brutal vergewaltigt und ermordet. Der Täter ist bald gefunden und wird vor Gericht gestellt. Damit fangen die Schwierigkeiten an: Er droht den Geschworenen, sie alle umzubringen, sollte er wieder freikommen. Das ist bereits nach neun Jahren der Fall. Der Herausgeber der „Ford County Times“ verfolgt und schildert die Geschehnisse zwischen 1971 und 1980.

_Der Autor_

Der studierte Jurist John Grisham, geboren 1955, ist nach Angaben des Heyne-Verlags der „meistgelesene Autor weltweit“. Zahlreiche seiner Romane dienten als Vorlage zu Spielfilmen, darunter „Der Klient“, „Die Firma“, „Die Akte“ und „Die Jury“ sowie „Der Regenmacher“. Grisham war Abgeordneter im Parlament des Bundesstaates Mississippi und führte lange Jahre eine eigene Anwaltskanzlei, bis er sich Mitte der Achtzigerjahre ganz dem Schreiben widmete. Grisham lebt mit seiner Familie in Virginia und Mississippi.

Sein vorletztes Buch trägt den Titel „Bleachers“, also Zuschauertribüne, und befasst sich mit den dunklen Machenschaften im Profisport. Deutscher Titel: „Der Coach“. „Die Liste“ ist Grishams neuestes Buch.

_Der Sprecher_

Charles Brauer, geboren 1935, ist am bekanntesten als Kommissar Brockmüller an der Seite von Manfred Krug im „Tatort“. Er gehört zu den beliebtesten Hörbuchsprechern und hat für Heyne/Ullstein bereits „Der Verrat“, „Das Testament“ und „Die Bruderschaft“ (siehe meine jeweiligen Rezensionen dazu) von John Grisham gelesen.

_Handlung_

Im Jahre 1970 geht die Wochenzeitung „Ford County Times“, die in Clanton, Mississippi, erscheint, beinahe pleite, nachdem sich der Chefredakteur Wilson Cordle auf die Seite der rassischen Gleichberechtigung gestellt hat. So weit ist der Rest der weißen Bevölkerung noch nicht. Schon bald springen die Anzeigenkunden ab, ebenso die Abonnenten, die Gläubiger wollen alle auf einmal ihr Geld sehen. Der arme Wilson dreht fast durch.

Nach einem Gespräch mit Wilsons Anwalt Walter Sullivan kauft der 23 Jahre junge Times-Redakteur Willie Traynor, der aus Memphis, Tennessee, stammt, die Zeitung für schlappe 50.000 Dollar, die er von seiner Oma gepumpt hat. Die Gemeinde ist überrascht und ein wenig verärgert: Hier gehört man erst nach drei Generationen „dazu“. Zunächst ist die Auflage nur wenig höher als vor der Pleite.

Deshalb erweist sich die Story über den brutalen Mord an einer weißen Frau als wahrer Glücksfall, um Traynors Auflage in die Höhe zu treiben. Die Ermordete ist die 31 Jahre alte Witwe und Mutter zweier Kinder Rhoda Casselaw. Der mutmaßliche Mörder und Vergewaltiger, nach einem Unfall gefasst, ist der Alkoholiker Danny Padgitt.

Das ist ein kleines Problem, denn der gegenwärtige Sheriff wird von der kriminellen Sippe der Padgitts geschmiert. Die Padgitts haben den Drogenhandel im alten Süden der Staaten organisiert und sind schwerreiche Leute. Als Verteidiger haben sie den „niederträchtigen“ Wadenbeißer Lucien Willbanks engagiert. Richter Reed Lupus lässt sich aber von ihm nicht einschüchtern. Willbanks verklagt auch Traynor wegen Verleumdung, denn seine Zeitung habe die Geschworenen beeinflusst. Mit einer der Geschworenen, Celia Ruffin, einer schwarzen Mutter von acht Kindern, freundet sich Willie besonders an und schreibt über sie in der „Times“.

Kurz und gut: Der Prozess gegen Danny Padgitt, der dann schließlich doch noch in Clanton stattfinden kann, endet dramatisch: Der Verurteilte bedroht in aller Öffentlichkeit das Leben der Geschworenen. Die Auflage der „Times“ steigt wieder einmal.

Neun Jahre später kommt der Mörder, entgegen allen Anstrengungen Willies und seiner Freunde, unerwartet frei und zurück nach Ford County. Er jagt nicht nur die Geschworenen, sondern auch Willie Traynor, den Besitzer der „Times“. Schon bald sind erste Opfer unter den Geschworenen zu beklagen. Willie bangt um Celia Ruffin und andere Freunde. Aber ist es wirklich Danny, der hinter den Morden steckt?

_Mein Eindruck_

Manchmal ist ein Leser froh, wenn er nicht das ganze Buch lesen muss. „Die Liste“ ist offenbar so ein Fall. Nicht nur die Leserurteile bei Amazon.de bestätigen das, sondern auch meine eigene Erfahrung – und das nur mit der gekürzten Fassung des Hörbuchs. Die Leser fragen sich, worum es eigentlich dem Autor beim Schreiben dieses Romans ging. Denn dass eine Jury manipuliert wird, sah man ja vor kurzem in der gediegenen Verfilmung von Grishams „Das Urteil“ (The Runaway Jury). Das ist also nicht das Neue.

Auch die Rassendiskriminierung in Grishams eigenem Heimat-Bundesstaat Mississippi ist ja nicht gerade neu. Dieses Themas hatte er sich schon ziemlich früh angenommen – mir fällt jetzt leider der Titel nicht ein, aber auch dieser Roman wurde verfilmt. Dennoch erzählt uns der Autor wieder einmal vom Schicksal eines jungen Schwarzen, Sam Ruffin, dem Sohn von Celia Ruffin. Sam hat sich von der frustrierten weißen Ehefrau Iris Durant verführen lassen. Daraufhin wollte Mr. Durant, der Chef der Highway-Patrouille, ihn über den Haufen schießen. Sam floh und wird seitdem gesucht. Als er sich bei Willie meldet, ist er immer noch mit Iris zusammen, die von ihrem Ehemann mit Schimpf und Schande aus dem Haus gejagt worden ist.

|Die Rolle der Medien in der Justiz|

Was bleibt also noch an Reiz, der einen Leser dazu bewegen könnte, diesen Roman zu lesen? Es ist die Rolle der Medien, auf die sich diesmal Grishams Augenmerk richtet. Willie Traynor ist der Besitzer und Chefredakteur einer stetig wachsenden Lokalzeitung. Er hat beträchtlichen Einfluss, seine Stimme, die sich in Leitartikeln am deutlichsten äußert, wird gehört und zählt. Was er und seine Reporter an schmutziger Wäsche aufdecken, kann sich als entscheidend bei Wahlen erweisen.

Doch schon mit dem ersten Foto von Danny Padgitt handelt er sich Ärger mit seinen Gegnern, den Kriminellen und Korrupten, ein. Das Foto zeigt einen Danny, der ein blutiges Hemd trägt, als er ins Gefängnis geführt wird. Es ist auch das Blut seines Mordopfers. Die Veröffentlichung des Fotos kommt einer Vorverurteilung gleich, denn wie kann irgendein Geschworener angesichts dieses Blutes unvoreingenommen über den Träger dieses Hemdes urteilen?

Genau diesen Umstand macht sich der gerissene Verteidiger Willbanks zunutze und klagt Willie der Beeinflussung der Jury an sowie die Geschworenen der Befangenheit. Diese Beeinträchtigung der Unschuldsvermutung (im Zweifel für den Angeklagten) ist ein ernsthaftes Problem – nicht nur vor Gericht, sondern auch etwa im Wahlkampf. Aber was macht Grisham daraus? Das ist der springende Punkt.

Immerhin gelingt es Grisham, deutlich zu machen, dass Willie Mist gebaut hat. Er hatte nur daran gedacht, mit dem Foto seine Auflage zu erhöhen. Das ist ihm gelungen. Aber er hat damit fast den Prozess unmöglich gemacht, zumindest in Clanton. Und als weitere Folge hat er die Stimmen der Jury beeinflusst. Um Danny die Höchststrafe zuzumessen, nämlich die Gaskammer, muss die Jury einstimmig votieren.

Das ist leider nicht der Fall (drei Geschworene stimmen mit „unschuldig“), und so kommt es nur zu einem doppelten „Lebenslänglich“. Und weil die Gefängnisverwaltung es so arrangieren kann, darf Danny beide Strafen von je zehn Jahren „gleichzeitig“ absitzen – unglaublich aber wahr. Und wegen „guter Führung“ käme er um ein Haar sogar schon nach acht Jahren frei, wenn Willie vor dem Bewährungsausschuss nicht eingegriffen hätte. Das gelingt ihm kein zweites Mal, und trotz des Auftritts des aktuellen Sheriffs wird Danny auf freien Fuß gesetzt. Mit tödlichen Folgen, wie es scheint.

Grisham steht zwar ziemlich deutlich auf der Seite seines Helden und Ich-Erzählers Willie Traynor. Es ist besser, eine freie Presse zu haben, als mit Bomben Geschworene und Redakteure einzuschüchtern. Doch auch die freie Presse sollte aufpassen, dass sie das Richtige tut, denn der Schuss kann leicht nach hinten losgehen, wie der Fall Danny Padgitt zeigt.

|Und sonst?|

Ich fand den Roman in der gekürzten Hörbuchfassung dann doch noch recht spannend und unterhaltsam. Die zentrale Story um Danny Padgitt erzeugt bis zum Schluss doch genügend Spannung, um einen bei der Stange zu halten. Aber manche Szenen sind auf der Kippe zwischen Horror und Komik, so etwa dann, als eine der drei unentschlossenen Geschworenen, Maxine Root, eine Bombe ins Haus geliefert bekommt, die als Geschenk von ihrer Schwester deklariert ist.

Die Art und Weise, wie diese Situation aufgelöst wird, ist genau die Mischung aus Horror (Bombe) und Komik (unfähige Hilfssheriffs, die das Höllending mit einem Schuss hochjagen), die mehrmals in Mississippi auftaucht. Auch Verrückte wie Hank Hooton, der als nackter Amokschütze auftritt, sorgen zunächst für Heiterkeit, aber auch für Schrecken. Ich fühlte mich an gewisse skurrile Kurzgeschichten von Mark Twain erinnert. Ich könnte mir vorstellen, dass sich Grisham selbst in der großen amerikanischen Tradition der Local-Interest-Story sieht. (Genau wie Stephen King übrigens, der über Maine schreibt.)

Leider ist es Grisham unvermeidlich und angemessen erschienen, seine Heldin, Celia Ruffin, mit einem langen, weiß Gott tränenreichen Abgang zu würdigen – „the last juror“ heißt es im Originaltitel. Mit ihr geht eine Ära zu Ende, und so ist es auch für Willie Traynor Zeit, dem attraktiven Angebot eines Investors nachzugeben und seine Zeitung zu verkaufen – für 1,5 Millionen Dollar. Aus dem Studenten ist ein gemachter Mann geworden, dem im Grunde nur noch eine Ehefrau fehlt, um sein Glück perfekt zu machen. Meint er. Fortsetzung folgt?

|Der Sprecher|

Charles Brauer erledigt seinen Job fast einwandfrei. Als erfahrener Schauspieler – etwa im „Tatort“ – hat er ein Gespür für das Besondere an einer Szene. Da weiß er einfach, wo die Pausen gesetzt werden müssen, um die optimale Wirkung zu erzielen. Er erschließt eine Szene wie etwa im Gerichtssaal, indem er die Kontrahenten ihre jeweils individuell gestalteten Stimmen wirkungsvoll einsetzen lässt: Wut gegen Eiseskälte, Manipulation gegen aufrichtige Abwehr usw. Aber auch leise Ironie kommt zwischen den Zeilen zum Tragen, doch Brauer hat es nicht nötig, das dick aufzutragen – das muss der Zuhörer schon selbst bemerken. Deshalb: Ohren auf und genau hingehört.

_Unterm Strich_

„Die Liste“ weist eine Handlung auf, die stellenweise zu fesseln weiß, denn es geht ja um einen besonders brutalen Mordfall und dessen Bestrafung. Dass die Gefängsnisstrafe für den Verurteilten zur Farce wird, wirft ein bezeichnendes Licht auf das Justizsystem vor Ort. Grishams Kritik, verkörpert in der Figur des Chefredakteurs und Zeitungsbesitzers Willie Traynor, trifft ziemliche viele Leute und Einrichtungen. Er zeigt, wie sich couragierte Medien sinnvoll einsetzen können, aber auch, welche Gefahren dabei lauern. Aktuelle Bezüge lassen sich zum US-Wahlkampf ziehen.

Charles Brauer macht seine Sache mal wieder sehr gut. Keine Aussprachefehler mehr wie in den frühen Grisham-Lesungen! Es ist eine reine Freude, ihm zuzuhören, besonders dann, wenn es mal wieder komisch und ironisch wird.

Umfang: 437 Minuten auf 6 CDs

_Michael Matzer_ © 2004ff

Gregory Benford – Himmelsfluss. CONTACT-Zyklus 3

Im Kampf gegen die Maschinen

Von großen Hoffnungen getrieben, dort eine Vielzahl intelligenter Spezies anzutreffen, erreichen die ersten Expeditionen der Menschheit das Zentrum unserer Galaxis. Aber die Erwartungen werden bitter enttäuscht. Das Leben, im Mahlstrom zahlloser Sonnen viel rascher herangereift, hat dort längst die Phase biologischer Körperlichkeit hinter sich gelassen. Es wimmelt von elektronisch-mechanischem Leben und genetisch-mechanischen Symbiontenrassen, die erbittert miteinander konkurrieren. Die Menschen gelten ihnen als minderwertig, als Ungeziefer, allenfalls als willfährige Werkzeuge ihrer Interessen.

Die Selbstachtung der Menschen verfällt ebenso rasch wie ihre einstmals hohes technisches Wissen und ihre Kultur. Sie sind auf der Flucht, müssen ständig ums nackte Überleben kämpfen und können sich nur als Parasiten am Rande der überlegenen Zivilisationen durchschlagen. Ihr Scheitern ist programmiert, ihr Untergang scheint unausweichlich. (Verlagsinfo)
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John Brunner – Das öde Land

Land der Ungeheuer, Land des verborgenen Wissens

Seit mehr als 400 Jahren gibt es auf einer fruchtbaren Welt das rätselhafte Ödland, aus dem immer wieder Ungeheuer hervorbrechen. Wo kommen sie her? Bringt das Ödland sie hervor? Herzog Paul will das Rätsel lösen. Zusammen mit seinem Berater Jervis und begleitet von seinem Heer dringt er ins Ödland vor, doch die Expedition steht unter einem Unstern. Schließlich bleiben nur Jervis und ein junger eingeborener Führer übrig, um ins Zentrum des Ödland vorzudringen: Unter einer geheimnisvollen Kuppel scheinen immer noch Menschen völlig isoliert zu leben …
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Gaspard, Jan / Lueg, Lars Peter – Handy-Komplott, Das (Offenbarung 23, Folge 5)

_Das Handy, dein Freund und Lauscher_

Was bisher bloße Verschwörungstheorie war, wird Realität: Die geheimnisvollsten Tragödien, die skrupellosesten Verbrechen werden entschlüsselt. Die Welt wird nicht mehr die gleiche sein, denn auch das letzte Rätsel wird gelöst.

Der Student Georg Brand bekommt das verschollene Handy von Hacker-Legende Tron in die Hände. Er entdeckt eigenwillige Umbauten, für die sich auch dubiose Firmen interessieren und mit denen ein Handy auf einmal mehr wird als nur ein mobiles Telefon. Was Georg aber noch nicht ahnt: Aufgrund dieses Wissens wird auf Trons Freundin Nolo ein Mordanschlag verübt. Das Besondere daran: Der Attentäter ist Georg selbst … (ergänzte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Über Jan Gaspard ist nichts bekannt, und es scheint sich um ein Pseudonym zu handeln (siehe Webseite von |LPL records|). Jedenfalls zeichnet er nach Angaben des Booklets für „Idee, Konzeption, Recherche & Buch“ verantwortlich.

Für die praktische Umsetzung dieser Steilvorlage sorgte hinsichtlich Regie, Produktion & Dramaturgie Lars Peter Lueg, seines Zeichens Verlagsleiter von |LPL records|. Für den „heiligen Geist“ in Form von „Inspiration“ sorgte Koproduzent Marc Sieper. (Es dürfte auch eine Menge „Transpiration“ gegeben haben, wenn man Thomas A. Edison glauben darf.) Schnitt, Musik und Tontechnik lagen in den kompetenten Händen von Andy Matern.

Andy Matern wird von zwei Spezialisten unterstützt. Markus Wienstroer bearbeitete die Gitarren – das Ergebnis kann sich wirklich hören lassen. Leise erklingt im Hotel Adlon das Piano – es wird von Hermann Niesig gespielt.

|1. Staffel von „Offenbarung 23“:|
1) [„Wer erschoss Tupac?“ 1934
2) [„Tupacs Geheimnis“ 1948
3) [„Die ‚Titanic‘ darf nie ankommen“ 2012
4) [„Die Krebs-Macher“ 2015

Einschub: [„Offenbarung 23 – Machiavelli“ 2472

|2. Staffel:|
5) [„Das Handy-Komplott“ 2576
6) [„Der Fußball-Gott“ 2577
7) [„Stonehenge“ 2590
8) [„Macht!“ 2591

|3. Staffel:|
9) [„Gier!“ 3104
10) [„Die traurige Prinzessin“ 3113
11) [„Die Hindenburg“ 3131
12) [„Der Piratenschatz“ 3136

|4. Staffel:|
13) [Das Wissen der Menschheit 3885
14) Das Bernsteinzimmer
15) Durst!
16) Krauts und Rüben

Mehr Infos: http://www.offenbarung23.de und http://www.vertraue-niemandem.net

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

In der Riege der Sprecher finden sich etliche einschlägig vorbelastete Herrschaften, die man schon aus dem Hause |LPL records| kennt. Als da wären:

David Nathan spricht die Hauptfigur Georg Brand alias T-Rex und klingt wie Johnny Depp.
Marie Bierstedt spricht Tatjana Junk alias Nolo, die Freundin von „Tron“.
Detlef Bierstedt spricht den Reporter Kai Sickmann* und klingt wie George Clooney am Telefon.
Dagmar Berghoff spricht eine Nachrichtensprecherin und klingt wie Dagmar Berghoff (logo!).
Dietmar Wunder spricht T-Rex’ besten Kumpel Kim Schmittke und klingt wie Cuba Gooding jr. bzw. Adam Sandler.
Arianne Borbach spricht Margó und klingt wie Catherine Zeta-Jones.
Till Hagen spricht Ian G. und klingt wie Jonathan Pryce in „Fluch der Karibik“.
Lutz Riedel spricht LKA-Mann Wim Banner und klingt wie Timothy „James Bond“ Dalton.
Friedrich Schoenfelder spricht die „Stimme der Wahrheit“ und den Prolog, der eine Art Garantieausschluss darstellt.
Helmut Krauss ist der Erzähler und klingt verdächtig nach Marlon Brando oder Samuel L. Jackson .

_Vorgeschichte_

Der Berliner Informatikstudent Georg Brand, in Hackerkreisen als „T-Rex“ bekannt, ist auf eine Verbindung zwischen dem besten deutschen Hacker Boris F. alias „Tron“, und dem Rapper Tupac Shakur gestoßen. Alle möglichen Leute, die Geheimnisse aufdecken oder vertuschen wollen, interessieren sich auf einmal für T-Rex. Während Georg mit Trons ehemaliger Freundin Tatjana Junk alias Nolo anbandelt, meldet sich Tron quasi aus dem Jenseits: Er ist seit 1998 offiziell tot. Ist er das wirklich? Jedenfalls gibt Nolo Georg eine „Chiffre“ nach der anderen in die Hand. Chiffren sind eine Umschreibung für Hinweise auf die Geheimnisse, die Tron vor seinem Tod aufgedeckt hat – brisanter Stoff sozusagen.

_Handlung_

Die vorhergehende Episode „Die Krebs-Macher“ führte Georg Brand zusammen mit Wim Banner auf eine Schnitzeljagd, an deren Ende ein Handy-Klingeln erklang.

Wie sich nun herausstellt, ist das Handy an einer süßen kleinen Miezekatze befestigt. Das Handy selbst gehört der 1998 gestorbenen Hackerlegende Tron alias Boris F. Mit seinem Freund Kai Schmittke untersucht Georg Handy und Katze. Beide sind ungewöhnlich ausgestattet. Die Katze trägt einen Ohrring, das Handy ist innen mit Alu gefüttert. Interessant: eine Abschirmung?

Auf diesem Handy ruft eine Frau mit einem abgeschalteten Provider-Account an: Sie nennt sich Margo und bittet Georg, sie in Frankfurt/Main zu besuchen. Ohne zu fragen, was er dort soll, lässt sich der Student wie ein Roboter dorthin verfrachten. In Nullkommanix ist er auf der Spitze des Messeturms, wo ihn eine bezaubernde Dame begrüßt und ihn bittet, sie als seine gute Fee zu betrachten. In Ordnung, murmelt Georg und küsst sie.

Denn Margo hat ihm ein paar erstaunliche Fakten verraten. Zum Beispiel, dass die amerikanische Sicherheitsbehörde NSA (National Security Agency) im 5. Stock eines Hochhauses am Hauptbahnhof logiert und mit dem am besten gesicherten Computer der Stadt direkt die Leitungen der Deutschen Telekom anzapft – genehmigt, versteht sich. Und natürlich sucht sie nur nach bestimmten Codewörtern wie etwa „Bombe“. Klar doch.

Interessant wird diese Info aber erst, als sie Georg daran erinnert, dass Tron ein mobiles „Kryptophon“ auf ISDN-Basis entwickelt hatte. Es war abhörsicher. Wäre das Ding in Serie gegangen, hätte das die NSA und andere Dienste arbeitslos gemacht. Tsts! Die NSA habe übrigens Tron über Ian G. abgehört. Und dieser wiederum höre nun Georg per Handy ab. Mit einem kleinen Trojaner könne man jedes Handy zu einem Abhörinstrument umfunktionieren. Aber zum Glück sei die Spitze des Messeturms ein Störsender. Hier seien sie zwei beide ganz für sich …

Es dauert nicht lange, da warnt Ian G. seinen Freund Georg vor dieser Margo. Die sei der Kopf einer Industriellen-Dynastie, und ihr Vater habe seinerzeit Tron obduziert. Beunruhigend. Um mehr herauszufinden, geht Georg zu seinem Bekannten, dem Boulevard-Reporter Kai Sickmann. Der klärt ihn a) über Strahlenschäden durch Handys auf und b) über gewisse Abhörmethoden. Mehr Details dazu gibt es allerdings nur von dem Experten Tim Mars, denn eine Zeitung könne schließlich nicht ihre wichtigsten Anzeigenkunden vergraulen: die Handyhersteller …

Von Mars erfährt Georg alles über Abhörmethoden und wie es Tron gelang, sie zu umgehen. Tron legte zum Beispiel die bekannte Alufolie in sein von Mars gefertigtes Handy und war fortan nicht mehr zu orten. Peinlich für einen Geheimdienst. Wie man einen Trojaner entfernt, verrät Mars auch. Weil ISDN, das Tron fürs Kryptophon nutzte, schwerer abzuhören ist, werde, so Mars, heute alles auf DSL umgestellt.

Dennoch begeht Georg einen folgenschwerer Fehler: Er kauft sich ein Headset. Fortan ist er praktisch ständig online. Und das erste, was er sich damit einfängt, ist eine Art Virus, der ihn fernsteuert. Aber das merkt er überhaupt nicht. Erst als die strangulierte Nolo, Trons Ex-Freundin, bewusstlos vor ihm liegt und Ian G ihn rüttelt, scheint Georg wieder aufzuwachen. Er hat keine Ahnung, was passiert ist. Wütend zertritt Ian G Georgs Handy und Headset.

Sollte die arme Nolo jemals wieder aufwachen, wird Georg das teuer zu stehen kommen, so viel steht schon mal fest.

_Mein Eindruck_

Das Thema der Handystrahlung und des Abhörens, ja, sogar der Fernsteuerung wird durchgehend in diesem Hörspiel angeschnitten. Kann man das alles unbesehen glauben, was uns der Autor mit dem Pseudonym „Jan Gaspard“ da verklickert?

Immer wieder gibt es Meldungen von Studien, in denen die Strahlenschädlichkeit von Mobilgeräten (Handys, PDAs, Smartphones usw.) und Mobilfunk-Transpondermasten belegt wird – und dann gleich wieder dementiert. Natürlich ist die Milliardenindustrie der Handyhersteller und Mobilfunkbetreiber daran interessiert, solche geschäftsschädigenden Studien zu unterdrücken oder wenigstens abzuwerten. Das sollte den Verbraucher aber nicht abschrecken.

Feststeht jedenfalls, dass ein Handy – um nur ein Endgerät herauszupicken – elektromagnetische Strahlung abgibt. Es gibt offenbar thermische und nicht-thermische Strahlung (ich bin kein Fachmann und berufe mich auf die Infos aus dem Hörspiel). Thermische Strahlung – bekannt von der Mikrowelle! – heizt auf, nicht-thermische beeinflusst das Gehirn, wird sie nicht abgeschirmt. Wie sieht diese neurologische Beeinflussung aus? Georg Brand hat für uns recherchiert und tischt seiner erstaunten Angebeteten Nolo alias Tatjana Junk die Ergebnisse auf.

|Ferngesteuert?|

Demnach habe es bereits in den 1950er Jahren beim amerikanischen Militär Forschungen gegeben, die Gehirnströme von Männern durch entsprechende Induktionsströme zu beeinflussen – bei Frauen funktionierte es nicht, bei den Kerlen allerdings schon. Eigentlich wollte man ja Schizophrenie etc. heilen, aber wenn man damit feindliche Agenten „umdrehen“ konnte, hatte die CIA sicher nichts dagegen.

In Genf wurden mit solchen Induktionsströmen offenbar „out of body“-Erfahrungen herbeigeführt: Der Patient dachte, er verließe seinen Körper und stehe neben sich. Etwas Ähnliches widerfährt Georg im Hörspiel, nur dass er nicht neben sich steht, sondern sein Bewusstsein schlafen gelegt wird, während der Rest „ferngesteuert“ wird. Ob das nun wiederum Science-Fiction ist, bleibt offen, aber es sieht mir ganz nach Spekulation aus. Andererseits: Hypnose sieht auch ziemlich unwahrscheinlich aus, funktioniert aber echt gut.

|Feind hört mit!|

Jedes Handygespräch wird, wie im Festnetz, über Schaltstellen des Netzbetreibers vermittelt. In diesen speziellen Computern lassen sich Informationen – möglichst mit Befugnis – anzapfen. Das wird schon in „Die drei Tage des Condors“ gezeigt, funktioniert aber auch in Handynetzen. Wie in „Ocean’s Eleven“ könnte man auch daran denken, gefälschte Informationen einzuspeisen und weiterzuleiten. (Im Film ist dies im privaten Inhouse-Netz des Casinos zu sehen.)

Jedes nicht manipulierte Handy ist prinzipiell auch zu orten, ganz einfach deswegen, weil es sich, um Empfang zu haben, in einer Funk-Zelle anmelden muss. Diese Zellen gaben den „cell phones“ ihren Namen in den englischsprachigen Ländern. Die Position der Zelle ist dem Netzbetreiber natürlich bekannt, d. h. seine Computer können sie einer geografischen Position zuordnen. Diese Grundlage ermöglicht z. B. Location-based Services, also ortsabhängige Dienste wie etwa Notruf, Reparaturdienst, Hotelinfos und Navigation. Dass man damit auch Leute ausfindig machen kann, ergibt sich von selbst. (Ähnliches gilt für E-Mails – jeder Rechner, der eine verschickt, gibt seine IP-Adresse preis und lässt sich orten. Es gibt Tricks, das zu verhindern.)

Ein Eingriff in die Privatsphäre ist es jedoch, wie jede schädliche Software auf dem Computer, wenn ein fremder Algorithmus aufs Handy geschmuggelt wird. Dieses Stück Software könnte man, laut Tim Mars, wie einen Trojaner betrachten. Ich habe drei Bücher über Computersicherheit und Internet geschrieben. Somit weiß ich über das Thema Viren, Trojaner und Würmer Bescheid. Dass es Handyviren gibt, ist auch nicht neu. Und dass besonders die Bluetooth-Technik gewisse Sicherheitslücken aufweist, ist bekannt. Sie sind hoffentlich mittlerweile allesamt gestopft.

Die Handyviren übermitteln sensible, private Infos an den Abhörenden, der sie verwerten will, z. B. Adressen, Kreditkartenangaben usw. Der ganze Vorgang lässt sich automatisieren. So macht es ja auch die NSA, die den Frankfurter Internetknoten DENIC abhört, wenn man dem Hörspiel glauben darf. Dass Terroristen Handys dazu benutzen, um Sprengsätze zu zünden, ist einer der beunruhigendsten Aspekte in diesem Bild. Das könnte einer der Gründe sein, warum niemand in das Frankfurter Konsulat der USA ein Handy mitnehmen darf …

|Beruhigende Nachrichten?|

Dagmar Berghoff spielt sich selbst: Die bekannte ehemalige „Tagesschau“-Sprecherin tritt als Nachrichtensprecherin auf. Ihre Nachrichten sind allerdings nicht gerade dazu angetan, den Hörer zu beruhigen. Die oben genannten Gefahrenquellen breiten sich nämlich rasant aus. In Deutschland gab es 2005 bereits 65 Millionen Handybenutzer und weltweit 1,6 Milliarden. 2006 dürften es 2 Milliarden Benutzer werden. Mithin grillen eine ganze Menge Leute ihr Hirn per Mikrowellenstrahlung und noch mehr werden wohl abgehört. Das könnte eine Reihe von Fehlern in der aktuellen Politik erklären.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Es ist schon lustig, wenn man in einem Serienhörspiel all jene Schauspieler sprechen hört, die man sonst mit bildschirmfüllenden Actionkrachern oder großartigen Romanzen in Verbindung bringt: Johnny Depp, Jonathan Pryce, Catherine Zeta-Jones und George Clooney. Das hebt die Handlung, die ansonsten leicht etwas trivial hätte wirken können, doch gleich eine Stufe höher, verleiht ihr den Glamour von Hollywood.

Besonders David Nathan als T-Rex hat mir gefallen, denn man hört immer einen leichten ironischen Zungenschlag bei ihm heraus. Etwas Humor hat die Hörspielserie nämlich dringend nötig. Paranoia ist ja schön und gut, aber sie ist schwer die ganze Zeit zu ertragen. Marie Bierstedt als Tatjana Junk hat in dieser Episode der Serie einen feinen Auftritt. Da „Georg Brand“ seine Angebetete um ein Haar umgebracht hätte – ohne etwas zu ahnen – reibt sie ihm seine Schuld ganz schön unter die Nase und ist moralisch berechtigt, Höchstforderungen in Sachen Verwöhnfaktoren zu stellen.

An einer Stelle darf sie „das Rätsel Weib“ wieder einmal zum Besten geben. Sie hat „Georg Brand“ schon so weit, dass er sie zum Tanzen einlädt, da verbockt er es wieder durch eine falsche Frage. Er hat keinen blassen Schimmer, warum er von ihr rausgeworfern wird. Jedes weibliche Wesen dürfte sich vor Genugtuung kringeln. Männer können hingegen nur gequält darüber lächeln.

_Geräusche und Musik_

Alle Geräusche sind natürlich aus der Realität entnommen und verleihen der Handlung den Anstrich von Filmqualität. Aber sie kommen nie den Dialogen in die Quere, sondern sind in dieser Hinsicht zurückhaltend.

Die Musik fungiert meist als Pausenfüller: Rapmusik, fetzige Gitarren, für die Markus Wienstroer verantwortlich zeichnet, und schließlich etwas wie Elektro-Rock und Easy Listening. Mir gefielen mehr die Gitarren, weil ich mit Rap nur wenig anfangen kann. An zwei Stellen gibt es Szenen im Berliner Hotel Adlon. Dieses Wunderhaus sollte jeder schon mal von innen gesehen haben. Dezent erklingt ein schön gespieltes Piano im Hintergrund des Dialogs, ohne aufdringlich zu werden. Hermann Niesig sitzt an der Klaviatur.

_Unterm Strich_

Diese Episode beschäftigt sich mit den Gefahren und Möglichkeiten eines Geräts, das für viele Zeitgenossen praktisch schon zum täglichen Leben gehört wie die Zahnbürste und die Kaffeetasse: das Handy. Interessant wird es an dem Punkt, an dem wir erfahren, was die Hacker damit anstellen, erstens natürlich Tron, die Legende, und dann Georg Brand, genannt T-Rex. Die Handlung spinnt die Fakten weiter – voilà: wir haben einen Mordanschlag. Wer steckt dahinter und wie gelang die Intrige? Brennende Fragen, die erst am Schluss beantwortet werden. Ob demnächst zwei Milliarden Handybenutzer versklavt werden, wird allerdings (noch) offen gelassen.

Das Hörspiel ist von |Lübbe| und |LPL records| gewohnt sorgfältig produziert worden und es gibt absolut nichts daran auszusetzen – wie schade. Die Stimmen der Hollywoodschauspieler verleihen der ansonsten etwas trivialen Handlung den Glamour des Abenteuers.

*: Sicherlich ist es nur purer Zufall, dass der Chefredakteur einer großen Boulevardzeitung mit vier Buchstaben Kai Diekmann heißt.

|64 Minuten auf 1 CD|

Montgomery, L. M. / Gruppe, Marc / Bosenius, Stephan – Anne in Four Winds – Ein neues Zuhause (Folge 17) (Hörspiel)

_Abschied von der Heimat, Aufbruch ins neue Ehe-Leben_

Anne Shirley steckt mitten in den Vorbereitungen für ihre romantische Hochzeit mit Gilbert Blythe im Obstgarten von Green Gables. Es wird der letzte Sommer für die beiden in ihrem Heimatdorf Avonlea sein, denn der Umzug nach Four Winds steht an. Dort wird Gilbert die Landarzt-Praxis seines Onkels übernehmen …

_Die Autorin_

Lucy Maud Montgomery (1874-1942) war eine kanadische Schriftstellerin, die besonders durch ihre Jugendbücher um Anne Shirley bekannt wurde: „Anne of Green Gables“ und sechs Fortsetzungen.

Das Manuskript wurde zunächst von mehreren Verlagen abgelehnt, bevor es Montgomery gelang, es zu platzieren. 1908 war sie bereits 34 Jahre alt. Das Buch wurde zu einem Theaterstück verarbeitet, mehrmals verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt.

Die 1. Staffel: |Anne auf Green Gables|

Folge 1: [Die Ankunft 4827
Folge 2: [Verwandte Seelen 4852
Folge 3: [Jede Menge Missgeschicke 4911
Folge 4: Ein Abschied und ein Anfang

Die 2. Staffel: |Anne auf Avonlea|

Folge 5: [Die neue Lehrerin 5783
Folge 6: [Ein rabenschwarzer Tag und seine Folgen 5806
Folge 7: [Eine weitere verwandte Seele 5832
Folge 8: Das letzte Jahr als Dorfschullehrerin

Die 3. Staffel: |Anne in Kingsport| (Frühjahr 2009)

Folge 9: Auf dem Redmond College
Folge 10: Erste Erfolge als Schriftstellerin
Folge 11: Die jungen Damen aus Pattys Haus
Folge 12: Viele glückliche Paare

Die 4. Staffel: |Anne in Windy Poplars| (Herbst 2009)

Folge 13: [Die neue Rektorin 6084
Folge 14: [Ein harter Brocken 6085
Folge 15: [Das zweite Jahr in Summerside 6110
Folge 16: Abschied von Summerside 6111

Die 5. Staffel: |Anne in Four Winds| (Frühjahr 2010)

Folge 17: [Ein neues Zuhause 7113
Folge 18: [In guten wie in schlechten Zeiten 7114
Folge 19: [Verwirrung der Gefühle 7115
Folge 20: [Ein neuer Anfang 7116

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Lutz Mackensy (Rowan Atkinson, Christopher Lloyd, Al Pacino)
Anne Shirley: Marie Bierstedt (Kirsten Dunst, Kate Beckinsale)
Dr. Gilbert Blythe: Simon Jäger (Josh Hartnett)
Diana Wright: Uschi Hugo (Neve Campbell)
Marilla Cuthbert: Dagmar von Kurmin
Rachel Lynde: Regina Lemnitz (Kathy Bates, Whoopi Goldberg)
Dora Keith: Maria Hinze
Jane Inglis: Cathlen Gawlich:
Paul Irving: David Turba
Dr. David Blythe: Engelbert von Nordhausen (Samuel L. Jackson)
Captain Jim Boyd: Hasso Zorn
Cornelia Bryant: Ulrike Möckel
Fraulein vom Amt: Evelyn Maron
Und viele andere.

Regie führten Stephan Bosenius und Marc Gruppe, der auch das „Drehbuch“ schrieb. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

_Handlung_

Gilbert soll die Praxis seines Großonkels in Four Winds Harbor übernehmen. Das ist etwa 60 Meilen von Green Gables und Avonlea entfernt. Nun hat Annes Leben und Arbeiten in Summerside ein Ende, denn sie wird ja Gilbert heiraten und mit ihm in das gemeinsame Haus ziehen. Hoffentlich wird es ein schönes Heim für ihr erstes Kind werden.

In Avonlea trifft Anne mit ihren Lieben alle nötigen Vorbereitungen für die Hochzeit. Es gilt Erinnerungen hervorzukramen und wegzuräumen; dabei erfährt sie, dass Marilla Cuthbert, ihre Adoptivmutter, einst Gilberts Vater einen Korb gab. Na, so was! Als Gilbert eintrifft, berichtet er ihr, dass er ein Häuschen gefunden und von der Kirche gemietet habe. Sie würden den Leuchtturmwärter Kapitän Jim Boyd zum Nachbarn bekommen, einen passionierten Geschichtenerzähler. Genau das, was Anne braucht.

Als Paul Irving eintrifft, spricht sie mit ihm über Literatur. Ihr einstiger Lieblingsschüler ist inzwischen ein anerkannter Autor und hat seinen ersten Roman veröffentlicht. Er fordert sie auf, endlich nach all den Erzählungen auch mal etwas Längeres zu verfassen. Sie zweifelt an ihren Fähigkeiten, doch der Kontakt zu Paul wird sich noch als wichtig erweisen.

Pfarrer Allen, ein alter Bekannter, traut die beiden Brautleute im Obstgarten von Green Gables. Obwohl Rachel Lynde diesen Ort für eine Trauung natürlich „skan-da-lös“ findet. Nach der anschließenden Feier bringt Marillas Adoptivsohn Davy, der mal Green Gables übernehmen soll, die Brautleute zum Bahnhof.

Als sie vor ihrem neuen Zuhause eintreffen, mustert Anne das weiß gestrichene Haus erst einmal kritisch und ignoriert die ihrerseits kritisch dreinblickende Nachbarin im grünen Haus daneben. Onkel Dave lacht, als Gilbert seine Frau über die Schwelle trägt, bevor sie es sich beim Essen gemütlich machen.

Am nächsten Tag machen sie die Bekanntschaft der neuen Nachbarn. Kapitän Jim erzählt die erste seiner vielen Geschichten, und Nachbarin Cornelia Bryant erweist sich als männerhassende Presbyterianerin, die aber ein Herz für frisch zugezogene Ehefrauen hat. Schon bald ist sie Annes wichtigste Verbündete.

_Mein Eindruck_

Ein Abschied und ein Neuanfang – das ist die Grundstruktur dieser ersten Folge der letzten ANNE-Staffel. Schon in die Hochzeit mit Gilbert mischen sich erste melancholische Zwischentöne, da gleich danach der Abschied von Annes Lieben bevorsteht. Es gibt allerdings ein paar Merkwürdigkeiten.

So fällt beispielsweise kein Wort über künftigen Kindersegen. Und bemerkenswerterweise erfahren wir von Gilberts Abschiedsschmerz rein gar nichts. Und dass eine Ehefrau selbstverständlich ihrem Gatten in dessen von ihm ausgewähltes Domizil folgt, wird auch nicht infrage gestellt. Die Frau hat sich gefälligst ins gemachte Nest zu setzen.

In Four Winds Harbor lebt Anne wieder – wie schon in Avonlea – an der Küste, und die Wechselfälle des Wetters spielen für die Handlung eine gewisse Rolle. Drei Tage Regen, und schon kommen die Gäste wesentlich seltener.

Schon in dieser ersten Folge lernen wir zwei wichtige neue Nachbarn kennen, nämlich Kapitän Jim Boyd, den wir bis zu seinem Ableben in Folge 4 innig ins Herz schließen, und die quirlige Cornelia Bryant, die in jedem Mann einen – zumindest potentiellen – Feind erblickt. Ihre Paranoia sorgt auch später für jede Menge Heiterkeit – und schließlich für eine handfeste Überraschung.

Dieses Bild ist nun recht statisch, deshalb ist es gut, dass in der nächsten Folge eine neue Bekanntschaft hinzukommt: Leslie Moore ist eine schöne junge Frau, die jedoch mit einem unter Amnesie leidenden, schwachsinnigen Mann geschlagen ist – völlig zu Unrecht, wie sich noch herausstellt!

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Hauptrolle der Anne Shirley wird von Marie Bierstedt, der deutschen Stimme von Kirsten Dunst und vielen anderen jungen Schauspielerinnen, mit Enthusiasmus und Einfühlungsvermögen gesprochen. Obwohl Bierstedt wesentlich älter ist als die zwanzigjährige Heldin, klingt ihre Stimme doch ziemlich jugendlich. Manchmal darf sie aber auch ein wenig langsamer und überlegter sprechen, besonders mit „verwandten Seelen“.

Unter den weiteren weiblichen Sprecherinnen ragen die der Marilla Cuthbert (Dagmar von Kurmin) und der Rachel Lynde (Regina Lemnitz) heraus, die Anne regelmäßig im Sommer und zu Weihnachten besucht. Regina Lemnitz ist die Inkarnation der Plaudertasche und der wandelnden Gerüchteküche. Und sie ist natürlich die beste Freundin von Marilla Cuthbert, die die Witwe in ihr Haus aufgenommen hat. Die beiden älteren Sprecherinnen sprechen die Rollen der beifälligen bzw. kritischen Mentorin ausgezeichnet.

Captain Jim Boyd wird von Hasso Zorn gesprochen. Dessen Stimme passt derart perfekt zu dieser wichtigen Figur der Geschichte, als wäre Käptn Jim extra für ihn erfunden worden. Ulrike Möckel muss hingegen mit der renitenten Cornelia Bryant einen völlig anderen Charakter darstellen. Es fällt uns nicht leicht, die misandrine Nachbarin zu mögen, obwohl sie doch zu Annes besten Freundinnen zählt.

|Geräusche|

Die Geräusche im Hintergrund sorgen für die Illusion einer zeitgenössischen Kulisse für das Jahr 1885, doch sind sie so sparsam und gezielt eingesetzt, dass sie einerseits den Dialog nicht beeinträchtigen, andererseits den Hörer nicht durch ein Übermaß verwirren. Deshalb erklingen Geräusche in der Regel stets nacheinander. Um die Epoche zu verdeutlichen, ist kein einziges Auto zu hören, sondern nur eine Kutschen.

Von der Natur aus betrachtet haben wir es in dieser Folge mit zwei grundverschiedenen Landschaften zu tun: Da ist zum einen das idyllische Avonlea, wo die Vöglein sich hörbar die gute Luft reinpfeifen und ein sanftes Lüftchen weht – wenn nicht gerade eine Krähe spottet.

An der Küste jedoch sind die Sitten rauer: Der Wind weht ständig, ihm eifern die Wellen an der Küste nach, und die Möwen haben ständig was zu meckern. Heißen ja auch alle Emma, wie der Dichter sagt. Nur gut, dass in Jims Kamin stets ein wärmendes Feuerchen prasselt.

Die Figuren äußern selbstverständlich jede Menge Arten von Gefühlsäußerungen, angefangen vom Schluchzen übers Lachen, Rufen und Keuchen. Auf diese Weise erwachen die Dialoge zu intensivem, emotionalem Leben – also genau das, was die ANNE-Hörspiele ausmacht.

|Musik|

Die Musik ist ebenfalls ziemlich romantisch, voller Streichinstrumente, Harfen und Pianos. Das Klavier wird meist für melancholische Passagen eingesetzt, und diese sind ebenso wichtig wie die heiteren. Der kontrastreiche Wechsel zwischen Heiterkeit, Drama, Rührung und Melancholie sorgt für die emotionale Faszination beim Zuhörer.

Die Musik steuert die Emotionen und untermalt die wichtigsten Szenen, kommt aber nicht ständig im Hintergrund vor. Besonders fiel mir die Variation von Heiterkeit und Rührung, von Verträumtheit und Aufbruchsstimmung auf.

Als Intro erklingt die Erkennungsmelodie der Serie: In einem flotten Upbeat-Tempo lassen Streicher, Holzbläser und ein Glockenspiel Romantik, Heiterkeit und Humor anklingen. Alle diese Elemente sind wichtige Faktoren für den Erfolg des Buches gewesen. Warum sollten sie also ausgerechnet im Hörspiel fehlen?

_Unterm Strich_

Diesmal nehmen wir von den bekannten Figuren Abschied, und was böte sich dazu besser an als Annes Hochzeit mit Gilbert? Ein Neuanfang muss gemacht werden, um dem neuen Lebensabschnitt zu entsprechen. Dieser Wechsel findet nicht nur im Wechsel der Landschaften statt, sondern auch im Kennenlernen der neuen Nachbarn.

Nach wie vor sind tiefe Gefühle das Pfund, mit dem die Inszenierung wuchert. Doch es gibt in der Vorlage – oder im „Drehbuch“ – merkwürdige Auslassungen. So fällt etwa kein Sterbenswörtchen über Annes und Gilberts Familienplanung, über Gilberts Sicht auf die Veränderung. Und schließlich verschwendet niemand auch nur einen Gedanken darauf, warum eine Ehefrau für ihre Familie ihren Rektorenberuf aufgeben sollte, um in ein fremdes Haus in einer fremden Gegend zu ziehen.

|Das Hörbuch|

Man merkt dem Hörspiel die Mühe und Liebe an, die darauf verwendet wurden. Besonderes Vergnügen hat mir die akustische Umsetzung des Buches bereitet. Hörbaren Spaß haben die Sprecher an ihren Rollen, und insbesondere die Hauptfigur ist von Marie Bierstedt ausgezeichnet gestaltet. Sie schluchzt, lacht und quasselt, das man sich wundern muss, woher diese Vielseitigkeit stammt. In den „Spider-Man“-Filmen ist Kirsten Dunst nie so vielseitig. Bierstedts Anne muss sich nicht nur durch Höhen und Tiefen des Herzens lavieren, sondern auch noch weiterentwickeln.

In dieser letzten Staffel kommen drei bemerkenswerte Figuren hinzu: der ausgezeichnet gesprochene Kapitän Jim Boyd, die Männerfeindin Cornelia Bryant und schließlich die schöne Quasi-Witwe Leslie Moore, die zu Annes und Gilberts neuem „Projekt“ wird.

|1 Audio-CD mit 72 Minuten Spielzeit
ISBN-13: 978-3-7857-4271-6|
[www.titania-medien.de]http://www.titania-medien.de
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

Brunner, John – Spion aus der Zukunft

Marionetten der Medienindustrie – „Big Brother“ lässt grüßen

Der Theaterregisseur Manuel Delgado ist angeblich ein Genie, das man nicht mit gewöhnlichen Maßstäben messen darf. Der Schauspieler Murray Douglas will herausbekommen, weshalb Manuel Delgado bestimmte Schauspieler, wie ihn, von allen möglichen Bühnen zusammengesucht hat. Warum hat er sie an einem abgelegenen Ort eingesperrt? Warum fördert er ihre Schwächen und Laster? Weshalb werden sie von schweigsamen Dienern bewacht und bevormundet? Wer ist dieser Manuel Delgado – und was hat er vor? Murray ahnt nicht, dass Delgado das Theaterstück, das er proben soll, völlig gleichgültig ist. Das wahre Stück findet auf den jeweiligen Zimmern statt, mit den Schauspielern als Marionetten …

Die Heyne-Ausgabe bietet die gekürzte Fassung von 1969. Ich besitze die 2. Auflage von 1970, die auch in einem Heyne-SF-Sammelband von 1986 zu finden ist. Der Gesamttext wurde erst 1977 restauriert. Davon gibt es bislang keine Übersetzung.

Der Autor

John Kilian Houston Brunner wurde 1934 in Südengland geboren und am Cheltenham College erzogen. Dort interessierte er sich schon früh „brennend“ für Science-Fiction, wie er in seiner Selbstdarstellung „The Development of a Science Fiction Writer“ schreibt. Schon am College, mit 17, verfasste er seinen ersten SF-Roman, eine Abenteuergeschichte, „die heute glücklicherweise vergessen ist“, wie er sagte.

Nach der Ableistung seines Militärdienstes bei der Royal Air Force, der ihn zu einer pazifistisch-antimilitaristischen Grundhaltung bewog, nahm er verschiedene Arbeiten an, um sich „über Wasser zu halten“, wie man so sagt. Darunter war auch eine Stelle in einem Verlag. Schon bald schien sich seine Absicht, Schriftsteller zu werden, zu verwirklichen. Er veröffentlichte Kurzgeschichten in bekannten SF-Magazinen der USA und verkaufte 1958 dort seinen ersten Roman, war aber von der geringen Bezahlung auf diesem Gebiet enttäuscht. Bald erkannte er, dass sich nur Geschichten sicher und lukrativ verkaufen ließen, die vor Abenteuern, Klischees und Heldenbildern nur so strotzten.

Diese nach dem Verlag „Ace Doubles“ genannten Billigromane, in erster Linie „Space Operas“ im Stil der vierziger Jahre, sah Brunner nicht gerne erwähnt. Dennoch stand er zu dieser Art und Weise, sein Geld verdient zu haben, verhalf ihm doch die schriftstellerische Massenproduktion zu einer handwerklichen Fertigkeit auf vielen Gebieten des Schreibens, die er nicht mehr missen wollte.

Brunner veröffentlichte „The Whole Man“ 1958/59 im SF-Magazin „Science Fantasy“. Es war der erste Roman, das Brunners Image als kompetenter Verfasser von Space Operas und Agentenromanen ablöste – der Outer Space wird hier durch Inner Space ersetzt, die konventionelle Erzählweise durch auch typographisch deutlich innovativeres Erzählen von einem subjektiven Standpunkt aus.

Fortan machte Brunner durch menschliche und sozialpolitische Anliegen von sich reden, was 1968 in dem ehrgeizigen Weltpanorama „Morgenwelt“ gipfelte, der die komplexe Welt des Jahres 2010 literarisch mit Hilfe der Darstellungstechnik des Mediums Film porträtierte. Er bediente sich der Technik von John Dos Passos in dessen Amerika-Trilogie. Das hat ihm von SF-Herausgeber und -Autor James Gunn den Vorwurf den Beinahe-Plagiats eingetragen.

Es dauerte zwei Jahre, bis 1969 ein weiterer großer sozialkritischer SF-Roman erscheinen konnte: „The Jagged Orbit“ (deutsch 1982 unter dem Titel „Das Gottschalk-Komplott“ bei Moewig und 1993 in einer überarbeiteten Übersetzung auch bei Heyne erschienen). Bildeten in „Stand On Zanzibar“ die Folgen der Überbevölkerung wie etwa Eugenik-Gesetze und weitverbreitete Aggression das handlungsbestimmende Problem, so ist die thematische Basis von „The Jagged Orbit“ die Übermacht der Medien und Großkonzerne sowie psychologische Konflikte, die sich in Rassenhass und vor allem in Paranoia äußern. Die Lektüre dieses Romans wäre heute dringender als je zuvor zu empfehlen.

Diesen Erfolg bei der Kritik konnte er 1972 mit dem schockierenden Buch „Schafe blicken auf“ wiederholen. Allerdings fanden es die US-Leser nicht so witzig, dass Brunner darin die Vereinigten Staaten abbrennen ließ und boykottierten ihn quasi – was sich verheerend auf seine Finanzlage auswirkte. Gezwungenermaßen kehrte Brunner wieder zu gehobener Massenware zurück.

Nach dem Tod seiner Frau Marjorie 1986 kam Brunner nicht wieder so recht auf die Beine, da ihm in ihr eine große Stütze fehlte. Er heiratete zwar noch eine junge Chinesin und veröffentlichte den satirischen Roman „Muddle Earth“ (der von Heyne als „Chaos Erde“ veröffentlicht wurde), doch zur Fertigstellung seines letzten großen Romanprojekts ist es nicht mehr gekommen Er starb 1995 auf einem Science-Fiction-Kongress, vielleicht an dem besten für ihn vorstellbaren Ort.

Handlung

Murray Douglas ist ein englischer Schauspieler, dessen glanzvolle Karriere weit hinter ihm liegt, nachdem er sich in eine Trinkerheilanstalt begeben hat. Als er nun wieder herauskommt, sieht er mit 32 Jahren aus wie fünfzig. Aber er bekommt seinen vornehmen Daimer immer noch und beschließt, in einem französischen Theaterrestaurant in London zu essen. Ein Fehler, denn sofort hört er zwei Kritiker den neuesten Klatsch durchhecheln – und ihn in die Pfanne hauen. Nachdem er einem der beiden Kritiker einen Kinnhaken verpasst hat, macht er einen Abgang.

|Neues Engagement|

Aber er hat etwas Interessantes aufgeschnappt und ruft sofort seinen Agenten an: Ja, der Produzent Sam Blizzard stellt eine Schauspielertruppe für ein Improvisationsstück von Manuel Delgado zusammen. Murray lässt sich sofort von Blizzard engagieren und fährt aufs Land zu einer abgelegenen Villa, wo man ihn einquartiert. Er ist der Erste der Schauspielertruppe. Der Diener Valentine kommt ihm ein wenig unheimlich vor: Er hat seine Schritte nicht gehört. Murray bekommt Zimmer 14, gleich neben 13, das wie üblich niemand beziehen will. Die Villa ist nicht nur groß, sondern luxuriös, findet Murray bei einem Spaziergang im Park. Als er ins Zimmer zurückkehrt, entdeckt er die Alhoholflaschen und lässt sie erbost sofort von Valentine entfernen. Will man ihn hier umbringen? Ein Schluck, und er könnte sich gleich Zynkali geben!

|Die Mitspieler|

Die Anderen treffen ein und beim Abendessen begutachtet Murray die traurige Bagage. Da wäre Ida, die lesbische Diva, komplett mit neuer Geliebter; dann Gerry, der koksende Beau; Constant, der junge Rebell – was mag er wohl für ein Laster haben? – und zwei junge Männer, die sich offensichtlich zueinander hingezogen fühlen. Da ist ein Komponist, der die Tasten des Pianos stumm spielt, und Lester, der Bühnenbildner, der Einzige, der Ahnung von Elektrik hat. Schließlich treffen Sam Blizzard und Manuel Delgado, das Genie, ein.

|Dunkle Vergangenheit|

Sein Agent hat Murray vor Delgado gewarnt. Der Autor und Regisseur aus Südamerika hat in Paris eine Strecke von Opfern hinterlassen. Der junge Star des zusammengewürfelten Ensembles beging Selbstmord, eine Schauspielerin wollte ihre Tochter umbringen und eine zweite wurde in die Nervenheilanstalt eingewiesen. Na, prächtig! Aber wie konnte es dazu nur kommen?

Als Murray auf sein Zimmer zurückkehrt, findet er schon wieder Alkohol, sogar in seiner Reisetasche. Erbost stellt er Valentine zur Rede und beschwert sich bei Blizzard – zwecklos. Dann taucht auch Gerry bei ihm auf. Der junge Mann bittet ihn schüchtern, ein ganzes Glas pures Heroin in Verwahrung zu nehmen, das er auf seinem Zimmer gefunden hat. Sollte sich Gerry damit umbringen? Sobald Gerry gegangen ist, sucht Murray in seinem Zimmer ein gutes Versteck, der selbst wenn Gerry jetzt clean ist, könnte er doch der Versuchung nicht widerstehen, an das Heroin heranzukommen.

|Seltsame Zimmereinrichtung|

Bei dieser Suche stößt Murray auf eine ziemlich merkwürdige Ausstattung seines Zimmers und holt den Bühnenbildner Lester, um dessen Meinung zu erfahren. Tja, also der 20 Meter lange Draht in der Matratze könnte vielleicht eine Antenne sein. Aber wo ist deren Anschluss? Den Draht dazu hat Murray aus Versehen abgerissen. Und was ist mit dem Tonband unter der Matratze? Tonband? Lester schaut nach – tatsächlich. Dessen Zweck muss Murray später von Delgado erfragen. Und was ist mit dem Fernseher, fragt er. Autsch! Lester hat eine gewischt bekommen – das Mistding steht ja unter Strom! Und es lässt sich weder ausschalten noch ausstecken. Als Murray am Stromkabel zerrt, rumpelt es nebenan in Zimmer 13. Merkwürdig. Und an der Zimmerdecke hat er ein Mikro entdeckt, das er sofort rausgerissen hat. Sein Zimmer wird offenbar überwacht. Aber wozu und von wem?

|Heather|

Delgado behauptet am anderen Tag, dass das Tonband dem Zweck der Hypnopädie diene, also der Unterrichtung während des Schlafs. Als Murray fragt, was ihm denn da nächtens eingetrichtert werden solle, weicht Delgado aus und regt sich auf. Alles bleibt ominös, aber Heather, die zwanzigjährige Frau, die Murray bei Ida gesehen hat, vertraut sich Murray an. Er lässt durchblicken, dass er sie für Idas Geliebte hält, aber das versteht sie nicht. Offenbar ist sie noch völlig unschuldig, aber nach ein paar Tagen fragt sie ihn, warum sie keine Rolle im Stück bekomme, wo sie doch eine gute Ausbildung habe. Das wundert ihn auch, und sie steigt in seiner Achtung. Er zeigt ihr die Drähte, das Tonband und den Fernseher. Sie machen dieses Zeug bei ihr unschädlich, selbst wenn die Dienerschaft die Geräte jeden Tag wieder ersetzt.

|Der Bruch|

Als es nach einer Woche intensiver Arbeit zum Streit über das Stück kommt, stehen Murray und Heather auf der einen Seite und der Rest der Truppe auf Delgados Seite. Entsetzt sehen alle zu, wie Delgado mit übermenschlicher Kraftanstrengung den 100-Seiten-Stapel des Manuskripts zerreißt! Ihm sei das Stück inzwischen völlig gleichgültig, posaunt er hinaus. Nur Blizzard gelingt es, Delgado umzustimmen, aber dennoch fragen sich Murray und Heather, was der wahre Zweck ihres Aufenthalts auf dem Landsitz ist. Beide sind kurz davor abzureisen, und einmal lässt sich Murray sogar vom Arzt des nächsten Dorfes auf Alkohol im Blut untersuchen: negativ. Jemand will ihn unbedingt betrunken machen und so für das Stück diskreditieren. Wer könnte derart fies sein?

|Invasionen|

Heather kommt in höchst besorgtem Zustand abends in sein Zimmer. Offenbar ist Ida scharf auf sie und hat einen Vorstoß gewagt, der Heather verunsichert hat. Da Murray sicher ist, dass er keinen Alkohol mehr im Zimmer hat, sondern nur Fruchtsaft, den Valentine brachte, gibt er ihr davon zu trinken. Den Fernseher hat er zur Wand gedreht, die Drähte, die ständig erneuert werden, rausgerissen. Er fühlt sich sicher. Doch als Heather betrunken zusammenbricht, geht ihm ein Licht auf: Der Saft war mit Alkohol versetzt.

Als er Geräusche nebenan hört, belauscht er Delgado und Valentine. Sie benutzen unbekannte Wörter und wollen einen Angriff auf Murray, den Störenfried im Ensemble, starten! Sofort legt er sich zur schlafenden Heather ins Bett und wartet ab, was da kommen soll. Als Delgado und Valentine in sein Zimmer eindringen, bemerkt er die Nachtsichtgeräte auf ihren gesichtern. Aber was wollen wollen sie eigentlich bei ihm? Sie haben keinerlei Waffen oder Spritzen, aber dafür unbekannte Geräte dabei. Dann macht Murray das Licht an …

Mein Eindruck

Bestimmt war das ungekürzte Original eine Art Inner-space-Thriller, wo der Held fortwährend an seinem Verstand zweifelt, wenn er nicht gleich verzweifelt aus dem Fenster springt. Die Kurzversion lässt diesen Ansatz (der an Brunners „Treibsand“ erinnert) noch durchschimmern, ist jedoch viel mehr auf die Konfrontationen, Entdeckungen und vor allem auf das explosive Finale ausgerichtet. Daher konnte ich das Buch auch locker in drei Stunden auslesen. Es ist spannend, ohne an irgendeiner Stelle zu langweilen. Interessant wäre es, mal die restaurierte Fassung von 1977 zu lesen.

Aber auch der gekürzte Text enthält noch genügend interessante Ansatzpunkte, um sich vorstellen zu können, worauf der Autor hinauswollte. Brunner befand sich bereits in seiner sozialkritischen Phase und nahm bereits Auswüchse der modernen Nachkriegsgesellschaft aufs Korn. So auch hier, wie mir scheint, und das Ziel sind diesmal die Medien und ihre Macher.

Der Originaltitel lautet nicht umsonst „The Productions of Time“. Bei diesen „Produktionen“ handelt es sich nicht etwa um Autoteile, sondern um Schauspiele. Liegt ja auch nahe, wenn Schauspieler darin auftreten. Nur spielen diese Schauspieler nicht ein einstudiertes Stück, sondern sich selbst, allerdings in einer verfänglichen Situation. So sollte nach dem Willen Delgados die junge Heather zur lesbischen Geliebten von Ida werden und Murray wahrscheinlich den großen Absturz eines Trinkers hinlegen. Beide machen Delgado einen Strich durch die Rechnung. Die große Frage bleibt jedoch: Wer sitzt im Publikum?

Interessant sind die Methoden Delgados. Sein Argument mit der Hypnopäde ist barer Unsinn, wie Murray schnell herausbekommt. Aber dafür setzt Delgados mit seinen geheimnisvollen Gerätschaften Hypnose und posthypnotische Befehle ein. Das ist gar nicht mal so weit entfernt von der Hypnopädie, nur dass die „Subjekte“ nichts von den Instruktionen mitbekommen und sich auch nicht dagegen wehren können.

Vorsicht, SPOILER!

Die Gerätschaften für diese menschenverachtende Spezialbehandlung – man kann von einer Gehirnwäsche sprechen – hat Delgado allerdings nicht selbst hergestellt, sondern von Valentine und seinen zwei muskulösen Gehilfen. Valentine & Co. kommen nicht aus unserer Zeit, sondern aus dem Jahr 2450. Das erklärt auch das besondere Interesse des Publikums. Während bei uns Lesbierinnen und Trinker selbst im Jahr 1967, als alles noch etwas prüder zuging, kaum einen Aufstand verursacht hätten, sind die Zuschauer des Jahres 2450 doch schon solcher Gefühlserlebnisse entwöhnt und deshalb bereit, einen Haufen Geld dafür zu bezahlen. Denn Zeitreisen sind in keinem Fall billig.

Es geht also um „Erlebnisse“, die einer blasierten Öffentlichkeit zu einem Nervenkitzel verhelfen sollen. Das klingt ja geradezu nach „Big Brother“, wo ja genau wie in diesem Buch mehrere Menschen – nicht unbedingt Schauspieler – in ein Haus gesperrt werden, um aufeinander loszugehen. Man erinnere sich an jene krebskranke junge Engländerin, die mitten in der Sendung von ihrer Diagnose erfuhr, dann erhebliche Publicity erhielt und zu einer nationalen Berühmtheit wurde – zumindest bis zu ihrem Tod. Die Sensationsmedien leckten jede Emotion auf, als wäre es Herzblut, um es meistbietend an ihre Leser und Zuschauer zu verhökern.

Dass die Sensationsgier auch schon 1967 groß gewesen sein muss, kann man sich leicht vorstellen. Schließlich wurden die Aussteiger und Avantgardisten wie der Dunstkreis von Pink Floyd gierig beobachtet und sofort als neueste Mode vereinnahmt (nachzulesen in Nick Masons toller Pink-Floyd-Biografie „Inside Out“). Der nächste, logische Schritt bestand darin, das Happening nicht mehr zu registrieren, sondern selbst zu inszenieren, in einem dritten Schritt auch mit Profis.

Spielverderber

Dass eben diese Profis Schauspieler sind, liegt nahe. Doch das Vorgehen der Medien – hier angeblich derjenigen des Jahres 2450 – degradiert die Thespisjünger zu bloßen Ausführungsgehilfen für die schmutzigen Phantasien des Publikums. Die produzenten – gemeint ist nicht Sam Blizzard, sondern Valentine & Co. – nehmen dabei keinerlei Rücksicht auf die Körper der manipulierten Schauspieler, geschweige denn auf deren Gefühle. Sie nehmen Murrays Tod durch Alkoholvergiftung billigend in Kauf, ebenso den von Gerry durch einen Goldenen Schuss. Dass sie Heather als Lesbierin missbrauchen wollen, kommt bei ihr ebenfalls nicht gut an. Kein Wunder also, wenn Heather und Murray die Chance ergreifen, Valentine und Delgado die Suppe zu versalzen.

Die Übersetzung

Die Übersetzung ist stilistisch völlig anspruchslos, die Sätze sind kurz, der Text flott zu lesen. Dass es sich um einen reichlich gekürzten Text handeln muss, machen aber abrupte Übergänge wie der auf Seite 132 deutlich. Da taucht Ida ohne jede Vorbereitung aus ihrem Zimmer auf und verschwindet sofort wieder in der Versenkung. Auch die abrupten Auftritte im Epilog weisen auf massive Kürzungen hin, denn es geht zu wie im Kasperletheater.

Unterm Strich

Zunächst liest sich „Spion aus der Zukunft“ wie ein Psychothriller, bei dem der Held an seinem eigenen Verstand zweifelt. Dann wird daraus eine Ermittlung, als es dem Helden gelingt, seinen Verstand zu behalten und ein Arztattest für Nüchternheit zu bekommen. Seine Schnüffelei geht den Drahtziehern schon bald gewaltig gegen den Strich, weshalb sie ihn schon bald aus dem schmutzigen Spiel nehmen wollen. Aber sie haben nicht mit seiner Entschlossenheit und dem Zufall gerechnet, der seltsamerweise stets auf seiner Seite ist. In einem Showdown brennt denn auch gleich der Schauplatz ab. Zum Glück kann Murray auch Delgado retten, der daraufhin jede Menge interessante Sachen zu erzählen hat. Und natürlich bekommt der Junge das Mädchen.

So weit, so schön und unterhaltsam. Man merkt dem Autor an, dass er sich fürs Theaterspielen begeistern kann. Echtes Theater hat nichts mit TV-Produktionen zu tun, deutet er an. Und schon gar nicht mit dem Marionettentheater, das Valentine abzieht.

Aber die Handlung ist leider auch wenig überraschend. Von Hypnopädie konnte man, wie Brunner selbst im Roman erwähnt, schon in Aldous Huxleys „Brave New World“ aus dem Jahr 1928 erfahren. Von Gehirnwäsche wissen wir spätestens seit „The Manchurian Candidate“, der mit Frank Sinatra Ende der 1950er Jahre gedreht wurde. Von Hypnose zur Gehirnwäsche ist es nur ein kleiner Schritt. Alles, was man braucht, sind entweder ein fähiger Hypnotiseur oder ein paar futuristische Geräte, die aus einem „Doctor Who“-Film stammen könnten. Dieser Hypnose-Plot ist also keineswegs ernstzunehmen – ich habe schon Einfallsreicheres in Story-Foren im Internet gelesen.

Relevanter ist da schon die Anspielung auf Medien, die „Erlebnisse“ in der Vergangenheit inszenieren, um ihr Publikum zufriedenzustellen. Klingt nach „Big Brother“ ohne Zeitreise, oder? (Obwohl eine BB-Inszenierung in einem viktorianischen Ambiente sicher kein Problem wäre.) Leider erzählt uns der Autor nicht genau, für wen Valentine & Co. genau arbeiten und warum sie diesen Job angenommen haben.

Die Übersetzung

In diesem Punkt wäre die vollständige Originalfassung vielleicht hilfreich gewesen. Sobald diese dermaleinst als Übersetzung verfügbar werden sollte, könnte ich das Buch vorbehaltlos empfehlen. Aber wenn Anspielungen auf lesbische Liebe fast völlig und Homosexualität komplett unterdrückt werden, sollte man dem Text vorerst nicht trauen.

Taschenbuch: 158 Seiten
Originaltitel: The productions of time (1967), Text restauriert 1977
Aus dem Englischen von Wulf H. Bergner
ASIN: B0027TSXR4

http://www.heyne.de

_John Brunner bei |Buchwurm.info|:_
[„Morgenwelt“ 1274
[„Chaos Erde“ 2555
[„Der ganze Mensch / Beherrscher der Träume“ 3444
[„Das Geheimnis der Draconier“ 5920
[„Doppelgänger“ 5940
[„Der galaktische Verbraucherservice: Zeitmaschinen für jedermann“ 6171
[„Der Kolonisator“ 5921
[„Die Opfer der Nova“ 5980
[„Geheimagentin der Erde“ 5981

Marion Zimmer Bradley – Das Schwert der Amazone

Billig-Fantasy für junge Kriegerinnen

„Sie hat alles vergessen: ihre Herkunft, ihre Familie, ihren Namen, nur nicht die Fähigkeit, mit Schwert und Schild zu kämpfen wie die besten Gladiatoren der Arena. Und etwas weiß sie tief in ihrem Inneren – dass kein Mann sie je berühren darf.“ (Verlagsinfo)

Nein das ist nicht der Beginn von „Wonder Woman“ mit der wunderbaren Gal Gadot! „Das Schwert der Amazone“ ist ein „feministischer“ Fantasyroman der bekannten Autorin von „Die Nebel von Avalon“, eine Art „Gladiator“ der weiblichen Art soll das sein. Leider ist dieser als Entgegnung auf John Normans Gor-Fantasyromane gedachte Sklavenroman noch schlechter geschrieben als Normans Werke – und das will schon was heißen.
Marion Zimmer Bradley – Das Schwert der Amazone weiterlesen

Follett, Ken – Nacht über den Wassern (Lesung)

Im September 1939 startet das luxuriös ausgestattete Flugboot der |Pan American Airline| zu einem letzten Flug über den Atlantik. Doch nur einer der Reisenden weiß um die tödliche Gefahr, die auf sie lauert, wenn es Nacht wird über den Wassern…

_Der Autor_

Ken Follett, geboren im walisischen Cardiff, wurde durch die Verfilmung seines Spionagethrillers „Die Nadel“ mit Donald Sutherland bekannt. Den internationalen Durchbruch erzielte er laut Verlag mit dem historischen Roman „Die Säulen der Erde“ (1990). Auch sein Roman „Der dritte Zwilling“ wurde verfilmt. Sein neuester Roman ist 2003 bei uns erschienen: „Mitternachtsfalken“ spielt mal wieder im 2. Weltkrieg.

_Der Sprecher_

Udo Schenk wurde 1954 geboren und lebt zurzeit in Berlin. Er hat bereits zahlreiche Film- und Fernsehrollen gespielt und ist ein gefragter Synchronsprecher: Schenk ist die deutsche Stimme von Kevin Spacey („American Beauty“), Kevin Bacon („Echoes“) oder auch Ralph Fiennes in „Der englische Patient“.

_Handlung_

Am Tag nach Beginn des Zweiten Weltkriegs, also am 2.9.39, schwimmt in der Bucht des südenglischen Hafens Southampton das größte Flugboot der Welt. Der „Wal“ ist ein luxuriös ausgesttatter Clipper der |PanAm|-Fluglinie, der immerhin 41 Tonnen wiegt, aber nur 29 Stunden für die Atlantiküberquerung braucht – schneller als jedes Schiff. Dafür sind die Ticketpreise aber auch gesalzen: 675 Dollar bis New York City hin und zurück, also mehrere Monatslöhne. Es sei denn, man ist privilegiert.

Für den nächsten Flug steigen mehrere, sehr unterschiedliche Passagiere an Bord, die der Auor liebevoll in allen Einzelheiten und jeden mit einer individuellen Story vorstellt. Ihr Aufeinandertreffen macht den Flug zu einer ereignisreichen Angelegenheit.

Da ist einmal Tom Luther, ein amerikanischer Wollfabrikant und Antikommunist, der von einem ungenannten, sehr mächtigen Mann den Auftrag erhalten hat, einen der Passagiere zu töten. Eddie Deacon, der Wartungstechniker, wird dazu erpresst, bestimmte Passagiere an Bord zu lassen. Als werdender Vater hat er schlechte Karten: Die Erpresser haben seine Frau als Geisel genommen.

Die junge, anfangs naive Lady Margaret Oxenforde hat feministische und sozialistische Ideen, darf aber in ihrem adeligen Elternhaus mit ihren 19 Jahren nicht aufmucken. Ihr Vater, Lord Oxenforde, hegt unverständlicherweise Sympathien für die Nazis – nichts Ungewöhnliches im britischen Adel. Dennoch wird der Lord praktisch des Landes verwiesen.

Maggie hat bei einem nächtlichen Abenteuer in London Harry Marks auf der Polizeistation kennengelernt. Doch Harry ist ein Dieb und Hochstapler und könnte sich als höchst riskante Bekanntschaft herausstellen. Oder als ihr Lebensretter. Harry muss den Clipper erwischen, um einer Haftstrafe zu entgehen.

Mark Elder ist Amerikaner und hat Diane Lovesey kennengelernt, eine verheiratete Britin, die ihren Mann Mervyn verlassen hat. Mervyn fliegt ihr nach Irland nach, wo der Clipper eine Zwischenlandung einlegen soll. Dort wird er von der sitzengelassenen Amerikanerin Nancy Lannahn bekniet, sie mitzunehmen. Es wird ein spannender Flug in seinem Flieger.

Zu guter Letzt befinden sich ein paar Randfiguren an Bord: zwei Flüchtlinge aus Nazi-Deutschland sowie Ollis Field, der wohl für das FBI arbeitet: Er bringt Frankie Giardino, einen Mafiakiller, in die Staaten, wo der Verbrecher verurteilt werden soll. Doch dessen Kumpane haben einen Notfallplan in Gang gesetzt, um dafür zu sorgen, dass Giardino rechtzeitig abgefangen wird. In diesem Plan spielt Eddie Deacon eine tragende Rolle…

_Mein Eindruck_

Alles in allem ergibt diese umfangreiche Passagierliste genügend sozialen Sprengstoff, um für fünf Kriegsabenteuer zu reichen. Follett packt alles in ein einziges Buch. Daher ist für Drama, Action und romantische Abenteuer bis zum letzten Augenblick gesorgt.

Allerdings braucht dieser literarische Vogel ebenso lange zum Abheben wie sein fliegendes Gegenstück in der Handlung. Ellenlang breitet der Autor die Hintergrundgeschichten zu den einzelnen Figuren aus, was mindestens die halbe Handlung lang andauert. Dabei ragen vor allem das ungleiche Paar Harry Marks und Maggie Oxenforde heraus, mit denen der Zuhörer bangt, ob sie a) überleben und b) sich kriegen werden. Dabei ist auch für humorvolle Situationen gesorgt. Der Ausgleich liegt in der Handlung, die sich um Eddie Deacon zu einem Drama unter Verbrechern entwickelt.

Follett erweist sich als vielseitiger Erzähler, der mehrere Tonlagen beherrscht; dramatisch, humorvoll, actionreich. Doch seine Charaktere sind keine Pappfiguren, sondern wurden genau recherchiert – ebenso wie das Vehikel, das alle diese Schicksale zusammenführt: Den „Wal“ gab es wirklich bis 1939. (Wenn ich mich recht erinnere, wurde das Flugboot von Dornier gebaut.)

Natürlich kann man, wenn man strenge Maßstäbe anlegt, dem Plot vorwerfen, dass hier allzu sehr romantisiert würde. Aber was wäre ein gutes Kriegsabenteuer ohne etwas Romantik?

|Der Sprecher|

Udo Schenk versucht, sich ehrenhaft seiner Aufgabe zu entledigen. Aber er macht drei Aussprachefehler bei den englischen Namen Berkshire, Textiles und Grumman, und das steht einem professionellen Vorleser nicht gut an.

Immerhin gelingt es ihm, die einzelnen Figuren etwas unterscheidbar zu machen, indem er seine Stimmhöhe ein wenig variiert oder die Härte der Aussprache. Doch auch dieser Erfolg ist begrenzt.

_Unterm Strich_

Ich habe schon bessere Hörbücher kennen gelernt. „Nacht über den Wassern“ ist keine Glanzleistung, weder von Seiten der Produktion noch von Seiten des Sprechers. Vielleicht ist es für den Follettfan doch besser, sich den dicken Schmöker selbst durchzulesen. Eilige Reisende können ja mit dem Hörbuch vorlieb nehmen.

Umfang: 391 Minuten auf 6 CDs

_Michael Matzer_ © 2004ff

John Brunner – Der Kolonisator

Übermensch und Maria Magdalena: ein super Gespann

Als der Stern Zarathustra zur Nova wurde und in einer lebensfeindlichen Lichtflut explodierte, flohen die wenigen Überlebenden in alle Richtungen und suchten auf Planeten der Nachbarsonnen eine neue Heimat. Doch diese Welten waren grundverschieden, und jede war auf ihre Art menschenfeindlich. Und schon die geringste Abweichung von der gewohnten Norm konnte auf überraschende Weise tödlich sein.
John Brunner – Der Kolonisator weiterlesen

Meirose, Astrid / Pruß, Volker / Sieper, Marc / Ihrens, Oliver – Schattenreich 4: Nachthauch

_Meist harmlos: Gothic Rock auf Mystiktrip_

Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt – er war fünf Jahre im Ausland – wird der junge Kulturwissenschaftler Christian Wagner in mysteriöse Todesfälle verwickelt. Als ihn eine unsichtbare Macht ins Schattenreich entführt, enthüllen sich ihm die Nachtseiten der menschlichen Natur. Hinter den Masken bürgerlicher Wohlanständigkeit treibt ein skrupelloses Netzwerk ein größenwahnsinniges Spiel.

Der Äygptologe Prof. Jan Erik Walberg, der Christian anrief und treffen wollte, ist unauffindbar: Wurde er entführt? Oder hat er sich absetzen müssen, weil seine Forschungen an Mumien alle moralischen Grenzen überschritten haben? Ein grausiger Fund, den Christian Wagner in Walbergs Labor macht, lässt Schreckliches erahnen.

In einem unterirdischen Archiv entdeckt Wagner eine alte Inventarliste über die Öffnung eines Pharaonengrabs, signiert mit dem Zeichen der Nephilim, dem Auge des Horus. Wagner erkennt, dass die Vergangenheit die Gegenwart auf grausame Weise einholen wird. Oder ist er selbst Akteur in einem Spiel, welches das Leben nur simuliert? Eine Sternenkarte könnte ihm den Weg weisen.

Die Karte zeigt eine Planeten- und Mondkonstellation, die nur an einem bestimmten Tag stattfindet und auf eine Kultstätte verweist, die er finden muss – auf einer Nordseeeinsel. Dort findet ein ungeheuerliches Ritual statt, vorgenommen von seinem Mentor Dr. Bruno Schwab. Doch plötzlich tritt eine feindliche Gruppe auf. Ist die finale Auseinandersetzung der Nephilim mit den Titanen gekommen?

_Die Autoren_

Als Autoren zeichnen Astrid Meirose und Volker Pruß verantwortlich. Mehr über die Serie findet man unter http://www.schattenreich.net.

Folge 1: Die Nephilim
Folge 2: Finstere Fluten
Folge 3: Spur in die Tiefe
Folge 4: Nachthauch

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Christian Wagner: Alexander Scheer (Schauspieler)
Alexa Voss: Anne Moll (Schauspielerin)
Dr. Bruno Schwab: Volker Brandt (dt. Stimme von Michael Douglas)
Adrian Bloch: Norman Matt (Cillian Murphy, Jonathan Rhys-Meyers)
Geheimnisvolle Frau: Daniela Hoffmann (dt. Stimme von Julia Roberts)
Hagerer, bleichgesichtiger Typ: Dero („Oomph!“)
Tina Müller: Anna Thalbach (Schauspielerin)
Darius Menke: Gerrit Schmidt-Voß (Leonardo DiCaprio)
„Sterngucker“: Oliver Rohrbeck (Ben Stiller, Michael Rapaport)

sowie Markus Krane und Gerald Schaale (Andy Hallett – „Lorne“ in der Serie „Angel“).

Anna Thalbach steht seit ihrem sechsten Lebensjahr vor der Kamera, dabei war der Weg zur Schauspielerei nicht so gerade, wie man es bei der Tochter von Katharina Thalbach annehmen könnte. Sie beginnt nach dem Abschluss der Mittleren Reife zunächst eine Hospitanz als Kostümbildnerin am Schillertheater. Doch der Hang zum Schauspiel überwiegt, und bald schon feierte sie selbst große Bühnenerfolge, so auch an der Seite ihrer Mutter in „Mutter Courage“.

Dero wurde am 16. April 1970 in Wolfsburg geboren. In der Band |Oomph!|, die 1989 gegründet wurde, ist er der Mann für den Gesang, die Texte, Drums, und Kompositionen. Der Weg zur Musik sah laut eigener Aussage für Dero so aus: „Auf diversen Familienfeiern in den 70ern wurde ich ‚gezwungen‘, mit meinem Vater (Gitarrist, Sänger) alle nur erdenklichen Elvis-Songs in grauenhaftem Englisch rauf und runter zu schmettern.“

|Die Musik:|

Secret Discovery: „Follow Me“ / „Away“
Qntal: „Lingua Mendax“
In Extremo: „Kein Sturm hält uns auf“
Kutna Hora: „Our Lady of Sedlec“
Stillste Stund: „Darksomely“
Lacuna Coil: „Fragments of Faith“
Supreme Court: „(Yell) … It Out!“
Birthday Massacre: „Video Kid“
Das Berliner Filmorchester und Kammerchor

Regisseur Simon Bertling und Tonmeister Christian Hagitte von |STIL| sorgten für die gute Produktion, die Musik und die Sounds; ihnen half Cornelia Schilling. Die Produzenten sind Marc Sieper von |Lübbe Audio| sowie Oliver Ihrens von |Radar Media|, Bochum. Das interessante Booklet-Design stammt von Kai Hoffmann.

_Vorgeschichte_

Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt – er war fünf Jahre im Ausland – wird der junge Kulturwissenschaftler Christian Wagner in mysteriöse Todesfälle verwickelt. Christian ist einer von neun Spezialschülern, den „Titanen“. So nannten sich vor 15 Jahren die Mitglieder einer Gruppe von jungen Hochbegabten, die von der Scholl-Stiftung gefördert und von ihrem Lehrmeister Dr. Volker Brandt ausgebildet wurden. Die Titanen, so Bruno, waren in der antiken Sage die Kinder von Göttern und Menschenfrauen. Die Nephilim hingegen waren die Kinder von Dämonen, die sich mit Menschenfrauen paarten: negative Titanen. Treibt hier jemand ein fieses Spiel mit den letzten Titanen?

Auf der rechten Ferse jeder Leiche findet er das gleiche Tattoo, das er selbst auch trägt: das ägyptische Ankh-Symbol, ein Henkelkreuz, das „Leben“ bedeutet. Es ist kombiniert mit dem „Auge des Horus“, das, wenn geöffnet, einen Schutzzauber darstellt. [Beide Symbole sind auf der CD selbst aufgedruckt.] Ist dieses Horus-Augen-Tattoo jedoch pupillenlos, also blind, dann handelt es sich um einen Nephilim, ein früheres, aber abtrünnig gewordenes Mitglied der „Titanen“.

Da Christian ein Waisenkind ist, das von der Industriellenfamilie Scholl aufgezogen wurde, bildet Brandt seinen Vaterersatz. Bei den Scholls lernte er Sibylle Scholl als seine Schwester kennen und machte sie zu seiner ersten Geliebten. Andrian Bloch, den er nun in seiner Heimatstadt wiedertrifft, war ebenfalls einer der „Titanen“. Die Familie Bloch ist mit den Scholls seit jeher befreundet.

Seit seiner Rückkehr sind bereits zwei der „Titanen“ umgekommen. Beide Leichen weisen eine Tätowierung an der rechten Ferse auf: das blinde Auge des ägyptischen Sonnengottes Horus, das Zeichen der Nephilim, eines Geheimordens. In den Rollenspielen der „Titanen“ war Christian stets der Gott Osiris, Sibylle die Göttin Isis und Adrian der eifersüchtige Gott Seth, der Osiris tötete. Doch wer war Horus, der Sohn des Osiris? Adrian treibt sich immer noch in der Stadt herum, als neuer Besitzer der Villa Scholl, dem Sitz der Titanen.

Dieser ägyptisch-mythologische Hintergrund könnte etwas mit dem Schicksal des Ägyptologen Prof. Jan Erik Walberg zu tun haben, der Christian anrief und treffen wollte, aber unauffindbar ist: Wurde er entführt? Als Christian mit der Journalistin Tina Müller zu Walbergs Labor fährt, findet er dort zwar eine Botschaft, wird jedoch auch mit dem Tod bedroht: durch eine Flutwelle aus dem nahen Stausee. Hat ihn jemand im Visier? Christian fühlt sich zunehmend verfolgt.

_Handlung_

|PROLOG|. „Ich bin alles, was gewesen ist, was noch ist und was sein wird. Und meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet.“ Was meint die gute Frau wohl, wer sie ist? Vielleicht Isis alias Sibylle Scholl. Der Schleier würde dazu passen.

Bei der Exkursion in die Unterwelt der Scholl-Villa ist Christian in den Besitz einer Sternenkarte gelangt, die er von dem Astronomen Darius Menke analysieren lässt. Menke ist ebenfalls einer der „Nephilim“, so dass ihn dies keinen Pfennig kostet. Menke meint, das Himmelsbild auf der Karte zeige zwei Planeten und den Mond in einer Konstellation, die nur in naher Zukunft stattfinden könne. Und das Wasserzeichen, das ins Kartenpapier eingeprägt ist, zeigt einen Leuchtturm. Ergo muss sich der Punkt, wo sich die Planetenkonjunktion beobachten lässt, an einem Ort mit genau diesem Leuchtturm befinden. Und da alle Leuchttürme der Welt eine individuelle Farbgebung besitzen, ist der Turm schnell identifiziert.

Die Insel, zu der Christian nun fährt, ist nicht nur der frühere „Spielplatz der „Titanen“, sondern scheint auch ein begehrtes Ausflugsziel zu sein. Trotz des aufkommenden Sturms, der Christian einen heftigen Anfall von Seekrankheit beschert, haben sich eine Menge junge Besucher eines Gothic-Rockfestivals mit dem gleichen Schiff, der „Medusa“, auf die Überfahrt begeben. In seinem Halbdelirium meint Christian, seine Jugendfreundin Billie neben einem Mann zu sehen, den er kennt. Sie scheint wie eine Medusa auszusehen.

Er erwacht in einem Rettungsboot im Hafen. Der Sturm ist vorübergezogen, ihm geht es jetzt ein wenig besser. Nachdem er sich in Bruno Schwabs Haus ein wenig frisch machen konnte, schlagen zwei finstere gestalten Christian zusammen und packen ihn in den Kofferraum ihres Autos. Doch am Hafen befreit ihn die allgegenwärtige Tina Müller und verduftet mit unserem Pechvogel. Sie begeben sich mit der Sternkarte zum Leuchtturm, der – welch Glückes Geschick! – zugleich eine Sternwarte beherbergt, die ein Freund von Darius Menke leitet.

Das Ergebnis der neuerlichen Untersuchung: Christian bleiben nur noch vier bis acht Stunden, bis die Himmelskonstellation eintritt. Aber wo ist sie am besten zu beobachten? Auf einer Kultstätte. Nur gibt es auf der Insel hunderte davon. Und Christian braucht genau drei von ihnen, zwei für die Planeten und eine für den Mond. Er macht sich mit Tina getrennt auf die Suche nach diesen Orten.

Gerade als er dachte, er wäre sie los, tritt schon wieder die Kripotante Alexa Voss auf – zumindest auf seinem Handy – und zwei freundliche Polizisten erweisen sich als so anhänglich, dass sie ihn gleich zur Vernehmung mitnehmen. Zum Glück kann er ihnen entkommen und Alexa treffen, aber das geht nur auf dem Rockfestival. Sie verklickert ihm, was er schon sein ganzes Leben „wissen wollte“: Jemand hat die Leiche, die angeblich Jens Walberg sein sollte, aus dem Institut für Rechtsmedizin geklaut.

Na, toll! Doch die Polizisten sind immer noch hinter ihm her, und auf seiner weiteren Flucht gerät Christian auf ein Areal, wo er Tina wiedersieht: eine Kultstätte, auf der gerade ein ziemlich abgefahrenes Ritual abläuft. Auf einem Turm steht ein Thron, auf dem ein Junge sitzt. Und auf diesen Turm klettert nun … Bruno Schwab! Christian traut seinen Augen nicht. Was hat sein Lehrmeister mit dem Jungen vor?

_Mein Eindruck_

Dass ab und zu Rockkonzerte draußen in der Pampa, auf dem flachen Land stattfinden, hat sich inzwischen herumgesprochen, nicht zuletzt durch eine Reihe von Dokumentarfilmen. Insofern verwunderte es mich nicht, dass auf der Insel ein entsprechendes Gothic-Rock-Festival stattfindet. Dass auch der Hersteller dieser CD ein handfestes Interesse daran hat, so viel Musik wie möglich in die Handlung zu packen, erörtere ich im nächsten Abschnitt meiner Rezension. Bei jeder sich bietenden Gelegenheit dröhnt Gothic Rock aus dem Radio, sogar aus dem der Polizei!

Die Handlung hängt sich an den Mystik-Kult an, den Dan Brown mit [„Sakrileg“ 1897 so erfolgreich – über 35 Mio. verkaufte Bücher sprechen eine deutliche Sprache – ausgeschlachtet hat (den Kult selbst gibt es schon über hundert Jahre). Mit einer Sternenkarte eine Kultstätte zu finden, ist zwar nicht einfach, aber wer den entsprechenden Antrieb hat, wie Wagner, der geht durch Dick und Dünn, um zum Ort des mystischen Geschehens zu gelangen. Um was zu finden?, fragt sich der rationale Laie. Antwort: Wieder mal die üblichen Verdächtigen, nämlich Dr. Bruno Schwab und seine Mischpoke von Mystikjüngern.

Die Mystik ist, weil sie so en vogue ist, von den ollen Ägyptern ausgeliehen. Folglich ist die Handlung ebenso wie das Design des Hörbuchs mit Symbolen der ägyptischen Mythologie überlagert, seien es nun Horusaugen oder Ankh-Henkelkreuze. Hauptsache, es mutet irgendwie mystisch an. Dieses mittelalterliche Welt-Bild postuliert wie schon Madame Blavatsky die Interaktion von göttlichen Mächten und menschlichen Aktivitäten, jedoch in völlig ernster Weise. Wie gut würde an dieser Stelle eine Prise Pratchett’schen Humors wie in [„Pyramiden“ 2615 tun! Der würde mit dem ganzen Hokuspokus aufräumen.

Das wichtigste Prinzip einer Serienhandlung lautet: Gib niemals genügend Antworten preis! Der Leser bzw. Hörer muss immer weiter nach mehr hungern. Nach dem Prinzip der Appetithäppchen folgt das zweite Konzept: Es sollten die immer gleichen Figuren des Personals auftreten. Deshalb darf sich der Laie nicht wundern, wenn die Kripotante Alexa Voss weit außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs auftritt, doch der Fachmann wundert sich gewiss. Und was die Journalistin Tina Müller auf der Insel verloren hat, wissen nur die Götter von der Autorenfraktion, denn Tinas Aufgabe ist es, Christian a) zu informieren und/oder b) zu retten und c) zu küssen. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Gemäß Prinzip 1 darf sich der Hörer darauf verlassen, dass er bzw. die Hauptfigur am Schluss der Episode keineswegs alle Antworten bekommen hat, sondern im Gegenteil noch etliche Frage offen sind. Ein guter Grund, sich die nächste Episode zu besorgen.

|Die Inszenierung|

Die Geräuschkulisse des Hörspiels ist nicht allzu realistisch. Man hört nicht jede Tasse klappern, nicht jedes Auto vorbeirauschen. Vielmehr stehen die Kommunikationsmittel im Vordergrund: Handys, Telefone, Türklingeln, fehlen nur noch Türklopfer und Megafone. An der Waterkant schreien natürlich die unvermeidlichen Möwen, und der Wind wehrt hörbar.

Alexander Scheers raue Raucherstimme passt zum Möchtegerndetektiv à la Philip Marlowe, der nur per Zufall zum Kulturwissenschaftler geworden zu sein scheint. Sein Gegenteil, ein Ausbund an Disziplin und Pflichtbewusstsein, bildet die Rolle der Alexa Voss, gesprochen von Anne Moll (zuvor Sandra Speichert). Sie tritt in dieser Episode gleichberechtigt neben der kindlich-eifrigen Tina Müller auf, gesprochen von Anna Thalbach, auf.

|Die Musik|

Spätestens nach einer halben Stunde des Anhörens verhärtet sich im Zuhörer der Verdacht, dass die ganze Handlung eigentlich nur ein Vorwand ist. Nämlich der Vorwand, um möglichst viel deutsche Neo-Gothic-Musik abspielen zu können. Die oben aufgeführte Interpretenliste ist nur die Spitze des Eisbergs dessen, was den Zuhörer erwartet. Es verwundert nicht, dass in die Produktion des Hörspiels Firmen wie |Radar Media|, |STIL| (für die professionelle Soundproduktion) und ein Musikmagazin namens |Sonic Seducer| eingebunden sind.

Letzteres hat sich mit einem Aufkleber auf der Hülle verewigt. |Radar Media| ist im Booklet mit einer ganzen Seite Werbung vertreten: „Schattenreich Vol. 4: Die Kult-Kompilation als 2CD [sic!] und DVD u.a. mit Rammstein, Oomph!, Nightwish […] und unveröffentlichten Schattenreich TV-Sessions [!!] und anderen Specials“. |Radar| hat das Copyright und die Markenreich für „Schattenreich“ inne, folglich war die Firma auch an der Produktion beteiligt. Und da es in ihrem Interesse liegt, die Bands wie |Rammstein|, |Oomph!| usw. zu vermarkten, packte sie natürlich so viel Musik wie möglich auf die Silberscheibe. Jedes Mal eine Disko-Session in die Handlung einzubauen – egal wie -, war daher obligatorisch, und das merkt man auch in Episode 4.

Diese Dinge sollte man wissen, wenn man die Musikeinlagen des Hörspiels bewertet. Plötzlich wird aus der Handlung nicht das Hauptgericht, sondern lediglich die Beilage. Deshalb dröhnt unvermittelt der Leadsong „Follow me“ durch die Boxen, nachdem bereits ein Donnerschlag den Zuhörer aus seiner Bürgerruhe aufgescheucht hat. Es gibt anschließend kaum eine ruhige Minute, in der keine Musik erklingt. Hier hat |Radar Media| ganze Arbeit geleistet. Immerhin ist es nicht mehr ganz so schlimm wie auf den ersten beiden CDs, denn jetzt wird der Hauptfigur mehr musiklose Zeit zum Nachdenken gegönnt.

|Webseite|

Hinweis: Auf http://www.schattenreich.net findet man das Tagebuch einer Figur, um die es immer wieder im Hörspiel geht. Ich tippe als Autorin auf Sibylle Scholl, die angeblich beim Brand ihrer Klinik umgekommene Billie, Christians Geliebte. Das Tagebuch bietet zusätzliche Hintergrundinformationen.

_Unterm Strich_

Die Reihe „Schattenreich“ wendet sich an die gleiche Zielgruppe wie die Musik-CDs, die DVDs und die TV-Produktionen (von denen ich bislang nichts gesehen habe): Gothic-Rock-Freunde, für die Musik nicht nur Unterhaltung, sondern eine Lebenshaltung und eine modische Aussage darstellt. Anstelle von Vampiren und anderem blutigem Gesocks treten aber in „Schattenreich“ nur jede Menge mystisch gestimmte Typen auf, die sich irgendwie zwielichtig aufführen. Ford Prefect würde sagen: „Weitgehend harmlos“.

Die Handlung von „Schattenreich 4“ ist, wie gesagt, so dünn, dass sie auf einen Post-it-Zettel passt. Darüber nachzugrübeln, ist der Mühe nicht wert. Der Plot enthält Elemente einer Serienhandlung, die Anleihen bei „Sakrileg“ und „Offenbarung 23“ sind. Die Story wartet aber mit genügend Rätseln auf, dass der Zuhörer bei der Stange bleibt.

Ansonsten ist zu konstatieren, dass dieser Plot als Vorwand für jede Menge Musik-Marketing dient (Sex fällt diesmal flach). Daran trägt der Produzent |Radar Media| die Verantwortung. Und wenn die Handlung nicht in die Gänge kommt, dann liegt es an willkürlich eingebauten Szenen wie der auf dem Gothic-Rock-Festival, die nur dem musikalischen Antörnen des Publikums dient, aber ansonsten keinen geistigen Nährwert besitzt.

Wie bei allem, was das Studio |STIL| produziert, ist das Produkt hinsichtlich Sound und Optik vom Feinsten. Immerhin erreichen das Studio und der |Lübbe|-Verlag eine neue Zielgruppe, die mit „Offenbarung 23“ nur unzureichend befriedigt wird: die Gothic-Rockfans, die auf Bands wie |Rammstein|, |Oomph!| und |IAMX| stehen. Diesbezüglich kann „Offenbarung 23“ glatt einpacken. Wer die Songs runterladen will, findet auf schattenreich.net den Link dorthin.

|65 Minuten auf 1 CD|
http://www.schattenreich.net/
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name/
http://www.sonic-seducer.de/
http://www.radar-net.de/

Holdstock, Robert – The Horned Warrior (Berserker-Saga 3)

Berserker-Saga:

Band 1: „Odins Wolf“
Band 2: „Die Jägerinnen von Connacht
Band 3: „The Horned Warrior“ (nicht übersetzt)

Der Berserker vs. die Römer: Showdown in Stonehenge

Harald Schmetteraxt, ein junger Norweger, von Odin verflucht, wird zu einem wahnsinnigen Krieger, der Tausenden den Tod bringt. Wenn ihn der Kampfrausch überkommt, treibt er ganze Heere in die Flucht, und nicht einmal seine eigene Familie ist vor ihm sicher. Verzweifelt flieht er vor dem eigenen Schicksal, aber wohin er auch kommt, bringt er Tod und Verderben – er ist ein Berserker.

Nun sucht Harald Erlösung von dem Fluch, doch der Weg führt zurück an den Anfang, in sein Heimatdorf. Dort wird er getötet. Nun erwacht er wieder, denn sein Geist findet keine Ruhe. Nach seinen Abenteuern im Irland und Wales des 5. Jahrhunderts verschlägt ihn eine erneute Seelenwanderung ins erste Jahrhundert: Die Römer haben Britannien unterworfen.

Ganz Britannien? Nein, Mona, die heilige Insel der Druiden, hält den Invasoren noch stand. Und hier erhofft Harald das Geheimnis zu finden, wie er den Fluch Odins abschütteln kann …
Holdstock, Robert – The Horned Warrior (Berserker-Saga 3) weiterlesen

Meirose, Astrid / Pruß, Volker / Bertling, Simon / Sieper, Marc / Ihrens, Oliver – Schattenreich 3: Spur in die Tiefe

_Sex auf dem Billardtisch_

Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt – er war fünf Jahre im Ausland – wird der junge Kulturwissenschaftler Christian Wagner in mysteriöse Todesfälle verwickelt. Als ihn eine unsichtbare Macht ins Schattenreich entführt, enthüllen sich ihm die Nachtseiten der menschlichen Natur. Hinter den Masken bürgerlicher Wohlanständigkeit treibt ein skrupelloses Netzwerk ein größenwahnsinniges Spiel.

Der Äygptologe Prof. Jan Erik Walberg, der Christian anrief und treffen wollte, ist unauffindbar: Wurde er entführt? Oder hat er sich absetzen müssen, weil seine Forschungen an Mumien alle moralischen Grenzen überschritten haben? Ein grausiger Fund, den Christian Wagner in Walbergs Labor macht, lässt Schreckliches erahnen.

In einem unterirdischen Archiv entdeckt Wagner eine alte Inventarliste über die Öffnung eines Pharaonengrabs, signiert mit dem Zeichen der Nephilim, dem Auge des Horus. Wagner erkennt, dass die Vergangenheit die Gegenwart auf grausame Weise einholen wird. Oder ist er selbst Akteur in einem Spiel, welches das Leben nur simuliert?

_Die Autoren_

Als Autoren zeichnen Astrid Meirose und Volker Pruß verantwortlich. Mehr über die Serie findet man unter http://www.schattenreich.net.

Folge 1: Die Nephilim
Folge 2: Finstere Fluten
Folge 3: Spur in die Tiefe
Folge 4: Nachthauch

_Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

Christian Wagner – Alexander Scheer (Schauspieler)
Alexa Voss – Anne Moll (Schauspielerin & Synchronsprecherin)
Dr. Bruno Schwab – Volker Brandt (dt. Stimme von Michael Douglas)
Adrian Bloch – Norman Matt (Cillian Murphy, Drew Fuller in „Charmed“, Riley Smith in „24“)
Geheimnisvolle Frau – Daniela Hoffmann (dt. Stimme von Julia Roberts)
Hagerer, bleichgesichtiger Typ – Dero („Oomph!“)
Tina Müller – Anna Thalbach (Schauspielerin & Synchronsprecherin)
Walther Zürn – Stefan Krause (Billy „Pippin“ Boyd)

sowie

Thomas Schmuckert (J. „Troy“ LaRose in „Saw3“)
Ulrike Stürzbecher (Patricia Arquette, Kate Winslet, Jennifer Aniston)
Markus Krane
Jürgen Wolters
Andrea Sparberg und
Hasso Zorn („Aramaki“ in „Ghost in the Shell: 1 & 2 & Stand Alone Complex“).

Anna Thalbach steht seit ihrem sechsten Lebensjahr vor der Kamera, dabei war der Weg zur Schauspielerei nicht so gerade, wie man es bei der Tochter von Katharina Thalbach annehmen könnte. Sie beginnt nach dem Abschluss der Mittleren Reife zunächst eine Hospitanz als Kostümbildnerin am Schillertheater. Doch der Hang zum Schauspiel überwiegt, und bald schon feiert sie selbst große Bühnenerfolge, so auch an der Seite ihrer Mutter in „Mutter Courage“.

Dero wurde am 16. April 1970 in Wolfsburg geboren. In der Band Oomph!, die 1989 gegründet wurde, ist er der Mann für den Gesang, die Texte, Drums, und Kompositionen. Der Weg zur Musik sah laut eigener Aussage für Dero so aus: „Auf diversen Familienfeiern in den 70ern wurde ich ‚gezwungen‘, mit meinem Vater (Gitarrist, Sänger) alle nur erdenklichen Elvis-Songs in grauenhaftem Englisch rauf und runter zu schmettern.“

|Die Musik:|

Secret Discovery: „Follow Me“
Absurd Minds: „Gedanken-Reich“
Clan of Xymox: „She’s dangerous“
Hatesex: „Hatesex“
L’Âme Immortelle: „Dein Herz“
IAMX: „After every party“
Jesus On Extasy: „Assassinate me“
Flint Glass: „Alhazred“
Predella Avant: „Carbon figures #9“
Das Berliner Filmorchester und Kammerchor

Regisseur Simon Bertling und Tonmeister Christian Hagitte von |STIL| sorgten für die gute Produktion, die Musik und die Sounds; ihnen half Cornelia Schilling. Die Produzenten sind Marc Sieper von |Lübbe Audio| sowie Oliver Ihrens von |Radar Media|, Bochum. Das interessante Booklet-Design stammt von Kai Hoffmann.

_Vorgeschichte_

Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt – er war fünf Jahre im Ausland – wird der junge Kulturwissenschaftler Christian Wagner in mysteriöse Todesfälle verwickelt. Christian ist einer von neun Spezialschülern, den „Titanen“. So nannten sich vor 15 Jahren die Mitglieder einer Gruppe von jungen Hochbegabten, die von der Scholl-Stiftung gefördert und von ihrem Lehrmeister Dr. Volker Brandt ausgebildet wurden. Die Titanen, so Bruno, waren in der antiken Sage die Kinder von Göttern und Menschenfrauen. Die Nephilim hingegen waren die Kinder von Dämonen, die sich mit Menschenfrauen paarten: negative Titanen. Treibt hier jemand ein fieses Spiel mit den letzten Titanen?

Auf der rechten Ferse jeder Leiche findet er das gleiche Tattoo, das er selbst auch trägt: das ägyptische Ankh-Symbol, ein Henkelkreuz, das „Leben“ bedeutet. Es ist kombiniert mit dem „Auge des Horus“, das, wenn geöffnet, einen Schutzzauber darstellt. [Beide Symbole sind auf der CD selbst aufgedruckt.] Ist dieses Horus-Augen-Tattoo jedoch pupillenlos, also blind, dann handelt es sich um einen Nephilim, ein früheres, aber abtrünnig gewordenes Mitglied der „Titanen“.

Da Christian ein Waisenkind ist, das von der Industriellenfamilie Scholl aufgezogen wurde, bildet Brandt seinen Vaterersatz. Bei den Scholls lernte er Sibylle Scholl als seine Schwester kennen und machte sie zu seiner ersten Geliebten. Andrian Bloch, den er nun in seiner Heimatstadt wiedertrifft, war ebenfalls einer der „Titanen“. Die Familie Bloch ist mit den Scholls seit jeher befreundet.

Seit seiner Rückkehr sind bereits zwei der „Titanen“ umgekommen. Beide Leichen weisen eine Tätowierung an der rechten Ferse auf: das blinde Auge des ägyptischen Sonnengottes Horus, das Zeichen der Nephilim, eines Geheimordens. In den Rollenspielen der „Titanen“ war Christian stets der Gott Osiris, Sibylle die Göttin Isis und Adrian der eifersüchtige Gott Seth, der Osiris tötete. Doch wer war Horus, der Sohn des Osiris? Adrian treibt sich immer noch in der Stadt herum, als neuer Besitzer der Villa Scholl, dem Sitz der Titanen.

Dieser ägyptisch-mythologische Hintergrund könnte etwas mit dem Schicksal des Ägyptologen Prof. Jan Erik Walberg zu tun haben, der Christian anrief und treffen wollte, ist unauffindbar: Wurde er entführt? Als Christian mit der Journalistin Tina Müller zu Walbergs Labor fährt, findet er dort zwar eine Botschaft, wird dort jedoch auch mit dem Tod bedroht: durch eine Flutwelle aus dem nahen Stausee. Hat ihn jemand im Visier? Christian fühlt sich zunehmend verfolgt.

_Handlung_

PROLOG. „Ich bin alles, was gewesen ist, was noch ist und was sein wird. Und meinen Schleier hat noch kein Sterblicher gelüftet.“ Was meint die gute Frau wohl, wer sie ist? Vielleicht Isis alias Sibylle Scholl.

Beim Spaziergehen im winterlichen Wald stößt Christian auf Tina Müller, deren Hund Adenauer ihn fast anfällt. Sie verrät ihm, dass sie jetzt für Adrian Bloch arbeitet. Den will er ja sowieso treffen. Aber auch Kriminalkommissarin Alexa Voss will ihn wegen der Leichen sprechen. Im Café Palm soll er sie treffen. Als ihm schlecht wird, geht er aufs WC, wo ihn eine seiner Ohnmachten erwischt.

Als er dort wieder erwacht, hört er eine Frau keuchen – und einen Mann stöhnen. Als Christian durch eine Ritze linst, entdeckt er Alexa und Adrian, die es miteinander treiben. Auf einem Billardtisch. Christian wundert sich: Alexa, seine Ex, sorgt sich um ihn als einen „armen Irren“, und Adrian, sein Widersacher, behauptet, er liebe Christian wie „seinen Bruder“. Wer verarscht hier eigentlich wen? Christian verdünnisiert sich.

Als Alexa danach im Lokal auftaucht, behauptet sie, Prof. Walberg sei tot. Noch mehr Lügen, denkt Christian. Er bekommt schon wieder eine SMS mit einem FAUST-Zitat: „Staub soll er fressen und mit Lust, wie meine Muhme, die berühmte Schlange“. Danach widerruft Alexa gleich wieder: Nur das BKA wolle, dass die gefundene Leiche Walberg ist, aber er sei es nicht.

Auf dem Weg zu Adrian, der in der alten Scholl-Villa auf ihn wartet, muss Christian Bruno Schwab mitnehmen, der sich verfolgt fühlt. Als Christian endlich bei Adrian ankommt, nimmt ihn Walther Zürn in Empfang, dem Christian nicht traut. Er hat sich in den Zirkel der „Titanen“ gedrängt und war in einer psychiatrischen Klinik: einer der Nephilim, wie ihn die abtrünnigen „Titanen“ genannt werden. Adrian bietet Christian die Leitung der Scholl-Stiftung an. Es ist keine Bitte, sondern eine Drohung: Christian könnte sonst die Leibrente der Stiftung verlieren, die ihm ein sorgenfreies Leben ermöglicht.

Als Adrian wieder mal weg muss, geleitet Walther Christian in den großen Ballsaal der Villa, der sonst immer verschlossen war. Aber Walther hat alle Schlüssel und lässt ihn ein. Im Licht besonderer Beleuchtung entdeckt Christian die Felder eines ägyptischen Senet-Spiels. Durch den Druck auf eines der Felder lässt sich eine Hebebühne betätigen, durch Christian eine Etage tiefer fällt.

Dort unten ist es stockfinster, aber er findet seine Taschenlampe wieder. Der Schein der Lampe fällt auf drei vergoldete Holzschreine und einen Bilderrahmen. Er nimmt eine Sternenkarte mit und zwängt sich hinter dem Rahmen in einen Schacht, der bis zu einem Gitter führt. Dahinter liegt eine Art Computerraum oder Internetcafé. Auf einem der Bildschirm läuft eine Simulation des „Titanen“-Rollenspiels ab: Osiris, Isis und Seth. Christian kommt sich vor wie in der „Matrix“. Wo ist er nur hineingeraten?

_Mein Eindruck_

Diese Episode bereitet den Übergang vom bisherigen Schauplatz, Christian Wagners namenloser Heimatstadt, zu anderen Schauplätzen wie etwa einer Nordseeinsel vor. Außerdem erhält die Hauptfigur mit der Sternenkarte (die keine Sterne, sondern nur Planeten zeigt) einen wichtigen Schlüssel zu den mystischen Vorgängen, in die sein Mentor Bruno Schwab verwickelt ist.

|Mystik|

Die Handlung hängt sich an den Mystik-Kult an, den Dan Brown mit [„Sakrileg“ 1897 so erfolgreich – über 35 Mio. verkaufte Bücher sprechen eine deutliche Sprache – ausgeschlachtet hat (den Kult selbst gibt es schon über hundert Jahre). Mit der frisch gefundenen Sternenkarte eine Kultstätte zu finden, ist zwar nicht einfach, aber Wagner geht durch Dick und Dünn, um zum Ort des mystischen Geschehens zu gelangen. Um was zu finden, fragt sich der rationale Laie. Antwort: Wieder mal die üblichen Verdächtigen, nämlich Dr. Bruno Schwab und seine Mischpoke von Mystikjüngern.

|Ägypter|

Die Mystik ist, weil sie so modisch en vogue ist, von den ollen Ägyptern ausgeliehen. Folglich ist die Handlung ebenso wie das Design des Hörbuchs mit Symbolen der ägyptischen Mythologie überlagert, seien es nun Horusaugen oder Ankh-Henkelkreuze. Hauptsache, es mutet irgendwie mystisch an. Diese mittelalterliche Welt-Bild postuliert wie schon Madame Blavatsky die Interaktion von göttlichen Mächten und menschlichen Aktivitäten, jedoch in völlig ernster Weise. Wie gut würde an dieser Stelle eine Prise Pratchett’schen Humors wie in [„Pyramiden“ 2615 tun! Der würde mit dem ganzen Hokuspokus aufräumen.

|Das Prinzip Unklarheit|

Das wichtigste Prinzip einer Serienhandlung lautet: Gib niemals genügend Antworten preis! Der Leser bzw. Hörer muss immer weiter nach mehr hungern. Nach dem Prinzip der Appetithäppchen folgt das zweite Konzept: Es sollten die immer gleichen Figuren des Personals auftreten. Deshalb darf sich der Laie nicht wundern, wenn die Kripotante Alexa Voss weit außerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs auftritt, doch der Fachmann wundert sich gewiss. Und was die Journalistin Tina Müller in der Handlung verloren hat, wissen nur die Götter von der Autorenfraktion, denn Tinas Aufgabe ist es, Christian a) zu informieren und/oder b) zu retten und c) zu küssen. Nicht unbedingt in dieser Reihenfolge.

Gemäß Prinzip 1 darf sich der Hörer darauf verlassen, dass er bzw. die Hauptfigur am Schluss der Episode keineswegs alle Antworten bekommen hat, sondern im Gegenteil noch etliche Frage offen sind. Ein guter Grund, sich die nächste Episode zu besorgen.

|Cyberspace & Matrix|

Ein interessante Komponente ist das geheime Internetcafé im Keller der Villa Scholl. Hier wird der Cyberspace von „The Matrix“ ins alte Ägypten verlegt, komplett mit dem Dreigestirn Osiris, Isis und Seth, die über das Schicksal von Osiris‘ Sohn Horus entscheiden. Da Christian Wagner es seit den Tagen der „Titanen“ gewohnt ist, in alten mythologischen Symbolen zu denken, verbindet er dieses Cyberspace-Game mit seinem eigenen Schicksal: Er sieht sich als Horus. Und da er den Hörer in diesem Drama vertritt, fragt sich der Hörer (hoffentlich bang), was ihm wohl als nächstes zustoßen wird.

|Nephilim|

Die bedeutendste logische Schwäche betrifft wohl das nebulöse Konzept der Nephilim. Es soll sich um abtrünnige „Titanen“ handeln, doch sie scheinen nie so entschlossen gegen die „Titanen“ und Wagner vorzugehen, wie dies ihre religiöse Ideologie verlangen würde. Stattdessen spielen sie sozusagen den Buhmann, treten in schicken schwarzen Kutten auf und jagen ganz allgemein Angst ein, ohne aber einer Fliege etwas zuleide zu tun. Man darf zwar nicht übersehen, dass in Episode 1 und 2 drei Leichen auftauchten, doch wer hat sie auf dem Gewissen? Bis diese Frage geklärt ist, dürften noch weitere Episoden vergehen.

|Die Inszenierung|

Die Geräuschkulisse des Hörspiels ist nicht allzu realistisch. Man hört nicht jede Tasse klappern, nicht jedes Auto vorbeirauschen. Vielmehr stehen die Kommunikationsmittel im Vordergrund: Handys, Telefone, Türklingeln, fehlen nur noch Türklopfer und Megafone. Im Wald schreien die Krähen, ein Hund bellt und knurrt, und über allem liegt ein melodisches Pfeifen.

Alexander Scheers raue Raucherstimme passt zum Möchtegerndetektiv à la Philip Marlowe, der nur per Zufall zum Kulturwissenschaftler geworden zu sein scheint. Sein Gegenteil, ein Ausbund an Disziplin und Pflichtbewusstsein, bildet die Rolle der Alexa Voss, gesprochen von Anne Moll (zuvor Sandra Speichert). Sie tritt in dieser Episode gleichberechtigt neben der kindlich-eifrigen Tina Müller, gesprochen von Anna Thalbach, auf, vor allem als Geliebte von Adrian Bloch.

|Die Musik|

Spätestens nach einer halben Stunde des Anhörens verhärtet sich im Zuhörer der Verdacht, dass die ganze Handlung eigentlich nur ein Vorwand ist. Nämlich der Vorwand, um möglichst viel deutsche Neo-Gothic-Musik abspielen zu können. Die oben aufgeführte Interpretenliste ist nur die Spitze des Eisbergs dessen, was den Zuhörer erwartet. Es verwundert nicht, dass in die Produktion des Hörspiels Firmen wie |Radar Media|, |STIL| (für die professionelle Soundproduktion) und ein Musikmagazin namens |Sonic Seducer| eingebunden sind.

Letzteres hat sich mit einem Aufkleber auf der Hülle verewigt. |Radar Media| ist im Booklet mit einer ganzen Seite Werbung vertreten: „Schattenreich Vol. 4: Die Kult-Kompilation als 2CD [sic!] und DVD u. a. mit Rammstein, Oomph!, Nightwish […] und unveröffentlichten Schattenreich TV-Sessions [!!] und anderen Specials“. |Radar| hat das Copyright und die Markenrechte für „Schattenreich“ inne, folglich war die Firma auch an der Produktion beteiligt. Und da es in ihrem Interesse liegt, die Bands wie Rammstein, Oomph! usw. zu vermarkten, packte sie natürlich so viel Musik wie möglich auf die Silberscheibe. Jedes Mal eine Disko-Session in die Handlung einzubauen – egal wie -, war daher obligatorisch, und das merkt man auch in Episode 4.

Diese Dinge sollte man wissen, wenn man die Musikeinlagen des Hörspiels bewertet. Plötzlich wird aus der Handlung nicht das Hauptgericht, sondern lediglich die Beilage. Deshalb dröhnt unvermittelt der Leadsong „Follow me“ durch die Boxen, nachdem bereits ein Donnerschlag den Zuhörer aus seiner Bürgerruhe aufgescheucht hat. Es gibt anschließend kaum eine ruhige Minute, in der keine Musik erklingt. Hier hat |Radar Media| ganze Arbeit geleistet. Immerhin ist es nicht mehr ganz so schlimm wie auf den ersten beiden CDs, denn jetzt wird der Hauptfigur mehr musiklose Zeit zum Nachdenken gegönnt.

|Webseite|

Hinweis: Auf http://www.schattenreich.net findet man das Tagebuch einer Figur, um die es immer wieder im Hörspiel geht. Ich tippe als Autorin auf Sibylle Scholl, die angeblich beim Brand ihrer Klinik umgekommene Billie, Christians Geliebte. Das Tagebuch bietet zusätzliche Hintergrundinformationen.

_Unterm Strich_

Die Handlung von „Schattenreich 3“ ist, wie gesagt, so dünn, dass sie auf einen Post-it-Zettel passt. Darüber nachzugrübeln, ist der Mühe nicht wert. Der Plot enthält Elemente einer Serienhandlung, die Anleihen bei „Sakrileg“ und „Offenbarung 23“ sind. Die Story wartet aber mit genügend Rätseln auf, dass der Zuhörer bei der Stange bleibt. Ansonsten ist zu konstatieren, dass dieser Plot als Vorwand für a) Sex auf dem Billardtisch und b) jede Menge Musik-Marketing dient. Dafür trägt der Produzent |Radar Media| die Verantwortung. Und wenn die Handlung nicht in die Gänge kommt, dann liegt es an willkürlich eingebauten Szenen wie der Sexszene im Keller des Café Palm, die nur dem Aufgeilen des Publikums dient, aber ansonsten keinen geistigen Nährwert besitzt.

Wie bei allem, was das Studio |STIL| produziert, ist das Produkt hinsichtlich Sound und Optik vom Feinsten. Immerhin erreichen das Studio und der |Lübbe|-Verlag eine neue Zielgruppe, die mit „Offenbarung 23“ nur unzureichend befriedigt wird: die Gothic-Rock-Fans, die auf Bands wie |Rammstein|, |Oomph!| und |IAMX| stehen. Diesbezüglich kann „Offenbarung 23“ glatt einpacken. Wer die Songs runterladen will, findet auf www.schattenreich.net den Link dorthin.

|68 Minuten auf 1 CD|
http://www.schattenreich.net/
http://www.luebbe-audio.de
http://www.stil.name/
http://www.sonic-seducer.de/
http://www.radar-net.de/