Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Parker, Robert B. – Bitteres Ende. Ein Auftrag für Spenser

Der Detektiv gegen die wirklich Reichen

Ein Klopfen an Spensers Bürotür kann nur eines bedeuten: ein neuer Fall für den lakonischen Privatdetektiv. Dieses Mal sucht die Rechtsanwältin Elizabeth Shaw seine Hilfe. Vier Mandantinnen – bildhübsch und unverschämt reich – teilen ein Geheimnis: Sie alle hatten eine Affäre mit Gary Eisenhower, der sie nun damit erpresst. Spenser soll ihn davon abbringen – wenn nötig mit Gewalt. Als allerdings die erste Leiche auftaucht, geht es nicht mehr nur um außereheliche Affären, sondern um Mord.

Zusammen mit seiner cleveren Lebensgefährtin Susan Silverman und dem taffen Hawk ermittelt er auf gewohnt unkonventionelle Weise. Dabei stößt er auf Ungereimtheiten und stellt fest, dass Schuld und Unschuld manchmal doch enger zusammenhängen als gedacht. (Verlagsinfo)

Dies ist der 37. Auftrag des engagierten Privatdetektivs.

Der Autor

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zu seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 60 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Die Spenser-Reihe (bei Pendragon):

1) Trügerisches Bild
2) Die blonde Witwe
3) Der stille Schüler
4) Bitteres Ende
5) Hundert Dollar Baby
6) Der gute Terrorist
7) Alte Wunden

Kein Spenser-Krimi, aber dennoch ungemein spannend: „Wildnis“ (2012)

Handlung

Über eine Anwältin wenden sich vier junge Gattinnen von reichen Männern an Spenser. Die Angelegenheit ist äußerst delikat und erfordert höchste Diskretion. Sollte auch nur ein Sterbenswörtchen davon an die Öffentlichkeit dringen, wären die Karrieren der Gatten der Damen gefährdet, und sie selbst stehen natürlich für eine Zeugenaussage oder Anzeige bei der Polizei nicht zur Verfügung. Kompliziert, gibt Spenser zu.

Um was geht es überhaupt, fragt er die vier Grazien. Sie haben alle mit dem gleichen Liebhaber geschlafen, einem überaus gutaussehenden Kerl, der sich Gary Eisenhower nennt. Zunächst ohne Bezahlung, doch kürzlich habe er angefangen, sie alle zu erpressen. Mit Ton- und Videoaufzeichnungen, die er veröffentlichen oder an die Gatten schicken könnte. Seine Geldforderung ist nicht von Pappe: 25.000 Dollar pro Monat. Nicht viel für wirklich Reiche, aber wenn die Dame nicht selbst darüber verfügen kann, dann wird das zum Problem – der Gatte darf ja nichts merken.

Also muss der amouröse Erpresser gestoppt werden. Soll Spenser ihm gut zureden, ihn zusammenschlagen oder gar töten? Die Damen scheinen wenig von den Gesetzen zu halten und würden auch Mord in Kauf nehmen. Bevor es dazu kommt, will Spenser den Erpresser selbst unter die Lupe nehmen. Da er weder korrekte Telefonnummer noch eine Adresse des Erpressers hat, schreibt er sich im Fitness-Club ein, den alle Damen frequentierten. Bingo, wenige Wochen später taucht ein passender Typ auf.

Eisenhower nennt sich auch E. Herzog und lebt in einem Wohnblock, zu dem er ihm leicht folgen kann, nachdem Eisenhower ihn, Spenser, beschatten wollte. Und Eisenhower hat in keiner Weise die Absicht, mit seinem Treiben aufzuhören. Warum auch? Es läuft alles wie geschmiert und keiner kann ihm am Zeug flicken. Aber Spenser bekommt Besuch von einem Schläger namens Boo und einem Mietkiller namens Zel: Sie wollen wissen, was Spenser wegen Beth Jackson neugierig gemacht hat, der Frau ihres Auftraggebers Chet Jackson. Spenser kann sie von seinen lauteren Absichten überzeugen.

Chet Jackson ist nicht überrascht darüber, dass seine Frau fremdgeht. Anderseits kann er sie auch nicht davon abhalten, ohne die Ehe zu gefährden. Und an die Polizei will er sich auch nicht wenden, denn offenbar sind seine Geschäfte weit jenseits von „koscher“. Das zwingt Spenser dazu, eine härtere Gangart einzuschlagen: Er bittet den Gangsterboss Tony Marcus um einen Gefallen …

Mein Eindruck

In seinen letzten Spenser-Krimis vor seinem Tod im Januar 2010 beschäftigte sich der Autor verstärkt mit Verbrechen, die auf Abweichungen vom „normalen“ Verhalten basieren – er selbst würde solche Festlegungen niemals treffen. Nicht zufällig sind diese Abweichungen Auswüchse des modernen Lebens seit dem 20. Jahrhundert.

Auf der einen Seite leben junge Frauen an der Seite von älteren oder gar schwulen Männern, verschaffen sich aber geduldete sexuelle Vergnügungen in den Armen eines Gigolos wie „Gary Eisenhower“. Diese Frauen sind keineswegs zu bedauern oder gar zu bemitleiden. Sie verwöhnen ihren Lover auch gerne mit Zuwendungen, jedenfalls solange er sie nicht erpresst.

Der Gigolo wiederum findet überhaupt nichts dabei, die Früchte von den Bäumen anderer Leute zu pflücken. Er würde es nicht mal Mundraub nennen, sondern er nimmt lediglich das, was sich ihm in Hülle und Fülle darbietet, ohne auch nur über Gefühle und dergleichen nachzudenken. Gary Eisenhower ist rund um die Uhr beschäftigt, wie Spenser durch Observation feststellen kann. Estelle, eine Trainerin im Fitness Clubs, treibt ihm die „Klientinnen“ sozusagen zu, und das schon zehn Jahre lang: eine lukrative Partnerschaft, um die reichen Schnepfen auszunehmen.

Selbst noch dann, als Spenser den hoffnungslosen Fall längst abgegeben hat, verfolgt er das Schicksal von Eisenhower, Estelle und Beth Jackson. Es ist sein absurd wirkender Versuch, eine unkorrigierbare Sache zu korrigieren, mit unzulänglichen Mitteln. Denn er ist weder Papst noch Präsident, weder Polizist noch Richter. Erst als die Leichen auftauchen, kann er auf die Unterstützung der Cops rechnen, besonders auf Quirk, den Leiter der Mordkommission.

„The totally rich“

Was ihm am meisten zu schaffen macht, ist die Verlogenheit und Heuchelei der reichen Klasse. Die erpressten Damen und Gatten wollen keinesfalls Öffentlichkeit, weil sie die Bloßstellung fürchten. Dabei gibt es einen positiven Fall, wie gerade durch die Öffentlichmachung von Eisenhowers Treiben das Verbrechen beendet und das Opfer aus seinen Klauen befreit werden konnte: Die Rektorin eines kleinen Colleges tat dies selbst. Spenser und seine Freundin Susan Silverman sind von Clarise Richardson immens beeindruckt. Sie nahm das Ende ihrer Karriere und die öffentliche Ächtung in Kauf, um sich selbst zu befreien und ihre Ehe zu retten.

Doch solches Vorgehen kommt für Beth Jackson, die Millionenerbin, nicht in Frage. Sie hat als echte Goldgräberin Erfolg auf der ganzen Linie: das Geld ihres Gatten, die Freiheit der Witwe (obwohl sie natürlich Trauer heuchelt) und noch dazu den Spaß im Bett ihres Lovers Eisenhower. Könnte es besser laufen? Und doch wird ihr genau dies zum Verhängnis, denn sie hat nicht damit gerechnet, dass sie jemand einen Gefallen für die Drecksarbeit schuldet, die er für sie erledigt hat. Gefühllosigkeit und Verantwortungslosigkeit werden der „treulosen Tomate“ zum Verhängnis …

Unterm Strich

„Bitteres Ende“ ist einer der ersten Parker-Krimis, die ich nicht in einem Sitz durchlesen konnte. Die Handlung, ausgebreitet über fast ein halbes Jahr, zieht sich nicht nur in die Länge, sondern dreht sich auch – zunächst jedenfalls – um ein fast vernachlässigbares Verbrechen: das Erpressen untreuer Ehefrauen. Eine fast schon absurde Szene ist jene in Chet Jacksons Büro, als ein Gangsterboss von Jackson verlangt, die Untreue seiner Ehefrau zu beenden, wolle er weiterhin im Geschäft bleiben.

Hat sich Spenser jetzt selbst zum Moralapostel ernannt, fragte ich mich. Doch dann tauchen doch noch diverse Leichen auf, und Spenser erledigt seine Arbeit: Er schnüffelt in der Vergangenheit von Beth Jackson nach. Sie kommt aus einem Kaff im Nirgendwo, wie so viele der Schauspielerinnen in den Spenser-Krimis – mehr Schein als Sein, gewissenlos, aber zielbewusst. Es ist im Grunde nur eine Frage der Zeit, weiß der Spenser-Kenner, bis ihr diese Skrupellosigkeit das Genick brechen wird. Nicht immer obsiegt die Gerechtigkeit in den Krimis, allenfalls der poetischen Gerechtigkeit wird Genüge getan.

Insgesamt also nicht der flotteste Spenser-Krimi, aber ein reifes Alterswerk. Dennoch ragt selbst ein mittelguter Parker immer noch weit über die Masse der Krimiliteratur weltweit hinaus.

Taschenbuch: 224 Seiten
Originaltitel: The Professional
ISBN-13: 9783865322586
http://www.pendragon.de

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) „Night Passage“
2) „Trouble in Paradise“
3) „Death in Paradise“
4) „Stone Cold“
5) „Sea Change“
6) „High Profile“
7) „Stranger in Paradise“
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Die „Spenser“-Reihe:

01 „The Godwulf Manuscript“
02 „God Save The Child“
03 „Mortal Stakes“
04 „Promised Land“
05 „The Judas Goat“
06 „Looking for Rachel Wallace“
07 „Early Autumn“
08 „A Savage Place“
09 „Ceremony“
10 „The Widening Gyre“
11 „Valediction“
12 „A Catskill Eagle“
13 „Taming a Sea-Horse“
14 „Pale Kings and Princes“
15 „Crismon Joy“
16 „Playmates“
17 „Stardust“
18 „Pastime“
19 „Double Deuce“
20 „Paper Doll“
21 „Walking Shadow“
22 „Thin Air“
24 „Small Vices“
25 „Sudden Mischief“
26 „Hush Money“
27 „Hugger Mugger“
28 „Potshot“
29 „Widow’s Walk“
30 „Back Story“
31 „Bad Business“
32 „Cold Service“
34 „Hundred Dollar Baby“
35 „Now and Then“
36 „Rough Weather“
37 „Chasing the Bear“
38 „The Professional“
39 „Painted Ladies“
40 „Sixkill“

Gruppe, Marc – Sherlock Holmes – Spurlos verschwunden (Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs 6) (Hörspiel)

_|Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs|:_

Folge 1: [„Im Schatten des Rippers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7494
Folge 2: [„Spuk im Pfarrhaus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7519
Folge 3: [„Das entwendete Fallbeil“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7519
Folge 4: [„Der Engel von Hampstead“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8036
Folge 5: [„Die Affenfrau“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8035
Folge 6: _“Spurlos verschwunden“_

_Gestatten, Mr und Mrs Watson: Im Clinch mit der Engelmacherin_

Immer wieder verschwinden gegen Bezahlung in Pflege gegebene uneheliche Kinder spurlos. Als ein solcher Schicksalsschlag das nähere Umfeld der Bewohner der Baker Street 221b trifft, zögern Holmes und Watson nicht, in der besorgniserregenden Sache tätig zu werden. Dafür muss sich allerdings die treue Seele Mrs Hudson als Watsons Gattin ausgeben … (Erweiterte Verlagsinfo)

Diese Fälle dieser neuen Holmes-Reihe wurden nicht von Sir Arthur Conan Doyle geschrieben, sondern alle von Marc Gruppe. Sie basieren natürlich auf den originalen Figuren, die mittlerweile Allgemeingut geworden sind.

_Der Autor_

Marc Gruppe ist der Autor, Produzent und Regisseur der erfolgreichen Hörspielreihe GRUSELKABINETT, die von Titania Medien produziert und von Lübbe Audio vertrieben wird. Genau wird dort erscheinen auch „Die geheimen Fälle des Meisterdetektivs“ meist im Doppelpack.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Rollen und ihre Sprecher|

Sherlock Holmes: Joachim Tennstedt (dt. Stimme von John Malkovich)
Dr. John H. Watson: Detlef Bierstedt (dt. Stimme von George Clooney u. a.)
Mrs. Hudson: Regina Lemnitz (dt. Stimme von Kathy Bates)
Fanny Ross: Anna Grisebach
Amelia Dyer: Sonja Deutsch
Polly Dyer: Reinhilt Schneider
Granny Smith: Jessy Rameik
Zeitungsjunge: Henri Färber
Margery Mapleton: Philine Peters-Arnolds

Regie führten die Produzenten Marc Gruppe und Stephan Bosenius. Die Aufnahmen fanden in den Planet Earth Studios und im Titania Medien Studio statt. Alle Illustrationen – im Booklet, auf der CD – trug Firuz Askin bei.

_Handlung_

Margery Mapleton, die Cousine von Mrs. Martha Hudson, wendet sich hinter deren Rücken direkt an Sherlock Holmes und Dr. Watson – ein unerhörter Vorgang, der nicht unregistriert bleibt. Während sich Watson noch darüber echauffiert, ist Holmes viel mehr an dem interessiert, was Margery will.

Ihre junge Großkusine Fanny Ross habe ihr Baby an eine Engelmacherin verloren. Das heißt, sie gab es dieser Amelia Dyer eigentlich in Pflege, damit diese das uneheliche Kind liebevoll aufzog. Dafür zahlte sie ihr eine erhebliche Summe, denn Fanny ist lediglich eine arme Gouvernante. Doch als sie das Baby zurückhaben wollte, präsentierte ihr die Dyer ein ganz anderes Baby – bevor sie völlig verschwand. Holmes ist zu Watsons Verblüffung sofort interessiert und lässt Fanny Ross zu sich bitten. Mrs Hudson ist schockiert: eine moralisch höchst anrüchige Sache, um die sich Holmes da kümmert.

Fanny Ross erzählt in groben Zügen die gleiche Geschichte wie ihre Großtante, doch sie geht in alle Details und liefert eine genaue Beschreibung der drei Frauen, mit denen sie in Reading zu tun gehabt hat: Amelia Dyer, etwa 50 Jahre alt, deren Tochter Polly, etwa 30, und Granny Smith, um die 60 Jahre. Alle drei knöpften Fanny erst ein halbes Jahresgehalt ab, bevor sie mit ihrem Baby spurlos verschwanden. Holmes ahnt, dass der kleine Jeremy, dessen junger Vater nach Indien verbannt wurde, längst nicht das einzige Kind ist, dem dieses Schicksal widerfahren ist. Es soll sogar Baby-Farmen und Menschenhandel geben, hat er gehört. Watson und Ross schaudert es bei dieser Vorstellung.

Doch wie lässt sich die Dyer finden, fragt ihn Watson. Ganz einfach: Die Dyer werde zu ihnen kommen, und zwar wegen eines Köders, den er, Holmes, auswerfen werde. Doch dafür muss sich Watson eine Gattin zulegen und zusammen mit dieser ein Kleinkind zur Adoption freigeben. Watson stutzt. Und wer bitteschön soll diese Gattin sein? Wer wäre dafür besser geeignet als die treueste Seele von Baker Street 221b, nämlich Mrs. Hudson?

Alles klappt, wie Holmes es geplant hat. Doch die Spur, die in eines der finstersten Viertel von Reading führt, hält für die beiden Schnüffler noch einige Schrecken bereit …

_Mein Eindruck_

Was ist nur in Holmes gefahren, fragt sich Watson besorgt – und wir mit ihm. Ist der Meisterdetektiv, der fürstliche Honorare einstreicht, unter die Samariter gegangen? Doch seine Ambitionen sind noch weitaus höher, wie sich nach dem dramatischen Ausgang dieses Abenteuers herausstellt: Holmes ändert die Gesetzgebung.

Der Grund für Fanny Ross‘ missliche Lage ist nämlich ein Gesetz aus dem Jahr 1834, das uneheliche Väter davon entbindet, Unterhaltszahlungen an die uneheliche Mutter zu zahlen. Verfügt diese über keine Mittel, das Kind zu ernähren, so bleibt ihr nichts anderes übrig, als es in Pflege und zur Adoption freizugeben. Denn auf Kindesmord steht bekanntlich die Todesstrafe. Dennoch sterben verdächtig viele uneheliche Kinder per „Unfall“ schon bei oder kurz nach der Geburt.

|Die Industrie|

Eine grauenerregende Industrie, so Holmes, habe sich aus dieser Situation ergeben: Sogenannte „Engelmacherinnen“, die, wenn sie keine verbotene Abtreibung vornehmen, die kleinen Bälger erst abkaufen und dann um die Ecke bringen; Baby-Farmen, in denen uneheliche Kinder unter erbärmlichsten Bedingungen aufgezogen werden, scheußlicher, als sich das Charles Dickens je hätte ausmalen können. Menschenhandel sollte mit einem Gesetz von 1871 unterbinden, indem es Pflegeelternschaft meldepflichtig machte, doch kaum jemand beeilt sich mit dem Melden. Holmes ist finster entschlossen, diesen sozialen Sumpf trockenzulegen. Die Missstände haben sich seit der Freigabe der Abtreibung in westlichen Ländern gebessert, doch woanders sieht man noch mittelalterliche Zustände, die stets zu Lasten der betroffenen Frauen gehen.

In Szenen, die zunehmend spannender werden, folgt das dynamische Duo den beiden Dyers in deren Hauptquartier. Dort werden sie Zeugen des Horrors und einer frevlerischen Tat. Amelia Dyer ist zudem opiumsüchtig und zu jeder Schandtat fähig. Sie müssen sich beeilen, wollen sie noch Schlimmeres verhindern. Doch wo ist der kleine Jeremy? Kommen sie noch rechtzeitig?

|Das Motiv|

Ob Holmes ein persönliches Motiv hat, das sich aus seiner eigenen Familiengeschichte ergibt, ist schwer zu sagen. Im KANON der von Conan Doyle geschriebenen Geschichten werden weder Holmes‘ Vater noch Mutter benannt. In den PASTICHES hat sich aber ein sekundärer Kanon eingebürgert, in dem Violet Sherrinford seine Mutter ist und Siger Holmes sein Vater. Dieser hat sich also nicht vom Acker gemacht, und weder Sherlock noch sein Bruder Mycroft sind uneheliche Söhne. Siehe dazu die Seite http://de.sherlockholmes.wikia.com/wiki/Sherlock__Holmes%27__Familie.

Was Holmes‘ Motiv angeht, können wir ihm nur edelste menschliche Vorsätze, Regungen und Ziele unterstellen. Feststeht, dass er seine Haltung gegenüber Watson beredt zu begründen versteht. Watson kann ihm darin als Mediziner, der per Hippokrates-Eid am menschlichen Wohl und Leben interessiert ist, nur beipflichten.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Hauptfigur ist natürlich der Titelgeber himself. Joachim Tennstedt verleiht Sherlock Holmes eine flexible Janusköpfigkeit. Die erste Seite bekommen wir zu sehen, wenn Holmes recht abweisend zu Mrs. Hudson, der treuen Seele des Haushalts, ist. Das hält sie aber nicht davon ab, die Vorhänge aufzureißen und frische Luft in die Detektivsgruft zu lassen.

Die andere Seite Holmes‘ ist die des energischen Ermittlers, der sich auch verkleidet. Die Dritte ist die des freundlichen Verführers und Gentlemans – sie bekommen wir erst in späteren Folgen zu Gesicht, insbesondere im Tussaud-Fall. Wie bei John Malkovich können wir uns auf einen Facettenreichtum an Darstellungsformen freuen.

|Dr. Watson|

Die Figur des Dr. Watson ist in vielen Verfilmungen misrepräsentiert worden. Neben Basil Rathbone und Peter Cushing musste er den vertrottelten Stichwortgeber mimen. Er war der selbstgefällige Körper neben dem rastlosen, aber kranken Geist des Detektivs. Nicht so in dieser neuen Serie.

Detlef Bierstedts Stimme ist uns von George Clooney vertraut, daher kann er mit einer gewissen geliehenen Autorität auftreten, ganz besonders in allen medizinischen Belangen. Dennoch kommt er häufig über die Rolle des Stichwortgebers nicht hinaus. Holmes hat stets die Initiative. In Folge 3 wird Watson sogar als Aktenträger missbraucht. Doch auch er verfügt über einen Revolver und die Kenntnisse, diesen zu gebrauchen, besonders aus seiner Zeit in Afghanistan.

|Mrs. Hudson|

Regina Lemnitz als Mrs. Hudson zeigt sich stets hilfreich, mal energisch, mal als fühlende Seele, etwa bei ihrem Besuch im Wachsfigurenkabinett (Folge 2), bei dem sie unverhofft von Sherlock Holmes überrascht wird. Außerdem ist sie das moralische Zentrum jeder Folge. Alles, was Holmes & Watson tun, müssen sie nicht nur gegenüber Inspektor Abberline rechtfertigen, sondern vor allem vor ihrer Haushälterin. Sie würde sie sonst hochkant hinauswerfen. Regina Lemnitz als Mrs Hudson dürfte man für eine ganze Weile nicht so verblüfft hören wie bei Holmes‘ Ansinnen, sie zur „Mrs. Watson“ zu machen..

Während die jungen Damen ihrer hilfesuchenden Rolle vollständig gerecht werden, bleibt vor allem die Figur der Amelia Dyer in Erinnerung. Sie ist ein wahres Chamäleon. Gegenüber Fanny Ross gibt sie sich als Fürsorglichkeit in Person, die sich um den kleinen Säugling liebevoll kümmern werde. Bei der Vertragsunterzeichnung erweist sie sich als harte Geschäftemacherin. Doch sie hat eine wesentlich dunklere Seite, die mit ihrem exzessiven Opiumgenuss zu tun hat. Und wenn sie die kleinen Säuglinge anschreit, weiß man, dass man es mit einem Ungeheuer zu tun hat.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut. Statt der aus dem GRUSELKABINETT vertrauten Andeutungen setzt diese Reihe mitunter auf gewisse Splattereffekte. Nicht so hier. Die Atmosphäre in Baker Street 221b ist sehr heimelig und gemütlich. Holmes schmaucht hörbar Pfeife, alle trinken Tee, nur ab und zu ist Straßenlärm zu hören. Einen krassen Kontrast dazu bietet Dyers Haus in Reading, in dem Babygeschrei gegen Dyers eigenes Gezeter anzukämpfen versucht – bevor es auf unheilvolle Weise verstummt.

|Musik|

Die Musik entspricht der eines Scores für einen klassischen Spielfilm, also nicht zwangsläufig für einen Horrorstreifen. Klassische Instrumente wie Violine, Cello und Kontrabass werden manchmal von elektronisch erzeugten Effekten ergänzt. Schnelle Musik deutet Dynamik und Dringlichkeit an, langsame Musik entspannt und immer wieder endet eine Szene in einem dramatischen Crescendo.

Die heimelige Stimmung in der Baker Street 221b bildet den Ausgangspunkt einer musikalischen Entwicklung, die in sehr beunruhigenden Bässen ihren Schlusspunkt findet: Die unheilvolle Musik verbindet sich mit dem grollenden Donner über Reading zu einer Gänsehaut erzeugenden Tonkulisse, die der entsprechenden Handlung die passende Stimmung verleiht.

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

Im Booklet sind die Titel des GRUSELKABINETTS verzeichnet sowie Werbung für den verstorbenen Künstler Firuz Askin zu finden. Die letzte Seite zählt sämtliche Mitwirkenden auf. Ein zweites Booklet („Katalog 2012/13) listet sämtliche Titel von Titania Medien auf, und zwar auch alle Neuerscheinungen bis Mai 2013.

Hinweise auf die nächsten Hörspiele:

Nr. 70: Robert E. Howard: Schwarze Krallen (11/12)
Nr. 71: M.R. James: Der Eschenbaum (11/12)
Nr. 72: R.L. Stevenson: Markheim (03/12)
Nr. 73: A. Conan Doyle: Das Grauen im Blue-John-Stollen (03/12)
Nr. 74: E. Nesbit: Die Macht der Dunkelheit (04/12)
Nr. 75: Mary Fortune: Weiß (04/12)
Nr. 76: Bram Stoker: Das Teufelsloch (05/12)
Nr. 77: R. E. Howard: Das Feuer von Asshurbanipal (05/12)

_Unterm Strich_

Der Reiz dieses „geheimen Sherlock-Holmes-Falles“ liegt sowohl im verborgenen Verbrechen als auch in den davon Betroffenen. Bemerkenswert fand ich, dass alle Betroffenen als auch alle Verbrecherinnen weiblichen Geschlechts sind. Holmes muss obendrein die treue Seele Mrs. Hudson als Helferin engagieren, um den Köder für die Verbrecherin auslegen zu können. Mit anderen Worten: Ohne Frauen läuft in diesem Fall überhaupt nichts.

Das liegt aber auch an der besonderen Art des Verbrechens und der Verbrecher. Abtreibung, Betrug, Kindesmissbrauch (durch Nahrungsmangel) und schließlich eindeutig Mord an den kleinen Opfern sind Verbrechen, die es auch heute noch gibt. Vielleicht nur so sehr in der westlichen Gesellschaft, wo Abtreibung weitgehend legalisiert ist (auch wenn es dem Papst nicht gefällt), aber doch vielfach in anderes Ländern. Bekanntlich herrscht beispielsweise in China ein Überschuss an Männern und ein Mangel an Ehefrauen – eine Folge der Morde an weiblichen Säuglingen. Ob es dort wohl ebenfalls „Engelmacherinnen“ gibt, darf sich jeder selbst fragen.

In einer fesselnden Verfolgungsjagd sehen wir diesmal Holmes und Watson auf der Spur der Engelmacherin. Das Finale ist sehr schnell inszeniert, so dass ich jedem Hörer nur raten kann, genau hinzuhören, um alles mitzubekommen. Die Szenen wechseln schnell, die Dramatik ist hoch – ein würdiger Abschluss für ein Hörspiel, das täuschend langsam, gemütlich und humorvoll beginnt. Die Komödie um „Mr. und Mrs. Watson“ findet im Drama ihr passendes Gegengewicht, der Showdown hat mich völlig zufriedengestellt. Ob Holmes sein Ziel erreicht hat, darf hier nicht verraten werden.

|1 Audio-CD
Spieldauer ca. 79 Minuten
ISBN-13: 9783785747216|

Home – Atmosphärische Hörspiele

Parker, Robert B. – Trügerisches Bild. Ein Auftrag für Spenser

_Unter Kunstdieben – ein Fall für Spenser_

Der Kunstprofessor Dr. Ashton Prince braucht Spensers Hilfe. Ein wertvolles Gemälde wurde aus dem Hammond Museum gestohlen. Die Diebe fordern ein Lösegeld. Der Privatdetektiv soll den Kunsthistoriker bei der Geldübergabe beschützen. Doch hierbei läuft alles schief. Prince wird durch eine Explosion getötet und das kostbare Bild fällt den Flammen zum Opfer.

Spenser fühlt sich bei seiner Ehre gepackt. Er will den Fall aufklären – auch ohne Auftraggeber. Geht es hierbei nur um ein wertvolles Gemälde oder steckt noch viel mehr dahinter? Und welche Rolle spielt die Herzberg-Stiftung, die sich das Aufspüren von Nazi-Beutekunst auf die Fahnen geschrieben hat? (erweiterte Verlagsinfo)

Dies ist der letzte Spenser-Krimi, den Parker noch kurz vor seinem Tod vollendete.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der Spenser-Reihe wohl seine etwa acht Jesse-Stone-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Die |Spenser|-Reihe bei Pendragon:

1) Trügerisches Bild
2) Die blonde Witwe
3) Der stille Schüler
4) Bitteres Ende
5) Hundert Dollar Baby
6) Der gute Terrorist
7) Alte Wunden

Kein Spenser-Krimi, aber dennoch ungemein spannend: „Wildnis“ (2012)

_Handlung_

Der Kunstprofessor Ashton Prince heuert Spenser an, um ihm dabei zu helfen, ein berühmtes gestohlenes Gemälde wiederzubeschaffen: einen alten holländischen Meister. Die Diebe fordern ein Lösegeld und Prince soll es übergeben. Spenser spielt bei der Übergabe praktisch nur den Leibwächter. Weil das nach einem einfachen Job aussieht, willigt er sofort ein.

Die Übergabe findet auf einer Autobahnbrücke statt. Weil Spenser darunter parken und nicht mitgehen soll, sieht er nicht, wie der Professor den Geldkoffer übergibt, auch nicht, an wen. Erst als Prince mit einem kleinformatigen, flachen Paket zurückkehrt, das das Gemälde sein könnte, sieht er ihn wieder. Da explodiert das Paket und zerfetzt den Mann. Spenser ist sauer: Er hat in seiner Aufgabe versagt, den Mann zu schützen. Deshalb betrachtet er es nun als seine Pflicht, dem Mord auf den Grund zu gehen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen.

Das Bild gehörte dem Hammond-Museum in Boston. Doch weder deren Präsident noch sein Anwalt Morton Lloyd wollen irgendwelche Auskünft erteilen. Und in der Versicherung der Uni arbeitet eine ehemalige FBI-Mitarbeiterin namens Winifred Minor. Auch sie hält sich bedeckt. Doch was für ein Zufall: Ihre Tochter Melissa studiert an der Waltham Universität, an der Ashton Prince lehrte. Und wie Melissas Kommilitoninnen tuscheln, war sie seine Geliebte. Ein paar Zufälle zu viel für Spensers Geschmack.

Die Frau des Professors, eine Dichterin, informiert ihn, dass Ashton Prince nicht der richtige Name des Professors war, sondern vielmehr Ascher Prinz lautete. Der Schürzenjäger des Waltham College war Jude, aber er schämte sich dieser Herkunft. Sein Vater Amos Prinz kam ins KZ Auschwitz. Dafür war Prince eine Koryphäe in Sachen alte holländische Meister und Fälschungen. Von einem Professor in New York City erfährt Spenser, dass Prince völlig unterbezahlt und überbeschäftigt war. Er hätte eine bessere Stellung haben können, warum blieb er dann an einem Provinz-College?

|Die Geschichte des Gemäldes|

Der New Yorker Professor erzählt Spenser die Geschichte des Gemäldes (und wie sich später herausstellt, hat Prince darüber seine Doktorarbeit geschrieben). Der holländische Maler Frans Hermenszoon starb mit 27 im 17. Jahrhundert und kreierte lediglich acht Bilder, wovon „Die Dame mit dem Fink“ das einzige war, das überlebte. Dementsprechend unersetzbar und wertvoll ist es. Nach zwei Jahrhunderten im Besitz der Familie wurde es an den Amsterdamer Kunsthändler Judah Herzberg verkauft.

Doch nach weiteren zwei Jahrhunderten wurden Herzberg und seine Familie 1940 von den Nazis deportiert und ins KZ Auschwitz gebracht, wo alle bis auf den neunjährigen Sohn Isaac umgebracht wurden. Er verschwand mit einem Freund namens Amos Prinz, dem Vater von Ascher Prinz alias Ashton Prince. Die Nazis hatten die reichhaltige Herzberg-Sammlung konfisziert. Aber die beiden holten das Bild aus seinem Versteck im Herzberg-Haus und verkauften es für einen Appel und ein Ei an einen unbekannten Kunsthändler in Rotterdam. Ende der vierziger Jahre tauchte es im Hammond Museum auf. Aber warum ausgerechnet dort?

|Anschlag|

Er lässt Staatsanwältin Rita Fiore Erkundigungen über Morton Lloyd einziehen. Etwas ist faul an diesem Mann, denn Lloyd war es, der Prince den Kontakt mit dem Hammond Museum vermittelte, um das gestohlene Bild wiederzubeschaffen – und so in Lebensgefahr brachte.

Spensers Nachdenken wird erheblich gestört, als zwei bewaffnete Söldner in seinem Büro auf ihn lauern. Nur sein treuer Hund Pearl warnt ihn vor den Eindringlingen. Nach einem Erkundungsgang schließt Spenser seine Bürotür vorsichtig auf, ohne einzutreten, und legt sich flach auf den Korridor davor.

Wie erwartet stürmen die Killer um sich schießend auf den Gang heraus, wo Spenser sie mit gezielten Schüssen ausschalten kann. Dass beide die gleiche eintätowierte KZ-Häftlingsnummer tragen, ist nicht gerade alltäglicher Anblick. Captain Healy von der Staatspolizei findet heraus, dass sie aus Holland kommen, der Heimat von Prinz und Herzberg – und des Bildes. Und die Häftlingsnummer war die, welche Judah Herzberg in Auschwitz tragen musste …

Der Mordanschlag involviert natürlich die Bostoner Polizei, doch Frank Belson macht ebenso wenig Schwierigkeiten wie Healy oder Belsons Chef Quirk. Allerdings bleibt es nicht bei diesem ersten Anschlag. Fortan lebt Spenser gefährlich – und seine Freundin Susan ebenfalls …

_Mein Eindruck_

Der Kunstmarkt ist auch nicht mehr das, was er mal war. Zumindest der für die Beutekunst, um die es im vorliegenden Spenser-Krimi geht. Denn das Bild „Dame mit Fink“ wurde von den Nazis geraubt und nach dem Krieg erst verkauft und dann den Amis übergeben. Oder auch nicht, aber mehr darf nicht verraten werden. In der Tat bleiben die Umstände der Verwicklungen von Ashton Prince, Ariel Herzberg und Anwalt Lloyd bis fast zum Finale im Dunkeln. Deshalb ist mal wieder gute alte Detektivarbeit angesagt, und Spenser erledigt sie wie stets mit großer Geduld und Hartnäckigkeit.

Dass sich ein amerikanischer Krimiautor überhaupt einmal mit dem Kunstmarkt beschäftigt, finde ich ja schon lobens- und bemerkenswert. Doch wenn Parker dies tut, weiß man, dass man etwas Besonderes erwarten darf. Nämlich nicht nur fundiertes Sachwissen, sondern auch ein menschliches Drama, das zunächst hinter dem Thema steht, dann aber im Finale den Ausschlag gibt. Schließlich drehen sich alle Geschichten, die es zu erzählen wert sind, nicht um Sachen, sondern um Menschen.

Der Roman ist für einen Parker-Krimi ungewöhnlich ernst und tragisch. Zwar versuchen Spenser und sein Kumpan Hawk wie immer, sie gegenseitig aufzuziehen, aber die Anschläge auf Spenser und die weiteren Leichen lassen auch Spenser das Lachen vergehen. Vielleicht liegt der Ernst des Tons daran, dass der Holocaust an den Juden, also die Konzentrationslager, ein zu ernstes und düsteres Element sind, als dass der Autor auf einer heiteren Note weitererzählen könnte. Zumal es bei der Beutekunst nicht nur um Menschenleben und Schicksale, sondern auch um viel Geld geht.

Die Figuren in diesem Roman verhalten sich nicht immer so, wie es sich Otto Normalbürger wünscht oder wenigstens vorstellt. Der Kunstsachverständige ist ein Betrüger, der Anwalt ein Schwindler und der Beutekunstjäger ein gemeiner Dieb. Aber auch die Ermittler haben keine weiße Weste. Winifred Minor war beim FBI, verliebte sich aber in den Kunstdieb – und ließ ihn nicht nur laufen, sondern half ihm sogar. Nicht ganz das Verhalten, das sich J. Edgar Hoover gewünscht hätte. Der Autor scheint sein Menschenbild weiterentwickelt zu haben: Es ist multidimensionaler geworden und lässt mehr Möglichkeiten als früher zu.

_Unterm Strich_

Wie so oft fängt Spensders neuer Fall ganz einfach an, entwickelt sich dann aber rasant zu einer Angelegenheit auf Leben und tod. Kunst killt, im wahrsten Sinne des Wortes. Während Spenser noch den Hintergrund seines Klienten prüft, ist der Gegner schon zwei Schritte weiter. Und als sich immer weitere Merkwürdigkeiten eröffnen, kristallisiert sich mit schauriger Gewissheit heraus, was der unbekannte Mörder wirklich vorhat – und dass Spenser dies unbedingt verhindern muss.

Der einzige Grund für Kritik ist der langsame Mittelteil und die Kompliziertheit des Plots. Diese Wertung ist jedoch höchst subjektiv, denn für manch anderen Leser liegt wahrscheinlich genau in dieser Unvorhersehbarkeit der Reiz eines guten Krimis. Also, jedem das Seine.

|Originaltitel: Painted Ladies, 2010
Aus dem US-Englischen von Frank Böhmert
ISBN-13: 978-3865322531|
http://www.pendragon.de

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836
[„Wilderness“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6956

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Die „Spenser“-Reihe:

01 [„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
02 [„God Save The Child“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6951
03 [„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922
04 [„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
05 [„The Judas Goat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6953
06 [„Looking for Rachel Wallace“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6954
07 „Early Autumn“
08 „A Savage Place“
09 [„Ceremony“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6952
10 „The Widening Gyre“
11 „Valediction“
12 [„A Catskill Eagle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7066
13 [„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
14 „Pale Kings and Princes“
15 „Crismon Joy“
16 [„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
17 [„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
18 „Pastime“
19 „Double Deuce“
20 [„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
21 [„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
22 [„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
24 [„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
25 „Sudden Mischief“
26 „Hush Money“
27 „Hugger Mugger“
28 [„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
29 [„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
30 [„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
31 [„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
32 [„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
34 [„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
35 [„Now and Then“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7117
36 [„Rough Weather“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7118
37 [„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
38 [„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
39 [„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
40 [„Sixkill“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7320

Simmons, Dan – Eiskalt erwischt (Joe Kurtz 1)

_|Kurtz-|Trilogie_:

1) Eiskalt erwischt (Hardcase, 2001);
2) Bitterkalt (Hard Freeze, 2002);
3) Kalt wie Stahl (Hard as Nails, 2003)

_Der Detektiv zwischen allen Fronten: schlau und eiskalt_

Joe Kurtz ist ein entlassener Sträfling und ehemaliger Privatdetektiv, der versucht, ein halbwegs ehrliches Leben zu führen. Das ist aber in einer Stadt wie Buffalo im Bundesstaat New York gar nicht so einfach. Denn nur die Mafia kann Joe einen lukrativen Job geben. Und die hat bekanntlich eine Menge Feinde.

Dan Simmons ist bekannt geworden mit dem Horror-Roman „Sommer der Nacht“, der auch für „A Winter Haunting“ den Hintergrund bildet. Noch erfolgreicher wurde er allerdings mit Science-Fiction-Romanen: „Hyperion“ und „Hyperions Sturz“ sowie „Endymion“ und „Endymion – Die Auferstehung“ fanden ein großes Publikum. Diese Tradition setzte er im Herbst 2003 mit seinem Roman „Ilium“ fort, in dem griechische Götter eine wichtige Rolle spielen. (Die Fortsetzung trägt den Titel „Olympos“ und kommt Mitte 2005 auf den Markt.)

Außerdem ist Dan Simmons ein Verfasser exzellenter Kriminalthriller (z.B. „Darwin’s Blade/Schlangenhaupt“) und Kurzgeschichten (z. B. „Styx“ bei Heyne). Mit „Hardcase“ hat er eine Krimireihe um den „gefallenen“ Privatdetektiv Joe Kurtz gestartet, die mit „Hard Freeze“ und „Hard as Nails“ fortgesetzt wurde.

|Buffalo, N.Y.|

Simmons wuchs selbst in Buffalo, dem Schauplatz der drei Kurtz-Thriller, auf, bevor er 1974 nach Boulder in Colorado umzog. Buffalo, im Norden des Bundesstaates New York gelegen, eignet sich nicht von ungefähr hervorragend für die Serie. Die Stadt liegt an den Niagara-Fällen, einem mächtigen Symbol. Außerdem ist die kanadische Grenze gleich um die Ecke, was Buffalo für Drogen- und andere Schmuggler sehr interessant macht.

_Handlung_

Joe Kurtz ist ein harter Brocken. Er hat kein einfaches Leben als früherer Privatdetektiv und langjähriger Gefängnisinsasse, der sich nun mit einer Webfirma für Datenrecherche über Wasser halten will. Mittlerweile plagt ihn chronischer Geldmangel, und so nimmt er doch wieder einen Fall an.

Die Mafiafamilie der Farinos hat Joe durch deren Sprössling Steven kennengelernt, der von allen nur geringschätzig Little Skags genannt wird. Joe stellt sich bei Stevens Paps vor, dem Paten. Leider ist dieser Don schon über siebzig und seit einem Anschlag auch noch auf einen Rollstuhl angewiesen. Von seinen vier Kindern scheint nur die rassige Sophia seine Nachfolge antreten zu können. Sohn Nr. 2 hat bereits das Zeitliche gesegnet, und Tochter Nr. 2 hat sich in ein italienisches Kloster verabschiedet.

Don Farino hat ein kleines Problem mit seinem Buchhalter: Buell Richardson ist seit einer Woche verschwunden. Gründe und Verbleib sind unklar. Außerdem gibt es da noch ein weiteres „kleines Problem“ an der nahen Grenze zu Kanada: Farinos Schmuggeltransporte werden in letzter Zeit von Unbekannten angegriffen und geplündert. Joe würde sich gerne auch dieses Problems annehmen, gegen ein kleines Honorar, versteht sich. Das einzige Detail, das ihn beunruhigt, ist der Umstand, dass sich Farinos Anwalt Lawrence Miles vehement gegen Joe Kurtz‘ Verpflichtung einsetzt. Dieser Typ hat offenbar Dreck am Stecken.

Und ob! Kaum ist Kurtz aus dem Haus, trifft sich Miles mit einem Killer namens Malcolm Kibunte, der in Buffalo ein kleines Drogenimperium aufgebaut hat. Miles ahnt nicht, von wem die Drogen stammen, aber dieses Yaba, das Kibunte vertickt, ist verheerender für die Jugend in den Ghettos als Crack oder Crystal Meth. Und das will was heißen. Kibunte setzt sich mit einem durchgeknallten Albino mit dem sprechenden Namen „Cutter“ auf Kurtz‘ Fährte …

_Mein Eindruck_

Dies ist ein klassischer Hardboiled-Thriller, und zwar derart klassisch, dass man schon nach wenigen Seiten weiß, dass der Autor alles richtig macht. Sein Kniff besteht natürlich darin, die dadurch geweckten Erwartungen zu unterlaufen und am Schluss noch einen draufzusetzen, genau dann, wenn der Leser meint, erleichtert aufatmen zu können. Dann erwischt ihn die neueste Story-Wendung eiskalt und der Autor schleppt seinen Leser bis zum Abgrund …

|Die Schwächen des harten Helden|

Manchmal erinnert der schweigsame und kaltblütige Joe Kurtz an Mike Hammer, den ebenso kaltblütigen und gewaltbereiten Serienhelden, den Stacy Keach kongenial in den Detektivfilmen verkörperte. Dann aber erweist sich, dass Kurtz keineswegs aus Stein besteht, der die Schurken gnadenlos zur Strecke bringt, sondern dass er auch ein Herz besitzt – er kann es nur nicht zeigen.

So bangt er beispielsweise um seine zwölfjährige Tochter Rachel, die bei ihrem Stiefvater als Halbwaise aufwächst. Der Grund: Rachel hat vor elf Jahren, kurz bevor Joe in den Knast einfuhr, ihre Mutter Samantha verloren. Und Sammy war Joes geliebte Partnerin in dem gemeinsamen Detektivbüro. Joe tötete daraufhin den Killer Levine. Levines Bruder hat ihm seinerseits Rache geschworen.

Nun tut sich Joe mit Arlene, seiner früheren Sekretärin, zusammen und macht eine Agentur für die Internetsuche nach früheren Schulkameraden (besonders weiblichen) auf. Arlene kümmert sich fürsorglich um Joes Wohl, aber nicht im Bett. Um dieses Detail kümmert sich Farinos Tochter Sophia, wenn auch nur für eine Nacht.

Und Joe hat noch eine schwache Stelle: Er besucht regelmäßig die Stadtstreicher, wo sich ehemalige College-Professsoren bei eisiger Kälte um eine Feuerstelle kauern und sich lateinische und griechische Zitate um die Ohren hauen. Einer der beiden war sein geistiger Mentor. Der brachte ihn dazu, die Story über die Eroberung Trojas zu lesen. Und das zahlt sich bei Joes neuestem Auftrag aus.

|Comedy, Babe!|

Aber Malcolm Kibunte geht zu Plan B über und engagiert vier Neonazis aus Alabama, die Beagle Brothers, um Joe kaltzumachen. Dieser Abschnitt ist pure Komödie. Die vier Brüder, allesamt Ex-Knackis aus dem tiefsten Süden, sind völlig unterbelichtet und radebrechen ein schauderhaftes Kauderwelsch. Doch als Kibunte ihnen Knarren und Gadgets vom Feinsten und Modernsten („Laserscheiß, Mann!“) anbietet, wenn sie ihm „einen kleinen Gefallen“ täten, fangen sie an zu sabbern.

Als das Quartett dann mit Nachtsichtbrillen, Kevlarwesten und Maschinengewehren in dem verlassenen Lagerhaus, wo sich Joe häuslich eingerichtet hat, aufkreuzt, wird es bereits erwartet. Nun zeigt sich, wer über a) gesunden Menschenverstand und b) Kenntnisse in Kampftaktik verfügt. Als einer der Beagle Brothers meint, eine gigantische Fledermaus stürze sich aus dem sechsten Stockwerk auf ihn, bricht das Chaos aus.

Dies ist die vielleicht am filmischsten geratene und effektvollste Episode in einem von solchen Szenen vollen Thriller. Allerdings handelt es sich dabei doch nur um solides Handwerk, denn es mangelt doch ein wenig an Originalität. Ähnliche Szenen sind auch in „Hard Freeze“ zu finden.

|Vorbilder|

Auch eine andere Szene gemahnte mich an Vorbilder. In Robert Redfords Agententhriller „Die drei Tage des Kondor“ taucht Max von Sydow als ein schwedischer Auftragskiller auf. Er macht nur seinen Job, mehr nicht, je nachdem, wer ihn bezahlt. Bei Simmons heißt dieser ausländische Killer „Der Däne“. Er arbeitet im Auftrag der Farinos, aber nur bis zu einem gewissen Punkt, wie sich in einem immens spannenden Showdown zeigt.

Die Szene, als Arlene in ihrem Büro von einem verwundeten Killer gesucht wird und fummelnd zu einer unvertrauten Nachtsichtbrille greifen muss, erinnerte mich an den Showdown von „Das Schweigen der Lämmer“. Clarice Starling muss sich eines unsichtbaren Gegners erwehren, der den Vorteil hat, sie durch eine Nachtsichtbrille sehen und auf sie zielen zu können. Natürlich kennt auch Simmons diese Szene und unterläuft die Erwartungen des Lesers, indem er seine Szene ganz anders enden lässt.

_Unterm Strich_

Wer einen hammerharten Thriller ohne Faxen sucht, wird mit „Eiskalt erwischt“ kompetent bedient und bestens unterhalten. Wie in jedem Hardboiled-Thriller seit Dashiel Hammett und Mickey Spillane („Mike Hammer“) wird auch hier nicht lange philosophiert und gequasselt, sondern gehandelt. Wo gehobelt wird, fallen Späne, und wo wie hier grob gehobelt wird, fallen die Späne reihenweise. Dan Simmons ist ein erprobter und gewiefter Autor. Er kennt alle Tricks des Erzählens, und so ist auch „Eiskalt erwischt“ gespickt mit Überraschungen, die die Spannung gehörig anheizen.

Dass sich Simmons nach Themen aus dem Bereich des Futuristischen, Mystischen und Übernatürlichen nun dem Krimi zugewandt hat, tut dem Genre gut und nützt dem Leser. Das war schon in dem genialen „Schlangenhaupt“ festzustellen, das hoffentlich bald verfilmt wird. Zwar gehorchen im Vergleich dazu die Kurtz-Romane allen Vermarktungsregeln des Genres, doch hier und da blitzen typisch Simmons’sche Elemente auf, wie etwa philosophische Killer, diebische Mafiaprinzessinnen und als Penner lebende Princeton-Professoren.

Der ironische Humor ist extrem trocken und unterkühlt. Das dürfte so manchem Leser gar nicht auffallen, und wenn doch, muss es ihm nicht mal gefallen. Aber wie die Klingonen zu sagen pflegen: Rache ist ein Gericht, das man am besten kalt serviert. Und wie die Klingonen taucht auch hoffentlich bald auch Joe Kurtz in einem Film auf. Das hat „Jack Reacher“ hat inzwischen auch geschafft – der kommt ab Januar in Gestalt von Tom Cruise in unsere Kinos.

Das Titelbild, das der Festa-Verlag hat anfertigen lassen, ist stilistisch an Comic Books angelehnt, wie mir scheint. Man hätte ja auch ein Foto von einem kalten Wintermorgen nehmen können. Der Tropfen Blut an Kurtz‘ Klinge sollte dem zartbesaiteten Leser zur Warnung dienen.

|Taschenbuch: 333 Seiten
Originaltitel: Hardcase (2001)
ISBN 978-3-86552-186-6|
http://www.festa-verlag.de

_Dan Simmons bei |Buchwurm.info|:_
[„Terror“ 4278
[„Ilium“ 346
[„Olympos“ 2255
[„Sommer der Nacht“ 2649
[„Im Auge des Winters“ 2956
[„Kinder der Nacht“ 4618
[„Lovedeath“ 2212
[„Die Feuer von Eden“ 1743
[„Das Schlangenhaupt“ 1011
[„Welten und Zeit genug“ 790
[„Endymion – Pforten der Zeit“ 651
[„Fiesta in Havanna“ 359
[„Hardcase“ 789
[„Hard Freeze“ 819
[„Hard as Nails“ 823
[„Drood“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5906

James, M. R. – Der Eschenbaum (Gruselkabinett 71) (Hörspiel)

Die Weltenesche im Vorgarten

Ost-England im Jahre 1690: Zu seinem grenzenlosen Missfallen muss Sir Matthew Fell im Park seines Anwesens Castringham Hall in Suffolk in den Vollmondnächten immer wieder eine unheimliche Frau aus dem Dorf beobachten, die sich an einem gewaltigen Eschenbaum zu schaffen macht. Wie er nur zu gut weiß, steht die Frau im Ruf, eine mächtige und sehr gefährliche Hexe zu sein… (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14 Jahren.

Der Autor

Montague Rhodes James (1862-1936) war ein englischer Altertumsforscher und Autor von Geistergeschichten. Außerdem war er Provost von Cambridge University und Eton College. Der Öffentlichkeit bekannt wurde James ab 1894 durch seine Geistergeschichten, wobei er sich auf zahlreichen Reisen auf dem europäischen Kontinent Anregungen holte. Seine profunden historischen Kenntnisse, die er in seine Erzählungen einfließen ließ, geben diesen einen Anstrich von Authentizität.

James bediente sich häufig der Elemente von „klassischen“ Geistergeschichten und perfektioniert diese: Der Schauplatz ist oft eine ländliche Gegend, Kleinstadt oder eine ehrenwerte Universität mit einem verschrobenen Gelehrten als Protagonisten. Die Entdeckung eines alten Buches oder einer anderen Antiquität beschwört das Unheil oder eine dunkle Bedrohung herauf. Dabei wird das Böse eher angedeutet und der Vorstellung des Lesers überlassen, wogegen die Charaktere und der Schauplatz detailliert beschrieben werden. (Quelle: Wikipedia)

Die Sprecher/Die Inszenierung

Die Rollen und ihre Sprecher:

Erzähler: Hasso Zorn
Sir Matthew Fell: Frank-Otto Schenk
Vicar Crome: Hans-Jürgen Dittberner
Mrs. Mothersole: Katarina Tomaschewsky
Sir Richard Fell: Sebastian Schulz
William Crome: Martin Kautz
Mrs. Chiddock: Sonja Deutsch
Bischof von Kilmore: Lutz Mackensy
Hexenjäger: Peter Weis
Totengräber: Ronald Nitschke
Diener: Louis Friedemann Thiele
Gärtner: Filipe Pirl

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand im Titania Medien Studio und in den Planet Earth Studios statt und wurde bei Kazuya abgemischt. Die Illustration stammt von Firuz Askin.

Handlung

Ein Vollmond bescheint im März des Jahres 1690 Schloss Castringham Hall, in dem Sir Matthew Fell residiert. Er und Vikar Crome begeben sich nach einer Unterredung zum Tor. Sie sind sich einig darüber, dass das hiesige Hexenunwesen nachdrücklich bekämpft werden muss. Da ertönt ein tiefes Geräusch von der vor dem Schloss emporragenden, uralten Esche, und ein kalter Hauch zaust das Haar der beiden Herren. Sie trennen sich, mit frischen Plänen im Kopf.

Fell ist der stellvertretende Sheriff der Gemeinde Castringham, die in der Grafschaft Suffolk liegt. Er geht gerade zu bett, als er ein Flüstern von der Esche vernimmt: „Adams erste Braut, komm herauf zu mir.“ Fell weiß genau wie Crome, dass Adams erste Braut Lilith war und Eva erst später kam. Die verstoßene Lilith jedoch gilt als Königin der Dämonen. Aufgeregt eilt deshalb Fell zur Tür, um der Frau, die da geflüstert hat, nachzugehen und sie zur Rede zu stellen. Zu Pferde und mit Begleitern verstärkt fordert er vor dem Haus von Mrs Mothersole, die als Hexe gilt.

Mothersole bestreitet, bei Fell gewesen zu sein. Sie habe geschlafen. Er nennt sie dennoch eine Teufelin und droht ihr mit dem Hexenjäger, dem Wichtfinder General. Obwohl sie aufschreit und sich gegen die zupackenden Schergen wehrt, lässt Fell sie in den Kerker werfen. Beim Prozess des Hexenjägers klagt Fell sie an, den Eschenbaum erklommen zu haben, um Äste zu okkulten Zwecken abzuschneiden. Alles Protestieren hilft der Angeklagten nichts – der Witchfinder General verurteilt sie zum Tod durch den Strang.

Der Fluch

Der Kirchplatz vor Bury Saint Edmunds ist verregnet. Dennoch hat sich viel Volk eingefunden, um den Tod der Hexe mitzuverfolgen. Die ist ungebrochen und prophezeit: „Es werde Gäste nach Castringham Hall kommen.“ Der empörte Sir Fell wird nur durch ihren gebrochenen Hals wieder besänftigt.

Im Mai desselben Jahres lässt Sir Fell das Fenster offen, um sich vom Blätterrauschen der Esche in den Schlaf der Gerechten wiegen zu lassen. Stattdessen vernimmt er die tiefe Stimme von Mrs. Mothersole, die er doch sterben gesehen hat. Ein seltsam teuflisches Kichern, ein Glockenschlag – am nächsten Morgen finden die Diener den Hausherrn tot vor, das Gesicht blau angelaufen.

Das zweite Glied

45 Jahre später lässt der Erbe Richard das Grab der Hexe öffnen. Es ist leer. Neun Jahre später lässt sich der unverzagte und durchaus der Aufklärung anhängende Sir Richard Fell ein ruhigeres Zimmer geben. Das Einzige, das seinen exklusiven Wünschen genügt, ist das Sterbezimmer Sir Matthews. Es wurde seit jenem Todestag nicht mehr benutzt und riecht entsprechend.

Der Enkel des Vikars Crome, William Crome, warnt ihn vergebens. William hat den Bericht seines Großvaters gefunden. Die Beschreibung von Matthew Fells Leiche ist wahrlich grauenerregend. Die Leichenwäscherinnen verbrannten sich an ihr die Hände. Williams Sorge wächst, als er Fells Bibel von 1659 als Orakel benutzt. Er schaut auf die Esche, in die ein Blitz einen tiefen Spalt geschlagen hat. Wer weiß, was an dessen Grund lauert? Er kommt ihm alles andere als geheuer vor.

Richard dekretiert, dass der Baum am übernächsten Tag umgehauen werde, wenn der Bischof von Irland zu Besuch kommt. Diese Nacht verbringt Sir Richard unruhig, denn die Eschenzweige kratzen am Fenster. Missgelaunt geht er zu Bett. Bald darauf hört er ein seltsam spöttisches Keckern und die Stimme einer Frau …

Mein Eindruck

Der Autor stammte selbst aus Suffolk, jener südöstlich gelegenen britischen Grafschaft, die in seinen Geistererzählungen häufig als Schauplatz dient. In vielen Fällen stellt der äußerst gelehrte Autor, der in Cambridge und Eton arbeitete und für die Königin schrieb, die Institutionen der jeweiligen Epoche den Kräften älterer, aber mächtigerer und daher immer noch wirksamer Zeiten gegenüber. „Der Eschenbaum“ ist ein ausgezeichnetes Beispiel für diesen Konflikt, der die Zivilisation infrage stellt.

Hexerei

Hier bekommen es in zwei verschiedenen Epochen jeweils zwei Spitzen der Gesellschaft von Suffolk mit solchen Kräften zu tun. Matthew Fell ist der Gesetzeshüter und Vicar Crome der kirchliche Vorsteher des Dorfes. Folglich verfügen sie über große moralische und gesetzliche Autorität. Das erlaubt es ihnen, mir nichts, dir nichts eine Frau aus dem Dorf festzunehmen und verurteilen zu lassen, bloß weil sie glauben, sie sei eine Hexe. Und Hexenjäger gab es im England des 17. Jahrhunderts wirklich. Es gibt sogar einen Spielfilm über sie.

Aufgeklärt

Nun sollte man meinen, dass die Nachkommen Sir Fells 54 Jahre später nicht mehr an Hexen glauben, denn mittlerweile hat die Aufklärung auch England erreicht und sogar das entlegene Suffolk. Doch ironischerweise ist es genau diese Aufgeklärtheit, die Sir Richard zum Verhängnis wird. Hexen? Wer glaubt denn noch an Hexen?!

Wir erwarten, dass er weiß, dass sich der Fluch, dem sein Vater zum Opfer fiel, sich an ihm ebenfalls erfüllen werde. Doch noch nicht einmal die gruseligen Details, die ihm der neue Vicar unterbreitet und die den Fluch furchterregend machen, bringen Richard von seiner Haltung ab. Den vermaledeiten Baum fällen zu lassen, ordnet er mehr aus Bequemlichkeit an, nach dem Motto: Man kann ja nie wissen, wozu es mal gut ist. Das wird er bald bereuen.

Die dunkle Macht

Welche Macht ist es also, die sowohl abergläubischen Hexenjägern als auch aufgeklärten Geistern zum Verhängnis werden kann, fragt sich der Hörer. Es sieht ja ganz so aus, als könne man dieser Macht so oder so nicht entkommen, es sei denn, man lässt sie in Ruhe. Stets meldet sich die Stimme einer Frau aus dem Eschenbaum, und eine Frau ist es auch, die Mathhew Fell noch auf dem Galgen, auf den er sie geschickt hat, verflucht. Offenbar sind die beiden Geschlechter in einen uralten Konflikt verstrickt. Ein Hinweis auf Lilith, die erste Frau Adams, macht uns bewusst, dass dieser Konflikt schon von Anbeginn der biblischen Zeiten, also seit ca. 6600 v.Chr., andauert. (Die Alten glaubten ja noch an die Bibel, und sei es nur um der Fiktion willen.) Aber woher rührt er?

Liliths Brut

Der Tod von Matthew Fell und von Richard Fell, so vorhersehbar, der Zweite auch sein mag, lässt den Hörer doch gespannt auf die Lösung des Rätsels warten. Dieses Geheimnis soll beim Fällen des vermaledeiten Baums gelüftet werden. Es gibt schlimme Vorzeichen, die den vom Blitzeinschlag geöffneten Spalt betreffen: Es erwischt erst eine Katze, dann den Gärtner, dann beginnt das Pandämonium, dessen Flammen den Baum verschlingen. Erst ganz am Schluss findet man den ersten handfesten Beweis, was aus der Hexe Mothersole geworden ist …

Symbolik

Der Eschenbaum ist ein mächtiges Symbol für die Macht der Weiblichkeit in der Gemeinschaft. Sie bildet den Konterpart zur männlich definierten christlichen Kirche. Dort wird Mrs Mothersole, die Vertreterin weiblicher Macht geopfert. Die Esche ist auch ein Symbol von Leben und Wachstums, sie ist nichts Gemachtes oder Erbautes. Sie verändert sich fortwährend und nimmt andere Gestalt an, etwa in Fingern statt Zweigen. Sie ist folglich auch eine spirituelle Kraft, die außerhalb des Wirkungskreises der Religion steht. Womöglich vertritt sie eine viel ältere Religion, nämlich jene Mutterreligion, die von den patriarchalen Kulturen, die aus Mittelasien einwanderten (Achaier, Dorer usw.), bekämpft und vertrieben wurde. Man lese dazu „Die Weiße Göttin“ von Ranke-Graves.

Dass die Esche nichts Böses ist, will den männlichen Herrschern des Weltlichen nicht in den Kopf. Sie müssen unbedingt das Primat haben und dulden keine „Hexen“, also Frauen mit eigenen, geheimen Kenntnissen. „Weise Frauen“ sind aber nur die eine Seite der Macht in der Esche, die andere sind „Dämonen“. So erscheinen diese Geister zumindest jenen Christen, die beim Ende des Baumes zugegen sind. „Dämonen“ jedoch sind nur eine Deutung für alles, was das sogenannte Böse oder Fremde verkörpert und daher Furcht verbreitet. Ob dagegen wohl Beten hilft?

Frauenstimme, Niemands Stimme

Es ist bemerkenswert, dass in der Geschichte nur eine einzige Frau vor dem Fluch der Esche warnt, nämlich Sir Richards Haushälterin. Wie nicht anders zu erwarten, werden alle ihre Warnungen in den Wind geschlagen. Sie sollte wirklich besser auf ihren guten Ruf in der Gemeinde achten, bevor es ihr wie Mrs Mothersole ergeht. Die Unterdrückung der Frau dauert schließlich bis heute an. Ob aus dem Schuldgefühl Adams gegenüber Lilith, wie es Bibelfeste tun mögen, heraus oder aus Furcht vor der weiblichen Macht des Erschaffens, sei dahingestellt. Der Name „Mrs. Mothersole“ spricht Bände. Er bedeutet „die Seele der Mutter“ (in alter Schreibweise).

Die Sprecher/Die Inszenierung

Wir haben es bei den Figuren mit zwei Generationen zu tun, daher muss ihnen auch das Sprecherensemble entsprechen. Der alte Sir Fell, der alte Vicar Crome und die Haushälterin Mrs. Chiddock gehören der alten Generation an. Sie machen ihre Sache ausgezeichnet und wirken keineswegs senil oder träge, ganz im Gegenteil.

Zur jungen Generation gehören Sir Richard Fell, der junge William Crome und der Bischof von Irland (in einem Mini-Auftritt). Doch welcher Generation gehört Mrs. Mothersole an, die im ersten Akt ein frühes Ende am Galgen nimmt? Katarina Tomaschewsky verleiht ihr eine Altstimme mittleren Alters, was sie zwischen die beiden Generationen stellt. Dass die Leiche von Mrs. Mothersole nicht in ihrem Grab liegt, deutet ebenfalls auf eine überzeitliche Existenz hin. Sie wird noch ein drittes Mal auftauchen, aber auf welche Weise, darf hier nicht verraten werden.

Geräusche

Die Geräusche sind die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. Diese Andeutungen sollte man angesichts ihrer häufigen Wiederholung beachten. Regelmäßig läutet die Glocke der Kirche von Castringham, stets rauschen die Blätter der Esche und immer wieder sind in der Esche seltsame Laute und zu vernehmen. Eichhörnchen? Aber welche der dämonischen Art, nehme ich an.

Mit Geräuschen und Musik baut das Hörspiel eine dichte Atmosphäre auf, die den Hörer gespannt auf die Lösung des Rätsels warten lässt. Vollmondnächte haben ihre eigene Stimmung, ebenso Blitz und Donner über einem Galgen. Diesen Outdoor-Geräuschkulissen steht die heimeligere des Herrenhauses derer von Fell gegenüber. Da klappert Geschirr, da quietschen Türen, und Diener klopfen sorgenvoll an unheimlich stille Schlafzimmertüren.

Im zweiten Akt im Sir Richard findet eine faszinierende |Überblendung| statt. Sie transportiert uns aus dem Jahr 1744 zurück ins Jahr 1690, als säßen wir in einer Zeitmaschine. Wir sehen, was Vicar Crome sieht, wenn er den Leichnam seines Freundes Matthew Fell ansieht: entsetzliche Dinge. Der Vikar nutzt dessen Bibel aus dem Jahr 1659, um ein Orakel zu lesen. Es verheißt nichts Gutes. Nach der Rückkehr in die „Gegenwart“ des Jahres 1744 tut es Cromes Enkel gleich und liest ein Orakel aus ebendieser Bibel (Papierseiten rascheln). William Cromes Sorge nimmt zu, die Spannung steigt. Doch was hat der Eschenbaum damit zu tun?

Katzenfreunde seien gewarnt: Qualvollere Schreie aus Feliden-Kehlen hat man selten vernommen …

Musik

Die Musik entspricht der eines Scores für ein klassisches Horrormovie, übertreibt es aber nicht durch übermäßige Dramatik. Vielmehr finden die Einsätze der Musik stets nur ganz gezielt dort statt, wo sie auch wirklich gebraucht wird. Wenn Suffolk beschrieben wird, erklingen tiefe und hohe Flöten, die nostalgische Romantik vermitteln. Wenn die Esche dem jeweiligen Herrn von Castringham Hall Unheil bringt, sind neben dem Blätterrauschen auch diverse Sounds und ein Chor zu hören. Dies wiederholt sich am Ende des zweiten Aktes, verstärkt durch eine Vielfalt von Geräuschen.

Das Ende des Baumes geht einher mit einer Sinfonie von unheimlichen Geräuschen, zahlreichen Schreien, Fauchen, Geheul und vielem mehr. Danach spielen ein Dudelsack und eine Flöte eine klagende Melodie, doch den Ausklang bildet eine unheimliche Musik, die den Hörer daran erinnert, dass es noch viele ähnliche Bäume auf der Welt gibt. Man denke nur an die Donareiche, die der Mönch Bonifatius anno 723 fällte, um die heidnischen Chatten (Hessen) zu bekehren (vgl. dazu http://de.wikipedia.org/wiki/Donareiche ).

Musik, Geräusche und Stimmen wurden so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

Das Booklet

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von Titania Medien. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher.

Im Booklet finden sich Verweise auf die kommenden Hörspiele aufgeführt:

Nr. 72: R. L. Stevenson: Markheim (03/12)
Nr. 73: A. Conan Doyle: Das Grauen im Blue-John-Stollen (03/12)
Nr. 74: E. Nesbit: Die Macht der Dunkelheit (04/12)
Nr. 75: Mary Fortune: Weiß (04/12)
Nr. 76: Bram Stoker: Das Teufelsloch (05/12)
Nr. 77: R. E. Howard: Das Feuer von Asshurbanipal (05/12)

Unterm Strich

In den drei Akten des Hörspiels erleben wir die dreimalige Auseinandersetzung mit dem Eschenbaum, der die uralte Macht des weiblichen Prinzips verkörpert. Vergeblich nehmen es Hexenjäger, Vikare und andere Verteidiger der Christenheit mit dem Baum auf. Eine der Dorffrauen wird stellvertretend für die Esche als Hexe verurteilt und hingerichtet.

Die Ironie ist unübersehbar, dass der Fluch der Hexe nicht nur den Deputy Sheriff Mathhew Fell trifft, sondern auch seinen Sohn Richard, obwohl der die Existenz von Hexen und Flüchen aus Gründen der Vernunft rundweg ablehnt. So kann es nicht ausbleiben, dass sich der Fluch auch an ihm erfüllt.

Doch was hat es nun mit der Magie der Esche wirklich auf sich? M.R. James war gebildet genug, um alles über die Weltenesche Yggdrasil zu wissen. Dieser nimmt nicht nur für die Götter eine ganz besondere Stellung, sondern daraus entstanden auch die Menschen: Ask, der erste Mensch, und aus Ask und Embla, seiner Frau, der Rest der Menschheit. (Siehe dazu: http://de.wikipedia.org/wiki/Yggdrasil ). Auch die weisen Frauen, die drei Nornen, saßen zu Füßen der Weltenesche.

Dass die Esche eng mit Fruchtbarkeit und Wachstum verbunden ist, aber im Gegensatz zum Christentum steht, scheint der Autor mit seiner Geschichte auszusagen. Das gekürzte Hörspiel lässt keine weiteren Deutungen zu, die in den Bereich der Religion vorstoßen könnten. (Odin hing tagelang an Yggdrasil, ähnlich wie Jesus am Kreuz, und beide erlebten eine Wiederauferstehung.)

Auf jeden Fall gibt diese bekannte Erzählung einen spannenden und unheimlichen Stoff für dieses stimmungsvolle Hörspiel ab. Die drei Akte steigern sich in Dramatik bis zu einem erstaunlichen Pandämonium, das man so von einem wohlanständigen Viktorianer, der für die Bibliothek der Queen schrieb, nicht gerade erwarten würde.

Das Hörspiel

Die Sprecher, die Vielzahl der Geräusche und die angemessene, zurückhaltende Musik bilden eine gelungene Einheit, um den Hörer zu unterhalten. Was mir allerdings im dritten Akt, der das Ende des Baumes schildert, fehlt, ist eine zentrale Perspektive durch eine wichtige Figur. Vikar Crome wäre dafür geeignet gewesen, oder noch besser die alte Mrs. Chiddock (die allerdings wohl beizeiten in Ohnmacht gefallen wäre).

Stattdessen nehmen wir die Szene durch eine Art Panoramablick wahr. Dadurch fehlt es an einer Identifikationsfigur, an deren Gefühlen wir Anteil nehmen könnten. Stattdessen fährt. Die „Kamera“ quasi zurück, und der Erzähler versorgt uns reportermäßig mit den Details des Geschehens. So werden wir mit einer emotionalen Distanz informiert, die uns zurück in unsere Realität entlässt.

Audio-CD mit 58 Minuten Spieldauer
http://www.titania-medien.de
http://www.luebbe-audio.de

Das |Gruselkabinett| bei |Buchwurm.info|:

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Jagd der Vampire“ 5828 (Gruselkabinett 32+33)
[„Die obere Koje“ 5804 (Gruselkabinett 34)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)
[„Das Bildnis des Dorian Gray“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5919 (Gruselkabinett 36/37)
[„Berge des Wahnsinns“ (Teil 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6736 (Gruselkabinett 44)
[„Berge des Wahnsinns“ (Teil 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6737 (Gruselkabinett 45)
[„Die Maske des roten Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6735 (Gruselkabinett 46)
[„Verhext“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6734 (Gruselkabinett 47)
[„Die Squaw“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6774 (Gruselkabinett 48)
[„Tauben aus der Hölle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7050 (Gruselkabinett 52)
[„Abenteuer eines Geistersehers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7119 (Teil 1) (Gruselkabinett 54)
[„Abenteuer eines Geistersehers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7120 (Teil 2) (Gruselkabinett 55)
[„Aylmer Vance – Neue Abenteuer eines Geistersehers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7643 (Teil 1) (Gruselkabinett 56)
[„Aylmer Vance – Neue Abenteuer eines Geistersehers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7644 (Teil 2) (Gruselkabinett 57)
[„Pickmans Modell“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7524 (Gruselkabinett 58)
[„Das violette Auto“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7510 (Gruselkabinett 59)
[„Der Grabhügel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7801 (Gruselkabinett 60)
[„Der Ring des Thot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7802 (Gruselkabinett 61)
[„Rappaccinis Tochter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7832 (Gruselkabinett 62)
[„Besessen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7833 (Gruselkabinett 62)
[„Der Schatten über Insmouth – Teil 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8136 (Gruselkabinett 66)
[„Der Schatten über Insmouth – Teil 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8137 (Gruselkabinett 67)
[„Die Legende von Sleepy Hollow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8168 (Gruselkabinett 68)
[„Stimme in der Nacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8167 (Gruselkabinett 69)
[„Schwarze Krallen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8227 (Gruselkabinett 70)

M. C. Bolin – Staatsfeind Nr. 1. Roman zum Film

Im Spinnennetz der Überwacher

Robert Clayton Dean, ein junger Staranwalt in Washington D.C., gerät ahnungslos in den Besitz eines Videos, das einen Top-Beamten des mächtigen US-Geheimdienstes NSA mit einem politischen Mord in Verbindung bringt. Ohne Motive oder Hintergründe zu kennen, gerät der Jurist plötzlich in das Visier skrupelloser NSA-Agenten, die mit allen Mitteln modernster High-Tech-Überwachung sein Leben zerstören. Dean verliert seinen Job, seine Frau und seinen guten Ruf: seine gesamte Identität.

M. C. Bolin – Staatsfeind Nr. 1. Roman zum Film weiterlesen

Smith, Roger – Blutiges Erwachen

_Liebe, Drogen, Chaos: Showdown in Kapstadt_

Es ist Sommer in Kapstadt. Nach einem Überfall vor ihrer Haustür nutzt ein amerikanisches Ex-Model die Gelegenheit, ihren verhassten Mann loszuwerden und erschießt ihn kaltblütig. Dadurch gerät sie jedoch ins Fadenkreuz rivalisierender Gangs. Dies ist der Auslöser für eine brutale Irrfahrt durch die Ghettos von Kapstadt eine gnadenlose Welt aus Fressen und Gefressenwerden. (Deutsche Verlagsinfo von HEYNE)

_Der Autor_

Roger Smith, 1960 in Johannesburg geboren, ist Drehbuchautor, Regisseur und Produzent. Während der südafrikanischen Apartheitsjahre gründete er ein politisches, hautfarbenübergreifendes Künstlerkollektiv. Daraus ist eine Reihe von wichtigen, international erfolgreichen Protestfilmen hervorgegangen. Smith lebt in Kapstadt. (Verlagsinfo)

_Handlung_

Es ist wieder mal eine heiße Nacht in Kapstadt. Das amerikanische Ex-Model Roxy Palmer sitzt mit ihrem Gatten, dem südafrikanischen Waffenschmuggler Joe Palmer, in einem schicken Restaurant. Sie weiß zufällig, dass sein aktueller Geschäftspartner ein Kannibale ist. Dennoch wahrt der Schwarze aus dem Kongo die feinen Manieren eines Zivilisierten – bis er in den Dschungelkrieg zurückkehrt.

Als Roxy und Joe wieder in ihrem schicken deutschen Luxusauto zu ihrem Haus an den Hängen über der Stadt zurückkehren, werden sie von zwei Schwarzen verfolgt, die aus der Siedlung Cape Flats kommen. Es sind Godwynn, der Anführer, und Disco, ein hübscher Exhäftling und Meth-Junkie. Disco wird bereits im Gefängnis dringend von seinem Bandenchef und Lover Piper vermisst. Disco glaubt, einer der beiden Chefs von Cape Flats, Manson, habe Goddy beauftragt, den Benz der Palmers zu stehlen. Doch Goddy dreht sein Ding auf eigene Rechnung.

Der Überfall geht schnell und effizient vonstatten: Die beiden Insassen vor dem Gittertor ihrer Nobelhütte abzupassen und zu bedrohen, ist ein Klacks, denkt Goddy. Die Frau sieht zum Anbeißen aus, findet Disco, aber Goddy hat Schwierigkeiten: Er muss Joe, der sich wehrt, zu Boden schlagen. Dann rasen sie mit dem geklauten Benz und ihrem eigenen Auto von dannen.

Was sie erst am nächsten Tag mitbekommen: Es hat dabei einen Toten gegeben. Wie kann das sein? Sie ahnen nicht, dass Roxy die Gunst der Stunde ergriffen hat, um mit dem prügelnden Tyrannen an ihrer Seite abzurechnen, wegen dessen Brutalität sie ihr ungeborenes Baby verlor. Mit seiner eigenen Waffe hat sie ihm ein drittes Auge in die Stirn gestanzt. Eine Augenblicksentscheidung. Sie warf die Pistole den Hang hinunter in die Büsche. Joe wurde offiziell natürlich von den Räubern getötet. Am nächsten Tag holt die Polizei sie ab, um ihre Aussage aufzunehmen.

Was Roxy nicht ahnt: Joe hat einem seiner Söldner, die für ihn im Irak gekämpft haben, den Lohn geschuldet. Nun kommt Billy Afrika zurück nach Cape Flats, um seine Frau Barbara und seine Tochter zu besuchen. Die wollen ihn nicht hier haben. Er findet heraus, dass all der Lohn, den er Barbara geschickt hat, an den Bandenchef Manson gegangen ist. Mit dem kann er sich nicht anlegen.

Aber Billy weiß, wo er noch Geld zu bekommen hat: bei Joe Palmer. Doch als er dessen Haus betritt, das seltsamerweise nicht abgesperrt ist, findet er eine gefesselte und verängstigte Roxy Palmer in einer ausgeraubten Wohnung vor …

_Mein Eindruck_

„Wake up dead/Blutiges Erwachen“ ist ebenso ein Thriller wie ein Gesellschaftsporträt des heutigen Südafrika. Die Befreiung von der Apartheid ist nur scheinbar gelungen. Noch immer leben in Kapstadt die Schwarzen und Ärmsten unten in den sandigen, windigen Cape Flats, während es sich ob in den sonnigen Hügeln die weißen Reichen gutgehen lassen.

Verbrechen und Korruption blühen allenthalben. Die Cops werden von den Gangstern geschmiert, und die Gangster verhökern zwölfjährigen Teeniegirls ihre Drogen. Komplette Drogenküchen zur Produktion von Methamphetamin stehen in den Flats, unbehelligt von ernsthaften Kontrollen, und wenn kontrolliert wird, dann nur zum Schein. Und um die Drogen bezahlen zu können, gehen die Mädchen schon mit zwölf oder 13 auf den Strich. Spätestens mit 20 geben sie den Löffel ab.

Drinnen im Gefängnis von Pollsmoor herrscht hingegen strenge Hierarchie. Piper („der Schlitzer“) ist der „General“, der über alle Angehörigen der Gang 28 den Befehl führt. Wie beim Militär müssen Frischlinge erst eine Mutprobe bestehen, bevor sie aufgenommen werden oder im Rang aufsteigen können. Und die Mutprobe besteht meist in einem Mord. Waffen sind meist zugefeilte Löffel. Die Wärter sind Teil der Hierarchie und versorgen den „General“ mit allem, was er braucht: Tabak, Meth und Lovern.

Doch Piper vermisst seine „Frau“, nämlich Disco. Der vorbereitete Ausbruch setzt eine verhängnisvolle Kette von Ereignissen in Gang, die unausweichlich zur finalen Auseinandersetzung zwischen Piper und seinem ehemaligen Opfer Billy Afrika führt. Disco und Roxy spielen dabei eine Nebenrolle: Piper will Disco, und Billy will Roxy.

Und Roxy will den Geldkoffer, den der „Kannibale“ in Joes Mercedes gelegt hat, eine Viertelmillion Rand. Genug für einen Neustart, findet sie, mit dem Jungen, den sie bei den Auseinandersetzungen mit Piper und Disco, die sie als Köder für Billy Afrika benutzen, sozusagen geerbt hat. Der Junge ist der Sohn des einzigen nicht korrupten Polizisten in der ganzen Handlung. Doch dieser kommt leider Piper in die Quere.

Doch es gibt zahlreiche Zufälle in Kapstadt, die den Verlauf dieser Konfrontation unvorhersehbar machen. Da ist Manson, der sich Billy Afrika schnappt. Dann bricht ein Bandenkrieg zwischen Manson und der Gang der 26 aus. Schließlich mischen sich auch noch die ukrainische Freundin des „Kannibalen“ und eine Blondinenmörderin ein. Der Autor hat die Rolle des Zufalls und des Faktors X deutlich erkannt. Daher sollte sich der Leser davor hüten anzunehmen, er kenne bereits den Ausgang der Handlung.

_Die Übersetzung _

Ich konnte keine Fehler in der deutschen Übersetzung, die für den Tropen-Verlag (bei Klett-Cotta) angefertigt wurde, finden. Die beiden Übersetzer (s. u.) haben auch die sprachlichen Unterschiede, die zwischen Schwarzen und Weißen in der Handlung bestehen, mit großer Detailtreue und adäquat in deutsche Ausdrucksweise übertragen. Disco und Goddy etwa radebrechen einen Slang, wohingegen Roxy und Joe sich deutlich gediegener ausdrücken.

Das Titelbild der deutschen Ausgabe zeigt ein OKAPI-Klappmesser, wie es in der Handlung von Piper vielfach als Mordwerkzeug eingesetzt wird. Es wird ausschließlich in Südafrika produziert. Daher finde ich dieses Motiv äußerst passend. Durch eine spezielle Drucktechnik wird beinahe ein dreidimensionaler Effekt erzielt, der die Chrom- und Stahlteile des Messers noch plastischer hervortreten lässt.

_Unterm Strich_

Der „Body count“ ist ziemlich hoch in diesem Südafrika-Thriller, und der Leser sollte sich auf blutigste und brutalste Szenen gefasst machen. Der Faktor Zufall führt auch zu Szenen bizarrer Konfrontationen und Schüssen aus dem scheinbaren Nichts, die wiederum merkwürdige Folgen haben.

Keiner der Handlungsstränge ist daher vorhersehbar. Deshalb muss sich der Leser entscheiden: Findet er diesen Erzählstil spannend – oder einfach nur beliebig. Ich habe mich fürs Urteil „spannend“ entschieden und es nicht bereut: Die zweite Hälfte habe ich in einer einzigen Sitzung „verschlungen“.

|Taschenbuch: 368 Seiten
Originaltitel: Wake up dead, 2010
Tropen-Verlag, Klett-Cotta, 2010; Heyne, München, 2011
Übersetzt aus dem südafrikanischen Englisch von Jürgen Bürger und Peter Torberg
ISBN-13: 978-3453435650|
http://www.heyne.de

Gene Wolfe – Der fünfte Kopf des Zerberus

Unter Gestaltwandlern, Träumern und Klonen

Schauplatz ist ein fernes Sonnensystem, das aus zwei Planeten besteht, die von französischen Aussiedlern kolonisiert wurden. Die Franzosen rotteten die Aborigines auf Sainte Anne aus, die wahrscheinlich Gestaltwandler waren, und errichteten auf den zwei Welten unterschiedliche Herrschaftssysteme, die sich misstrauisch bis feindlich gegenüberstehen.

Gene Wolfe – Der fünfte Kopf des Zerberus weiterlesen

Ludlum, Robert; Lustbader, Eric Van – Bourne-Befehl, Der (Jason Bourne 9)

_Die |Bourne|-Serie:_

1) Die Bourne-Identität (The Bourne identity)
2) Das Bourne-Imperium (The Bourne Supremacy)
3) Das Bourne-Ultimatum (The Bourne Ultimatum)
4) [Das Bourne-Vermächtnis]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5355 (The Bourne Legacy; von Eric Lustbader)
5) [Der Bourne-Betrug]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5537 (The Bourne Betrayal; von Eric Lustbader)
6) The Bourne Sanction / [Das Bourne Attentat]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6125 (von Eric Lustbader, 2008)
7) The Bourne Deception / Die Bourne-Intrige (von Eric Lustbader, Veröffentlichung 2009)
8) The Bourne Objective / [Das Bourne-Duell]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7652 (von Eric Lustbader, Veröffentlichung 2010)
9) _Der Bourne-Befehl_ ([The Bourne Dominion]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8078 , von Eric Lustbader, 2011)
10) The Bourne Imperative (von Eric Lustbader, 2012)

_Jason Bourne vs. Severus Domna: Showdown in Damaskus_

Severus Domna, eine mächtige internationale Organisation, schickt sich an, der amerikanischen Wirtschaft einen vernichtenden Schlag zu versetzen. Doch zuvor muss der Mann beseitigt werden, der ihr als Einziger gefährlich werden kann: Jason Bourne. Severus Domna ruft zum Mord an ihm auf. Ausgerechnet Bournes russischer Freund Boris Karpow wird auf den amerikanischen Topagenten angesetzt. Erst kürzlich zum Chef des russischen Nachrichtendienstes FSB-2 ernannt, verdankt Karpw seinen Aufstieg der Führungsspitze von Severus Domna. Kann Bourne seinem Freund noch trauen? Findet Karpow einen Weg aus der tödlichen Zwickmühle? Diesmal führen alle Wege nach Damaskus, wo sich aller Schicksal entscheidet …

_Die Autoren_

1) |Eric Van Lustbader|, geboren 1946, ist der Autor zahlreicher Fernost-Thriller und Fantasyromane. Er lebt auf Long Island bei New York City und ist mit der SF- und Fantasylektorin Victoria Schochet verheiratet. Sein erster Roman „Sunset Warrior“ (1977) lässt sich als Science-Fiction bezeichnen, doch gleich danach begann Lustbader, zur Fantasy umzuschwenken.

1980 begann Lustbader mit großem Erfolg seine Martial-Arts & Spionage-Thriller in Fernost anzusiedeln, zunächst mit Nicholas Linnear als Hauptfigur, später mit Detective Lieutenant Lew Croaker: The Ninja; The Miko; White Ninja; The Kaisho usw. Zur China-Maroc-Sequenz gehören: Jian; Shan; Black Heart; French Kiss; Angel Eyes und Black Blade. Manche dieser Geschichten umfassen auch das Auftreten von Zauberkraft, was ihnen einen angemessenen Schuss Mystik beimengt.

Zuletzt erschien bei uns die Kundala-Trilogie: „Der Ring der Drachen“, „Das Tor der Tränen“ und „Der dunkle Orden“. Da diese Fantasy ebenfalls in einem orientalisch anmutenden Fantasyreich angesiedelt ist, kehrt der Autor zu seinen Wurzeln zurück, allerdings viel weiser und trickreicher. Kürzlich hat er noch einmal eine Wendung vollziehen und schreibt nun die Thriller seines verstorbenen Kollegen Robert Ludlum fort, so etwa „Die Bourne-Verschwörung“. 2007 erschien der Mystery-Thriller „Testamentum“ in der Art von Dan Browns „The Da Vinci Code“. Danach veröffentlichte Lustbader Fortsetzungen von Robert Ludlums BOURNE-Serie.

2) |Robert Ludlum| wurde 1927 in New York City geboren. Nach dem II. Weltkrieg begann er eine Karriere als Schauspieler, die er verfolgte, bis er vierzig wurde, also bis 1967. Er studierte Kunstgeschichte und fing mit dem Schreiben an. 1971 schießt sein erster Thriller „Das Scarlatti-Erbe“, an dem er 18 Monate schrieb, an die Spitze der Bestsellerlisten. Als ähnlich erfolgreich erwiesen sich auch alle weiteren Romane, so etwa „Das Osterman-Wochenende“ (verfilmt), „Die Scorpio-Illusion“ oder „Der Ikarus-Plan“.

Seine Erfahrung als Schauspieler kam ihm zugute: „Man lernt, wie man die Aufmerksamkeit des Publikums behält.“ Seine Bücher wurden in mehr als 30 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von mehr als 280 Millionen Exemplaren (Verlagsangabe Heyne). Zuletzt wurden die drei legendären Bourne-Thriller mit Matt Damon höchst erfolgreich verfilmt. Ludlum lebte bis zu seinem Tod am 12. März 2001 mit seiner Frau Mary und seinen Kinder in Florida und Connecticut.

Mehrere Autoren schreiben an den Serien, die Ludlum schuf, weiter. Derzeit befinden sich die Verfilmungen zu „The Matarese Circle“/“Der Matarese-Bund“ (mit Denzel Washington) und „The Chancellor Manuscript“/“Das Kastler-Manuskript“ (mit Leonardo DiCaprio) in der Produktion. Außerdem gibt es seit 2008 das Videospiel „Robert Ludlum’s: Das Bourne-Komplott“ für PlayStation 3 und Xbox360.

_Handlung_

Die weltumspannende Geheimorganisation Severus Domna ist immer noch hinter Jason Bourne her. Denn er ist der Mann, der sie um einen sagenhaften Goldschatz betrogen hat, mit dem sie das westliche Währungssystem zerstören wollte. Nun wählt sich Benjamin el-Arian, der Leiter der Gruppe, ein neues Ziel aus: die strategischen US-Ressourcen an seltenen Erden, die in Kalifornien entdeckt wurden. Gelingt es ihm, die Vorräte in Indigo Ridge zu zerstören, könnten die Amerikaner keine Mobiltelefone, Tablet-PCs und Hightech-Waffen mehr bauen – sie müssten die Chinesen um diese Rohstoffe bitten, die bislang 97 Prozent der Vorräte kontrollieren und sie künstlich verknappen.

|Bourne|

Während Benjamin el-Arian eine weitere, gut getarnte Attentäterin auf den Weg schickt, begegnet Bourne im Camp eines kolumbianischen Drogenlords einem Mann, dem er Schlimmes angetan hat: Jalal Essai. Ihm gehörte der Laptop, der brisante Informationen über Severus Domna und deren Pläne enthielt und den er für Alex Cross, den Treadstone-Chef, stahl. Dabei verletzte Bourne ein muslimisches Gebot. Inzwischen aber hat sich Essai von Severus Domna losgesagt, weil diese ihm seine Tochter geraubt haben, und will sich widerwillig mit Bourne verbünden. Sein Ziel: Rache. Als erste Leistung verrät er Bourne, wen die Agenten el-Arians auf Bourne angesetzt haben: seinen guten Freund Boris Karpow.

|Karpow|

Erst kürzlich zum Chef des mächtigen russischen Sicherheitsdienstes FSB-2 ernannt, verdankt Boris Karpow seinen Aufstieg der Führungsspitze von Severus Domna. Doch er ist dafür einen Pakt mit dem Teufel eingegangen, mit seinem Kollegen Cherkesow. Dieser verlangt im Gegenzug von Karpow das Unvorstellbare: Er soll seinen Freund Jason Bourne eliminieren. Karpow ist bestürzt und wendet sich an seinen ältesten Freund und Mitkämpfer. Iwan Wolkin rät ihm herauszufinden, was ein Test ist und was ein Opfer.

Die Wege von Bourne und Karpow kreuzen sich in der Altstadt der syrischen Hauptstadt Damaskus. Kann Bourne dem Russen, dem er einst das Leben rettete, noch trauen? Und findet Boris Karpow einen Weg, sich aus der tödlichen Zwickmühle zu befreien? Ihnen bleibt nicht viel Zeit, denn schon bald sehen sie sich mit ihren größten Widersachern konfrontiert.

|Unterdessen|

Christopher Hendricks ist der neue Verteidigungsminister der USA und hat klammheimlich das ehemalige CI-Programm „Treadstone“ reaktiviert. Die einzigen beiden Agenten, die ihm zur Verfügung stehen, sind allerdings bislang nur die beiden geschassten CI-Agenten Soraya Moore, Jason Bournes Busenfreundin, und Peter Marks, ein exzellenter Computerermittler.

Der US-Präsident betraut Hendricks damit, die Security für Indigo Ridge, die kalifornische Mine für Seltene Erden, aufzubauen und zu leiten. Was Hendricks verwundert, ist der Umstand, dass die Firma NeoDyme, die diese Mine vermarktet, an der Börse derartig viel Erfolg hat, obwohl man vom Vorleben ihres Direktors Roy FitzWilliam wenig weiß. Als er Peter Marks auf FitzWilliams ansetzt, wird Peter um ein Haar Opfer einer Autobombenexplosion, gleich darauf wird er entführt. Nur Jason Bournes Freunde Tyrone und Deron können ihn vor einem höchst unerfreulichen Ende bewahren.

Nichtsahnend freundet sich Christopher Hendricks unterdessen mit seiner neuen Gärtnerin an. Diese Maggie Penrod ist bezaubernd, und da er noch immer seiner verstorbenen Frau Amanda nachhängt, fühlt er sich auf einmal recht einsam. Kann Arbeit allein ein Leben ausfüllen, fragt er sich? Wohl kaum. Zum Verdruss seiner Leibwächter trifft er sich mit Maggie immer öfter. Und zudem setzt sie ihm einen Floh ins Ohr: Er solle die Security von Indigo Ridge doch dem neuen CI-Direktor Danziger überlassen, denn der werde sich damit schon bald bis auf die Knochen blamieren. Doch Hendricks ahnt nicht, dass Benjamin El-Arian „Maggie“ geschickt hat, um Hendricks erst bloßzustellen und dann zu eliminieren …

|Paris|

Soraya Moore lebt unterdessen auf Alarmstufe Rot: Einer ihrer Kontakte in Paris wurde ermordet. Um herauszufinden, wer dahinter steckt, arbeitet sie erst mit einem jüdischen Inspektor der französischen Polizei zusammen, dann, als die Spur in die arabische Welt weist, mit ihrem ehemaligen Geliebten Amun Chaltoum, dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes. Sie hätte es besser wissen sollen, als einen Juden und einen Araber Seite an Seite zu engagieren. Sie gehen sich um ein Haar gegenseitig an die Gurgel.

Doch der Auftrag ist zu wichtig. Er führt direkt zur Tarnorganisation The Monition Club von Severus Domna, die von El-Arian geleitet wird. Monsieur Donatien Marchand scheint harmlos genug, doch als Amun eine Wanze in dessen Büro anbringt, belauschen sie, wie er einen Mord in Auftrag gibt – und das Ziel sollen sie und ihre beiden Kollegen sein. Als sie Marchand in einen völlig von Arabern bewohnten Vorort folgen, tappen sie direkt in eine tödliche Falle …

_Mein Eindruck_

Dieser Band von Bournes Abenteuern führt einige Fäden, die mit Severus Domna zu tun haben, zu ihrem Ende. Die uralte Geheimorganisation der Römer sollte ursprünglich Okzident (dafür steht „Severus“, nach Kaiser Septimus Severus) und Orient (dafür steht seine syrische Gemahlin Domna) zusammenführen. Doch unter dem Angriff einer russischen Untergrundorganisation namens Almaz entschloss sich ihr Leiter, Benjamin El-Arian, sich mit einem scheinbar gemäßigten Muslimführer namens Semid Al-Qahhar zusammenzutun. Das war ein schwerer Fehler, denn Semid ist in Wahrheit ein islamistischer Terrorist, der versucht, Severus Domna für seine Zwecke zu missbrauchen. Und diese Pläne sehen den Sturz des amerikanischen Imperiums vor. Daher sein geplanter Angriff auf Indigo Ridge.

Diese Mine für Seltene Erden, die für neuartige Waffensysteme strategische Bedeutung haben, muss um jeden Preis geschützt werden, geht es nach dem US-Präsidenten. Deshalb die dortige Zentrale von Chris Hendricks, dem Verteidigungsminister, und seiner neuen Geliebten Maggie Penrod alias Skara Noren. Wie schon so häufig in Lustbaders Romanen wird die Liebe selbst dem entschlossensten Krieger zum Verhängnis, wenn er in dieser Hinsicht einen wunden Punkt aufweist. Und Hendricks hängt immer noch der verblichenen Amanda nach – dies ist seine Achillesferse. Und Skara nutzt sie weidlich aus, indem sie ihn überredet, die Security für Indigo Ridge abzugeben.

|Alles hängt zusammen|

Jason Bourne hat Skaras Mutter ermordet. Es war ein Auftrag Treadstones und ein völlig sinnloser Racheakt Alex Conklins dafür, dass Cristien Noren, Skaras Vater, ihn töten wollte. Skara hat zwei Zwillingsschwestern. Mikaela wollte das Geheimnis um ihren verschwundenen Vater Cristien lüften und kam dabei um, doch Kaja hat überlebt, indem sie nach Kolumbien ging. Hier lebte sie fünf Jahre mit einem Mann der Severus Domna zusammen – bis er abtrünnig wurde. Jason Bourne rettet das Paar und bringt es zu Don Fernando Herrera ins spanische Cadiz. Nun erfährt er erstmals von dem, was seine Tat, an die er sich krampfhaft zu erinnern versucht, angerichtet hat. Doch weil Kaja nicht weiß, wo Skara ist, kann er Treadstone 2.0 nicht vor ihr warnen. Und so tappen Treadstones neuer Herr Chris Hendricks ebenso wie dessen Mitarbeiter Peter Marks und Soraya Marks in tödliche Fallen.

|Alle Wege führen nach Damaskus|

Durch Jalal Essai weiß Bourne, dass sein Freund Karpow von Severus Domna angestiftet worden ist, ihn zu töten. Alle Wege führen nun zum östlichen Hauptquartier dieser Organisation: Es liegt in der verwinkelten Altstadt von Damaskus. Mehrere Showdowns, einer gewalttätiger als der vorhergehende, reihen sich hier crescendoartig aneinander, bis eine gewaltige Explosion die syrische Hauptstadt erschüttert. (Ein Vorausverweis auf den aktuellen Bürgerkrieg?) Unterdessen geht auch in Paris die Ermittlung Soraya Moores auf die Zielgerade …

Wie man sieht, ist für jede Menge Spannung, Intrige, Romantik und verdammt viel Action gesorgt. Aus Sicht des amerikanischen Lesers ist der ungewöhnlichste Aspekt an den Bourne-Büchern, dass sie fast durchweg im Ausland spielen, den Leser also an die exotischsten Orte führen. Um dieses Szenario zu genießen, ist seitens des Lesers ein Bildungsniveau erforderlich, das weit über das der Oberschule hinausgeht. Auch der Einsatz von Hightech ist in den Bourne-Romanen extrem hoch, so dass auch hier die Kenntnisse auf hohem Niveau sein sollten. Andererseits weiß heute jeder „Digital Native“, was ein USB-Stick, eine DVD und eine Webcam ist.

|Cliffhanger|

Durch ständige Cliffhanger wird der Leser erfreulicherweise dazu angehalten, weiterzublättern, um herauszufinden, wie es mit dem jeweiligen Erzählstrang weitergeht. Es wechseln sich mindestens vier Stränge ab: Bourne, Soraya, Karpov und Hendricks, Hie und da gibt es noch eine Nebenfigur, an deren Gedanken, Meinungen und Vergangenheit wir teilhaben dürfen. Die bei Weitem interessanteste Nebenfigur ist Skara Noren. Sie hat nämlich laut ihrer Schwester Kaja nicht nur eine Persönlichkeit, sondern gleich sechs verschiedene. Deshalb eigne sie sich ja auch so gut als Agentin und Attentäterin.

|Multiple Persönlichkeiten|

Das dissoziative Persönlichkeits-Syndrom ist keine Erfindung von Romanautoren, sondern eine medizinisch anerkannte Tatsache. Sie wurde schon in den achtziger Jahren von Daniel Keyes in Romanen ausgeschlachtet, später dann von Jonathan Nasaw. Dann aber war die Idee ein wenig ausgelutscht. Wohl deshalb hält sich Lustbader in der Schilderung dieser Dissoziation sehr zurück.

Gut möglich, dass gekürzt wurde. So erfahren wir nie, wie die sechs Personas in Skaras Kopf heißen, worin sie sich unterscheiden, welche Vorteile ihr Einsatz bietet und welches Ende sie nehmen. Dies müssen wir erschließen. Und der Epilog gibt dazu die besten Anregungen. Skara war nämlich gar nicht Skara, und sie war auch nie Maggie Penrod …

|Action|

Ein Mann liest die Bourne-Bücher ja vor allem wegen der Actionszenen, nicht etwa wegen der vielfach verschlungenen Intrigen. Auch im Kino ist Bourne der Kämpfer par excellence, und Matt Damon machte in allen drei bisherigen Filmen einen fantastischen Job. Ich kann zwar nicht erkennen, welche Kampfsportarten er alle kombiniert, weil ich ein Laie bin, der nur Judo kann, aber im Buch geht es definitiv karatemäßig zur Sache.

Und zwar stets mit tödlichen Folgen. Da werden reihenweise Genicke gebrochen, Kehlköpfe zerschmettert und Nasen eingeschlagen. Auch Boris Karpov ist in dieser Hinsicht keine Zimperliese. Wenn es Bourne dann doch mal trifft, ist das meist nur eine Fleischwunde. Und Soraya Moore? Es ist ein Wunder, wie sie sich mit einer massiven Gehirnerschütterung auf den Beinen halten und den Feind in der Höhle des Löwen stellen kann. Peter Marks ergeht es keinen Deut besser. Doch er hat wenigstens einen Schutzengel.

_Die Übersetzung _

Mitllerweile schlampt der Autor nicht mehr so wie bei seinen ersten vier Bourne-Romanen. Zumindest in den Originalausgaben. Entsprechende Fehler habe ich in meinen Rezensionen moniert. Sie wurden zum Glück in den deutschen Ausgaben allesamt korrigiert. Die vermeintliche Lücke, die ich im Kapitel 14 des Originals entdeckt zu haben glaubte, existiert nicht. Das hat mir ein Blick auf S. 232 in der Übersetzung bestätigt.

Am Anfang von Kapitel 25 wird kurz auf ironische Weise der Bob-Dylan-Song „Like a rolling stone“ zitiert: „How does it feel – to be on your own, no direction home?“ In der Übersetzung wird diese Zeile, die zu den berühmtesten der Popkultur gehört, wortwörtlich übersetzt, so dass keinerlei Assoziation an Bob Dylan übrigbleibt: >>“Na, wie fühlt man sich so“, spöttelte Zatschek. „So ganz allein, so weit weg von daheim?“<<

In Kapitel 32 taucht erstmals die Waffenbezeichnung AK-74 auf. Zuerst dachte ich, es könnte sich um einen Zahlendreher handeln und es müsste eigentlich „AK-47“ heißen, das berühmte Maschinengewehr der sowjetischen Armee. Das trifft jedoch nicht zu. Schon ein kurzer Blick in den entsprechenden Artikel der Wikipedia belehrte mich eines Besseren: Das AK-74 gibt es schon seit den siebziger Jahren (http://de.wikipedia.org/wiki/AK-74). Es ist das Standardgewehr der russischen Armee.

Die deutsche Übersetzung dreht das Rad der Zeit zurück. Ab Seite 535 heißt es wieder „AK-47“. Kalaschnikow baute das Gewehr anno 1947. Mehr dazu unter dem Wikipedia-Artikel (http://de.wikipedia.org/wiki/AK-47). Was soll der Leser davon halten? Es ist kein Beinbruch, wenn da nun AK-47 steht, aber Experten könnten doch die Stirn runzeln, wenn sie wissen, dass diese Antiquität bereits 1974 durch das AK-74 abgelöst wurde.

_Unterm Strich_

Dies ist mittlerweile der neunte BOURNE-Roman, so dass man mit Fug und Recht von einer Serie sprechen kann. Der jüngste Roman „The Bourne Imperative“ erschien Sommer 2012 und kommt wohl erst in einem Jahr nach Deutschland. Da das Gesetz der Serie herrscht, sollte der Leser ein paar Dinge beachten. Er kann nicht einfach mit diesem Roman einsteigen, denn dann verstünde er nur Bahnhof. Es gibt weder ein Glossar, ein Personenverzeichnis, noch Fußnoten. Quer- und Zurückverweise sind die einzige Hilfe, die er bekommt.

|München-Bashing|

Zweitens erscheinen mehrere Schauplätze in regelmäßigen Abständen. Dazu gehören Washington, D. C., als Sitz von CI, Regierung und Treadstone. Aber auch München ist ständig vertreten: Es ist das Reich des Bösen. Ein Sündenpfuhl, in dem hirnlose Säufer Sauerkraut und Wurst mampfen. Sie werden von einer nahezu allgegenwärtigen Polizeitruppe beschützt, die unseren Helden, hier ist es Karpov, in Bedrängnis bringt – und stark an die Gestapo erinnert. Dabei sitzt der wahre Feind in der Münchner Moschee, von wo er ein Spinnennetz von hier ausgebildeten Terroristen dirigiert.

Nein, Bashing ist kein bayerischer Vorort von München, sondern die Spezialität des Autors. Sogar die Bank des Bösen heißt Nymphenburger Landesbank. Das München-Bashing ist absolut ernstzunehmen. Und wem dies nicht gefällt, sollte keinen BOURNE-Roman mehr von Lustbader mehr lesen.

|Zensiert?|

Trotz dieser Eigenheiten hat mich auch dieser BOURNE-Roman außerordentlich gut unterhalten. Die Action gibt es massenweise, die Romantik kommt ebenfalls nicht zu kurz. Und wenn inzwischen der Sex und so einiges hinsichtlich der Psychologie weggekürzt worden sind, so lag das sicher nicht an Lustbader, sondern am Verlag. So erging es ihm ja bei den deutschen, zensierten Ausgaben seiner Romane „Der Ninja“, „Die Miko“ und „Schwarzes Herz“ (siehe dazu meine Berichte).

Im Übrigen waren den (amerikanischen) Lesern die beiden ersten BOURNE-Romane von Lustbader zu lang, vor allem wegen der ausführlichen Psychologie- und Biografie-Passagen. Diese hat der Autor also gestrafft und führt sie nur noch skizzenhaft aus. So liest sich der Text nun sehr straff und flott. Man sieht also, dass auch Leser Zensur ausüben können. Über Twitter steht der Autor in ständigem Dialog mit seinem Lesepublikum.

|Die Serie|

Im Epilog kommt das Gesetz der Serie wieder zum Tragen. Auch Jason Bourne hat nicht alles herausbekommen, was Severus Domna, Almaz, Treadstone und die Russen angeht. Dafür haben zwei schlaue alte Herren gesorgt, die inzwischen ihre eigenen Schäfchen ins Trockene gebracht haben. Der Kampf um Indigo Ridge, so scheint es, hat gerade erst begonnen.

|Die Übersetzung |

Bis auf zwei Eigenheiten, die ich oben erwähnt habe, finde ich die deutsche Übersetzung sehr gelungen. Auf den Stichproben, die ich gelesen habe, ist sie korrekt und flüssig zu lesen. Die Mehrschichtigkeit, das Markenzeichen von Lustbaders Erzählstil, ist durchaus wiederzuerkennen und dürfte auch dem deutschen Leser keine Schwierigkeiten bereiten. Schön wäre natürlich ein Personenverzeichnis gewesen, um es dem Einsteiger in die Serie einfacher zu machen, aber man kann nicht alles haben.

Das Titelbild entspricht genau dem der amerikanischen Vorlage. Im dynamischen und fotografischen Darstellungsstil reiht es sich in den Titelbildstil ein, der sich mittlerweile für die ganze Serie durchgesetzt hat. Wahrscheinlich hat sich dies der amerikanische Verlag auch vertraglich zusichern lassen.

|Hinweis|

Keines der oben erwähnten Bücher in der BOURNE-Reihe hat irgendetwas mit der Handlung des vierten Jason-Bourne-Films zu tun. Es ist also sinnlos, hier eine Buchvorlage zu suchen. Und der Leser findet in dem Film einen optischen Mehrwert, den er in den Büchern nicht bekommt.

|Gebunden: 560 Seiten
Originaltitel: The Bourne Dominion (2011 )
Aus dem US-Englischen übersetzt von Mag. Norbert Jakober
ISBN-13: 978-3453266940|
http://www.heyne.de

_Robert Ludlum bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Paris-Option“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1068
[„Die Ambler-Warnung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3493
[„Das Osterman-Wochenende“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6841

MacBride, Stuart – Knochensplitter (Logan McRae 7)

_|Logan McRae|:_

01 [„Die dunklen Wasser von Aberdeen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2917
02 [„Dying light“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6758
= [„Die Stunde des Mörders“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3739
03 [„Der erste Tropfen Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4940
04 [„Flesh House“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6760
= [„Blut und Knochen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5792
05 „Blinde Zeugen“
06 [„Dunkles Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7164
07 [„Shatter the Bones“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8190
= _“Knochensplitter“_

_Kidnapper, Huren und kleine Mädchen – Aberdeen steht Kopf_

Das schottische Gesangsduo Alison und Jenny McGregor war ein vielversprechender Kandidat für die Talentshow „Britain’s Next Big Star“. Doch seit sechs Tagen sind Mutter und Tochter verschwunden. Entführt, wie eine Lösegeldforderung deutlich macht. Lösegeld, das von ganz Großbritannien binnen 14 Tagen aufgebracht werden soll, sonst …

Die Ermittlung der Grampian Police Force in Aberdeen hat keinerlei Anhaltspunkte. Bis am sechsten Tag ein kleiner abgeschnittener Kinderzeh die Forderungen der Entführer drastisch unterstreicht.

_Der Autor_

Stuart MacBride war schon alles Mögliche: ein Grafikdesigner, dann ein Anwendungsentwickler für die schottische Ölindustrie und jetzt Kriminalschriftsteller. Mit seiner Frau Fiona lebt er in Nordostschottland. Seine Krimis um Detective Sergeant Logan McRae spielen in Aberdeen.

Werke:

1) Cold Granite (2005) = Die dunklen Wasser von Aberdeen
2) Dying light (2006) = Die Stunde des Mörders
3) Broken skin (2007; US-Titel: Bloodshot) = Der erste Tropfen Blut
4) Flesh House (2008) = Blut und Knochen
5) Blind eye = Blinde Zeugen (2009)
6) Halfhead (2009, SF)
7) Dark Blood (2010) = Dunkles Blut
8) Shatter the Bones (2011) = Knochensplitter
9) Sawbones (2011)
10) Birthdays for the Dead (2012)

_Handlung_

Logan McRae rast mit Sgt. Rennie um die Kurve. Reifen quietschen, Rennie keucht angstvoll auf. „Noch 90 Sekunden …“ McRae drückt auf die Tube, donnert durch Aberdeens Vororte, brettert um Kreisverkehre, donnert über Schwellen, nur um die Deadline zu schaffen, die die Entführer gesetzt haben. Der Auspufftopf verabschiedet sich von der metallischen Gemeinschaft des Polizeiwagens, als McRae mit Karacho über eine weitere Schwelle düst. Sie schaffen es nicht zur bezeichneten Telefonzelle: „zwei Minuten über der Zeit“, verkündet Rennie düster. Was werden sie in der Zelle finden?

Alison und Jenny MacGregor, ein vielversprechendes Gesangsduo aus Mutter und kleiner Tochter, ist entführt worden. England und Schottland haben gerade mal 14 tage Zeit, um das erhebliche Lösegeld für die gekidnappten aufzubringen. Unterdessen muss die Aberdeener Polizei, die Grampian Police Force, alles unternehmen, um den Forderungen der Entführer nachzukommen – und zugleich die Suche vorantreiben. Bislang erfolglos. Deshalb auch der rasende Eifer von Detective Sergeant Logan McRae, der es wirklich gerne bald zum Detective Inspector bringen würde.

In der Zelle befindet sich ein gelbes Päckchen. McRae öffnet es mit behandschuhten Händen, weil er hofft, dass er einen weiteren Hinweis findet. Doch der Inhalt ist ein höhnischer Zettel – und ein abgeschnittener Kinderzeh. Gehörte er Jenny? Rennie dreht es den Magen um, während McRae flucht. Die Laboruntersuchung der DNS bestätigt den finsteren Verdacht: Das Körperglied gehörte der kleinen Jenny. Die Presse tobt und will Blut sehen. Oder wenigstens einen Verdächtigen. Besonders nachdem einer Ihren, der geschniegelte Reporter Colin Miller, ein Schreiben der Erpresser mitten in der Pressekonferenz präsentiert hat.

Schon am nächsten Morgen muss McRae die Wohnung einer Familie von Drogensüchtigen und Dealern stürmen. Es wird ein Desaster, denn Shuggie Webster, der Kopf der Bande, kann entkommen. Und Trisha Brown, seine drogensüchtige Frau, beschuldigt McRae, sie vergewaltigt zu haben. Für Logan ist es also mal wieder Zeit, die allseits beliebte Dienstaufsicht zu beehren. Da freut er sich schon tierisch drauf.

Doch alles, was Trisha Brown will, sind die beschlagnahmten Drogen. Die Ziegelsteine von Heroin haben die Websters nämlich auf Pump gekauft, und die Verkäufer wollen jetzt ihre Ware zurück – oder das Geld. Shuggie Webster ist noch längst nicht über alle Berge. Das muss McRae schmerzhaft feststellen, als Shuggie ihn in eine Falle lockt, seinen Rottweiler auf ihn hetzt und sich sein Polizeiauto schnappt. Logan beschleicht ein finsterer Verdacht. Könnte der Drogendealer am Ende hinter der Entführung der MacGregors stecken, um das Lösegeld zu verwenden, seine Drogenlieferanten zu bezahlen?

Die weiterhin ergebnislose Ermittlung zieht nach dem Willen der Gewaltigen an der Spitze immer weitere Kreise. Sexuelle Missetäter zu interviewen, ist ebenso wenig ergiebig wie appetitlich, und das Befragen von Alisons ehemaligen Mitstudenten fördert ein paar seltsame Gestalten zutage, darunter eine angehende Stalkerin. Doch die Entführung, bei der keine einzige DNS-Spur hinterlassen wurde, war so professionell durchgezogen, dass McRae seine Zweifel hat, die Studenten könnten auch nur den Pudel einer Oma entführen.

|Unterdessen|

Die Monster sind ganz in Weiß gekleidet. Die sechsjährige Jenny beobachtet sie, wenn sie mit diesen Roboterstimmen miteinander sprechen. Sie tragen Skibrillen, Schals, Gummihandschuhe sowie Duschhauben an den Schuhen. Alles in Weiß. Sie tragen Namensschilder, die sie gut lesen kann, während sie angekettet auf dem Bett liegt. Darauf steht SYLVESTER, TOM, DAVID, COLIN und PATRICK.

DAVID ist der schreckliche Anführer, der Mummy im anderen Zimmer immer wehtut, bis sie weint. Nach einer Weile kommt COLIN nicht mehr, der ihr immer so sanft ihre Spritzen geben hat. Nun muss SYLVESTER das erledigen, und er ist ein Stümper. So wie jetzt. Die Biene sticht, und Jennys Gedanken wandern ins Nimmerland …

|Feuer unterm Hintern|

Es ist nachts um drei, als McRae von einem Geräusch an der Wohnungstür geweckt wird. Er steht auf und schaut nach. Die Klappe für die Post ist geöffnet und jemand füllt ein Kondomm voll Benzin. Logan schreckt auf – er weiß, was das bedeutet. Er ruft nach seiner Freundin Samantha, doch sie schläft fest. Das weiße Kondom wird gefüllt, dann folgt ein kratzendes Geräusch: ein Streichholz wird angerissen.

Fürs Eingreifen ist es zu spät, daher spurtet Logan zurück ins Schlafzimmer, ruft dabei ständig Samanthas Namen. Auf einmal dröhnt ein Donnerschlag. Die Tür des Schlafzimmers, die Logan gerade schließen will, wird von der Explosion aus den Angeln gerissen und er unter ihr begraben …

|Seitenwechsel|

Als Logans Wohnung in Brand gesetzt und dabei seine Freundin Samantha schwer verletzt wird, ist eine rote Linie ganz klar überschritten worden. Nun ist die Sache persönlich. McRae setzt alles daran, die verschiedenen Rätsel aufzuklären – und wendet sich an das organisierte Verbrechen in Aberdeen. Dort empfängt man ihn mit offenen Armen, wie einen verlorenen Sohn …

_Mein Eindruck_

Nach vielen Anläufen und unzähligen Anschissen seitens seiner Vorgesetzten schafft es der Held Logan McRae, endlich vom Underdog-Dasein eines Detective Sergeant in den nahezu erhabenen Rang eines Detective Inspector aufzusteigen. Ehrenhalber und interimsmäßig, wie sich sein Chef beeilt hinzuzufügen. Trotzdem: Endlich heimst McRae Lorbeeren. Er wagt nicht zu verraten, auf welche Weise – er hat sich mit der Unterwelt eingelassen und fast einen Menschen getötet. Ein geradezu faustischer Pakt. Kein Wunder, dass ihn sein Gewissen plagt.

Andererseits ist sein „Sündenfall“ gerechtfertigt: Trisha Brown ist ebenso entführt worden wie die beiden MacGregors. Nur dass sich um die Junkie-Hure keine Sau kümmert, am allerwenigsten die Medien. Trishas Mutter Helen wirft McRae diese Ungerechtigkeit völlig zu Recht vor. Aber was soll er machen? Niemand verlangt für eine verschwundene Hure Lösegeld oder setzt auch nur eine Belohnung aus. Wie sich herausstellt, erfordert es McRaes ganze Schläue und körperliche Einsatzbereitschaft, um Trisha zu finden und zu befreien.

Im Unterschied dazu scheint Alison Macgregor nahezu ein Engel zu sein. Kein Wunder, dass die Millionen Fans dieses C-Promis bereit sind, nicht weniger als 9 Millionen Pfund (etwa 10,4 Mio. Euro) auf ein Konto ihres Senders zu überweisen, um sie freizubekommen. Merkwürdig ist jedoch, dass Alisons Entführer nie festgelegt haben, welche Summe ihnen als ausreichend erscheint. Warum dieser Umstand nie zur Sprache gebracht wird, kann ich mir nicht erklären. Ist dieser Aspekt etwa zu banal? Mir scheint er gegen die Professionalität der Entführer zu sprechen.

Wie immer wirft das Schicksal in Gestalt von dämlichen Vorgesetzten unserem Helden jede Menge Knüppel zwischen die Beine, um ihn an einem simplen Erfolg zu hindern. Da könnte ja jeder dahergelaufene Detective Sergeant den Bossen die Lorbeeren klauen! Soweit darf es nicht kommen, denn würde ja die Hierarchie infragestellen.

Ganz besonders hervortut sich ein Berater für das organisierte Verbrechen. Der Typ mit dem vielsagenden Namen „Mr. Green“ scheint mehr auf TV-Heldentum interessiert zu sein als an vernünftiger Polizeiarbeit. Durch Drohungen verschreckt er beispielsweise einen als Pädophilen registrierten Arbeiter namens Frank Baxter. Als Greens Drohungen publik werden und in den Zeitungen landen, taucht Baxter unter – nun ist er keine Hilfe mehr. Er kommt nicht weit. In Dundee entdecken ihn harte Kerle und machen Kleinholz aus ihm.

Das Generalthema ist die kritische Beleuchtung der Auswirkungen, die die Medien TV und Presse auf das Bewusstsein der Menschen in Aberdeen – der Autor spricht nie für andere Gegenden – haben. Der Medienhype macht aus einer Beinahehure wie Alison MacGregor eine Heilige, während echte Huren, die McRae befragt, unbemerkt belästigt werden und im Nichts verschwinden können. Die Heiligsprechung Alisons erzeugt eine weitere, weitaus gefährlichere Spezies von Fan: eine Stalkerin. Sie wird sich als Alisons Nemesis erweisen.

Eine Weile sieht es so aus, als hätten entweder Pädophile oder Alisons Mitstudenten mit der Entführung zu tun. Die Verbindung zu der Science-Fiction-Fernsehserie „Dr. Who“, die in Großbritannien seit zig Jahren läuft, ist doch recht auffällig. Und im Gegensatz zu Logan McRae verstehen wir nun auch, warum sich die Entführer in eine Art Raumanzug gekleidet haben. Die Umhüllung verhindert auch, dass sie irgendwelche DNS-Spuren hinterlassen. Schlaue Bürschlein.

Doch die knallharte Wahrheit, auf die Mr. Green Logan McRae und DS Rennie stoßen, ist weitaus erschütternder. Wirklich zu Herzen gingen mir jene Szenen, deren Zeuge wir aus der Perspektive der sechsjährigen Jenny MacGregor werden. Die Entführer amputieren ihr die beiden kleinen Zehen – das Video wird der BBC zugespielt, so dass die Cops das Nachsehen haben. Ganz England ist geschockt – und spendet Lösegeld wie verrückt. Die Spritzen, die Jenny nun bekommt, sollen eine Infektion verhindern. Die Szenen sind nichts für zartbesaitete Gemüter. Aber alles andere wäre bei einem Autor wie Stuart MacBride wirklich ein Wunder.

_Die Übersetzung _

Das englischsprachige Original erschwert, wie ich selbst gelesen habe, nicht nur durch den schottischen Dialekt die Übersetzung, sondern auch weil es mit Druckfehlern gespickt ist. Die sollen uns hier nicht kümmern, denn bei meiner Lektüre der deutschen Ausgabe konnte ich keinen einzigen Fehler entdecken. Man kann also hierzulande unbeschwert loslesen. Selbst schwierigste Ausdrücke und Dialektsätze konnte Andreas Jäger glaubwürdig in unsere Sprache übertragen.

_Unterm Strich_

Ich kenne fast alle Thriller von MacBride bis auf den jüngsten und muss sagen, dass mich „Knochensplitter“ keineswegs vom Hocker gerissen hat. Der Plot lässt sich in zweieinhalb Zeilen zusammenfassen – aber das trifft wohl auf die meisten Krimis zu. Deswegen wirkte der Krimi auf mich über weite Strecken hinweg aufgebläht und substanzlos, ganz besonders in der ersten Hälfte. Okay, hier kommt häufig die schwarze Komödie zu ihrem Recht.

Ab der Mitte, als das Video mit den amputierten Zehen gezeigt wird tritt eine Wendung ein, und spätestens mit dem Brandanschlag auf McRaes Wohnung ist das Maß des Erträglichen voll – McRae ergreift verzweifelte Maßnahmen ohne Rücksicht auf Verluste. Die Ermittlung steigert sich zum ersten Finale, das der Rettung von Trisha Brown gilt, und dem zweiten Finale, das der Rettung der MacGregors gilt.

Der Epilog liefert noch einmal eine bittere Pointe, die typisch ist für MacBrides ultrarealistischen und zugleich anklagenden Stil. Angesichts des Gehalts der zweiten Hälfte fand ich mich schließlich doch noch genügend zufriedengestellt.

|Hardcover: 510 Seiten
Originaltitel: Shatter the bones (2011)
Übersetzt von Andreas Jäger
ISBN-13: 978-3442546992|
http://www.randomhouse.de/manhattan

Alpsten, Ellen – Ritter Vincelot und der Feuerdrache

_Ritterklischees gegen den Strich gebürstet_

Eine große Chance für Vincelot! Der böse Fürst Finster und sein fürchterlicher Feuerdrache verwüsten das ganze Königreich und drohen nun auch noch, Prinzessin Paula zu entführen. Kein Ritter traut sich, gegen die Bösewichte anzutreten. Jetzt kann Vincelot endlich allen beweisen, dass er das Zeug zum echten Ritter hat. Auch wenn sein magisches Schwert „Jaber“ da ganz anderer Meinung ist: „Ja, aber … Müssen wir denn unbedingt kämpfen?“ – „Klar“, beschließt Vincelot. Doch mit dem, was die Freunde in der Drachenhöhle erleben, hätten sie im Leben nicht gerechnet … (Verlagsinfo)

_Die Autorin_

Ellen Alpsten wurde 1971 als Tochter eines deutschen Tierarztes in Kenia geboren und studierte nach ihrem Abitur zwei Jahre Jura in Köln, ehe sie an das französische „Institut d’Etudes Politiques de Paris“ wechselte. Nach ihrem Diplom arbeitete sie in London bei den Wirtschaftssendern Bloomberg TV und N24 als Produzentin und Moderatorin und veröffentlichte 2002 ihr Debüt „Die Zarin“ bei Eichborn. Seit 2004, nach der Geburt ihres ersten Sohnes, ist sie als freie Journalistin und Schriftstellerin tätig, u. a. für die FAZ, Spiegel Online und Madame. Sie lebt mit ihrem Mann und ihren drei Söhnen in London. (Verlagsinfo)

Weitere Werke:
1) Eine Liebe in Paris
2) Halva, meine Süße

_Der Sprecher & Sänger_

Maxim Wartenberg, der 32-jährige Sozialpädagoge, Theatermusiker und Vater von fünf Kindern, hat seinen Traum zum Beruf gemacht: Musik für Kinder und Familien. Mit der Trommelfloh-Band entstanden bisher 6 Studio-Alben: Die aktuelle CD und letzter Streich heißt „Langeweile ade!“

Weitere Veröffentlichungen:
• Träume Monsterchen und ich mittendrin – Traum- und Erlebniswelt von Kindern
• Das sind wir – Der Sprung ins pralle Familienleben
• Seeräuber Jack – das Piratenmusical von den Abenteuern des Seeräuber Jack auf der Suche nach seinem Teddy
• Gemischte Tüte – Die Welt ist ’ne gemischte Tüte mit lauter bunten Sachen drin
• Kuschelbagger – Rundumschlag durch Familienleben und Fantasiewelten

Mehr Info: http://www.trommelfloh.de/maxim.html

Regie führte Produzent Maxim Wartenberg, aber die Technikseite der Aufnahme betreute Sebastian Schreiber, der auch das Esel-Geräusch beitrug. Wartenbergs Töchter (?) Josefine und Katja sind im Chor des Rittertanzes zu hören.

_Handlung_

Die Burg des Königs ist voll mit Rittern und Handwerkern. Der König jammert: „Der Drache will schon wieder Geld! Oder ich muss Prinzessin Paula opfern! – Bestimmt steckt Fürst Finster wieder dahinter.“ Vor diesem Fürsten Finster fürchten sich die Rittersleut‘, mit einer Ausnahme: Vincelot, denn dieser verfügt über ein magisches Holzschwert. Doch weil der König Magie verboten hat, darf keiner wissen, dass Vincelot solch eine Wunderwaffe besitzt.

|Die Wahl|

Vincelot kann sich schon denken, warum Fürst Finster die nette Prinzessin Paula haben will: Er hat selbst keine Kinder. Die Prinzessin spielt für ihr Leben gern Fußball, und ihre roten Haare passen bestens zu ihrem neckischen Grinsen, das Vincelot sofort erwidert. Vincelot ist deshalb froh, dass sein großer Bruder Roland, der faulste Ritter auf Gottes Erdboden, sich bereit erklärt, den Drachen und Fürst Finster zu bekämpfen. Roland will Vincelot dabei haben. Darüber spotten die anderen Ritter, die Vincelot für zu klein halten. Roland setzt ihm ein Nudelsieb auf den Kopf, verpasst ihm ein von Paula gestricktes „Ketten-hemd“ und setzt ihn auf einen Esel. Ab geht die Post!

|Die Queste|

Durch den Wald über Stock und Stein führt die Suche nach dem Drachen, vorüber an einem abgebrannten Dorf, dessen Flüchtlinge ihn den Weg weisen: im Berg der Bosheit, in einer Höhle, hause der furchtbare Drache, der das Land verwüste. Dort verstecke Fürst Finster die Beute, die er mit seinen Räubern geplündert habe. Der Aufstieg ist beschwerlich, und als Roland endlich die Höhle erreicht, ist er so erschöpft, dass er sich erst einmal schlafen legen muss.

Jaber, das magische Holzschwert Vincelots, kann sprechen. Meist sagt es nur „Ja, aber“, daher sein Name. Diesmal beschwert es sich über einen derart faulen Ritter: „Alte Schlafmütze!“ Doch jetzt sieht Vincelot seine Chance gekommen: „Auf in die Höhle!“ Auf einmal wird Jaber scharf und schwer wie edler Stahl, bereit zur Verteidigung seines Herrn. Damit sich Vincelot nicht in der finsteren Höhle verläuft, ribbelt sich sein „Ketten-Hemd“ zu einem Ariadnefaden auf, mit dessen Hilfe er wieder den Rückweg finden kann.

|Die Drachenhöhle|

Die Höhle ist bewohnt von unheimlichen Fledermäusen und nass von Tropfen, die noch unheimlichere Tropfsteine formen. In der Ferne öffnet sich eine Kaverne, die von einem Lagerfeuer erleuchtet wird. Oder ist es Drachenfeuer?, fragt sich Vincelot bangt. Da hören seine gespitzten Ohren ein seltsames Geräusch. Als ob jemand Niesen würde. Gleich darauf folgt ein geradezu asthmatisches Husten.

Jetzt kann er den riesigen Schatten des Drachen sehen und zückt sein stählernes Schwert. Doch je näher er dem Monster kommt, desto kleiner wird sein Schatten, bis er völlig verschwunden ist. Schließlich bleibt Vincelot vor einem Wesen stehen, mit dem er nie im Leben gerechnet hätte. Es niest und hustet zum Steinerweichen. Kein Wunder, dass Jaber erst einmal mit diesem Wesen sprechen will …

_Mein Eindruck_

Ein Drache, denkt man, speit ja Feuer. Doch der Drache, den Vincelot und Jaber vorfinden, niest und hustet, dass es in dem Ritter nur Mitleid erzeugen kann. Die Geschichte stellt die Klischees auf den Kopf, nicht nur die über Drachen, sondern auch die über Ritter und Prinzessinnen. Dass Paula Fußball spielt, finde ich klasse: „Kick it like Beckham, Baby!“ Dass Ritter Roland lieber pennt, finde ich nicht so prickelnd. Aber dafür kommen die Kleinen zum Zuge: Vincelot eben.

Alles, was der kranke, einsame und vor allem kleine Drache Purpur will, sind Freunde. Na, das soll seine geringste Sorge sein, meint Vincelot und sagt ihm die Freundschaft zu. Bloß den Schatz des Königs, den möchte er schon noch gerne haben. Damit hat Purpur, der angesichts seiner Befreiung aus der Gefangenschaft Fürst Finsters keine Verwendung für Gold hat, überhaupt kein Problem. Er nimmt das zeug auf den Rücken und will damit bloß noch raus aus der nassen, zugigen Höhle.

Allerdings schlägt jetzt wieder das Klischee zu: Das Stück muss einen Schurken haben. Fürst Finster ist eine Kombi aus Räuber, Baron und Zauberer. Zusammen mit seinen Kumpanen verlegt er Vincelot und Purpur den Weg, der aus der Höhle führt. Kann er besiegt werden?

_Der Sprecher & Sänger_

Zum Stück gehören nicht weniger als fünf Lieder. Zusammen mit seiner Band Trommelfloh und seinen Töchtern Josefine und Katja hat Maxim Wartenberg diese Lieder selbst gestaltet, arrangiert und gesungen. Die einfachen Texte und Melodien richten sich an Kinder ab drei Jahren. Man darf also keine ausgefeilten Kunstwerke erwarten. Hauptsache, die Botschaft kommt an: „Kommt, lasst uns Freunde sein!“ Alle Texte sind im Booklet abgedruckt. So können Eltern sie leicht erklären.

Auch sonst sind die Lieder einfach gestrickt, aber doch recht tanzbar. Das trifft natürlich besonders auf den Rittertanz zu, der das Hörbuch abschließt:

„Wir strecken die Arme dem Himmel entgegen, ein Sprung in die Luft und die Hüften bewegen!
Wir drehn uns im Kreis, wir hüpfen auf einem Bein, und alle singen mit, keiner ist dafür zu klein!“

Die Aufnahme ist musikalisch und technisch einwandfrei gelungen.

_Unterm Strich_

Ich habe mich nicht gelangweilt und fand einige Szenen wirklich nett. Für die kleinsten Zuhörer ab 3 oder 6 Jahren bietet die inszenierte Lesung eine humorvolle Stunde Ritterspaß. Einige überraschende Wendungen bürsten die gewohnten Klischees über Ritter, Drachen und Prinzessinnen gegen den Strich, nur der Schurke muss mal wieder superböse sein.

Dass Fürst Finster die nette Prinzessin nur als Dienstmädchen betrachtet und zum Kinderkriegen braucht, ist wahrlich finster. Mädels sind doch so viel mehr! Zum Beispiel im Fußball und beim Verleihen von Ritterhelmen. Bloß vom Drachen Purpur erfahren wir kaum noch etwas. Wir hoffen, auf der Königsburg ergeht es ihm gut.

|Das Hörbuch|

Die inszenierte Lesung – es handelt sich ja nicht um verteilte Rollen, sondern nur um einen Erzähler – wartet mit lustigen Szenen, unzähligen Geräuschen und fünf unterhaltsamen Liedern auf. Besonders das Letzte weiß die kleinen Zuhörer, für die es gedacht ist, mitzureißen, fordert es sie doch zum „Rittertanz“ (siehe oben) auf.

|Merchandising|

Bei Coppenrath hat man von „Prinzessin Lilliput“ gelernt: Eine ganze Merchandising-Produktpalette wurde aus dem Boden gestampft. Nun können geplagte Eltern ihren Vincelot-Fans jede Menge Schwerter, Burgen, Schilde und so weiter schenken. Da hat die Qual der Wahl endlich ein Ende – und der Kommerz einen Anfang, wie die entsprechende Webseite offenbart. Zum Glück lässt das Hörbuch davon nichts spüren. So kann man es unbeschwert genießen.

|Audio-CD mit 53 Minuten Spieldauer
Vom Verlag empfohlen ab 3 Jahren|
http://www.coppenrath.de

Washington Irving – Die Legende von Sleepy Hollow (Gruselkabinett 68)

_Der kopflose Reiter: eine Dreiecksgeschichte _

An den Ufern des Hudson Rivers befindet sich ein von den Einwohnern des beschaulichen Städtchens Tarrytown gemiedenes Tal, welches Sleepy Hollow genannt wird. Dort ist es, zumindest der Meinung der niederländischen Siedler nach, nicht geheuer, denn der Geist eines hessischen Söldners wurde schon einige Male als grauenvoll anzuschauender kopfloser Reiter dort gesichtet. Auch der neue Dorfschullehrer Ichabod Crane hört schon bald nach seiner Ankunft von diesen Spuk-Geschichten … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14. Jahren.

_Der Autor_

Washington Irving – Die Legende von Sleepy Hollow (Gruselkabinett 68) weiterlesen

Hodgson, William Hope – Stimme in der Nacht (Gruselkabinett 69) (Hörspiel)

_Adam und Eva im Schiff des Grauens _

Auf hoher See im Nordpazifik, 1850: Es ist eine dunkle, sternlose Nacht. Ein Segelschiff liegt wegen der anhaltenden Flaute vor Anker. Plötzlich zieht aus heiterem Himmel Dunst auf und hüllt das Schiff immer mehr ein. Im Sichtschutz von Nacht und Nebel nähert sich daraufhin vorsichtig ein Ruderboot, dessen Insasse sich mit verzweifelter Stimme an die Besatzung des Seglers wendet … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 14. Jahren.

_Der Autor_

Der Brite William Hope Hodgson (1877-1918) fuhr selbst 1891 bis 1899 in der Handelsmarine zur See, bevor er 1904 mit „The Goddess of Death“ seine erste, recht schwache Mystery-Erzählung veröffentlichte. Schon bald zog er Nutzen aus seinen Erlebnissen auf See. Diese Erzählungen schaffen eine Atmosphäre aus der Einsamkeit eines Schiffes auf hoher See und der Fremdartigkeit dessen, was unter den Wellen liegen mag.

Seine wirkungsvollsten Erzählungen drehen sich um die Verwandlung von Menschen und Dingen in andere Wesen, so etwa unter dem Einfluss eines Pilzes in „The Voice in the Night“ (1907) sowie in „The Derelict“ (1912) – die vorliegende Erzählung – in der sich ein Schiffswrack in ein lebendiges Wesen verwandelt.

Neben vielen weiteren Erzählungen schuf Hodgson zwei große Romane: „The House on the Borderland“ (1908), das von H. G. Wells‘ Roman „Die Zeitmaschine“ (1895) beeinflusst wurde, sowie „The Night Land: A Love Tale“ (1912), das eine Queste auf einer Sterbenden Erde schildert.

Unter seinen zahlreichen kommerziellen Storys befinden sich zwei Serien für Magazine: „Carnacki the Ghost-Finder“ (gesammelt 1913) sollte an „John Silence“ (1908) von Algernon Blackwood anknüpfen, und die Serie um Captain Gault weist überhaupt keine übernatürlichen Elemente auf.

„Hodgsons Werk bildet überbrückt die Kluft zwischen den übernatürlichen Schrecken des 19. Jahrhunderts und den wissenschaftlichen Wundern des Zwanzigsten, wobei es demonstriert, dass beide gleichermaßen Schrecknisse der Bestürzung und Verwirrung hervorzubringen vermögen“, schreibt die „Encyclopedia of Fantasy“ (meine Übersetzung).

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Lutz Mackensy: John
Reinhilt Schneider: Vivian
Benjamin Kiesewetter: George
Peter Reinhardt: Will

Marc Gruppe schrieb wie stets das Buch und gemeinsam mit Stephan Bosenius setzte er es um. Die Aufnahme fand in den Planet Earth Studios statt und wurde bei Kazuya abgemischt. Die Illustration stammt von Ertugrul Edirne.

_Handlung_

Die Bark von George und Will liegt schon seit einer Woche wegen einer Flaute im Nordpazifik fest. Das wäre nicht weiter besorgniserregend, wenn nicht regelmäßig kalter Nebel das Schiff einhüllen würde und die Besatzung mit Schaudern erfüllen würde. Will flachst, bald werde ihnen der Fliegende Holländer seine Aufwartung machen und sie zu seinen Geistern mitnehmen.

George erwacht in der Nacht, als er eine Stimme im Nebel hört. Es ist ein Mann, der „Schiff ahoi!“ ruft und dann um Hilfe bittet. Er nennt sich John und bitte lediglich um ein wenig Proviant für sich und seine sterbende Frau Vivian, die auf einer Insel zurückgeblieben sei. Aber warum er nicht mit seinem Boot anlege, fragt ihn George, der inzwischen Will geholt hat. John, der sich scheut, sein Gesicht ihrem Lampenschein preiszugeben, gesteht, dass er ihnen nicht den Fluch übertragen möchte, von dem er befallen sei.

Was kann er bloß meinen, wundern sich George und Will, bevor sie ihm von ihren Vorräten abgeben. Aber John gibt auch nicht die Seile zurück, denn auch diese könnten befallen werden. Und so rudert er wieder mit ihren Seilen von dannen. Hat er sie zum Narren gehalten, fragen sie sich.

|Die Insel des Grauens|

Doch John kehrt zurück, voll Dank für die Gaben. Und diesmal ist er bereit, von seinem entsetzlichen Schicksal zu erzählen. Denn er und Vivian seien die letzten Überlebenden der verschollenen „Albatross“. George und Will erschrecken. Die „Albatross“ verließ vor einem halben Jahr das britische Newcastle und ward nie wieder gesehen. John bestätigt ihren Untergang, nachdem ein schrecklicher Sturm ihre Masten genickt hatte. Doch die Besatzung ging ohne John und Vivian in die Boote, bevor das langsam sinkende Schiff sie in die Tiefe sog. Das Ehepaar zimmerte eilends ein Floß und entkam dem Todesstrudel mit knapper Not.

Doch statt eine Insel zu finden, trieb eine starke Strömung das Floß der zuversichtlichen Schiffbrüchigen an Insel vorüber, bis es endlich in einer großen Lagune anlangte. Dort entdecken die Schiffbrüchigen das menschenleere Wrack eines Schoners. Was wie die Rettung vor der Unbill des Meeres erscheint, erweist sich allerdings nach wenigen Tagen des Putzens und Einrichtens als eine unheimliche Falle. In allen Ecken und Enden finden John und Vivian diesen stinkenden Schimmel vor, der Klumpen bildet und sogar starkem Karbol widersteht. Als der Schimmel auch ihre Körper befällt, verlassen sie diese trügerische Zuflucht.

Von einem vermeintlich schimmelfreien Fleck am Strand der Insel bricht John allein auf, um im Dschungel zu jagen. Denn die hungrige Vivian hat bereits von dem Schimmel gegessen – und er mundete ihr nicht schlecht, gestand sie schaudernd. Doch wo er im Dschungel auch hinblickt, findet er nur Gewächse und Auswüchse des Schimmelpilzes vor.

Da hört er ein unheimliches Fauchen in der Nähe. Eine unmenschliche Gestalt erhebt sich, um sich auf ihn zu stürzen. Kaum kracht sie auf ihn, als sie auch auf dem überraschten Jäger zusammenbricht und zerfällt. Unwillkürlich leckt sich John die Lippen: Die Substanz des Kadavers ist süß und schmeckt einem Hungernden wie ihm wie reinstes Ambrosia. Er beißt sich wie ein Gierhals durch die Substanz, bis etwas in seinen Zähnen metallisch knirscht. Er zieht es hervor. Es ist eine Taschenuhr. Sie tickt noch …

_Mein Eindruck_

Wie schon in „Die Herrenlose“ (Gruselkabinett Nr. 53) hat das Grauen eine amorphe Gestalt, die sich ständig wandelt und der sich kein Widerstand entgegensetzen lässt. Ganz im Gegenteil: Die undefinierbare, schimmelartige Substanz nimmt alles ein, was in ihrer Reichweite liegt – und verleibt es sich ein. Dabei findet eine Umwandlung statt, die einen Menschen zu einem nie gekannten Wesen transformiert, einem lebenden Toten, wie John es nennt. Es handelt sich also keineswegs um künstlich von Voodoo-Schamenen geschaffene Zombies, sondern um Menschen, die den bekannten Bereich des Menschlichen verlassen haben.

|Transhuman|

Der als Metapher formulierte Prozess der Transhumanisierung beginnt unfreiwillig, doch wer dem natürlichen Drang des Hungers nachgibt, begeht einen Sündenfall im biblischen Sinne. Entsetzen erfüllt John, als er seine Frau – natürlich, eine Evastochter als Sünderin! – von der verbotenen Frucht essen sieht. Doch es soll nicht lange dauern, bis er ein weitaus größeres Verbrechen vor Gott begeht: Kannibalismus.

Gott wird ständig von John und Vivian beschworen. Sie beten zu ihm, wenn der Sturm wütet und selbst noch, als die „Albatross“ in den Wogen versinkt. Mit Gottvertrauen stechen sie in ihrer Nussschale in See, und gottergeben lassen sie sich von der tückischen Strömung an fremde Gestade treiben. Was sie jedoch finden, ist ein unheimliches Wrack, das sich als harte Prüfung erweist.

Alles was sie unternehmen, kann den teuflischen Schimmel nicht zurückdrängen. Dies kann offenbar kein Gottesgeschenk sein, denken sie und ergreifen die Flucht. Dabei könnte der Schimmel doch eine Chance zur Veränderung sein. Leider müssten sie dabei ihren gottgegebenen eigenen Körper aufgeben, wie sie ihn bisher gekannt haben.

|Kommunion|

Es ist im Gebiet der Gesetzlosigkeit, im Reich des puren Chaos, im Dschungel, wo Hohn die Zukunft seines Szies entdeckt: Die Transformation zu lebenden Toten, die aus Symbionten des Schimmels bestehen, erscheint ihm als so entsetzlich, dass er Reißaus nimmt. Wieder verkennt er die letzte Chance, die ihm und Vivian bleibt: Sie könnten auf der Insel überleben, wenn sie nur zunächst die Symbionten äßen und sich dadurch dem Schimmel ergäben. Sie verweigern die Kommunion mit dem Andersartigen. Würde ihnen allerdings ein Priester sagen, dies wäre das Manna, das sie essen müssten, um gottgefällig zu sein, würden sie es tun.

|Das Andere |

Wie schon im 17. Jahrhundert in Daniel Defoes gut erfundenem Bestseller „Robinson Crusoe“ bildet das Fremdartige, verkörpert durch den Eingeborenen „Freitag“ und dessen kannibalische Vettern, zwei Seiten einer Medaille: Es jagt erst Furcht und Schrecken ein, dann erweist es sich als nützlich und lebenserhaltend, falls man sich ihm ergibt und mit ihm anfreundet. Letzteres verweigern John und Vivian – sie werden scheitern.

Die Begegnung mit dem Anderen konnte in einem Empire der Briten nicht ausbleiben, das sich ständig in weitere Lebensbereiche fremder Kulturen ausbreitete. Als die Erzählung erschien, befand sich das Kaiserreich der Viktorianer bereits in seinem ersten Zerfallsstadium: Es rumorte von innen heraus, denn erste Zweifel an der eigenen Identität wurden immer lauter.

Nachdem Charles Dickens vor dem inhumanen Utilitarismus gewarnt hatte, zerschmetterte Darwins Evolutionslehre die „Krone der Schöpfung“, Nietzsche und Feuerbach stießen Gott vom Thron und neue Planetenentdeckungen beförderten die Erde ins Irgendwo eines sinnentleerten Universums. Hier treiben John und Vivian nun in ihrer Nussschale, erfüllt von Vertrauen in einen Gott, der sich längst vom Acker gemacht hat.

Doch was soll aus einem Menschen ohne Gott werden, fragt der Autor, indem er das Paar wie weiland Adam und Eva in ein modernes Gomorrha schickt. Das Paar muss sich entscheiden, ob es noch Mensch bleiben und verhungern oder etwas Anderes werden will, das kein anderes menschliches Wesen mehr als solches erkennen kann. Deshalb die Lichtscheu des schiffbrüchigen John.

|Ultimatives Grauen|

Diese Furcht ist nach außen gerichtet und der letzte Überrest von verantwortlichem, bewusstem Handeln. Doch wenn John den Blick nach innen richtet, wie etwa nach seinem Akt des Kannibalismus, dann erblickt er doch eine noch viel stärkere Quelle des Horrors. Denn wenn er sich dem Anderen ergibt, besteht die reale Möglichkeit, sich selbst zu verlieren. Er könnte sich selbst nicht mehr als Mensch wiedererkennen, weil ihm dafür die Definition abhanden käme. Und was würde aus seiner Liebe zu Vivian werden, wenn auch sie in das Stadium des Transhumanen fallen würde, fragt er sich bang. Denn die Möglichkeit, dass er auch sie als Nahrungsquelle betrachten könnte, ist durchaus real.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die weniger Sprecherstimmen entsprechen mehr oder wenigen ihren festgelegten Stereotypen. George ist der junge Seemann, der noch viel zu lernen hat. Will ist sein Mentor, der ihm zeigt, wo’s langgeht. Sie zeigen die üblichen Emotionen, wie Misstrauen, Entsetzen, Schrecken und Furcht, ohne aber Paranoia zu vermitteln.

John und Vivian sind die Hauptfiguren, die die Binnenhandlung dominieren. Wie es sich um 1850 gehört, gibt John den Ton an, denn Vivian ist ihm als treu sorgendes Eheweib untertan. Er rührt kaum einen Finger, während sie das Wrack des Schoners blankputzt. Allenfalls holt er noch Karbol, um den allgegenwärtigen Schimmel zu bekämpfen. Sie fechten gegen Windmühlen, wie sich herausstellt.

Es ist wirklich bewundernswert, mit welcher Ausdrucksstärke und -vielfalt Lutz Mackensy: als John und Reinhilt Schneider als Vivian ihre jeweiligen Rollen zu gestalten wissen. Hin und her geworfen zwischen Schrecken und Hoffnung, Gottergebenheit, Zuversicht und Desillusion lachen und schluchzen, wettern und klagen sie, dass man glauben könnte, hier fände eine separate Theateraufführung statt. Würde die Hintergrundmusik die nicht in den Rest der Rahmenhandlung einbinden, könnte man von einem Hörspiel im Hörspiel sprechen. Das ist eine eindrucksvolle Leistung.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem realistischen Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Szenen dicht und realistisch aufgebaut, meist aber reichen Andeutungen aus. Dem Seeabenteuer angemessen sind natürlich Geräusche des Meeres: das Rauschen von Wellen und Brandung, das Platschen von Ruderschlägen. Bemerkenswert ist jedoch die völlige Abwesenheit von Vogelschreien. Diese Leblosigkeit verleiht der Szenerie von vornherein etwas Unnatürliches.

Die Klangcharakteristik schwankt je nach „location“. Das Erwachen in der Lagune ist von einem deutlichen Hall begleitet. Doch wenn sich das Paar unter Deck des Wracks begibbt, fällt dieses weg und wird durch einen Dämpfungseffekt ersetzt, der für enge Räumlichkeiten aus Holz charakteristisch ist. Hier hat die Tonregie also mitgedacht und jeder Szene ihre eigentümliche Klangcharakteristik verliehen.

|Musik|

Die Musik entspricht der eines Scores für ein klassisches Horrormovie. Das erste Drittel kommt fast ohne Musik aus, nur das Intro deutet an, dass hier bald nicht alles mit rechten Dingen zugehen wird. Ganz anders hingegen die Binnenhandlung: Der Untergang der „Albatross“ wird von dramatischer Musik angekündigt, die den Sturm begleitet. Die nachfolgende Stille keineswegs tonlos, vielmehr ist dem Dialog ein sehr tiefer Bass unterlegt, der unterschwellig eine Gefahr anzeigt.

Hinsichtlich einer unheimlichen Stimmung ist die Ankunft an dem Wrack des Schoners kaum zu übertreffen. Künstliche Sounds ergänzen nun die Musik, um eine fremdartige Kulisse zu schaffen. Dass die Stimmen einen Hall bekommen, erhöht die Wirkung des Andersartigen. Vielfach sind auch Chorstimmen zu vernehmen, sogar Vokalisen einer Sängerin. Diese unheimliche Szenerie findet ihre direkte Entsprechung im Dschungel: beide Male treffen Menschen auf das Andersartige.

Nachdem sich George und Will unter einem zufällig vorüberdriftenden Sonnenstrahl die Augen gerieben haben, fragen sie sich beklommen: „Ist das noch ein Mensch?“, der da davon rudert. Eine heitere, entspannte Musik beantwortet ihre Frage indirekt. Diese Entspanntheit konnte ich nicht nachvollziehen. Sie wirkt aufgesetzt, selbst wenn sie den Hörer beruhigt zurücklässt. So als solle eine Zielgruppe sediert werden, während sich die andere noch ordentlich gruseln darf.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Das Booklet|

… enthält im Innenteil lediglich Werbung für das Programm von Titania Medien. Auf der letzten Seite finden sich die Informationen, die ich oben aufgeführt habe, also über die Sprecher und die Macher.

Im Booklet finden sich Verweise auf die kommenden Hörspiele aufgeführt:
Nr. 68: W. Irving: Die Legende von Sleepy Hollow (10/12)
Nr. 69: W.H. Hodgson: Stimme in der Nacht (10/12)
Nr. 70: Robert E. Howard: Schwarze Krallen (11/12)
Nr. 71: M.R. James: Der Eschenbaum (11/12)
Nr. 72: R.L. Stevenson: Markheim (03/13)
Nr. 73: A. Conan Doyle: Das Grauen im Blue-John-Stollen (03/13)
Nr. 74: E. Nesbit: Die Macht der Dunkelheit (04/13)
Nr. 75: Mary Fortune: Weiß (04/13)
Nr. 76: Bram Stoker: Das Teufelsloch (05/13)
Nr. 77: R. E. Howard: Das Feuer von Asshurbanipal (05/13)

_Unterm Strich_

Wie schon in „Die Herrenlose“ führt der einstige Seemann Hodgson den Hörer an den Rand der Möglichkeiten des Menschseins. Diesmal sind Adam und Eva quasi auf einem anderen Planeten gestrandet und müssen sich entscheiden, ob sie noch Menschen bleiben und dabei sterben – oder ob sie ihr Menschsein aufgeben und als etwas anderes überleben wollen. John stattet dem Rest der Menschheit einen letzten Besuch ab, quasi als Warnung vor den erschreckenden Möglichkeiten, die dort draußen auf den Anfang des 20. Jahrhundert heimatlos gewordenen Menschen lauern. (Die Story erschien anno 1907.)

|Das Hörspiel|

Die professionelle Inszenierung, die filmreife Musik und bekannte Stimmen von Synchronsprechern und Theaterschauspielern einsetzt, bietet dem Hörer ein akustisches Kinoerlebnis, das man sich mehrmals anhören sollte, um auch die Feinheiten mitzubekommen. Die Atmosphäre, die von Sounds und Musik erzeugt wird, ist unheimlich und stellenweise sogar actionreich.

Diesmal entscheiden über den Erfolg des Hörspiels jedoch die Sprecher, die die zwei zentralen Rollen zum Leben erwecken müssen: John und Vivian verkörpern quasi Adam und Eva, die aus dem Paradies des Gottesglaubens vertrieben werden. Lutz Mackensy und Reinhilt Schneider gestalten diese beiden Rollen so eindrucksvoll, dass man den Rest der Rahmenhandlung darüber komplett vergisst. Es wirkt wie ein Rücksturz, als die Rückblende aufhört und John wieder mit George und Will spricht.

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert, und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling.

|1 Audio-CD, ca. 66 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 9783785747186|

Home – Atmosphärische Hörspiele


http://www.luebbe-audio.de

_Das |Gruselkabinett| bei |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)
[„Der Glöckner von Notre-Dame“ 5399 (Gruselkabinett 28/29)
[„Der Vampir“ 5426 (Gruselkabinett 30)
[„Die Gespenster-Rikscha“ 5505 (Gruselkabinett 31)
[„Jagd der Vampire. Teil 1 von 2“ 5730 (Gruselkabinett 32)
[„Jagd der Vampire. Teil 2 von 2“ 5752 (Gruselkabinett 33)
[„Jagd der Vampire“ 5828 (Gruselkabinett 32+33)
[„Die obere Koje“ 5804 (Gruselkabinett 34)
[„Das Schloss des weißen Lindwurms“ 5807 (Gruselkabinett 35)
[„Das Bildnis des Dorian Gray“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5919 (Gruselkabinett 36/37)
[„Berge des Wahnsinns“ (Teil 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6736 (Gruselkabinett 44)
[„Berge des Wahnsinns“ (Teil 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6737 (Gruselkabinett 45)
[„Die Maske des roten Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6735 (Gruselkabinett 46)
[„Verhext“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6734 (Gruselkabinett 47)
[„Die Squaw“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6774 (Gruselkabinett 48)
[„Tauben aus der Hölle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7050 (Gruselkabinett 52)
[„Abenteuer eines Geistersehers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7119 (Teil 1) (Gruselkabinett 54)
[„Abenteuer eines Geistersehers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7120 (Teil 2) (Gruselkabinett 55)
[„Aylmer Vance – Neue Abenteuer eines Geistersehers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7643 (Teil 1) (Gruselkabinett 56)
[„Aylmer Vance – Neue Abenteuer eines Geistersehers“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7644 (Teil 2) (Gruselkabinett 57)
[„Pickmans Modell“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7524 (Gruselkabinett 58)
[„Das violette Auto“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7510 (Gruselkabinett 59)
[„Der Grabhügel“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7801 (Gruselkabinett 60)
[„Der Ring des Thot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7802 (Gruselkabinett 61)
[„Rappaccinis Tochter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7832 (Gruselkabinett 62)
[„Besessen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7833 (Gruselkabinett 62)
[„Der Schatten über Insmouth – Teil 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8136 (Gruselkabinett 66)
[„Der Schatten über Insmouth – Teil 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=8137 (Gruselkabinett 67)

Mark Brandis: Lautlose Bombe – Teil 2 (Folge 22)

_Fulminantes Finale in der Umlaufbahn_

2131: Cmdr. Brandis‘ Halbbruder Jonathan West steht unter Verdacht, mit Verbrechern zu kooperieren, die vor dem Einsatz von biologischen Kampfstoffen nicht zurückschrecken. Trotz deutlicher Indizien glaubt Mark Brandis an dessen Unschuld und versucht, den untergetauchten Mediziner zu finden, bevor der Geheimdienst ihn eliminieren kann …

Teil 2: 2131: Mark Brandis folgt den Spuren, die sein Halbbruder Nat quer über den Planeten hinterlassen hat, zuerst auf die Kerguelen und dann nach Nordafrika. Der Geheimdienst der Union ist Brandis mal einen Schritt voraus, mal versucht er, ihn einzuholen. Doch was wirklich mit den biologischen Kampfstoffen geschehen soll, ahnt noch niemand …

(Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 12 Jahren.

_Der Autor_

Nikolai von Michalewsky (1931-2000) war bereits Kaffeepflanzer, Industriepolizist, Taucher und Journalist gewesen, als sein erster Roman 1958 veröffentlicht wurde. Am bekanntesten wurde er ab 1970 mit den Mark-Brandis-Büchern, der bis heute (nach Perry Rhodan) mit 31 Bänden erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Reihe.

Seine konsequente Vorgehensweise, Probleme der Gegenwart im Kontext der Zukunft zu behandeln, trug Michalewskys Serie eine treue Leserschaft und hohe Auflagenzahlen ein. Seine besondere Zuneigung galt besonders dem Hörspiel. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Kriminalhörspiel- und Schulfunkautoren Deutschlands. (Verlagsinfo)

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Sprecher:|

Ruth O’Hara: Dorothea Anna Hagena
Cmdr. Mark Brandis: Michael Lott
Dr. Gomez: Oliver Seidler
Dr. Philipp: Jochim C. Redeker
Jonathan „Nat“ West: Jacob Weigert
José Verasteguí: Daniel Montoya
John Harris: Gerhart Hinze
Cpt. Grigori »Grischa« Romen: David Nathan
Milosch Stojka: Andreas Müller
Bordsystem CORA: Marie Christine Mühlenhof
Sgt. Schulmann: Henning Schäfer
Lt. Pablo Torrente: Martin Keßler
sowie Marco Gehrmann, Stefan Kretschmer u. a.

Nach Motiven des Romans „Lautlose Bombe“ von Nikolai von Michalewsky
Die Macher und Regisseure sind Interplanar.de:
Joachim-C. Redeker: Sounddesign und Musik
Redeker und Balthasar von Weymarn: Produktion, Regie und Schnitt

Jochim-C. Redeker, geboren 1970, lebt seit 1992 in Hannover. Gelernt hat er das Produzieren in der SAE Frankfurt, seither arbeitet er als Tonmeister für Antenne Niedersachsen. An zwei Virtual Reality Projekten hat er als Sounddesigner gearbeitet. Er gibt Audio- und Hörspielseminare und arbeitet als Werbetexter und Werbesprecher für zahlreiche Unternehmen sowie für Kino- und Radiowerbung. Musikalisch betreut er neben seinen eigenen Projekten auch Jingle- und Imageproduktionen. Bereits 1988 brachte ihm eine frühe Hörspielarbeit mit Balthasar den Sonderpreis der Jury für akustische Qualität beim Maxell Momentaufnahmen Wettbewerb ein.

Balthasar von Weymarn, geboren 1968, lebt seit 2006 im Taunus bei Frankfurt. Ausgebildeter Dramaturg und Filmproduzent (Filmstudium Hamburg); arbeitet auch als Skriptdoktor, -autor und Ghostwriter für Unternehmen wie Bavaria Film, Odeon Pictures, Tandem Communications, Storyline Entertainment u.a.
Das Hörspielmanuskript schrieb Balthasar v. Weymarn nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky. Aufnahme: Tommi Schneefuß, Sven-Michael Bluhm, Thomas Weichler
Produktion, Regie und Schnitt: Jochim-C. Redeker & Balthasar von Weymarn
Artwork: Alexander Preuss
Layout/ Satz: Jürgen Straub
Product Management: dp

_Handlung von Teil 2_

Nach dem Tod von Marie-Christine, Wests Freundin, in der Antarktis führt die Jagd Mark Brandis, Grischa Roman und die angeforderte Äreztin Dr. Levy auf die Kerguelen im Südatlantik. West, Marks Halbbruder, war eindeutig hier: Alle australischen Forscher hier sind fort, die Gegend virenverseucht. Einem Gepäckabschnitt entnimmt Dr. Levy, dass Gepäckstücke zum Hafen Massaua am Roten Meer verschifft wurden.

Massaua liegt seit der Kilimanjaro-Katastrophe im strahlenverseuchten Afrika- Außerdem liefern sich die Tuareg mit den arabischen Hodeidad einen Territorialkrieg. Das Kellerversteck, das Grischa Romen mit einem genialen Trick dem Trio verschafft, erweist sich als nutzlos: Granaten treffen das Haus, und um ein Haar geht Brandis drauf.

Der Zigeuner, der das Versteck verschafft hat, verfügt über Geheimdienstkontakte. So kommt es zu einem Wiedersehen mit José Verastegui aus Caracas, der für die VEGA arbeitet. Verastegui hat Nat West ausfindig gemacht: Der Arzt sucht einen Raumpiloten, um in eine Erdumlaufbahn zu fliegen. José bietet sich als Pilot an, sofern ihm Brandis bei dem Treffen mit West souffliert. Der Deal geht um ein Haar schief, weil Brandis einen dringenden medizinischen Anruf bekommt, und West wird misstrauisch. Im letzten Augenblick gelingt es Brandis, José, West und dem Piloten der HERMES, Torrente, in den Orbit zu folgen.

Dort findet die Jagd auf seinen Bruder ihr dramatisches Ende. Brandis muss – wieder einmal – über die Zukunft der Menschheit entscheiden …

_Mein Eindruck_

Der Auftakt dieses 2. Teils, der natürlich die Kenntnis des ersten Teils voraussetzt, beginnt gemächlich. Die Spurensuche fördert jedoch schnell Unheilvolles zutage: Der Kontinent Afrika, auf dem Massaua am Roten Meer liegt, ist seit 2130 eine verheerte, strahlenverseuchte Region. Der Süden ist von den VOR-Republiken besetzt, der Norden seit den Evakuierungsaktionen in Mitleidenschaft genommen, der Osten radioaktiv. Nun kommen auch noch Gebietskämpfe hinzu. Mark Brandis hat dazu einige bittere Anmerkungen zu machen.

Nach einem lustigen Intermezzo unter Zigeunern wähnen sich die drei Sucher in Sicherheit. Weit gefehlt – unvermittelt reißen den Hörer wummernde Mörsereinschläge aus dem Sessel! Das Haus, in dem das Versteck liegt, stürzt krachend zusammen. Man muss das Schlimmste befürchten. Doch obwohl kein Wort über das Schicksal von Romen und Dr. Levy verloren wird, geht die Story weiter. Diesmal gönnt die Regie ihrem Helden keine Verschnaufpause, denn das gejagte Wild ist in Greifweite: Nat West, der die Welt mit Viren vernichten will.

Ist es wirklich so schlimm? Hat West dies wirklich vor? Dass José, der Geheimagent, von ihm erschossen wird, verheißt nichts Gutes, und als Brandis die Brücke erreicht, hat er Grund zur Annahme, er komme zu spät. Bloß gut, dass die gute alte CORA, der Bordcomputer der HERMES, noch auf das Wort ihres ehemaligen Herrn hört!

|Botschaft|

Der Ernst der Botschaft ist indes nicht anzuzweifeln. Viren könnte durchaus große Landstriche entvölkern, wie ja schon SARS-Epidemie und Schweine- bzw. Vogelgrippe angedeutet haben. Die Ironie von Nat Wests Geschichte: Er hatte zunächst ein Universalheilmittel namens Angelus hergestellt, das er aber nicht verkaufen darf. Begründung seines Auftraggebers: Die eh schon gravierende Überbevölkerung soll nicht auch noch gefördert werden.

Das ist schon maximaler Zynismus. Denkt man. Aber dass „Angelus“ raubkopiert und woanders angeboten wird, um Profit zu machen, setzt der Perfidie die Krone auf. Erst vor diesem Hintergrund ist Wests Verhalten zu verstehen: Wenn Nacola, das böse Virus, die Menschen vernichtet, wird sein Angelus, das gute Virus, automatisch gebraucht werden.

Brandis muss nun entscheiden: für oder gegen die Menschheit, gleichzeitig aber auch für oder gegen das Leben seiner eigenen Frau – nur „Angelus“ kann sie retten. Dass der Held persönlich betroffen ist, hat entscheidende Bedeutung für die Glaubwürdigkeit seiner Entscheidung. Er ist bereit, sich selbst und seine Frau für die Menschheit zu opfern. Doch das ist nicht das letzte Wort …

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Sprecher erfüllen ihre Aufgabe zu meiner Zufriedenheit. Es handelt sich um die immer wieder in der Serie auftauchenden Hauptfiguren wie der Titelheld, seine Frau, sein humorvoller Freund Grischa Romen. Nat West wird von Jacob Weigert recht sympathisch gesprochen. Deshalb reagiert man ebenso konsterniert wie Brandis, als West sein irres Ultimatum stellt.

In diesem zweiten Teil fehlen die verzerrten Funkstimmen weitgehend und werden durch „natürliche“ Sprechäußerungen abgelöst. Deshalb fallen plötzlich die Akzente der Sprecher auf. Der Venezolaner José Verastegui klingt wie ein Spanier, und der Zigano Milosch Stojka hat einen undefinierbaren Balkan-Akzent. Da lobt man sich doch Dr. Levy und CORA, die astreines Hochdeutsch sprechen. CORA, der uns aus früheren Episoden bekannte Bordcomputer der HERMES, moduliert längst nicht so stark wie ein Mensch – die Gute kann eben doch nicht alles. Dafür sorgen schon die Tonfilter.

|Geräusche|

Bang, boom, crash – die Mörsergranaten schlagen mit voller akustischer Wucht ein, um den friedfertigen Hörer aus dem Sitz zu reißen. Auch während des folgenden Dialogs grummelt es unheilvoll im Hintergrund, während sich Tuareg und Hodeidad beschießen. Der erdbasierte Teil der zweigeteilten Handlung endet mit dem Start der HERMES in den Orbit. Ab da hören wir wieder die üblichen SF-Klänge wie etwa sich öffnende und schließende Schleusen und Schotts.

Die Geräuschkulisse erstaunt den Hörer mit einer Vielzahl mehr oder weniger futuristischer Töne, so etwa Triebwerke oder Luken und Schleusen. Doch wenn man ein Fan von SF-Fernsehserien und Games ist, dann dürfte einen dies nicht gerade umhauen, sondern eher ganz normal vorkommen. Einige Klänge wie etwa Mobiltelefone – die keinen extra Namen haben – und Analysatoren (die wie von der „Enterprise“ klingen) piepen, zirpen und sirren. Strahlenpistolen sind da schon etwas ein- und nachdrücklicher.

Der gute Sound trägt dazu bei, den Hörer direkt ins Geschehen hineinzuversetzen, und das kann man von den wenigsten SF-Fernsehserien behaupten. Auch das Design von verzerrten Meldungen ist ähnlich professionell gehandhabt. Ein Satz kann mittendrin seine Klangcharakteristik ändern – faszinierend.

|Musik|

Ja, es gibt durchaus Musik in diesem Hörspiel. Neben dem Dialog und den zahllosen Sounds bleibt auf der Tonspur auch ein wenig Platz für Musik. Sie ist wie zu erwarten recht dynamisch und flott, aber nicht zu militärisch – ganz besonders im Intro und in den Intermezzi. Selten ist die Musik mal im Hintergrund zu hören, denn der Dialog soll nicht überdeckt werden.

Die Musik erweist sich als eminent wichtig, um Stimmung zu erzeugen und den Übergang zwischen Szenen zu signalisieren. Sie trennt aber auch Szenen voneinander, und einmal signalisiert sie durch tickende Rhythmik das quälend langsame Verstreichen der Zeit.

Ganz am Schluss erklingt ein zunächst langsames Outro, das den Ausklang zu dieser Episode bildet, bevor es zu einer flotteren Hintergrundmusik Fahrt aufnimmt. Diese läuft während der relativ langen Absage (etwa zwei Minuten), bei der sämtliche Sprecher und, wo sinnvoll, ihre Rollen aufgezählt werden.

|Das Booklet|

Das Booklet bietet einen Überblick über die bereits erschienenen Folgen der Serie, über die Macher und über die Sprecher. Eine Landkarte zeigt die „Todeszone Zentralafrika 2131“. Auf einer weiteren Seite danken die Produzenten einer ganzen Menge Leute – sogar den „kritisch engagierten“ Rezensenten!

_Unterm Strich_

Biologische Kampfstoffe scheinen zunächst das Generalthema zu sein. Und das würde uns angesichts einer solch konfliktreichen Welt wie der von 2131 nicht wundern. Doch wenn man Nat Wests Verteidigungsplädoyer lauscht, klingt eine andere Botschaft an: Er hatte ursprünglich einen Nanovirus als Universalheilmittel entwickelt: „Angelus“ (= Engel). Dieses durfte er jedoch weder vermarkten noch verkaufen. Stattdessen wurde er kopiert und ausgebootet. Kann man ihm verdenken, dass er auf die moralisch andere Seite wechselt und „Nacola“, das böse Virus, entwickelt? Sein Ultimatum an die VEGA war nicht wirklich ernstgemeint. Nun ist er drauf und dran, die Menschheit zu dezimieren, auf dass sie wieder Bedarf nach „Angelus“ verspüre.

Das moralische Dilemma, das der Autor aufzeigt, ist ziemlich deutlich, wenn er es mit „böse“ und „gut“ etikettiert. Soll die Medizin wirklich so gut werden, dass sie zur Überbevölkerung beiträgt? Oder soll sie vielmehr das Seziermesser werden und einen Großteil – aber welchen? – der Bevölkerung beseitigen, um einen Neustart zu ermöglichen – auf die Gefahr hin, von Militär und Regierung missbraucht zu werden? Beide Szenarien haben ihre Vor- und Nachteile. Nur die Moral des Handels, die Ethik, kann urteilen, welche Handlungsweise die „richtige“, verantwortungsvolle ist. Vor dieser schweren Aufgabe steht, wieder mal, Mark Brandis.

Die nächste Folge „Triton-Passage“ folgt im Januar 2013.

|1 Audio-CD
Spieldauer: 49 Minuten
Tracks: 10
Empfohlen ab 12 Jahren
UPC: 0602527804231|
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.markbrandis.de]http://www.markbrandis.de
[www.interplanar.de]http://www.interplanar.de

Mark Brandis: Lautlose Bombe – Teil 1 (Folge 21)

_Besoffene Raumfahrer und andere Schrecken_

2131: Commander Mark Brandis‘ Halbbruder Jonathan West steht unter Verdacht, mit Verbrechern zu kooperieren, die vor dem Einsatz von biologischen Kampfstoffen nicht zurückschrecken. Trotz deutlicher Indizien glaubt Mark Brandis an dessen Unschuld und versucht, den untergetauchten Mediziner zu finden, bevor der Geheimdienst ihn eliminieren kann … (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt das Hörspiel ab 12 Jahren.

_Der Autor_

Nikolai von Michalewsky (1931-2000) war bereits Kaffeepflanzer, Industriepolizist, Taucher und Journalist gewesen, als sein erster Roman 1958 veröffentlicht wurde. Am bekanntesten wurde er ab 1970 mit den Mark-Brandis-Büchern, der bis heute (nach Perry Rhodan) mit 31 Bänden erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Reihe.

Seine konsequente Vorgehensweise, Probleme der Gegenwart im Kontext der Zukunft zu behandeln, trug Michalewskys Serie eine treue Leserschaft und hohe Auflagenzahlen ein. Seine besondere Zuneigung galt besonders dem Hörspiel. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Kriminalhörspiel- und Schulfunkautoren Deutschlands. (Verlagsinfo)

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Sprecher:|

Ruth O’Hara: Dorothea Anna Hagena
Cmdr. Mark Brandis: Michael Lott
Dr. Gomez: Oliver Seidler
Prolog: Wolf Frass
Dr. Philipp: Jochim C. Redeker
Jonathan „Nat“ West: Jacob Weigert
José Verasteguí: Daniel Montoya
Anflugkontrolle Las Lunas: Elena Wilms
Cpt. Esko Tuomi: Martin May
Porta Stellaris: Anke Reitzenstein
Magnus Sauerlein: Stefan Peters
John Harris: Gerhart Hinze
Cpt. Grigori »Grischa« Romen: David Nathan
Marie-Christine Rousseau: Eva Gaigg
sowie Melanie Blenke, Jens Gümmer, Marco Gehrmann, Michael Hansonis, Stefan Kretschmer, Sebastian Pütz

Nach Motiven des Romans „Lautlose Bombe“ von Nikolai von Michalewsky
Die Macher und Regisseure sind Interplanar.de:
Joachim-C. Redeker: Sounddesign und Musik
Redeker und Balthasar von Weymarn: Produktion, Regie und Schnitt

Jochim-C. Redeker, geboren 1970, lebt seit 1992 in Hannover. Gelernt hat er das Produzieren in der SAE Frankfurt, seither arbeitet er als Tonmeister für Antenne Niedersachsen. An zwei Virtual Reality Projekten hat er als Sounddesigner gearbeitet. Er gibt Audio- und Hörspielseminare und arbeitet als Werbetexter und Werbesprecher für zahlreiche Unternehmen sowie für Kino- und Radiowerbung. Musikalisch betreut er neben seinen eigenen Projekten auch Jingle- und Imageproduktionen. Bereits 1988 brachte ihm eine frühe Hörspielarbeit mit Balthasar den Sonderpreis der Jury für akustische Qualität beim Maxell Momentaufnahmen Wettbewerb ein.

Balthasar von Weymarn, geboren 1968, lebt seit 2006 im Taunus bei Frankfurt. Ausgebildeter Dramaturg und Filmproduzent (Filmstudium Hamburg); arbeitet auch als Skriptdoktor, -autor und Ghostwriter für Unternehmen wie Bavaria Film, Odeon Pictures, Tandem Communications, Storyline Entertainment u.a.
Das Hörspielmanuskript schrieb Balthasar v. Weymarn nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky. Aufnahme: Tommi Schneefuß, Sven-Michael Bluhm, Thomas Weichler
Produktion, Regie und Schnitt: Jochim-C. Redeker & Balthasar von Weymarn
Artwork: Alexander Preuss
Layout/ Satz: Jürgen Straub
Product Management: dp

_Hintergrund und Vorgeschichte_

Die Mark Brandis – Hörspielreihe begann 2005-2007 mit Bordbuch Delta VII. Inhaltlich unterscheidet sie sich in einigen wichtigen Punkten von den Büchern.

* Die Geschichten sind um 50 Jahre in die Zukunft verlegt, die Saga beginnt also 2119;
* Die Kürzel EAAU und VOR sind zu „die Union“ und „die Republiken“ geworden;

EAAU: Die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU) ist ein transkontinentaler Staatenverbund und wurde als Zusammenschluss der drei Kontinente Europa, Amerika und Afrika ca. 1999 gegründet – ihr assoziiert ist Australien. Während Europa der Kontinent ist, der über die längste Tradition verfügt, haben sich Afrika und Amerika zu den industriell bedeutendsten Kontinenten entwickelt.
Flagge: ein Ring goldener Planeten um drei kleeblattartig angeordnete grüne Kontinente auf weißem Grund.
Hauptstadt: Metropolis

VOR: Die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) sind ein transkontinentaler Staatenverbund und umfassen zwischen Ural und der Pazifikküste die asiatischen Staaten einschließlich Ozeaniens.
Flagge: zwei gekreuzte Mongolenschwerter vor einer gelb-roten Sonne.
Hauptstadt: Peking

VEGA: Die Strategische Raumflotte (SR) lagerte 2106 ihre Entwicklungsabteilung auf die Venus aus. Die zuständige Agentur ist die VEGA, kurz für Venus-Erde Gesellschaft für Astronautik, mit immerhin 8000 Mitarbeitern. Direktor der VEGA ist seit 2122 der ehemalige Major (SR) und Commander (VEGA) John Harris. Die Routen der Testflüge für die Neuentwicklungen sind streng geheim, da die Prototypen als begehrte Beute sowohl für die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) und die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU), aber auch für Raumpiraten gelten. Offiziell gilt die VEGA als neutral, aber ihre Auftraggeber waren bislang immer die SR und die Raumfahrtbehörde der Union.

_Handlung_

|Prolog|

Mark Brandis unternimmt im venezolanischen Urwald eine kleine Flitterwochentour. Ihr Ziel in dem streng geschützten und deshalb menschenleeren Gebiet ist eine heilige Stadt, zu deren Besichtigung sie eingeladen wurden. Da wird Ruth von einer Ameise gebissen und erleidet einen anaphylaktischen Schock. Binnen kürzester Zeit hat die allergische Reaktion sie bewegungsunfähig und bewusstlos gemacht. Der verzweifelte Mark lässt ihre Blutdaten fernanalysieren. Ruth muss schnellstmöglich in ein Krankenhaus! Leicht gesagt, wenn man sich zwei Tage von der Zivilisation entfernt befindet. Mark macht sich auf den Weg …

|Haupthandlung|

Nach einem Zusammenbruch durch völlige Erschöpfung erwacht Mark in einem Krankenhaus in Caracas. Der Arzt sagt ihm, Ruth liege in einem künstlichen Koma. Erst nach Tagen erholt er sich genug, von der „Aeskulab“-Krise“ zu erfahren. Das Weltraumlabor, das von Marks Halbbruder Jonathan West geleitet wurde, ist überfallen worden. Jonathan wurde evakuiert. Nun besucht er Mark in Caracas und erkundigt sich nach der Ameise, die Ruth mit so fatalen Folgen biss. „Nat“ West ist Immunologe, also Spezialist für Immunschwächen.

Bei einem oder zwei Gläsern Wein erzählt Nat von dem Überfall auf die Aeskulab-Medizinerstation. Er werde seitdem gejagt, denn die Terroristen, die den neuen Nacola-3-Virus erbeutet hätten, könnten ihn nur mit Hilfe einer bestimmten DNS-Sequenz aktivieren – und die habe nur er. Tags darauf bietet Nat eine solche Viruskultur zur Heilung Ruths an. Doch er selbst ist inzwischen zum Mond abgereist. Das kommt Mark sonderbar vor.

Nach einem alkoholischen Absturz mit 1,8 Promille wird Mark von einem Geheimdienstler besucht: Nat West sei verschwunden und werde von einem Kollegen schwer belastet: Er habe die Virenkultur selbst geraubt. Mark verteidigt seinen Bruder erst, doch dann will er den Dingen selbst auf den Grund gehen. Auf Las Lunas findet er ihn nicht, er muss auf der Militärstation Porta Stellaris notlanden.

|Porta Stellaris: Geheimauftrag|

Hier taucht Commander Harris, Marks Chef, auf, um ihm eine Mission anzuvertrauen. Nat West hat nämlich der VEGA ein unglaubliches Ultimatum gestellt: Entweder die VEGA stellt Forschung und Raumfahrt ein oder werde die Nacola-3-Viren loslassen. Die Frist beträgt lediglich 24 Stunden. Mark muss Nat West finden und unschädlich machen. Denn Harris hat nicht die Absicht, vor West zu kapitulieren. Der Sicherheitsdienst jage West bereits, um ihn zu liquidieren, doch Mark könne Wests leben retten, indem er den SD-Agenten zuvorkomme.

Zusammen mit seinem Piloten Grischa Romen sucht mark zuerst in der Antarktis nach seinem Bruder. Dort lebt und arbeitet Nats Freundin Marie-Christine Rousseau als Klimatologin. Doch als sie auf dem gesuchten Eisberg mit der kleinen Station eintreffen, scheint bereits alles zu spät zu sein …

_Mein Eindruck_

In diesem ersten Teil machen wir erstmals Bekanntschaft mit Dr. Jonathan „Nat“ West, einem Virenforscher, der sich radikalisiert hat und nun die VEGA vor ein unmögliches Ultimatum stellt. Wir erfahren wenig über die Natur der gefährlichen neuen Viren, die West gezüchtet hat. Dieses Spannungselement muss erst noch seine Tauglichkeit erweisen.

Das Generalthema ist diesmal Gesundheit. Schon der Auftakt lenkt unseren Blick auf die Gefahren, die dem menschlichen Organismus drohen: Marks Frau erleidet einen anaphylaktischen Schock, als ihr gesamter Organismus allergisch auf das Ameisengift reagiert und zusammenbricht. Ein zweites Argument ist der Teufel Alkohol, dem Mark unterlegt. Cops sammeln ihn in Caracas aus der Gosse auf. Auf dem Mond hat er noch einen Helfer, doch an Bord seines Fliegers, der ihn zur Erde bringen soll, versagt Marks Körper vollends den Dienst. Was für uns recht komisch wirkt, ist tödlicher Ernst. Er landet auf Porta Stellaris mit dem Rücken zur Landebahn…

Ein zweiter Aspekt ist die Versorgung der Weltbevölkerung mit Süßwasser (siehe dazu die Anmerkungen im Booklet, s.u.). In diesem gigantischen Projekt ist Wests Freundin Marie-Christines tätig: Sie schickt Eisberge aus der Antarktis in die Trockenzonen Indiens, also quer durch den Ozean. Noch erfahren wir nur aus dem Booklet, wie es zu dieser Süßwasserkrise kommen konnte.

Doch wenn die Eismassen in Gletschern und Polkappen mit dem gleichen rasanten Tempo wie bislang schmelzen, werden wir unser Trinkwasser bald auf andere Weise beschaffen müssen. Die Idee mit den Eisbergen ist keineswegs neu. Allerdings muss sich heute schon fragen, ob sie angesichts des hohen Schmelztempos der Polkappen überhaupt noch in hundert Jahren realisierbar sein wird. Hier hat der Autor nicht radikal genug gedacht – oder hatte ungenügende Daten zur Klimaerwärmung vorliegen. Das Buch wurde bereits 1977 veröffentlicht.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

|Die Sprecher|

Die Sprecher erfüllen ihre Aufgabe zu meiner Zufriedenheit. Es handelt sich um die immer wieder in der Serie auftauchenden Hauptfiguren wie der Titelheld, seine Frau, sein humorvoller Freund Grischa Romen. Nat West wird von Jacob Weigert recht sympathisch gesprochen. Deshalb reagiert man ebenso konsterniert wie Brandis, als West sein irres Ultimatum stellt.

Diesmal spielen durch Tonfilter verzerrte Stimmen eine dominante Rolle. West trägt sein Ultimatum auf einer Videoaufzeichnung vor, die seine Stimme verfremdet. Daneben gibt es eine Vielzahl von weiblichen Beamtinnen wie auf Porta Stellaris und Luna, die mit Funksprüchen aufwarten. Man kann ihre Genervtheit und die wachsende Anspannung förmlich mitfühlen, als Mark Brandis sich auf einen manuell gesteuerten Flug unter Alkoholeinfluss begibt. Autsch! Das kann nur schiefgehen.

|Geräusche|

Folglich muss diese Notlandung besonders eindrucksvoll akustisch inszeniert werden. Crash, bang, boom! – dies ist nicht übertrieben. Das „boom!“ der Explosion bleibt zum Glück aus, aber nur weil die Handlung sonst zu Ende wäre.

Die Geräuschkulisse erstaunt den Hörer mit einer Vielzahl mehr oder weniger futuristischer Töne, so etwa Triebwerke oder Luken und Schleusen. Doch wenn man ein Fan von SF-Fernsehserien und Games ist, dann dürfte einen dies nicht gerade umhauen, sondern eher ganz normal vorkommen. Vor allem das Dröhnen, Zischen und Jaulen von Düsen, Schleusen und Schotts ist regelmäßig zu hören, was ja auch naheliegt.

Der gute Sound trägt dazu bei, den Hörer direkt ins Geschehen hineinzuversetzen, und das kann man von den wenigsten SF-Fernsehserien behaupten. Auch das Design von verzerrten Meldungen ist ähnlich professionell gehandhabt. Ein Satz kann mittendrin seine Klangcharakteristik ändern – faszinierend.

|Musik|

Ja, es gibt durchaus Musik in diesem rasant inszenierten Hörspiel. Neben dem Dialog und den zahllosen Sounds bleibt auf der Tonspur auch ein wenig Platz für Musik. Sie ist wie zu erwarten recht dynamisch und flott, aber nicht zu militärisch – ganz besonders im Intro und in den Intermezzi. Selten ist die Musik mal im Hintergrund zu hören, denn der Dialog soll nicht überdeckt werden. Die Musik erweist sich als eminent wichtig, um Stimmung zu erzeugen und den Übergang zwischen Szenen zu signalisieren.

|Das Booklet|

Das Booklet bietet einen Überblick über die bereits erschienenen Folgen der Serie, über die Macher und über die Sprecher. Ein Buchauszug informiert über „Die Süßwasserkrise“: Die Vernachlässigung von Meerwasserentsalzungsanlagen und die Gletscherschmelze führen schon im 21. Jahrhundert zu einem akuten Mangel an Süßwasser.

Nun, im Jahr 2131, liefern sich die Nationen ein Wettrennen darum, wer die größten Eisberge am schnellsten zum Ziel transportieren kann. Hier hat Marie Christine Rousseau ihren Job. In drei Dossiers erfahren wir zudem mehr über diese Dame, den VEGA-Geheimdienstler José Verastegui und schließlich auch Jonathan West.

_Unterm Strich_

Ich nehme nicht an, dass Marks desaströser Flug unter Alkoholeinfluss so im Originalbuch steht. Aber auf diese Weise bringt die Regie ein gehöriges Maß an Action und Spannung in einen ansonsten recht drögen Auftakt zu diesem Zweiteiler. Sicher, der Prolog mit Ruths Zusammenbruch ist nicht zu verachten, was Dramatik anbelangt, aber der Überfall auf die Aeskulab-Station findet nicht „live“ statt, sondern nur als News-Meldung.

Erst ganz am Schluss nimmt die Handlung wieder an Fahrt auf: Die Jagd auf Nat West beginnt – noch dazu mit einer grausigen Entdeckung seines Werks. Wir fragen usn unwillkürlich: Wenn West schon zu derartigen Aktionen fähig ist, wohin könnte dann ein wirklicher Virenausbruch führen? Die Story trägt also ihren Titel zu Recht.

|Das Hörspiel|

„Mark Brandis“ ist als Hörspiel professionell inszeniert, spannend, stellenweise actionreich und mitunter sogar bewegend. Im Unterschied zu den ersten Folgen wurden nun mindestens zwei größere Dialogszenen eingebaut, die mir sehr gut gefallen haben. Sie charakterisieren besonders Mark Brandis als einen moral- und verantwortungsbewussten Erwachsenen, der auch mal seine Fehler korrigieren kann.

Dies ist beruhigend weit entfernt von Kinderkram und rückt die Serie in die Nähe der POE-Hörspiele, die mir fast durchweg gut gefallen. In zehn Jahren wird man diese Serie als Vorbild für eine gelungene SF-Serie aus deutschen Landen auf gleicher Höhe mit „Perry Rhodan“ setzen. Und die Sammler werden sich die Finger danach lecken.

|1 Audio-CD
Spieldauer: 59 Minuten
Tracks: 10
Empfohlen ab 12 Jahren
UPC: 0602527804224|
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.markbrandis.de]http://www.markbrandis.de
[www.interplanar.de]http://www.interplanar.de

_|Mark Brandis| als Hörspiel:_
01 [„Bordbuch Delta VII“ 4995
02 [„Verrat auf der Venus“ 5013
03 [„Unternehmen Delphin“ 5524
04 [„Aufstand der Roboter“ 5986
05 [„Testakte Kolibri 1“ 5984
06 [„Testakte Kolibri 2“ 5985
07 [„Vorstoß zum Uranus 1“ 6245
08 [„Vorstoß zum Uranus 2“ 6246
09 [„Raumsonde Epsilon 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6467
10 [„Raumsonde Epsilon 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6468
11 „Die Vollstrecker 1“
12 „Die Vollstrecker 2“
13 [„Pilgrim 2000 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7059
14 [„Pilgrim 2000 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7060
15 [„Aktenzeichen: Illegal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7128
16 [„Operation Sonnenfracht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7129
17 [„Alarm für die Erde“ (Teil 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7479
18 [„Alarm für die Erde“ (Teil 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7480
19 [„Sirius Patrouille (Teil 1)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7760
20 [„Sirius Patrouille (Teil 2)“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7763
21 _“Lautlose Bombe“ (Teil 1)_
22 „Lautlose Bombe“ (Teil 2)

_Mark Brandis in Buchform bei |Buchwurm.info|:_
Band 01: [„Bordbuch Delta VII“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6535
Band 02: [„Verrat auf der Venus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6539
Band 03: [„Unternehmen Delphin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6536
Band 04: [„Aufstand der Roboter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6618
Band 05: [„Vorstoß zum Uranus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6630
Band 06: [„Die Vollstrecker“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6636
Band 07: [„Testakte Kolibri“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 08: [„Raumsonde Epsilon“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6781
Band 09: [„Salomon 76“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 10: [„Aktenzeichen: Illegal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6801
Band 11: [„Operation Sonnenfracht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6802
Band 12: [„Alarm für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6882
Band 13: [„Countdown für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6908
Band 14: [„Kurier zum Mars“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6938
Band 15: [„Die lautlose Bombe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6962
Band 16: [„PILGRIM 2000“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7167
Band 17: [„Der Spiegelplanet“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7194
Band 18: [„Sirius-Patrouille“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7267
Band 19: [„Astropolis“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7390
Band 20: [„Triton-Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7391

Gentle, Mary – blaue Löwe, Der (Die Legende von Ash 1)

_|Die Legende von Ash|:_

Band 1: [„Der blaue Löwe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=303
Band 2: [„Der Aufstieg Karthagos“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=333
Band 3: [„Der steinerne Golem“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=377
Band 4: [„Der Untergang Burgunds“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=420

_Söldner auf Abwegen: zwischen Golems, Klonen, Kampfmaschinen_

Der Historiker Pierce Ratcliff entdeckt im Jahr 2000 verschollene Dokumente, die ihn erkennen lassen, dass die Geschichte Europas im 15. Jahrhundert nicht so verlaufen ist, wie es die Lehrmeinung vertritt. Fasziniert liest er die Lebensgeschichte der jungen Frau Ash, die als Waise in einem der zahlreichen Söldnerhaufen des Spätmittelalters heranwächst.

Mit vierzehn gründet sie ihre eigene Kompanie, welche sich unter dem Banner des Azurblauen Löwen rasch Ruhm auf den in ganz Europa verstreuten Schlachtfeldern erwirbt. Schließlich werden Ash und ihre Männer in Ereignisse verstrickt, die ihr Schicksal nachhaltig verändern. Europa sieht sich einer unheimlichen Bedrohung aus dem Morgenland gegenüber, einer Armee, in der sich steinerne Riesen bewegen und die die Sonne verlöschen lässt …

_Die Autorin_

Mary (Rosalyn) Gentle wurde in England im Jahr 1956 geboren. Ihr erster Roman war ein durchschnittliches Jugendabenteuer mit dem Titel „A hawk in silver“ (1977, überarbeitet 1985). Bekannt wurde sie mit der Science-Fiction-Dilogie „Goldenes Hexenvolk“ (1983) und „Altes Licht“ (1987), in der eine Forscherin die Welt Orthe erkundet und auf die verborgene Superwaffe einer uralten, verschwundenen Alien-Rasse stößt.

Wesentlich interessanter sind ihre Fantasy-Romane aus dem „White-Crow“-Zyklus, in dem eine durch die Zeiten reisende Abenteurerin in alternative Versionen unserer Welt reist: „Rats and Gargoyles“ (1990), „The Architecture of Desire“ (1991) und die Haupterzählung in der Sammlung „Left to his own devices“ (1994), plus zwei der Erzählungen in der Sammlung „Scholars and soldiers“ (1989): „Beggars in Satin“ und „The Knot Garden“.

„Die letzte Schlacht der Orks“ (Grunts!, 1992) ist eine Parodie auf alle Fantasy-Epen, in denen die finale Schlacht zur Rettung der Welt ausgefochten wird, nur dass diesmal die Helden auf der falschen Seite stehen: die Orks. Vor ihrem Megaroman „Ash“ (1999) veröffentlichte sie drei Sammlungen von Erzählungen, die auf einer Shared World namens „The Weerde“ spielen. Diese Spielwiese durften auch andere Autoren benutzen.

_Hintergrund_

Im Spätmittelalter, das hier die Kulisse abgibt, bestanden andere Königreiche als heute: das Heilige Römische Reich Deutscher Nation hatte einen Kaiser, Frankreich hatte in Ludwig XI einen intriganten „Spinnenkönig“, und im Herzogtum Burgund, das sich von Brügge bis nach Savoyen erstreckte, herrschte der höchste damals bekannte Stand der Kultiviertheit, von der stärksten und bestausgebildetsten Armee mal ganz abgesehen. Viele Feinde gab es stets im Inneren – die Engländer führten einen Bürgerkrieg -, doch an äußeren Feinden gab es im Grunde nur einen: die Türken, die 1453 Konstantinopel, das heutige Istanbul, erobert hatten. Ihr Ansturm führte sie zweimal bis vor die Tore von Wien.

Der Aufhänger für Ashs alternative Weltgeschichte ist die Frage: Wie kam es dazu, dass dieses großmächtige Herzogtum Burgund mit dem Tode Herzog Karls im Jahr 1477 vollständig von der Landkarte verschwand? Könnte es sein, dass noch andere Mächte gewirkt haben, als die aus anerkannten Dokumenten bekannten?

_Handlung_

Mit acht Jahren wird Ash wegen ihres silbernen Haars von zwei Söldnern vergewaltigt, wobei sie Narben im Gesicht davonträgt. Sie tötet beide auf der Stelle. Der Hauptmann der Truppe lässt sie auspeitschen, aber das macht ihr nichts aus. Sie hat bereits mit ihrer eigenen Kriegerausbildung begonnen. Vielmehr schleicht sie ihm in den winterlichen Wald zu einer verfallenen Kapelle nach. Dort wird sie Zeugin eines Wunders. Ein echter Löwe erscheint, herbeigerufen von den Beschwörungen – und dem Fleisch auf dem alten Altar. Der Löwe entdeckt die versteckte Ash im Stechpalmengestrüpp und leckt ihr die Tränen vom Gesicht. Dann verschwindet er im Wald.

Als sie neun ist und bereits ein Kurzschwert tragen darf, bringt der Söldner Guillaume mit ihr eine alte Kuh zum Abdecker ins nahe Dorf. Aber der Zweck dieser Übung wird ihr erst klar, als er sie, nachdem er sie mit Innereien beworfen hat, auffordert, die mittlerweile aufgehängte Kuh zu töten. Das Tier zu töten, sei nämlich etwas ganz anderes als einen Menschen zu töten, der einen selbst angreift und dabei schreit und brüllt. Ash schafft es dennoch unter wildem Schluchzen und unter äußerster Kraftaufbietung, die wehrlose Kreatur ins Jenseits zu befördern.

Als sie zehn Jahre alt ist, kommt sie um ein Haar ums Leben. Sie steht mit ihrem Freund Richard auf der obersten Brüstung des Glockenturmw eines Dorfes, als sie die Truppen des Feindes nahen sieht: das Heer der Durchlauchtigsten Meerjungfrau. Ein Begreifen erfasst sie angesichts dieses Anblicks und der bevorstehenden Schlacht, dass ihre periode einsetzt und sie die Stimme hört. Es ist eine Stimme, die sie selbst unbewusst wiedergibt. Das versetzt Richard in echte Panik. Ist sie von Dämonen besessen? Die Stimme redet von einem taktischen Nachteil in der Schlachtformation. Und als die ersten Mörsergranaten der Geschichte auf ihrem Glockenturm einschlagen, machen sich Ash und Richard erst in die Hose und dann aus dem Staub.

Nach der verlorenen Schlacht werden auch die Gefangenen als Teil der Beute des Siegers verteilt. Eine Nonne, die sich für Ash interessiert, weil sie Stimmen hören soll, wird von dem schmächtigen Mädchen angefleht, sie hier wegzuholen, bevor die Soldaten ihr wehtun. – Damit endet die Schilderung des Winchester Codex aus dem Jahr 1495, also 28 Jahre nach der geschilderten Schlacht (vermutlich bei Mailand 1467).

|ASHS LEBEN, Buch 1|

Das nächste Buch schildert DAS LEBEN ASH, veröffentlicht von F. del Guiz im Jahr 1516, kombiniert mit einem Buch aus dem Jahr 1890 und eigenen Recherchen, die Pierce Ratcliff für sein Buch „Fraxinus“ dargestellt hat. Das 1. Buch von LEBEN trägt den Titel „Fortuna Imperatrix Mundi“ (Göttin Fortuna ist die Herrscherin der Welt).

Ein Jahr lang musste es das Mädchen mit dem silbernen Haar dem Narbengesicht bei den Nonnen aushalten, bevor Godfrey, ein junger Priester, sie herausholte und sie nach Genua brachte, wo sie sich der Kompanie des Greifen auf Gold anschloss. Nun, acht Jahre später, im Juni 1476, verfügt die Neunzehnjährige über ihre eigene Kompanie, immerhin 800 Mann aus ganz Westeuropa. Sie kämpft für den deutschen Kaiser Friedrich III, der seit rund 30 Jahren auf dem Thron sitzt. Sein Stadt Neuss wird von den Burgundern belagert, und die Belagerten essen nach all den Monaten bereits Katzen und Ratten.

Als Ash einen Trupp Reiter von rund 80 Mann ausmacht, lässt sie ohne Zögern zum Angriff reiten. Der blaue Löwe, der ihr Wappen schmückt, flattert im Wind. Die Attacke wird ein voller Erfolg, und erst kurz vorm Lager der Burgunder muss sich Ash zurückziehen, weil sie gegen Feuerwaffen keinen Schutz besitzt. Wird der Kaiser die unautorisierte Eigenmächtigkeit bestrafen? Wird er nicht: Er belohnt Ash weder mit Geld, Gold, Land noch einem Titel. Stattdessen tut er etwas viel Schlimmeres. Sie soll heiraten.

Ihr kaiserlich zugewiesener (und somit unabweisbarer) künftiger Ehemann ist ausgerechnet Fernando del Guiz (ihr späterer Biograph), den sie kurz zuvor beleidigt hat. Schlimmer noch: Als sie in Genua noch ein zwölfjähriger Backfisch war, hat er sie extrem gedemütigt. Und den soll sie jetzt heiraten? Auch seine Tante Constanza ist von diesem Mannweib Ash nicht gerade erbaut. Und jetzt stellt sich Ashs Arzt als eine Ärztin heraus – und als Fernandos Halbschwester Floria. Trotz all dieser Umstellungen gelingt es Ash, den Kopf nicht zu verlieren und das Beste draus zu machen. Und den Kaiser zu beleidigen – das ginge nun wirklich nicht.

Weil sie stets als Mann denkt, kommt sie selbst nicht drauf, was die Heirat für ihre Stellung bedeutet: Als Ehefrau geht all ihr weltlicher Besitz in die hand ihres Gatten über. Das bedeutet unter anderem, dass auch alle ihre Verträge mit den 800 Angehörigen ihrer Kompanie ihm gehören werden. Und damit unterstehen einen Angehörigen des Kaiserhauses, was wiederum den Kaiser besonders freuen dürfte – ein Truppenzuwachs mit einem Federstrich und einem Ja-Wort. Ash fällt ums Verrecken kein Mittel ein, um diese Katastrophe zu vereiteln. Ihr Ja-Wort ist mehr dem Zufall und ihrer Unachtsamkeit zu verdanken.

Im Dom zu Köln, wo sie soeben ruckzuck vermählt worden ist, hat sie jedoch eine folgenreiche Begegnung. Der Mann, der Ash unverhohlen den Hof macht, heißt Asturio Lebraja und ist der Gesandte der Westgoten, die in Karthago ein nordafrikanisches Reich aufgebaut haben, das gegen die mohammedanischen Türken kämpft. Seit die Muselmanen 1453 Konstantinopel erobert haben (also vor gerade mal 23 Jahren), lebt Westeuropa in permanenter Furcht vor Eroberung. Die Westgoten, so scheint es, haben nicht nur sehr fortschrittliche Technologie wie etwa einen lebenden Roboter, einen Golem, sondern sind auch führend in der Mathematik.

Deshalb verwundert es Ash, dass Kaiser Friedrich III noch in der Kathedrale einen Zornesausbruch laut werden lässt, dessen Opfer Lebraja und sein Kollege sind. Ein politisches Manöver, lassen Ashs Berater sie wissen. Die Westgoten haben den Kaiser um Truppenhilfe gebeten, die er nicht rundweg ablehnen will. Daher die gespielte Entrüstung. Das Ergebnis: Fernando del Guiz soll einen Teil seiner „neu erworbenen Truppen“ nach Karthago schicken, um die Südfront zu verstärken. Damit ist Ashs Kompanie gemeint. Sie soll mit Fernando und 200 Mann nach Genua reisen und von dort nach Nordafrika segeln.

|Die Invasion|

In der Hochzeitsnacht kommt Fernando seiner ehelichen Pflicht nach, aber die nächsten 15 Tage nicht mehr. Sorglos lässt er seine – ihre ehemalige Truppe – bis kurz vor Genua traben, so dass selbst Söldnerkollegen keine Mühe haben, sich einzuschleichen und Ash mal kurz hallo zu sagen. Es wäre aber völlig sinnlos, durch Widerspruch die Truppe zu spalten und so ins Chaos zu stürzen. Also hält Ash die Klappe.

Bis sie auf einem Hügel über den Nebel hinwegsehen kann: Genua steht in Flammen! Und was da im Hafenbecken liegt, sind keine Kauffahrer, sondern Kriegsschiffe der Westgoten. Es müssen mindestens 30.000 Mann sein, die sie an Bord haben. Truppentransporter schiffen Soldaten und Golems aus. Letztere sind dabei zu beobachten, wie sie Botschaften zu anderen Orten tragen – zu anderen eroberten Städten? Mit ihren Offizieren ist sich Ash einig, dass die Westgoten eine Invasion gestartet haben, aber nicht bloß eine in Italien, sondern eine in ganz Westeuropa.

Da sie Fernando überreden kann, dem Kaiser eiligst Nachricht zu bringen, zieht sich Ashs Truppe zurück – und gerät dabei mitten in einen Hinterhalt in einem engen Bergtal. Die Westgoten wollen verhindern, dass auch nur ein einziger Söldner oder Ritter entkommt, um den Kaiser zu warnen. Ash gedenkt, ihnen einen Strich durch diese finstere Rechnung zu machen …

_Mein Eindruck_

Roboterhafte Golems, Taktikcomputer in Karthago (!), die ihre Feldherren per Telepathie informieren – all das klingt nicht sehr nach Fantasy. Geschweige denn nach dem Mittelalter, dessen Bild man uns in der Schule überliefert hat. Unsere wachsenden Zweifel gegenüber den Schilderungen, die Ratcliffs präsentiert, werden Anna Longman, der Lektorin seines Verlags, geäußert: Will Ratcliff uns für dumm verkaufen? Sitzt er selbst einem aufgelegten Schwindel auf? Doch was ist mit dem Robotergolem, den er selbst mit einer Archäologin in den Ruinen nahe Tunis ausgräbt?

|Das 15. Jahrhundert|

Die Autorin nimmt uns mit auf einen wilden Ritt, der im ersten Band erst so richtig anfängt. Sie führt uns mitten hinein in ein Mittelalter, das sich an der Schwelle zur Neuzeit befindet, denn die Reformation ist nur noch fünfzig Jahre entfernt. Es ist die zeit der Umbrüche: Die Osmanen haben Konstantinopel, den letzten Rest des antiken Roms, erobert, und zwischen England und Frankreich wütet seit hundert Jahren ein Erbfolgekrieg – ebenso wie der Rosenkrieg zwischen den Häusern York und Lancaster. Burgund scheint inmitten dieser Auseinandersetzungen ein Hort der Ruhe, des Friedens und des Wohlstands zu sein.

|Religion|

In all diesen Kriegen gibt es jede Menge Arbeit für Söldner wie Ash. Die junge Frau hat von Jeanne d’Arc gehört, die etliche Jährchen vor ihr die Engländer besiegte und dafür von ihnen verbrannt wurde. Mit Religion hat Ash, die Silberhaarige, nichts am Hut. Ganz im Gegenteil: Religion verstellt den klaren Blick auf die militärischen und politischen Realitäten. Und es bedarf aller Informationen, um in diesen veränderlichen Bedingungen den Überblick zu bewahren. Liebe gibt es eigentlich nur pro forma, und sie ist ein kurzer Beischlaf, um der Ehepflicht des Zwangsgatten Genüge zu tun.

|Lesben|

Deshalb spielen für Ash die Loyalität und Treue ihrer Untergebenen, für die sie sich verantwortlich fühlt, eine so große Rolle. Mögen andere Frauen herumhuren, für sie kommt das nicht infrage, wenn sie ihren Ruf und den Gehorsam ihrer Offiziere bewahren will. Dennoch entsteht der eindeutige Eindruck, dass Ash auch dem eigenen Geschlecht zärtlich zugetan ist. Floria, die als Mann verkleidete Ärztin, legt sich gern in Ashs Bett, und sie ist nicht die letzte als Mann verkleidete Frau. Sie helfen ihr, sich als Frau unter lauter Männern zu behaupten.

|Westgoten|

Und nun diese Invasion der Westgoten. „Westgoten!?!“, fragt Anna Longman ungläubig, und auch wir fassen usn an den Kopf. Die Westgoten gab es doch nur in Spanien, als Ergebnis einer Völkerwanderung nach dem Untergang Westroms. OK, auch die Wandalen setzten sich in Ex-Karthago fest, um den Byzantinern das Leben schwer zu machen. Aber Roboter und Taktikmaschinen, noch dazu Klone? Das alles ist für Anna Longman schwer zu verdauen.

Es kommt aber noch härter für Ash. Die Westgoten haben eine ägyptische Finsternis über Südeuropa gelegt, der Himmel ist pechschwarz – und das ist keine vorübergehende Sonnenfinsternis, sondern der Beginn einer tödlichen Eiszeit. Vögel fallen vom Himmel, Ernten fallen aus, Gebrechliche stürzen in den Schnee. In dieser Endzeitstimmung lässt die Feldherrin der Westgoten Ash zu sich bitten.

|Geklont?|

Ash blickt überrascht und beunruhigt in ihr eigenes Gesicht. Sie und die „Faris“ teilen sich das gleiche Gesicht. Sie sind Ergebnisse des gleichen Zuchtprogramms der Westgoten, das nur ein Ziel hat: Denn als wäre die Existenz als Klon nicht schon schlimm genug, muss Ash auch mit der Erkenntnis leben, dass die Faris ebenso wie sie selbst per Gedankenübertragung die Informationen eines Taktikcomputers empfangen kann. Doch diese Fähigkeit gedenkt Ash, nur im alleräußersten Notfall preiszugeben. Sie trägt ja jetzt schon den Ruf, eine Heilige zu sein, die wie Jeanne d’Arc „Stimmen“ hört. Sie hat keine Lust, ebenso wie Jeanne auf dem Scheiterhaufen zu enden. Oder als Versuchskaninchen in den Kerkern der Westgoten.

|Ausblick|

Ash ist aus dem Kerker der Faris befreit worden, wenn auch unter schweren Verwundungen. Nun gelangt ihr Tross nach Burgund und – o Wunder aller Wunder! – dort scheint die Sonne wie im Juli. Dankbar lobpreisen die geretteten Subalternen die im Kloster genesende Feldherrin. Die denkt, dass sie dafür eigentlich überhaupt nichts getan hat. Aber Floria belehrt sie eines Besseren.

Die Pflicht wartet auf Feldherrinnen wie Ash. Zum einen will der herzog von Burgund, Karl der Kühne, sie in seiner Residenz zu Dijon sehen. Um zu anderen wollen ein paar Lancaster-Lords sie anheuern, um gegen die Westgoten – und das Haus York, versteht sich – zu kämpfen. Ash entscheidet sich für beides. Herzöge soll man nicht lange warten lassen, sonst bereut man es. Aber die Westgoten verdienen eine Lektion, findet sie. Und so entschließt sie sich, deren Taktikrechner zu zerstören – und dazu muss sie natürlich erst einmal nach Nordafrika.

_Die Übersetzung _

Der deutsche Leser kann froh sein, dass dieser voluminöse Roman in vier Teile von jeweils 550 bis 700 Seiten aufgeteilt wurde. Auf diese Weise kann er nämlich jeden Band in halbwegs vertretbarer Zeit bewältigen. Die Schrift ist groß, so dass die Augen nicht ermüden.

Die E-Mails sind in jeweils eigenen Abschnitten zusammengefasst und in einer anderen, serifenlosen, modernen Schrifttype gedruckt. Sie heben sich so auf den ersten Blick von der „Fiktion“ ab, obwohl sie ja selbst Teil der Fiktion der Autorin sind – eine Metaebene, die so manchen Anlass zum Schmunzeln, aber auch Neuigkeiten bereithält. So etwa stößt der Herausgeber von Ashs Lebensgeschichte in Karthago auf einen begrabenen Golem-Roboter …

|Fehler und Zweifelsfälle|

S. 150: „ihr ward“ statt „ihr wart“.
S. 294: „Es wir[d] ein Chaos.“ Das D fehlt.
S. 322: „Ich habe noch nie gegen Westgoten gekämpft? Wie ist es so?“ Das erste Fragezeichen müsste ein Punkt sein.
S. 366: „Westogenemire“ sollte „Westgotenemire“ heißen.
S. 382: „Das ist mein Gesicht; so sehe ich auch …“ „Auch“ sollte „aus“ heißen.
S. 409: „Das hier ist keine Romanze wie die von Artus oder Peredur.“ „Romanze“ sollte besser „Abenteuergeschichte“ heißen.
S. 463: „Früher ward Ihr Maler.“ Siehe S. 150!
S. 524: „Die Debatte war in Geschrei ausgeastet.“ „Gemeint ist „ausgeartet“.
S. 534: „als hätte[n] wir Ihren akademischen Ruf nicht überprüft.“ Das N fehlt.

_Unterm Strich_

Ein abenteuerliches Mittelalter, das man so nie bei Umberto Eco oder Dan Brown finden wird! Ash ist eine Feldherrin in männlicher Rüstung, die sich ihrer Haut zu wehren weiß (merke: eine Rüstung dient auch als Waffe) und sich die Treue ihrer Offiziere versichern kann. Ihr „Arzt“ wird zu ihrer lesbischen Geliebten, und die fremde Feldherrin aus Nordafrika zu ihrer geklonten Schwester. Als wäre dies nicht genug, machen Kampfmaschinen und telepathische Taktikcomputer Südeuropa unsicher.

Wer weiß, was noch alles an Zumutungen folgt, fragt die Lektorin Anna Longman verunsichert ihren Autor Prof. Pierce Ratcliff, der ihr ein Werk namens „Ash: Die verlorene Geschichte von Burgund“ auftischt. Sind seine Quellen wirklich zuverlässig, ist nur eine ihrer vielen Fragen, die uns aus der Seele sprechen. Auf dieser Metaebene entspinnt sich der häufig ironische Diskurs über die Art und Weise, wie überlieferte Geschichte zustandekommt. „Historische Wahrheit“ entwickelt sich zu einem Begriff, der zunehmend hohler und fragwürdiger wird, je unsicherer und seltsamer die Quellen, die Racliff präsentiert, dem Leser erscheinen.

Das Rätsel um Ash und Burgund zu lüften, erfordert indes drei weitere Bände. Diese dürften noch für etliche erotische und militärische Abenteuer sorgen. Ich jedenfalls fand schon den Auftaktband sehr interessant und unterhaltsam.

|Taschenbuch: 540 Seiten
Originaltitel: A Secret History – The Book of Ash Part 1
Aus dem Englischen übersetzt von Rainer Schumacher
ISBN-13: 978-3404205660|
http://www.luebbe.de

_Mary Gentle bei |Buchwurm.info|:_
[„1610: Der letzte Alchemist“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2360
[„1610: Kinder des Hermes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2662
[„1610: Söhne der Zeit“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2681

Dahl, Arne – Opferzahl

_Terror in vielen Formen_

Stockholm steht unter Schock: Ein Bombenanschlag in der U-Bahn fordert zehn Tote. Die Stadtpolizei, die Reichskripo und sogar die Säpo, die nationale Sicherheitspolizei, befassen sich mit der Aufklärung der Gräueltat. Auch das A-Team unter Kerstin Holm wird – nach einer Weile – eingeschaltet. Bald glaubt man, in einer geheimen islamistischen Vereinigung die Täter gefunden zu haben. Doch dann fallen deren Mitglieder selbst Morden zum Opfer. Kerstin Holm verfolgt eine heiße Spur – doch sie führt ins Herz des schwedischen Sicherheitsapparats …

_Der Autor_

Arne Dahl, geboren 1963, ist das Pseudonym des schwedischen Krimiautors Jan Arnald, der für jene schwedische Akademie arbeitet, die alljährlich die Nobelpreise vergibt. Seine Romane um Inspektor Paul Hjelm werden laut Verlag von Publikum und Kritik begeistert aufgenommen. 2004 wurde er mit dem wichtigsten dänischen Krimipreis ausgezeichnet, dem „Pelle-Rosenkrantz-Preis“. Mehr Infos unter http://www.arnedahl.net

Die Dahl-Krimis in chronologischer Reihenfolge:

1) [„Misterioso“ 2841
2) [„Böses Blut“ 2416
3) [„Falsche Opfer“ 3730
4) [„Tiefer Schmerz“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5512
5) [„Rosenrot“ 3091
6) [„Ungeschoren“ 5087
7) „Totenmesse“

_Handlung_

Ein Bombenanschlag auf die U-Bahn von Stockholm mitten in der Nacht fordert neun Opfer – und das Leben des mutmaßlichen Selbstmordattentäters. Die Stadt steht erst einmal unter Schock, doch dann scharen sich die Sicherheitsdienste zusammen, und zwar um einen Pensionär namens Jan Olov Hultin, seines Zeichens ehemaliger Leiter der A-Gruppe, der Abteilung für Verbrechen internationalen Charakters beim Reichskriminalamt. Hultin hat derart viel Autorität, dass er in der ersten Pressekonferenz sogar dem Leiter der nationalen Sicherheitspolizei, der Säpo, Paroli bieten kann. Selbstredend sind auch die Stadtpolizei und die Kripo eingeschaltet.

Kerstin Holm hat sechs Monate Suspendierung vom Dienst hinter sich, als der Ruf in die „Kampfleitzentrale“ sie erreicht. Sie reist sich vom Krankenbett ihres komatösen Freundes Ake Bengtsson los, um sich mit dem Rest der A-Gruppe zu treffen. Lauter bekannte Gesichter, das beruhigt die Nerven. Jan Olov Hultin macht es kurz. Er beauftragt das Team herauszufinden, woher der oder die Täter kamen, sie und ihr Motiv zu finden. Dies alles natürlich möglichst transparent: Alle Ergebnisse sind ins Intranet der Sicherheitsbehörden einzuspeisen. Transparenz und Kooperation sind das Gebot der Stunde.

Deshalb erhält die A-Gruppe über das Intranet Zugriff auf den Mitschnitt eines Bekenneranrufs, der mehr als sechs Stunden nach dem Anschlag bei einer kleinen Polizeistation irgendwo in den Vororten Stockholms einging. Schon diesen Umstand findet Kerstin Holm bereits seltsam, noch merkwürdiger ist der Name der Organisation, in deren Namen der Anrufer sich zum Anschlag bekennt: „The Holy Riders of Siffin“. Neben den üblichen Beleidigungen von westlichen Frauen als Huren usw. sagt der Mann noch einige weitere Sätze, die wenig Sinn ergeben.

Siffin, so lässt sich ruckzuck herausfinden, war im Jahr 657 eine der Schlachten zwischen Sunniten und Schiiten, in denen um die künftige Richtung des Islam ging. Auch sie brachte keine Entscheidung, und so ist das Schisma bis heute erhalten geblieben. Über tausend Jahre lang. Der Haken an diesem Verweis: Kein Terrorismusexperte hat laut Säpo je von dieser Organisation gehört, die sich auf Siffin beruft. Wie echt kann der Anruf also sein, fragt sich die A-Gruppe.

Allerdings sagt der anonyme Mann einen Satz, der sich als ins Englische übersetztes Zitat aus einem arabischen Buch des 14. Jahrhunderts erweist. Und von diesem Buch gibt es nicht allzu viele Exemplare in Stockholm. Genauer gesagt: nur ein Einziges. Den Ausleiher herauszufinden, ist daher ein Kinderspiel. Doch ihn zu sprechen, ist weitaus schwieriger. Er ist nämlich tags zuvor von einem heranrasenden Auto überfahren worden.

Die Anordnung der Leichen in dem gesprengten U-Bahnwaggon erscheint indes Arto Söderstedt keineswegs zufällig. Fast alle Toten befanden sich am hinteren Endes des explodierten Waggons C, bis auf eine Frau, die anscheinend dort die Tür blockierte. Eine zweite Frau, die Fahrgästen als „Verrückte“ erschien, blockierte die nächste Tür, so dass eine spät kommende junge Frau bis zum vorderen Waggonende eilen musste, um noch einen Sitz zu ergattern.

Was sollten diese „Wächterinnen“ mit den Männern tun, fragen sich Arto Söderstedt und Viggo Norberg. Und warum waren diese Männer nachts um halb eins von ihren Wohnungen aufgebrochen, um quer durch die Stadt zu einem unbekannten Ort zu fahren? Was hatten sie im Sinn? Als Viggo Norberg auf seinem Computer Zeuge wird, wie eine der Leichen – Person 2 – vor seinen Augen aus dem Protokoll der Gerichtsmediziner gelöscht wird, ahnen er und Arto, dass in ihrem eigenen System der Wurm drin ist …

Es ist sehr viel schwieriger, den zweiten Mann der Heiligen Reiter zu finden, doch auch hier kommen Kerstin Holms Leute zu spät. Es sieht nach Selbstmord aus. Auf seinem Computer hat er geschrieben: „We were just amateurs.“ Wenigstens finden sie den fünften Mann der Gruppe, und weil er sich geweigert hat, sich ihren fundamentalistischen Ideen anzuschließen, stöbern sie mit seiner Hilfe auch Nr. 3 und Nr. 4 auf. Aber ob sie diese überhaupt vor dem fleißigen Attentäter retten können, steht auf einem ganz anderen Blatt.

|Unterdessen|

Paul Hjelm, der mal der Partner von Kerstin Holm (sowohl privat als auch in der A-Gruppe war), leitet jetzt die Abteilung für Innere Ermittlungen, quasi die Dienstaufsicht. Ein obdachloser Stadtstreicher namens Arvid Lagerberg, der in Gewahrsam genommen wurde, hat in der fraglichen Nacht vor dem Eingang zur U-Bahn-Station, in der die Explosion der Bombe stattfand, eine bemerkenswerte Beobachtung gemacht. Ein Mann wollte gerade in die Station hinuntergehen, drehte aber sofort nach der Explosion wieder um. „Es war ein Polizist“, ist Arvid überzeugt.

Mit ein paar genialen Verhörtricks und gründlichem Stöbern im EDV-Archiv gelingt es Paul, die Identität dieses Polizisten, den Arvid schon mal gesehen hatte, herauszufinden. Bei dem Gesicht auf dem Polizeivideo wird ihm ganz mulmig zumute. Es ist ein guter alter Freund von ihm …

_Mein Eindruck_

Das Thema von Dahls neuem Thriller über die dem Dahl-Fan wohlvertraute A-Gruppe ist Schrecken. „Terror“ ist heute die geläufigere, aber leider auch inflationär und manipulierend verwendete Bezeichnung. Dass Terror ein Werkzeug ist, dass unversehens außer Kontrolle geraten kann, ist zwar eine Binsenwahrheit, verdient aber in den Augen des Autors offensichtlich ständige Verdeutlichung und Betonung.

|Bekenner|

Es gibt eine ganze Reihe von Erzeugern dieses Terrors in dem Szenario, das aufgezeigt wird. Da sind zunächst die „Holy Riders of Siffin“. Sie sind tatsächliche Amateure, erfährt die A-Gruppe von der Säpo, dem schwedischen Verfassungsschutz. Dummerweise haben sich die Amateure, die sich zu dem „Anschlag“ bekennen, einen Namen herausgesucht, den bereits eine andere, weitaus gefährlichere Gruppe für sich beansprucht – und die keinerlei unerwünschte Reklame möchte. Daher das Ein-Mann-Killerkommando.

|Feminismus|

Aber wer hat die Bombe, die den Waggon zerfetzte, ausgelöst, wenn es nicht die Amateure aus der Vorstadt waren? Die zweite Spur führt deshalb zu den „Wächterinnen“, die sexgeile Mittvierziger auf einen U-Bahntrip eingeladen haben. Doch auch diese selbsternannten Hasserinnen von „Schwanzfechtern“ verfügen über keine Bomben. Und unter den Sexgeilen, die sie einluden, hat bestimmt keiner eine Bombe mitgebracht. Wirklich? Die Säpo weiß da etwas ganz anderes.

Denn die Säpo, die auch die „Person 2“ aus dem Intranet verschwinden lässt, kocht ihr eigenes Süppchen. Sie hat eine Undercover-Aktion laufen, mit der sie den schwedischen Waffenproduzenten und -händler Naberius dingfest machen will. Wie Kerstin Holm & Co. erfahren, bedient dieser „ehrenwerte Herr“ Naberius nämlich beide Seiten im Irak, die „friedenserhaltenden Truppen“ ebenso wie die islamistischen Terroristen. Naberius, der feine Schwede, scheint ein richtiger Terrorist zu sein.

|Gratwanderung|

Der Schrecken ist also hausgemacht. Das ist die eigentliche Kritik des Autors. Aber er hinterfragt auch die Rolle der Säpo. Wieso hat sie diese Rolle des Waffenhändlers nicht publik gemacht? Der Grund ist einfach: Es gibt unzählige Lecks im Polizeiapparat. Schon Minuten nach der internen Besprechung, auf der Hultin die Leitung der Ermittlung übernimmt, weiß die Presse von dieser Sache und posaunt alles hinaus. Folglich hält sich die Säpo bedeckt, um ihren Undercover-Ermittler nicht zu gefährden – und um Naberius, das scheue Wild, nicht zu verschrecken. Die Säpo wandelt einen schmalen Grat, indem sie Terror in kauf nimmt.

|Staatsterrorismus|

Dass es auch aktiven, nicht nur passiven Staatsterrorismus geben kann, darauf verweist überdeutlich der Showdown. Er findet an keiner geringeren Stätte als dem Berliner Mahnmal für die Opfer des Holocaust statt. Zwischen über zweitausend Stelen versteckt sich der Attentäter, der es auf den US-Außenminister abgesehen hat, aber ebenso auch seine Jäger aus der A-Gruppe, die ihn als Einzige identifizieren können. Das Stelenfeld für die ermordeten Juden etc. erinnert an den Staatsterrorismus des „Dritten Reiches“. Ob der Autor auf diese Weise andeuten will, dass eine unbeaufsichtigte Geheimpolizei à la Säpo einen Faschismus à la „Drittes Reich“ ermöglichen könnte, so ist das eine durchaus kritische, wenn nicht sogar brisante Aussage.

|Innerer Terror|

Indirekt entschärft der Autor diese Andeutung. Weil der Terror, den Naberius ausübt, auch ins innerste Privatleben eines Mitglieds der A-Gruppe hineinreicht, muss diese innere Bedrohung aufgehoben, bevor das Team wieder handlungsfähig ist. Die Beseitigung des Druckmittels erfolgt mit Hilfe eines technischen Experten der Säpo. Sie ist also doch zu etwas nutze und kann sich human betätigen.

_Die Übersetzung _

Der Text liest sich flüssig und problemlos, Fußnoten sind in der Regel nicht nötig. Bemerkenswert ist, wie stets bei Dahl, der harmonische Übergang vom Deutschen zum Englischen und wieder zurück. Die problemlose Kombination der beiden Sprachen signalisiert, dass die Ermittler der A-Gruppe, zu denen früher ja auch Paul Hjelm gehörte, durch ihre Tätigkeit im Englischen ebenso flüssig sprechen wie in ihrer Muttersprache: Da sie mit „Verbrechen von internationalem Charakter“ befasst sind, ist Englisch ihre lingua franca.

Englisch ist auch die Sprache jener Songtexte, die sich Paul Hjelm anhört. Die Texte, u.a. von Radiohead, bilden auf einer assoziativen Ebene einen indirekten Kommentar zu den Tätigkeiten und inneren Einstellungen der Ermittler. Den Begriff „Karma Police“ auf die Ermittler anzuwenden, ist ein weiterer ironischer Seitenhieb.

S. 48 wird auf einen Mann namens Carl Jonas Love Almqvist verwiesen, der Namensgeber des Unglückswaggons sein soll. Kerstin Holm sagt von Almqvist: „Das ist er doch gewöhnt.“ Der Grund dafür bleibt uns Nichtschweden allerdings verborgen. Die Wikipedia klärt uns auf: „A. * 28. November 1793 in Stockholm; † 26. September 1866 in Bremen) war ein schwedischer Schriftsteller und Komponist. Er war Feminist und Sozialreformer, der aufgrund seiner Arbeiten von der Kirche als gefährlicher Revolutionär verdammt wurde.“ Wer diese Information hat und sie in Bezug zu den drei feministischen „Wächterinnen“ setzt, bemerkt die Ironie, die der Autor zum Ausdruck bringt. Dass der Waggon nach Almqvist benannt ist, beruht also keineswegs auf einem Zufall.

Eine merkwürdige Art der Mathematik scheint auf S. 98 angewendet zu werden. „Die Schlacht von Siffin findet im Juli des Jahres 657 statt – im Jahr 37 nach muslimischer Zeitrechnung, die im Jahr 622 ihren Anfang nimmt …“ Bei mir ergibt 622 plus 37 immer 659. Es kann aber sein, dass die 2 Jahre Differenz von dem Mondkalender herrühren, den die Muslime bis heute verwenden.

_Unterm Strich_

Ich habe den Krimi in wenigen Tagen gelesen. Er ist spannend und durchaus actionreich geschrieben. Allerdings machte nach den ersten hundert Seiten eine mehrtägige Pause, denn da wurde gerade die relativ dröge Anfangsphase abgeschlossen: Die Figuren werden alle miteinander vorgestellt, aber nicht gerade auf prickelnde Weise. Lediglich leiser Humor kommt hier zum Ausdruck.

|Spaßbremsen|

Und der Fall Ake Bengtsson, der im Koma liegt, drückte zwar gehörig auf die Tränendrüse, tangierte mich aber überhaupt nicht, denn ich kannte die Szene, in der er angeschossen wurde, gar nicht. Hier hätte der Autor eine Rückblende einbauen sollen, damit Leute, die den Vorgängerband nicht kennen, auch etwas damit anfangen können.

Zudem beginnt das Buch nicht mit der Explosion, sondern mit einem inneren Monolog oder einer Art Tagebuch. Dieser Unbekannte stellt ein Rätsel dar, das einen Spannungsbogen beginnt, der erst sehr spät seinen Abschluss findet. Aber eben weil die Eintragungen so rätselhaft sind, reizen sie die Neugier nicht unbedingt. Und weiter von der Action kann man gar nicht entfernt sein.

Der Krimifreund muss sich mit solchen Eigenheiten eines Arne-Dahl-Krimis abfinden. Außerdem ist es hilfreich, wenn man schon mal einen A-Gruppe-Krimi gelesen hat, ganz gleich, welchen („Misterioso“ ist ein guter Einstieg). Dann versteht der Leser die spezielle Dynamik dieser Gruppe besser.

|Rätsel Nr. 2|

Ein zweites Rätsel wird ebenfalls früh aufgezeigt, aber ebenfalls sehr spät gelöst: Wer ist überhaupt der Bombenleger in der U-Bahn? Es kann sich weder um die islamistischen Amateure mit ihrem „Spiel“ handeln noch die Männerhasserinnen noch die sexgeilen Kerle, die sie bloßstellen wollen. Hier muss die Säpo ein paar bohrende Fragen der A-Gruppe beantworten.

Dennoch macht der Krimi auf den restlichen 340 Seiten Spaß. Die Action kommt meist unerwartet und mündet in einen gewaltig inszenierten Showdown im Berliner Holocaust-Mahnmal – eine tolle Kulisse, die zudem ein Versteckspiel à la Stonehenge geradezu provoziert. Beim Zugriff auf den Schären vor Stockholm fragte ich mich aber doch, wieso diesen Job die A-Gruppe erledigt und nicht die örtliche Kripo oder wenigstens der Reichsgrenzschutz (falls es so etwas in Schweden gibt).

|Puzzle|

Nicht alles wird am Schluss in der Sitzung mit der Säpo restlos geklärt. Der Leser ist durchaus aufgefordert, die Puzzlestücke zusammenzusetzen, um ein zusammenhängendes Bild aus den Beziehungen und Ereignissen zu erhalten. Dazu sollte der Leser die einzelnen Bausteine Revue passieren lassen und beurteilen. Es lohnt sich, denn wie gesagt, geht es um die verschiedenen Formen des Schreckens.

Die grimmige Aussage: Terror muss nicht Angelegenheit der Behörden sein. Es kann sich lediglich um eine Idee handeln, die gefährliches Handeln provoziert. Terror kann aber auch die Schlinge um den Hals eines geliebten Menschen sein. Dann beginnt der Horror im Kopf und erreicht schnell die Eingeweide …

|Taschenbuch: 440 Seiten
Originaltitel: Efterskalv (2006)
Aus dem Schwedischen von Wolfgang Butt
ISBN-13: 978-3492274500|
http://www.piper-verlag.de

Lustbader, Eric Van – Die Ungläubigen (Jack McClure 1)

_Die |Jack McClure|-Reihe:_

1) First Daughter (2008, _Die Ungläubigen_)
2) Last Snow (2010)
3) Blood Trust (2011)
4) Father Night (2012)
5) Beloved Enemy (2013)

Agententhriller um die Tochter des Präsidenten

ATF-Agent Jack McClure erhält einen Anruf vom designierten Präsidenten, einem alten Freund: Die Tochter von Edward Carson, Alli, wurde entführt. Sie war eine Freundin von Jacks tödlich verunglückter Tochter Emma, die am gleichen Internat studierte. Die alten Wunden brechen wieder auf, doch Jack stößt auf einen Killer, der Verbindung zu den höchsten Regierungskreisen hat. Wie soll an ihn herankommen? Er muss es rechtzeitig vor der Amtseinführung des neu gewählten Präsidenten schaffen, sonst wird eine Katastrophe passieren.

_Der Autor_

Eric Van Lustbader, geboren 1946, ist der Autor zahlreicher Fernost-Thriller und Fantasyromane. Er lebt auf Long Island bei New York City und ist mit der SF- und Fantasylektorin Victoria Schochet verheiratet. Sein erster Roman „Sunset Warrior“ (1977) lässt sich als Science-Fiction bezeichnen, doch gleich danach begann Lustbader, zur Fantasy umzuschwenken.

1980 begann Lustbader mit großem Erfolg seine Martial-Arts & Spionage-Thriller in Fernost anzusiedeln, zunächst mit Nicholas Linnear als Hauptfigur, später mit Detective Lieutenant Lew Croaker: The Ninja; The Miko; White Ninja; The Kaisho usw. Zur China-Maroc-Sequenz gehören: Jian; Shan; Black Heart; French Kiss; Angel Eyes und Black Blade. Manche dieser Geschichten umfassen auch das Auftreten von Zauberkraft, was ihnen einen angemessenen Schuss Mystik beimengt.

Zuletzt erschien bei uns die „Kundala“-Trilogie: „Der Ring der Drachen“, „Das Tor der Tränen“ und „Der dunkle Orden“. Da diese Fantasy ebenfalls in einem orientalisch anmutenden Fantasyreich angesiedelt ist, kehrt der Autor zu seinen Wurzeln zurück, allerdings viel weiser und trickreicher. Kürzlich hat er noch einmal eine Wendung vollziehen und schreibt nun die Thriller seines verstorbenen Kollegen Robert Ludlum fort, so etwa „Die Bourne-Verschwörung“. 2007 erschien der Mystery-Thriller „Testamentum“ in der Art von Dan Browns „The Da Vinci Code“. Danach veröffentlichte Lustbader Fortsetzungen von Robert Ludlums BOURNE-Serie.

_Handlung_

Jener Moment wird für immer in Jack McClures Erinnerung eingegraben bleiben. Als er gerade eine Antischmuggleraktion seiner ATF-Agenten (ATF: Alcohol, Tobacco, Firearms) dirigierte, rief ihn seine Tochter Emma an, um ihm mitzuteilen, dass sie das Internat Langley Fields verlasse. Natürlich konnte er sich nicht um sie kümmern, obwohl sie sein einziges Kind war. Und so wimmelte er sie ab, bis sie auflegte. Wenige Stunden später wurde er zu einem Autounfall in Virginia gerufen: Seine Tochter lag tot in den Trümmern ihres Wagens. Der Tod seines Kindes bedeutete auch das Ende seine Ehe mit Sharon, denn die gab ihm die Schuld an Emmas Tod. Und sie betrog ihn aus Rache mit seinem besten Freund.

Heute erhält Jack einen Anruf von seinem Freund, dem designierten Präsidenten Edward Carson: Seine Tochter Alli wurde aus dem Internat Langley Fields entführt, und zwei Agenten des Secret Service wurden dabei ermordet. Alli war, wie Jack gut weiß, Emmas beste Freundin. Jacks Chef Bennett fährt ihn zum Tatort und warnt ihn schon mal vor: Hugh Garner, der Leiter dieser Aktion, ist ein Politiker durch und durch. Schon nach wenigen Augenblicken weiß Jack, dass er Garner nicht leiden kann. Und es stellt sich sogar heraus, dass Garner ihm eine Falle gestellt hat: Ob er wohl das Fläschchen Kokain findet, das in die Unterseite der Matratze von Allis Bett gestopft wurde? Jack findet es, doch nur Nina Miller, eine weitere Secret-Service-Agentin, verrät ihm, dass es ein Test war.

Die erste Spur, die Jack findet – Garners hochtechnisierter Ermittlungsapparat findet nichts – sind die beiden Einstiche in den toten Secret-Service-Mitarbeitern. Er findet sie im Autopsieraum seines guten Freundes Egon Schiltz, dem Gerichtsmediziner dieses Distrikts von Washington, D. C. Die Einstiche stammen von einem sehr dünnen, gekrümmten Messer, das bei Konditoren als ‚Panetta‘ bekannt ist und zum Glattstreichen einer Glasur dient. Es wurde extra spitz zugefeilt.

Das Panetta wurde schon einmal in Jacks Leben verwendet, vor 25 Jahren, als sein Mentor Augustus, ein Pfandleiher und Leiter eines Informationsnetzwerks, im Schlaf ermordet wurde. Gus und dessen Freund, Reverend Myron Taske, brachten Jack, der wegen einer Leseschwäche (Dyslexie) stets verunsichert ist, das Lesen bei – und wie man sich in einem Schwarzenvorort behauptet, wo die Verbrechensrate wesentlich höher liegt als im Rest der Hauptstadt.

Der Verdacht des Secret Service, sagt Nina Miller, richtet sich nun gegen eine neue antikirchliche Bewegung, die als NAS bekannt ist: Neue Amerikanische Säkularisten. Diese Bewegung ist dem scheidenden Präsidenten ein Dorn im Auge, den sie lehnt seine Koalition aus christlichen Fundamentalisten und dem militärisch-industriellen Komplex (ein Begriff Präsident Eisenhowers) als repressiv und antidemokratisch ab. Was diese ja auch ist. Der alte Präsident will hingegen die NAS als Brutstätte einheimischer Terroristen brandmarken, die als Zweite Aufklärung oder A-Zwei bekannt sind. Er beauftragt seinen Heimatschutzminister Dennis Paull mit den notwendigen Schritten, bevor er nach Moskau aufbricht, um dort Präsident Yukin Feuer unterm Hintern zu machen. Er ahnt nicht, dass Paull ein Verbündeter Carsons ist …

Jack ist ein Agent mit jahrelanger Erfahrung, und politische Verdächtigungen sind nicht sein Ding. Statt dessen hält er sich an konkrete Spuren. Zusammen mit Nina Miller begibt er sich ins Dickicht unter der hohen Umgrenzungsmauer, die das College Langley Fields umgibt. Nina wundert sich, was Jack hier will. Aber er braucht nur ein paar Ziegel aus der Mauer zu ziehen, und schon wird ein schmaler Pfad durchs Unterholz erkennbar.

Nina folgt Jack auf diesem Pfad durch alle Dornen und Brombeergestrüppe, bis sie endlich auf eine kleine Lichtung gelangen. Hier hat Emma einmal einen unbekannten Mann getroffen, und Jack, der ihr heimlich gefolgt war, entdeckte sie dort. Danach war die ertappte Emma stinkwütend auf ihn. Teenager! Jack schaut sich um und sein Blick fällt auf einen Flecken frische Erde unter einem großen Baum. Bingo!

Als er in dieser Erde gräbt, kommt ein grausiger Fund zutage: die abgetrennte Hand eines Mädchens. Ist es die von Alli, befürchtet er. Denn an einem Finger steckt ein Collegering, den Jack gleich wiedererkennt: Auch seine Tochter Emma trug so einen. Wow, meint Nina. Genau, meint Jack. Ein hübsches Präsent für seinen guten Freund Egon Schiltz. Am besten übergibt er ihm die Hand gleich zum Mittagessen. Egon Schiltz ist zum Glück ein Mann mit Humor …

_Mein Eindruck_

Lustbader hat einen neuen Helden erfunden. Jack McClure hat eine Schwäche: Er kann nur mit Anstrengung lesen. Aber genau diese Schwäche verleiht ihm auch eine einzigartige Stärke: Er kann tausendmal schneller denken, um Fakten zu einem sinnvollen Bild zusammenzufügen, als handle es sich um einen Rubikwürfel. Und diese Fähigkeit rettet ihm mehr als einmal das Leben. Eine weitere Schwäche ist die „Schuld“ an Emmas Tod. Doch die Stärke, die sich daraus ergibt, ist sein Einfühlungsvermögen in andere junge Frauen. Und dies rettet Alli Carson das Leben.

Wie Nicholas Linnear oder Jason Bourne ist auch Jack McClure ein Außenseiter, der anders als alle anderen ist. Der Außenseiter stellt die üblichen Werte infrage, die von der Mehrheit propagiert und vertreten werden. Die amerikanische Gesellschaft, die vom aktuellen (namenlosen) Präsidenten seit acht Jahren geführt wird, ist christlich-fundamentalistisch geprägt und duldet keine Außenseiter. Deshalb hat sie in Jacks Augen selbst ihr eigenes Gegenteil erzeugt, nämlich die atheistische Bewegung NAS. Jack kommt immer wieder in Kontakt mit den Vertretern der NAS, aber auch mit anderen Atheisten und Nihilisten. Es selbst glaubt zwar auch nicht an einen allmächtigen Gott, doch an Loyalität und Freundschaft.

Seine Werte führen ihn nicht nur auf Kollisionskurs mit dem Entführer Allis, einem ganz besonderen Serienmörder, sondern auch mit den Vertretern der aktuellen Politik, allen voran Hugh Garner und seinen Mitarbeitern. Als Garner die Foltermethode des Waterboardings anwendet und sich genauso gnadenlos, wie ein Mafiaboss aufführt, schreitet Jack und bereitet dem Spuk ein Ende. Nur sein Schutz durch den designierten Präsidenten bewahrt seine Karriere vor einem abrupten Ende.

In mehreren Rückblenden, die Lustbader vor 20 Jahren noch separat eingeführt hätte, erfahren wir kapitelweise mehr von Jacks Jugend und Werdegang. Der Pfandleiher Gus und Reverend Myron Taske wohnen in einer Gegend, wo jetzt auch Jacks eigenes Haus steht: in einem Schwarzenvorort, in den sich seine Frau Sharon einfach nicht trauen will. Dabei kennt Jack das Viertel wie seine Westentasche. Hier hat er selbst zwei Menschen umgebracht – den Bandenführer Andre und den Gangster Cyril Tolkan, den er irrtümlich für den Mörder von Gus hielt. Wie diese Taten herbeigeführt werden, ist sehr spannend (im Präsens) geschildert.

Jack ist also durchaus zu harter Action fähig, wenn es darauf ankommt. Wir alle führen ein geheimes Leben – das ist eine Standardzeile, die mindestens zehnmal im Buch auftaucht. Als er dies über Emma erfährt, ist er verletzt: Was konnte ihm seine Tochter nicht anvertrauen? Wer war der Mann, den sie im Wald hinter dem Internat traf?

Es ist natürlich unvermeidlich, dass die Suche nach Alli auch eine Suche nach Emma und Jacks eigener Vergangenheit ist. Viele Rechnungen sind noch offen, viele Fäden nicht abgeschlossen. All dies geschieht jedoch erst im letzten Drittel des Buches. Doch selbst als Jack die gesuchte Alli gefunden hat, bedeutet dies noch lange nicht, dass die Gefahr vorüber ist. Denn erstens läuft der Serienmörder noch frei herum und zieht weitere Jüngerinnen heran, die ihm hörig sind. Und zweitens folgt der eigentliche Höhepunkt der Handlung im Moment der Amtseinführung des neuen Präsidenten. Das macht uns schon der Prolog klar, der uns Alli zeigt, als sie eine sehr gefährliche Handlung vorbereitet …

Ich fand, dass Lustbader diesmal die menschliche, ja familiäre Komponente der geschilderten Welt zu stark betont. Aber man muss Jack McClure nehmen wie er ist: ein Vater und Gatte, der in beiderlei Hinsicht schwer verletzt wurde. Ihm steht eine Politmaschinerie aus Intrigen, Ideologie und Informationsdiensten wie CIA und NSA gegenüber, die drohen, ihn zu Hackfleisch zu verarbeiten. Dennis Paull steht auf dieser Seite im Mittelpunkt. Dieser Teil der Handlung erinnert stark an gewisse Szenen aus den Jason-Bourne-Romanen.

Anders als Jason Bourne sieht sich jedoch Jack McClure ständig mit Werten konfrontiert, die er infrage stellen muss. Nur so kann er es überhaupt mit dem Serienmörder aufnehmen, der sich Ian Brady nennt und sich als Gehirnwäscher ersten Ranges betätigt. Auch an Alli Carson …

_Die Übersetzung _

Die Übersetzung liest sich flüssig und klingt natürlich. Doch der Übersetzer hat eine merkwürdige Schwierigkeit mit der korrekten Kommasetzung. Nach dem Motto „Lieber ein Komma zu viel als eins zu wenig“ streut er ein Komma gern mal da ein, wo keines hingehört.

So etwa auf S. 109: „Ich hatte eigentlich gedacht, dass der tragische Tod von Emma [,] dir gezeigt hat …“ und auf S. 179: „dafür, Edward Carson [,] diese großartige Neuigkeit mitzuteilen?“ Auch auf S. 342 ist das Komma recht überflüssig: „Bis dahin[,] dürfte er sich wieder halbwegs menschlich fühlen.“

Auch falsche Kasus-Endungen (S. 175) und fehlende Buchstaben (S. 173) bzw. zu viele Buchstaben sind zu finden: „Es gibt kein machtvolleres Gebäude in der Welt als den Glauben[s].“ (S. 317) Sowie auf S. 427: „Der Schatten b[e]reitete sich über Alli …“

_Unterm Strich_

Man könnte stark vereinfach sagen, dass Lustbader in „Die Ungläubigen“ die Tugenden seiner Nicholas-Linnear-Romane mit den Vorzügen der Jason-Bourne-Thriller kombiniert, um dem modernen Massengeschmack besser zu bedienen. Dennoch merkt man auf jeder Seite, dass es sich um ein Buch von einem der Großmeister des Thrillers handelt.

Zahlreiche literarische Anspielungen, Musikzitate (viel Blues), wunderbare Beschreibungen der Naturvorgänge und schließlich der Werdegang des jungen Helden – kein anderer Thrillerautor (ich kenne nicht alle) zeigt seine Handschrift in diesen Elementen so deutlich wie Lustbader. Allerdings: Wer Action sucht, sollte sich an Lustbaders BOURNE-Romane halten. Jack McClure kann zwar auch zuschlagen, doch das passiert reichlich selten.

|Outsider|

Der Autor bedankt sich explizit bei Colin Wilson für dessen Sachbuch „The Outsider“ aus dem Jahr 1956. Manchmal lesen sich gewisse Passagen wie Auszüge aus Wilsons Thesen. Diese Passagen sind zum Glück nur sehr kurz. Aber Jack McClure wirkt wie eine Inkarnation des Outsiders. Und sein Kontrahent Ian Brady schafft aus solchen Outsidern Terroristen. Man sieht also, dass Lustbader keineswegs das Lob des Outsiders singt, sondern die Figur neu bewertet.

|Meine Lektüre|

Ich habe das Buch in nur drei Tagen verschlungen. Es ist ungemein spannend, originell in seinen genau gezeichneten Figuren und unvorhersehbar in seinen Finali. Dennoch erscheint manche Elemente, besonders in der Politmaschinerie, zu klischeehaft, so etwa die Skrupellosigkeit der Politiker, insbesondere des Präsidenten. Auch „Men in Black“, also Angehörige der supergeheimen Geheimdienste wie NSA oder DHS, gibt es in rauen Mengen, und meist weiß Jack nicht, auf welcher Seite sie gerade stehen. Jedenfalls meist nicht auf seiner.

Andererseits ist das Buch eine kritische Auseinandersetzung mit den acht Jahren der Administration von George W. Bush, auch wenn dieser nie dem Namen nach genannt wird. Und anders als Barack Obama ist der Nachfolger Carson kein Demokrat, sondern ein liberaler Republikaner, falls es so etwas geben kann. Lustbader macht stets klar, dass sein Buch eine Fiktion ist und daher nie mit der historischen Realität verwechselt werden sollte. Allerdings sind die Parallelen zu Bush so unübersehbar, dass das Wegsehen schwerfällt.

|Die Gläubigen |

Der deutsche Titel ist recht treffend gewählt. Der noch amtierende Präsident hat Amerika in eine Theokratie verwandelt, einen Gottesstaat. Natürlich wird gegen dieses Extrem auch extrem reagiert, nicht zuletzt auch durch Emma und Alli. Doch der Präsident betrachtet alle Andersdenkenden als „Ungläubige“, und die gehören ausgemerzt. Allis Entführung ist ihm ein willkommener Vorwand, gegen die Säkularisten vorzugehen.

Jack selbst steht auf keiner Seite, ist wohl eher als Humanist einzustufen. Anhand seiner Jugend verstehen wir auch, aus welchen Gründen er keinen Glauben außer an den Menschen an sich hat. Jack bekommt es mit zahlreichen Heuchlern zu tun, die nur so tun, als wären sie gläubig: Sie gehen sonntags in die Kirche, um dann als Drogenhändler oder Ehebrecher tätig zu werden.

Deshalb ist für diesen gedanklichen Überbau so elementar wichtig, den „Mentor“ von Emma, Alli und anderen Mädchen kennenzulernen, zu stellen und unschädlich zu machen. Dumm nur, dass er ein supergeheimer Regierungsagent ist. Sein Deckname „Nightwing“ ist sehr treffend gewählt. Als Jack ihn endlich aufstöbert, bekennt sich Nightwing zum absoluten Nihilismus. Er ist der ultimative Outsider. Aber als Mentor hat er viele Jüngerinnen geschaffen und auch sie zu Outsidern gemacht, optimal geeignet als Terroristinnen. Sobald Jack dies erkannt hat, ahnt er, in welcher Gefahr der neue Präsident am Tag seiner Amtseinführung schwebt.

Am Schluss stellt sich der Leser die Frage, ob Jack McClure seine persönliche Erlösung vom Trauma des Todes seiner Tochter finden kann. Aber ob dieser Wunsch in Erfüllung geht, soll hier nicht verraten werden. Vielleicht müssen wir dafür auf die Fortsetzungen warten. Es gibt inzwischen drei davon.

|Taschenbuch: 528 Seiten
Originaltitel: First Daughter (2008)
Aus dem US-Englischen von Robert Brack
ISBN-13: 978-3453434240|
http://www.heyne.de

_Eric Van Lustbader bei |Buchwurm.info|:_
[„Der Ring der Drachen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=254
[„Der dunkle Orden“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1017
[„Schwarzen Schwert“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1041
[„Der Weiße Ninja“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1042
[„Drachensee“ (Sunset Warrior 5)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1043
[„Der Ninja“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2542
[„Testamentum“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3967
[„Der Kiasho“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4041
[„Okami“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4078
[„Schwarzer Clan“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4123
[„Das Borne-Vermächtnis“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5355
[„Der Bourne-Betrug“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5537
[„Das Borne-Attentat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6125
[„First Daughter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6464

Lustbader, Eric Van – Robert Ludlum\’s The Bourne Dominion (Jason Bourne 9)

_Die |Bourne|-Serie:_

1) Die Bourne-Identität (The Bourne identity)
2) Das Bourne-Imperium (The Bourne Supremacy)
3) Das Bourne-Ultimatum (The Bourne Ultimatum)
4) [Das Bourne-Vermächtnis]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5355 (The Bourne Legacy; von Eric Lustbader)
5) [Der Bourne-Betrug]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5537 (The Bourne Betrayal; von Eric Lustbader)
6) The Bourne Sanction / [Das Bourne Attentat]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6125 (von Eric Lustbader, 2008)
7) The Bourne Deception / Die Bourne-Intrige (von Eric Lustbader, Veröffentlichung 2009)
8) The Bourne Objective / [Das Bourne-Duell]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7652 (von Eric Lustbader, Veröffentlichung 2010)
9) _The Bourne Dominion_ (von Eric Lustbader, 2011)
10) The Bourne Imperative (von Eric Lustbader, 2012)

_Der Schattenkrieger_

Eine mächtige internationale Organisation schickt sich an, der amerikanischen Wirtschaft einen vernichtenden Schlag zu versetzen. Doch zuvor muss der Mann beseitigt werden, der ihr als Einziger gefährlich werden kann: Jason Bourne. Ausgerechnet Bournes russischer Freund Boris Karpow wird auf den amerikanischen Topagenten angesetzt. Findet Karpow einen Weg aus der tödlichen Zwickmühle? (Verlagsinfo)

_Handlung_

Die weltumspannende Geheimorganisation Severus Domna ist immer noch hinter Jason Bourne her. Denn er ist der Mann, der sie um einen sagenhaften Goldschatz betrogen hat, mit dem sie das westliche Währungssystem zerstören wollte. Nun wählt sich Benjamin el-Arian, der Leiter der Gruppe, ein neues Ziel aus: die strategischen US-Ressourcen an seltenen Erden, die in Kalifornien entdeckt wurden. Gelingt es ihm, diese Vorräte zu zerstören, könnten die Amerikaner keine Mobiltelefone, Tablet-PCs und Hightech-Waffen mehr bauen – sie müssten die Chinesen um diese Rohstoffe bitten, die bislang 97 Prozent der Vorräte kontrollieren und sie künstlich verknappen.

Während Benjamin el-Arian eine weitere, gut getarnte Attentäterin auf den Weg schickt, begegnet Bourne im Camp eines kolumbianischen Drogenlords einem Mann, dem er Schlimmes angetan hat: Jalal Essai. Ihm gehörte der Laptop, der brisante Informationen über Severus Domna und deren Pläne enthielt und den er für Alex Cross, den Treadstone-Chef, stahl. Dabei verletzte Bourne ein muslimisches Gebot. Inzwischen aber hat sich Essai von Severus Domna losgesagt, weil diese ihm seine Tochter geraubt haben, und will sich widerwillig mit Bourne verbünden. Sein Ziel: Rache. Als erste Leistung verrät er Bourne, wen die Agenten el-Arian auf Bourne angesetzt haben: seinen guten Freund Boris Karpow.

Erst kürzlich zum Chef des mächtigen russischen Sicherheitsdienstes FSB-2 ernannt, verdankt Boris Karpow seinen Aufstieg der Führungsspitze von Severus Domna. Doch er ist dafür einen Pakt mit dem Teufel eingegangen, wie sich zeigt, mit seinem Kollegen Cherkesow. Dieser verlangt im Gegenzug von Karpow das Unvorstellbare: Er soll seinen Freund Jason Bourne eliminieren. Karpow ist bestürzt und wendet sich an seinen ältesten Freund und Mitkämpfer. Iwan Wolkin rät ihm herauszufinden, was ein Test ist und was ein Opfer.

Die Wege von Bourne und Karpow kreuzen sich in der Altstadt der syrischen Hauptstadt Damaskus. Kann Bourne dem Russen, dem er einst das Leben rettete, noch trauen? Und findet Boris Karpow einen Weg, sich aus der tödlichen Zwickmühle zu befreien? Ihnen bleibt nicht viel Zeit, denn schon bald sehen sie sich mit ihren größten Widersachern konfrontiert.

|Unterdessen|

Christopher Hendricks ist der neue Verteidigungsminister der USA und hat klammheimlich das ehemalige CI-Programm „Treadstone“ reaktiviert. Die einzigen beiden Agenten, die ihm zur Verfügung stehen, sind allerdings bislang nur die beiden geschassten CI-Agenten Soraya Moore, Jason Bournes Busenfreundin und Peter Marks, ein exzellenter Computerermittler.

Der US-Präsident betraut Hendricks damit, die Security für Indigo Ridge, die kalifornische Mine für Seltene Erden, aufzubauen und zu leiten. Was Hendricks verwundert, ist der Umstand, dass die Firma NeoDyme, die diese Mine vermarktet, an der Börse derartig viel Erfolg hat, obwohl man vom Vorleben ihres Direktors Roy FitzWilliam wenig weiß. Als er Peter Marks auf FitzWilliams ansetzt, wird Peter um ein Haar Opfer einer Autobombenexplosion, gleich darauf wird er entführt. Nur Jason Bournes Freunde Tyrone und Deron können ihn vor einem höchst unerfreulichen Ende bewahren.

Nichtsahnend freundet sich Hendricks unterdessen mit seiner neuen Gärtnerin an. Diese Maggie Penrod ist bezaubernd, und da er noch immer seiner verstorbenen Frau Amanda nachhängt, fühlt er sich auf einmal recht einsam. Kann Arbeit allein ein Leben ausfüllen, fragt er sich? Wohl kaum. Zum Verdruss seiner Leibwächter trifft er sich mit Maggie immer öfter. Und zudem setzt sie ihm einen Floh ins Ohr: Er solle die Security von Indigo Ridge doch dem neuen CI-Direktor Danziger überlassen, denn der werde sich damit schon bald bis auf die Knochen blamieren. Doch Hendricks ahnt nicht, dass Benjamin El-Arian „Maggie“ geschickt hat, um Hendricks erst bloßzustellen und dann zu eliminieren …

|Paris|

Soraya Moore lebt auf Alarmstufe Rot: Einer ihrer Kontakte in Paris wurde ermordet. Um herauszufinden, wer dahinter steckt, arbeitet sie erst mit einem jüdischen Inspektor zusammen, dann, als die Spur in die arabische Welt weist, mit ihrem ehemaligen Geliebten Amun, dem Chef des ägyptischen Geheimdienstes. Sie hätte es besser wissen sollen, als einen Juden und einen Araber Seite an Seite zu engagieren. Sie gehen sich um ein Haar gegenseitig an die Gurgel.

Doch der Auftrag ist zu wichtig. Er führt direkt zur Tarnorganisation The Monition Club von Severus Domna, die von El-Arian geleitet wird. Monsieur Donatien Marchand scheint harmlos genug, doch als Amun eine Wanze in dessen Büro anbringt, belauschen sie, wie er einen Mord in Auftrag gibt – und das Ziel sollen sie und ihre beiden Mitarbeiter sein. Als sie Marchand in einen völlig von Arabern bewohnten Vorort folgen, tappen sie direkt in eine tödliche Falle …

_Mein Eindruck_

Dieser Band von Bournes Abenteuern führt einige Fäden, die mit Severus Domna zu tun haben, zu ihrem Ende. Die uralte Geheimorganisation der Römer sollte ursprünglich Okzident (Severus) und Orient (Domna) zusammenführen. Doch unter dem Angriff einer russischen Untergrundorganisation namens Almaz entschloss sich ihr Leiter, Benjamin El-Arian, sich mit einem scheinbar gemäßigten Muslimführer namens Semid Al-Qahhar zusammenzutun. Das war ein schwerer Fehler, denn Semid ist in Wahrheit ein islamistischer Terrorist, der versucht, Severus Domna für seine Zwecke zu missbrauchen. Und diese Pläne sehen den Sturz des Amerikanischen Imperiums vor. Daher sein geplanter Angriff auf Indigo Ridge.

Diese Mine für Seltene Erden, die für neuartige Waffensysteme strategische Bedeutung haben, muss um jeden preis geschützt werden, geht es nach dem US-Präsidenten. Deshalb die Zentrale von Chris Hendricks, dem Verteidigungsminister, und seiner neuen Geliebten Maggie Penrod alias Skara Noren. Wie schon so häufig in Lustbaders Romanen wird die Liebe selbst dem entschlossensten Krieger zum Verhängnis, wenn er in dieser Hinsicht einen wunden Punkt aufweist. Und Hendricks hängt immer noch der verblichenen Amanda nach – dies ist seine Achillesferse. Und Skara nutzt sie weidlich aus, indem sie ihn überredet, die Security für Indigo Ridge abzugeben.

Jason Bourne hat Skaras Mutter ermordet. Es war ein Auftrag Treadstones und ein völlig sinnloser Racheakt von Alex Conklin dafür, dass Cristien Noren in töten wollte, Skaras Vater. Skara hat zwei Zwillingsschwestern. Mikaela wollte das Geheimnis um ihren verschwundenen Vater lüften und kam dabei um, doch Kaja hat überlebt, indem sie nach Kolumbien ging. Hier lebte sie fünf Jahre mit einem Mann der Severus Domna zusammen – bis er abtrünnig wurde. Jason Bourne rettet das Paar und bringt es zu Don Fernando Herrera ins spanische Cadiz. Nun erfährt er erstmals von dem, was seine Tat, an die er sich krampfhaft zu erinnern versucht, angerichtet hat. Doch weil Kaja nicht weiß, wo Skara ist, kann er Treadstone 2.0 nicht vor ihr warnen. Und so tappen Treadstones neuer Herr Chris Hendricks ebenso wie dessen Mitarbeiter Peter Marks und Soraya Marks in tödliche Gefahr.

Durch Jalal Essai weiß Bourne, dass sein Freund Karpov von Severus Domna angestiftet worden ist, ihn zu töten. Alle Wege führen nun zum östlichen Hauptquartier dieser Organisation: Es liegt in der Altstadt von Damaskus. Mehrere Showdowns, einer gewalttätiger als der vorhergehende, reihen sich crescendoartig aneinander, bis eine gewaltige Explosion die syrische Hauptstadt erschüttert. (Ein Vorausverweis auf den aktuellen Bürgerkrieg?) Unterdessen geht auch in Paris die Ermittlung Soraya Moores auf die Zielgerade…

Wie man sieht, ist für jede Menge Spannung, Intrige, Romantik und verdammt viel Action gesorgt. Aus Sicht des amerikanischen Lesers ist der ungewöhnlichste Aspekt an den Bourne-Büchern, dass sie fast durchweg im Ausland spielen, den Leser also an die exotischsten Orte führen. Um dieses Szenario zu genießen, ist seitens des Lesers ein Bildungsniveau erforderlich, das weit über das der Oberschule hinausgeht. Auch der Einsatz von Hightech ist in den Bourne-Romanen extrem hoch, so dass auch hier die Kenntnisse auf hohem Niveau sein sollten. Andererseits weiß heute jeder PC-User, was ein USB-Stick, eine DVD und eine Webcam ist.

|Cliffhanger|

Durch ständige Cliffhanger wird der Leser erfreulicherweise dazu angehalten, weiterzublättern, um herauszufinden, wie es mit dem jeweiligen Erzählstrang weitergeht. Es wechseln sich ungefähr drei bis Stränge ab: Bourne, Soraya, Karpov und Hendricks, Hier und da gibt es noch eine Nebenfigur, an deren Gedanken, Meinungen und Vergangenheit wir teilhaben dürfen. Die bei Weitem interessanteste Nebenfigur ist Skara Noren. Sie hat nämlich laut ihrer Schwester Kaja nicht nur eine Persönlichkeit, sondern gleich sechs verschiedene. Deshalb eigne sie sich ja auch so gut als Agentin und Attentäterin.

|Multiple Persönlichkeiten|

Das dissoziative Persönlichkeits-Syndrom ist keine Erfindung von Romanautoren, sondern eine medizinisch anerkannte Tatsache. Sie wurde schon den achtziger Jahren von Daniel Keyes in Romanen ausgeschlachtet, später dann von Jonathan Nasaw. Dann aber war die Idee ein wenig ausgelutscht. Wohl deshalb hält sich Lustbader in der Schilderung dieser Dissoziation sehr zurück.

Gut möglich, dass hier, wie im gesamten Manuskript zu merken, heftig gekürzt wurde (besonders auf S. 172/173 in der Orion-Ausgabe). So erfahren wir nie, wie die sechs Personas in Skaras Kopf heißen, worin sie sich unterscheiden, welche Vorteile ihr Einsatz bietet und welches Ende sie nehmen. Dies müssen wir erschließen. Und der Epilog gibt dazu die besten Anregungen. Skara war nämlich gar nicht Skara, und sie war auch nie Maggie Penrod …

|Action|

Mann liest die „Bourne“-Bücher ja vor allem wegen der Actionszenen, nicht etwa wegen der vielfach verschlungenen Intrigen. Auch im Kino ist Bourne der Kämpfer par excellence, und Matt Damon machte in allen drei bisherigen Filmen einen fantastischen Job. Ich kann zwar nicht zu erkennen, welche Kampfsportarten er alle kombiniert, weil ich ein Laie bin, der nur Judo kann, aber im Buch geht es definitiv karatemäßig zur Sache.

Und zwar stets mit tödlichen Folgen. Da werden reihenweise Genicke gebrochen, Kehlköpfe zerschmettert und Nasen eingeschlagen. Auch Boris Karpov ist in dieser Hinsicht keine Zimperliese. Wenn es Bourne dann doch mal trifft, ist das meist nur eine Fleischwunde. Und Soraya Moore – es ist ein Wunder, wie sie sich mit einer massiven Gehirnerschütterung auf den Beinen halten und den Feind in der Höhle des Löwen stellen kann. Peter Marks ergeht es keinen Deut besser. Doch er hat wenigstens einen Schutzengel.

_Unterm Strich_

Dies ist mittlerweile der sechste oder siebte BOURNE-Roman, so das man mit Fug und Recht von einer Serie sprechen kann. Der jüngste Roman „The Bourne Imperative“ erschien Sommer 2012. Da das Gesetz der Serie herrscht, sollte der Leser ein paar Dinge beachten. Er kann nicht einfach mit diesem Roman einsteigen, denn dann verstünde er nur Bahnhof. Es gibt weder ein Glossar, ein Personenverzeichnis, noch Fußnoten. Quer- und Zurückverweise sind die einzige Hilfe, die er bekommt.

|Mehr München-Bashing|

Zweitens erscheinen mehrere Schauplätze in regelmäßigen Abständen. Dazu gehören Washington, D. C., als Sitz von CI, Regierung und Treadstone. Aber auch München ist ständig vertreten: Es ist das Reich des Bösen. Ein Sündenpfuhl, in dem hirnlose Säufer Sauerkraut und Wurst mampfen. Sie werden von einer nahezu allgegenwärtigen Polizeitruppe beschützt, die unseren Helden, hier ist es Karpov, in Bedrängnis bringt – und stark an die Gestapo erinnert. Dabei sitzt der wahre Feind in der Münchner Moschee, von wo er ein Spinnennetz von hier ausgebildeten Terroristen dirigiert.

Nein, Bashing ist kein bayerischer Vorort von München, sondern die Spezialität des Autors. Sogar die Bank des Bösen heißt Nymphenburger Landesbank. Das München-Bashing ist absolut ernstzunehmen. Und wem dies nicht gefällt, sollte keinen BOURNE-Roman mehr von Lustbader mehr lesen.

|Zensiert?|

Dennoch hat mich auch dieser BOURNE-Roman außerordentlich gut unterhalten. Die Action gibt es massenweise, die Romantik kommt ebenfalls nicht zu kurz. Und wenn inzwischen der Sex und viel der Psychologie weggekürzt worden sind, so lag das sicher nicht an Lustbader, sondern am Verlag. So erging es ihm ja bei den deutschen, zensierten Ausgabe seiner Romane „Der Ninja“, „Die Miko“ und „Schwarzes Herz“.

Im Übrigen waren den (amerikanischen) Lesern die beiden ersten BOURNE-Romane von Lustbader zu lang, v.a. wegen der ausführlichen Psychologie- und Biografie-Passagen. Diese hat der Autor also gestrafft und führt sie nur noch skizzenhaft aus. So liest sich der Text nun sehr straff und flott. Man sieht also, dass auch Leser Zensur ausüben können. Über Twitter steht der Autor in ständigem Dialog mit seinen Lesern.

|Die Serie|

Im Epilog kommt das Gesetz der Serie wieder zum Tragen. Auch Jason Bourne hat nicht alles herausbekommen, was Severus Domna, Almaz, Treadstone und die Russen angeht. Dafür zwei schlaue alte Herren gesorgt, die inzwischen ihre eigenen Schäfchen ins Trockene gebracht haben. Der Kampf um Indigo Ridge, so scheint es, hat gerade erst begonnen. Und deshalb muss man sich sofort die Fortsetzung besorgen. Was ich natürlich sofort getan habe.

|Taschenbuch: 534 Seiten
ISBN-13: 978-1409121398|

_Robert Ludlum bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Paris-Option“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1068
[„Die Ambler-Warnung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3493
[„Das Osterman-Wochenende“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6841

Susan Price – Die Elfling-Saga

Der Elfling-Zyklus:

Band 1: „Der Erbe der Krone“
Band 2: „Das Heer der Toten“

Beide Romane in einem Band: „Die Elfling-Saga“

Nordische Action-Fantasy aus England

Er ist das Kind einer Frau aus dem Elfenreich. Aber er ist auch der Sohn eines Königs, und er fordert die Krone, die ihm nach altem Recht zusteht. Doch er hat nicht mit der Tücke der Priester gerechnet, die ihn „Teufelsbrut“ nennen. Denn sie behaupten, dass er keine Seele besitzt. (Verlagsinfo)

Die Autorin

Susan Price – Die Elfling-Saga weiterlesen