Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Selma Lagerlöf – Nils Holgersson (Hörspiel)

Lehrreiche Abenteuer eines Tunichtguts

Nils Holgersson ist ein Tunichtgut. Erst als ein Wichtelmännchen ihn in einen Däumling verwandelt und er sich den Wildgänsen anschließt, machen ihn die vielen Abenteuer bei den Tieren zu einem guten Menschen. Am Schluss revanchiert er sich dafür, zum Lohn wird er in einen Menschen zurückverwandelt.

Die Autorin

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Haubold, Frank – Kinder der Schattenstadt, Die

_Das Erbe des Bösen_

In einem verlassenen Schacht begegnet der zwölfjährige Fabian zum ersten Mal dem dunklen Vogel, einem geheimnisvollen Wesen aus dem Grenzland zwischen Leben und Tod. Entsetzt ergreift er die Flucht, doch das unheimliche Geschöpf verliert nie seine Spur. Unerbittlich konfrontiert es Fabian mit den Schattenseiten einer Welt, die mehr und mehr aus den Fugen gerät. Erst vierzig Jahre später offenbart ihm der dunkle Vogel sein grausames Geheimnis … (Info des Verlags)

Zur Leseprobe: http://www.frank-haubold.de/docs/leseprobe.pdf

Zum Video auf YouTube: http://www.youtube.com/watch?v=YDaPHrjN-fw&feature=share (Achtung: sehr gruselig!)

_Der Autor_

Eigene Angaben: „Ich bin 56 Jahre alt und schreibe seit rund 20 Jahren überwiegend Kurzgeschichten und Erzählungen. Nach dem Abitur habe ich Informatik an der TU Dresden studiert und nach ein paar Jahren Berufspraxis an der Humboldt Universität zu Berlin promoviert. Ich bin verheiratet und lebe mit meiner Frau in einem Dorf namens Waldsachsen nahe der Stadt Meerane auf halber Strecke zwischen Gera und Chemnitz.“

Über sein erstes Buch: „Mein erstes Buch „Am Ufer der Nacht“ handelt von einem jungen Mann namens Robert, der von unheimlichen Träumen heimgesucht wird. Erst nach und nach findet er heraus, daß sie einem bestimmten Muster folgen und ihn letztlich in die Lage versetzen, sich gemeinsam mit seinen Freunden einer drohenden Katastrophe entgegenzustellen.“ Dies war der Ausgangspunkt für „Die Kinder der Schattenstadt“.

Seinen Erzählband „Die Sternentänzerin“ habe ich rezensiert, und die Berichte finden sich im Netz.

_Handlung_

In den letzten Tagen des 2. Weltkriegs vereiteln ehrbewusste Wehrmachtssoldaten, dass eine Vernichtungswaffe Hitlers zum Einsatz kommt: „Thors Hammer“ soll per Rakete einen tödlichen Kampfstoff über deutschem Boden freisetzen und so Freund wie Feind töten. Das Tunnelsystem, in dem sich die Startanlage befindet, wird durch eine Explosion verschüttet. Doch etwas hat überlebt.

Ende der 60er Jahre tut sich in einer sächsischen Kleinstadt die Talstraßenbande zusammen: Fabian, der lange Henry, Damian Martens und andere suchen Abenteuer, im Wald und anderswo. Im Wald stoßen sie auf einen abgeschlossenen Schacht, in dessen Grund ein unheimliches Licht leuchtet.

Weil sie ihn einen fetten Feigling genannt haben, gibt Damian vor, allein in das Tunnelsystem einsteigen zu wollen. Als der „Dicke“ tagelang der Schule fernbleibt, entschließen sich die anderen, ihn zu suchen und Fabian steigt in den Schacht ein. Im Tunnelsystem trifft er auf einen riesigen Raubvogel und entkommt ihm mit knapper Not. Er ahnt nicht, dass ihn der Vogel vor etwas Schlimmem bewahrt hat. Weil Damian sie in die Irre geführt hat, verprügeln sie ihn, was er ihnen niemals verzeiht. Wenig später stirbt seine Großmutter unter mysteriösen Umständen…

Die Jahre gehen ins Land. Fabian verliebt sich in Lena, doch gerade als er am Ufer eines Waldsees mit ihr schlafen will, stürzt ein Raubvogel herab, um ein Kaninchen zu schlagen. Aus ist’s mit der trauten Zweisamkeit, und ihrer beider Lebenswege trennen sich. Fabian muss für 18 Monate zum Militär. Dort bekommt er es mit Typen wie Gronau zu tun, die Spaß daran haben, Schwule wie Conrad Weissenberg fertigzumachen. Am Tag nach einer Alkoholbeschaffungsaktion an Heiligabend wird Weissenbergs Leiche entdeckt. Selbstmord, heißt es, doch Jahre später wird Fabian eines Besseren belehrt.

Während sich Damian Martens mit Hilfe eines dunklen Wesens, seines „Schattenbruders“ Rico seiner Mutter und seines Stiefvaters entledigt und sich anschließend unrechtmäßig ein Vermögen aneignet, findet Fabian seine Bestimmung im Schreiben von Romanen – eine brotlose Kunst. Als nach der Wiedervereinigung ein westdeutscher Luftfahrtkonzern namens Aerotron, der Damian Martens gehört, auf dem ehemaligen russischen Flugplatz eine Fabrik errichtet, die ungewöhnlich scharf bewacht wird, beginnt sich Fabian für die Vorgänge zu interessieren. Er sieht den langen Henry wieder, der wenig später Fotos vom Inneren der Fabrik macht: Hier wird ein Tarnkappenbomber gefertigt!

Bei einem Klassentreffen entkommen Fabian und Lena um Haaresbreite einem Anschlag, weil sich wiederum ein Raubvogel einmischt. Doch Henry hat nicht soviel Glück: Er wird von Martens‘ Handlangern ermordet und auf einem Schrottplatz „entsorgt“, Martens bereitet indes den entscheidenden Einsatz seines Tarnkappenbombers vor.

Unterdessen erhält Fabian eine aufregende E-Mail aus den USA: Der Bruder des toten Conrad Weissenberg, David, bestreitet kategorisch, dass Conrad Selbstmord begangen habe; ihre Religionsgemeinschaft verbiete dies strengstens. Vielmehr verhalte es sich so, dass sich das Böse immer weiter ausbreite, und nur drei Auserwählte könnten ihm Einhalt gebieten: der Falke, der Träumer und die Löwin. Diese würden von den Hütern beschützt, Geistwesen in Raubvogelgestalt. Jetzt endlich ahnt Fabian, um was es geht: Ist er vielleicht der Träumer aus dieser Legende (oder was immer es ist)?

Wenige Tage später ist auch David Weissenberg tot, genau wie er es vorhergesehen hat. Gemäß seinen Anweisungen speichert Fabian den Mail-Anhang und löscht die Mail. Doch er rätselt, wie er den „Sendboten der Finsternis“ entgegentreten soll, sollte er wirklich einer der drei Auserwählten sein?

_Mein Eindruck_

Vierzehn Jahre hat der Autor an diesem Roman gearbeitet, will man seinen Angaben im Nachwort glauben. Ursprünglich 1997 unter dem Titel „Das Ufer der Nacht“ veröffentlicht, war das Buch ein Episodenroman. Und so mutet uns auch das Buch in seiner heutigen Form an. Immer wieder hat der Autor daran Szenen verändert, musste aber – zu unserem Glück einsehen – dass damit kein Erfolg zu erreichen war. Und so schrieb er wohl ganze Kapitel neu.

Das Endergebnis von 14 Jahren Arbeit kann sich durchaus sehen lassen, ist solide gebaut und erzählt, doch würde man ihm noch ein weiteres Jahrzehnt der Genese wünschen. So wechselt in einem frühen Kapitel eine der Figuren plötzlich ihren Namen von Lothar zu Roman und wieder zu Lothar. Auch die Geographie würde man sich deutlicher wünschen, denn eine Landkarte fehlt. Nur wenn vom „Totenwald“ oder „Hammerholz“ die Rede ist, ahnen wir, dass hier die Nazis ihre Tunnel gebaut – und gesprengt – haben.

|Aufstieg des Bösen|

So etwa wird der Aufstieg des „Dicken“ Damian Martens nur im Ansatz erzählt, sein restlicher Aufstieg zum unumschränkten Herrscher des Bösen in Europa wird lediglich im Spiegel der Begegnungen mit ihm sichtbar. Er ist ein Besessener, und wir müssen wohl annehmen, dass der böse Geist „Riccardo“, der ihn lenkt wie ein zweites Bewusstsein, die Zerstörung der Welt im Sinn hat. Der Bürgerkrieg in Russland und der Krieg im Nahen Osten sind nur ein Anfang, die Schutzkuppel über Europa erweist sich als zweischneidiges Schwert – als Gefängnis nämlich.

|Das Team der Guten|

Der böse Geist, der in Damian gefahren ist, hat jedoch einen Widersacher, einen Hüter, der den Werdegang seiner Schützlinge lenkt und behütet. Seine Gestalt ist die eines Raubvogels, und Fabian begegnet ihm ebenfalls in dem unterirdischen Tunnelsystem. Gut gegen Böse – diese Konstellation tritt uns in jedem besseren Horror-Roman, der nicht auf Splattereffekte aus ist, entgegen.

Merkwürdig ist lediglich, dass Fabian, Lena und Martin, die den Inkarnationen „Falke, Löwin und Träumer“ entsprechen, weder selbst über ihre Rolle reflektieren, noch sich, wie jeder vernünftige Mensch es täte, untereinander darüber unterhalten. Bevor sie sich zum Showdown mit Damian begeben, scheinen daher die Figuren mehr dem Willen ihres Schöpfers zu gehorchen als einem inneren Drang. Wollen sie Europa befreien? Nein. Wollen sie dem Guten zum Sieg verhelfen, dem drohenden Grauen Einhalt gebieten? Auch nicht, denn nun, nachdem sie alles verloren haben, wollen sie lediglich dem Spuk ein Ende bereiten; dem Spuk, den Damians Aerotron AG über sie und ihre Heimat gebracht hat. Dafür sind sie bereit, ihr Leben zu geben. Ein Himmelfahrtskommando also.

|Geschichte und Generation|

Wer nun an Stephen Kings Horror-Klassiker „Es“ denkt, liegt nicht verkehrt. Zwischen Anfang und Ende der Geschichte, zwischen den beiden Generationen liegen vierzig Jahre (wie der Klappentext suggeriert). Es könnte Zufall sein, aber genauso lange hatte auch die Deutsche Demokratische Republik Bestand. Wir haben es also nicht nur mit einem Horror-Roman zu tun, sondern auch mit einem alternativen Geschichtsverlauf.

Thema ist europäische und spezifisch deutsche Geschichte aus dem Blickwinkel der DDR-Bevölkerung, was bei einem Autor aus Ostdeutschland sicherlich nicht verwundert. Damit kennt er sich aus. Genau berichtet er von den Zuständen in der Nationalen Volksarmee, lässt aber das Spitzelwesen der Stasi ziemlich außer Acht. Dass Republikflucht jedoch in Sippenbestrafung resultierte, ist nur ein Aspekt des Stasi-Staats, der erwähnt wird. Damian wächst in Westdeutschland auf – und begeht doch seine erste (?) Mordtat.

|Nazi-Erbe|

Das giftige Erbe der Nazis bildet den Anfang und das Finale des Romans. Damian hat die kampfstoffbeladenen Raketen von „Thors Hammer“ reaktiviert und will die tödliche Waffe endlich auf Europa loslassen. So schließt sich der Kreis. Die symbolische Bedeutung kann dem Leser nicht verborgen bleiben: Das Nazi-Erbe wurde in der DDR offensichtlich nur begraben statt aufgearbeitet.

|Epilog|

Das Finale ist noch nicht der Schluss des Romans. Der Epilog spielt in einer Post-Holocaust-Epoche etliche Jahre danach. Doch die Raketen der Vorzeit sind immer noch aktiv. Und wer weiß, was noch über kommende Generationen kommen kann. Eine Nachfahrin Lena Kronbergs, der „Löwin“, hat keinen wissenschaftlichen Begriff mehr für die „bösen Geister und Dämonen“ der Vergangenheit, die allenthalben im Boden zu finden sind – eine Reflexion der Urszene, die Fabian und Damian in den Nazitunneln erleben.

_Unterm Strich_

Der Roman erzählt den 40 Jahre dauernden Kampf von Menschen, die einst einer Kinderbande in Sachsen angehörten, gegen den Abtrünnigen, den sie zu Beginn, in den sechziger Jahren, verprügelten und aus ihrem Kreis ausstießen. Er rächt sich furchtbar, indem er einen von ihnen nach dem anderen umbringen lässt. Doch sein besessener Racheplan reicht viel weiter: Er hat die Vernichtung des Abendlandes und der Welt mit Hilfe arabischer Terroristen im Sinn. Wissentlich oder nicht, erfüllt er damit den letzten Willen der Nazis aus den letzten Tages des Zweiten Weltkriegs. Es ist kein Zufall, dass sich Damian, der Rächer, mit islamistischen Terroristen und Killern zusammengetan hat.

„Kinder der Schattenstadt“ ist sowohl Horrorroman als auch alternativer Geschichtsverlauf, ein Generationenroman wie auch eine pazifistische Warnung vor dem Holocaust, zu dem die Menschheit in der Lage ist. Der Autor hat auf viel Realismus geachtet, deshalb findet man wenig Mystik darin. Das wiederum macht Fabians Visionen vom Wächter, der ihn warnt, umso auffälliger.

Der Haken ist, dass Fabian diese Ebene verdrängt als sie in sein Leben zu integrieren. Er wird keineswegs ein kauziger Seher, sondern bleibt einer der „Stillen im Lande“, ein Beobachter, wenn auch ein Erzählender. Schön ist, dass er in der Thai-Boxerin Sirien eine liebende Beschützerin findet. So können ihn Damians Schergen nicht erreichen. Aber warum spricht er nicht mit ihr über den Wächter und die Rolle, die ihm dadurch zugewiesen worden ist?

Fabians verhinderte Liebesgeschichte mit Lena Kronberg lässt sich gut an, wird aber spektakulär abgebrochen. Erst kurz vorm Finale gönnt ihnen ihr Schöpfer eine Liebesnacht im Biwak, um vor dem Showdown Abschied zu nehmen. Das ist alles andere als romantisch. Und Lenas Abgang ist alles andere als heroisch, sondern eher banal.

Die Wünsche des Lesers, die Hauptfiguren zu Helden zu stilisieren, werden also alle abgeblockt. Das mag gut für die Glaubwürdigkeit sein, mindert aber den Unterhaltungswert beträchtlich. Die Action im Showdown ist klasse geschildert und führt auch zum verdienten Erfolg, aber man kann sich des Verdachts nicht erwehren, dass sie lediglich dazu dient, dem Ganzen endlich den ersehnten Abschluss zu verleihen.

Noch ein wenig mehr Arbeit, und aus diesem Roman wäre eine homogenere Geschichte geworden, die durch mehr Tiefgang größeren Eindruck hinterlassen würde. Aber nach 14 Jahren musste ja wohl mal Schluss sein.

|Taschenbuch: 320 Seiten
ISBN-13: 978-3898400121|
[www.blitz-verlag.de]http://www.blitz-verlag.de

T. H. White – Der König auf Camelot (Band 1-4)

Der König auf Camelot:

Buch 1: „Das Schwert im Stein“ (1938)
Buch 2: „Die Herrin von Luft und Dunkelheit“ (1939)
Buch 3: „Der missratene Ritter“ (1940)
Buch 4: „Die Kerze im Wind“ (1958)
Buch 5: „Das Buch Merlin“ (1977)

Die beste Version der Artus-Legende

Auch dies ist eine Verarbeitung der Artus-Legende, die eigentlich eine französische Erfindung war – und eigentlich die beste, einfallsreichste und vergnüglichste überhaupt. T. H. White hat sein Epos über 20 Jahre hinweg von 1938 bis 1958 geschrieben, also länger, als Tolkien für den „Herrn der Ringe“ benötigte.

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Jeschke, Wolfgang – Orte der Erinnerung (Gesammelte Werke Band 3)

_Krönender Abschluss der Gesammelten Werke, aber teils überflüssig_

Mit dem vorliegenden Band liegen, nach „Der Zeiter“ und „Partner fürs Leben“, sämtliche Erzählungen von Wolfgang Jeschke in einer dreibändigen, vom Autor durchgesehenen und mit Nachbemerkungen versehenen Ausgabe vollständig vor. In „Orte der Erinnerung“ wurden alle Erzählungen (nicht die Hörspiele) aus dem Sammelband „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“ aufgenommen, ergänzt um die 2010 in dem Shayol-Magazin „Pandora“ erschienene Titelnovelle.

»So bewundernswert der Erfolg des Herausgebers Jeschke ist, so hinderlich war er für den Autor Jeschke, der nur in der Freizeit und während des Urlaubs zum Schreiben kam. Erstaunlich genug, was er in dieser Zeit trotzdem hervorbringen konnte! Erst in jüngster Zeit, nachdem er 2002 sein Amt bei Heyne aus Altersgründen zurücklegte, kann er sich unbehindert den schriftstellerischen Aktivitäten widmen. Und das ist nicht nur erfreulich für ihn, sondern auch für seine Leser. Ich warte mit Spannung auf das, was wir von Wolfgang Jeschke noch erwarten dürfen.« Herbert W. Franke in seinem Vorwort.

_Der Autor_

Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science-Fiction für Kenner“ im Lichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Science-Fiction Reihe Deutschlands beim Heyne Verlag, München. Von 1973 bis 2002 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die Einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Sein erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) und befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

Der Shayol-Verlag hat alle seine Erzählungen in drei Bänden veröffentlicht:

1) Der Zeiter
2) Partner fürs Leben
3) Orte der Erinnerung

Die Hörspiele fehlen in diesen drei Bänden.

_Die Erzählungen _

_1) Yeti (1980, erschien in PLAYBOY)_

Ein Promoter verleitet zwei Bergsteiger, der Philosophie Reinhold Messners zu folgen, der Sauerstoffgeräte ablehnte, aber noch einen draufzusetzen: keine Schutzkleidung, keine Zelte, keine Helme – kurzum: nur den nackten Adam. Die Methode ist einfach: Gen- und Hormonbehandlungen sollen unseren zwei Helden u.a. einen Pelz wachsen.

Die zwei Bergsteiger haben den Termin die Mount-Everest-Besteigung bereits in der Tasche, müssen sich also ranhalten. Doch im 21. Jahrhundert ist die Gentechnik schon weit fortgeschritten, und so dauert es nur fünf Monate, bis ein wärmender Pelz gesprossen ist. Die Tour beginnt am Golf von Bengalen: Keine Helikopter tragen unsere Helden zum Basislager, nein, Sir, sondern sie legen den ganzen Weg zum Gipfel auf Schusters Rappen – Moment: stimmt ja gar nicht! Mit Hilfe ihrer Krallen und harten Fußsohlen brauchen sie weder Schuhe noch Kletterhilfen. Der Gipfelsturm ist also gesichert.

Ein Bergsteiger aus Simbabwe, der ihnen unter dem Gipfel begegnet, erkennt die Wahrheit, wenn er sie sieht und murmelt bestürzt: „Yeti …“

|Mein Eindruck|

Die witzige Story ist Reinhold Messner gewidmet, dem Gröbaz, also dem größten Bergsteiger aller Zeiten. Er propagiert „fair means“, also nur faire Mittel, die zum Bergsteigen eingesetzt werden sollten, daher die Ablehnung von Sauerstoffgeräten. Die Story setzt noch einen drauf und macht aus Gipfelstürmern Yetis. Folgerichtig titelte der PLAYBOY: „Nackt zum Gipfel“.

Während das Thema, die genetische Aufrüstung des Menschen, auf die Schippe genommen wird, so macht die Story Spaß, weil die Szenen wirklich authentisch wirken, so etwa sprachlich. Der Epilog liefert die Pointe: Die beiden Helden werden im Stich gelassen und ihr Fell nicht mehrlos – sie haben sich buchstäblich zum Affen machen lassen.

_2) Dokumente über den Zustand des Landes vor der Verheerung (1981)_

Man schreibt das Jahr 2436 im Jahre der Fleischwerdung Gottes, also genau 442 Jahre nach der „Verheerung des Landes“ anno 1994. Das „Land“ ist wieder auf frühmittelalterliches Niveau herabgesunken, nachdem Strom und Öl, Gas und Kohle sowie Medizin aufgebraucht worden sind. Lediglich Dampfkraft lässt sich noch erzeugen – mit Holz, versteht sich.

Ein kranker Pilger berichtet von einer neuen Seuche im Norden, als er in Österreich am Reschenpass eintrifft. Der Abt von Reschen weist ihm ein Quartier im abgelegenen Hungerturm zu, bei den Mutanten und vermutlich Kranken. Der Reisende namens Heike oder Haike, der von der Saar gekommen ist, hinterlässt ketzerische Schriften aus der Zeit vor der Verheerung. Diese Schriften stammen aus Garching bei München, erstellt von „Mäd saientists“, welche wenig später von Truppen des Bischofs von Freising niedergeworfen und in die Bergwerke von Salzburg verkauft wurden.

|Mein Eindruck|

Die Dokumente beschreiben, wie es dazu kommen konnte, dass ein mit biologischen Waffen geführter Krieg ausbrechen konnte. Sie beginnen 1972 mit den Vorhersagen und Warnungen des Club of Rome, konzentrieren sich aber auf das Jahr 1980, als die Umweltschutz- und Anti-Atom-Bewegungen zur Gründung der Grünen führen und extrapolieren dann einen Geschichtsverlauf, der in der Verheerung endet. Viele der Dokumente stammen aus SPIEGEL, ZEIT und VDI-Nachrichten, umfassen aber auch direkte Vorträge und Graffite, ja, sogar ein Zitat aus John Brunners Roman „Morgenwelt“.

Ist das wirklich eine Erzählung, fragt sich der Leser zu Recht. Die Auszeichnung mit dem Kurd-Laßwitz-Preis 1981 muss ja gerechtfertigt gewesen sein. Dazu ist eine Eigenleistung erforderlich. Diese besteht m.E. nicht nur in der Rahmenhandlung, sondern besonders auch in der Auswahl der Texte. Diese beleuchten Probleme wie Überbevölkerung, Energieversorgung (bes. Kriege ums Erdöl), Nahrungsmittel, Gentechnik, Nuklearenergie, Aufrüstung, Umweltverschmutzung usw., also alles Probleme, denen wir uns auch heute noch gegenübersehen, 30 Jahre danach.

Der Aufstieg der Informatik und der Massenkommunikation wird nur in Ansätzen registriert, aber immerhin. Das i-Tüpfelchen sind die letzten Texte, vorgebliche Reden von Amerikanern, die aus den neunziger Jahren datieren – und ergo erfunden sind. Darin lässt der Autor die Nutzung von Solarenergie, die von Weltraumspiegeln zur Erde geleitet wird, als unabdingbar bezeichnen – Stoff für eine Debatte.

Die Rahmenhandlung ist alles andere als skurril. Wenn die Kultur auf den strengkatholischen Glauben und dessen Diktate zurückfällt, dann hat das seinen guten Grund: Schutz und Segen erhoffen sich die wenigen Überlebenden. In dieser Hinsicht ähnelt die Rahmenhandlung Carl Amerys Bestseller „Der Untergang der Stadt Passau“ (siehe meinen Bericht) und Georg Zauners Roman „Die Enkel der Raketenbauer“.

|3) Osiris Land (1982)|

Man schreibt das Jahr 2036 n.Chr. und ein paar wenige Jahre nach dem atomaren und biologischen Holocaust, der mehreren Milliarden Menschen das Leben gekostet hat. An den Rändern der noch bewohnbaren Gebiete in der westlichen und mittleren Sahara treten in den verseuchten Gebieten Mutanten auf. Die Einheimischen töten sie aus Gründen des Selbstschutzes.

Die Geschichte wird erzählt von Beschir, einem Jungen aus einem Dorf in der Sahel-Zone. Seine auf die äußere Welt gerichteten Beobachtungen werden ergänzt von den Tagebucheintragungen eines Weißen, der aus dem unverseuchten Südafrika bereits Tausende Kilometer quer durch Afrika gezogen ist. Sein Name: Master Jack. Sein Ziel: das weitere Tausende Kilometer entfernte Ägypten oder was davon noch übrig ist, nachdem der zerstörte Assuan-Staudamm alles Land unter seinen ungeheuren Wasser- und Schlammassen begraben hat. Dort wurden merkwürdige Lichterscheinungen beobachtet: Raumfahrt in Zeiten nach der Apokalypse?

Zusammen mit einem Führer und Beschir als Helfer zieht Master Jack von Dorf zu Stadt, von Brunnen zu Fluss, stets die Zerstörungen beobachtend, die weißen Eunuchen-Sklaven und reichen Potentaten, die selbstherrlichen Flusskapitäne und die kannibalischen Einheimischen an den Ufern des Nils. Und schließlich treffen Jack und Beschir auf Außerirdische, Vorbilder für die altägyptischen Götter. Während Jacks Seele mit ihnen ins Herz der Galaxis fliegt, bewegt sich sein androider Körper, sein Bewusstsein mit Beschir zurück nach Südafrika.

|Mein Eindruck|

In Jeschkes wunderbar stimmungsvoll erzähltem Expeditionsbericht treffen der Orient aus Karl Mays Reiseerzählungen und die surrealen Landschaften James G. Ballards („Kristallwelt“) aufeinander und bilden eine eigenartig faszinierende Kombination, deren Zauber man sich nicht zu entziehen vermag. Die Erzählung weist den Autor als guten Stilisten und Fabulierer aus, der seine Figuren und ihre Welt mit Leben zu füllen vermag.

Doch unter der orientalisch-märchenhaften Oberfläche wartet das Grauen des Holocaust, das dem Leser vor allem durch die Tagebucheintragungen Master Jacks vermittelt wird – die Berichte, wie es den wenigen verzweifelten Überlebenden erging, die an Nordafrikas Küsten Zuflucht suchten und dort allesamt erschlagen wurden. Doch den dortigen Potentaten nützte diese „Schutzmaßnahme“ nichts, denn die Zugvögel brachten die Erreger der Beulenpest dennoch ins Land.

Wie es zu diesem globalen ABC-Krieg kommen konnte, zeichnet der Autor mit dem Kenntnisstand der Entstehungszeit Anfang der 80er Jahre (Iranische Revolution 1979) nach. Diese explosive politische Lage führte zwar zum Glück nicht zu einem Weltkrieg, wohl aber zu drei Golfkriegen. Und wer weiß: Wenn Oberst Gaddafi damals die Bombe gehabt hätte, als die Amerikaner Tripolis bombardierten…

_4) Wir kommen auf Sie zu, Mister Smith (1983)_

Ein Personalleiter bekommt den Bewerber Winston Smith [so heißt die Hauptfigur in Orwells Roman „1984“] gemeldet. Soll eine Minute warten, lässt er seine Sekretärin ausrichten. In dieser Zeit liefert ihm sein Rechercheur Rechmann per Datenleitung und telefon sämtlichen relevanten Daten über Smith, seine Frau und das Kind, die Autos, die Hypothek, die vorherigen Firmen und die anhaltende Arbeitslosigkeit.

Er empfängt Smith kurz und sagt ihm dann, er käme wieder auf ihn zu. Sobald Smith gegangen ist, versieht er dessen Bewerbung mit dem Vermerk: „ABSAGEN.“ Smith zeigt ihm viel zu wenig Selbstvertrauen, um ihn auf den Posten eines Projektleiters zu setzen. Und der nächste Bewerber wartet schon.

Mein Eindruck

Der Pfiff an dieser Geschichte ist nicht die banale Handlung, sondern die Art der Datenbeschaffung. Rechmann scheint ein „Hacker“ zu sein, der schon mal illegal Daten abzapft, so etwa bei Sparkassen-Halbjahresabschlüssen. Es geht also um den „gläsernen Bürger“. Heute mutet diese Methode vorsintflutlich an. Jeschke schrieb die Story für eine Anthologie zum Orwell-Jahr 1984, um vor den Auswüchsen zu warnen. Heute ist die Lage für den Datenschutz trotz aller moderner Gesetze keinen Deut besser geworden, hat man den Eindruck.

_5) Nekromanteion (1985)_

Anfang des 21. Jahrhunderts ist es Wissenschaftlern gelungen, nicht nur Objekte zu kopieren, zu speichern und zu übermitteln, sondern auch komplette Lebewesen, darunter auch Menschen. Die MIDAS genannte Technologie ist jedoch, wie jede Aufzeichnungstechnik, nicht perfekt. Die menschlichen Kopien, die z. B. in ferne Raumfahrzeuge gesendet werden, erweisen sich als nur für kurze Dauer lebensfähig und es kommt zu schweren Fehlern.

Die US-Regierung, die Milliarden in das Projekt gesteckt hat, stellt es ein. Dafür kauft das Privatunternehmen Nekromanteion Inc. die Rechte und bietet in aller Welt einen neuen Service an: die Wiederauferstehung der Toten. Der einmal aufgenommene Tote (Jargon: Record) wird zu beliebigen Zeiten als Kopie neu erstellt, damit seine Angehörigen etc. ihn treffen können.

Solch ein Nekromanteion gab es vor 2500 Jahren am Fluss Acheron, der in der westgriechischen Provinz Epirus aus den Bergen in die Adria fließt. Damals bezeichnete er die Grenze zum Totenreich und es gab einen florierenden Kult von Priestern, die den Besuchern gegen hohes Entgelt eine Begegnung mit dem lieben Verstorbenen verschafften – ein aufgelegter Schwindel.

Nun bekommt die Familie Katsunaris, die Nekromanteion Inc. ein Grundstück am Acheron verkauft hat, ein Sonderangebot: die kostenlose Aufzeichnung von Opa Kristos. Die Söhne des Alten, darunter unser Chronist Apostoles, sind schlüssig, bis schließlich die Tochter Elena, die das Gasthaus führt, entscheidet, dass einem ja so viel Geld nicht in den Schoß fällt.

Also fährt Apostoles, mittlerweile schon in den Fünfzigern, den Alten zum Institut, auf dass er gescannt werde. Es ist nichts dabei. Und geschah gerade noch rechtzeitig, denn schon im gleichen Herbst segnet Opa Kristos das Zeitliche und wird im Nekromanteion beigesetzt. Vorerst. Zu seinem hundertsten Geburtstag anno 2034 macht sich die gesamte Sippe auf den Weg, um seiner Wiederauferstehung beizuwohnen und seinen Geburtstag zu feiern. Es wird ein Fiasko …

|Mein Eindruck|

Die sehr anrührende und anschauliche Erzählung verweist bereits auf den Roman „MIDAS oder Die Auferstehung des Fleisches“ voraus, der 1993 bei Heyne erschien (aber vorher bereits woanders). Bemerkenswert sind nicht nur die Entsprechungen zwischen Antike und Gegenwart bzw. naher Zukunft, sondern auch die schier unmerkliche Überbrückung der Lebenszeiten der Sippe Katsunaris. Am Anfang ist Apostoles, der Erzähler, noch selbst ein junger Mann, der mit einer deutschen Archäologin schöne Schäferstunden pflegt. Am Schluss ist er selbst über siebzig und ein schläfriger alter Kerl, der als einziger Sohn keine Kinder hat.

Während eine neue Flechte sämtliche Betonbauten ringsum und auf der Welt in Trümmer fallen lässt und die Region wieder in antike Verhältnisse versinkt, stellt das Nekromanteion heute wie damals einen großen Schwindel dar. Doch die Kritik richtet sich wie zu erwarten nicht etwa gegen den Betrug an den zahlenden Lebenden. Vielmehr erweist sich die unausgereifte Technologie als mieser Verrat an den Toten selbst: Ihre zeitweilige Wiederauferstehung gerät schon nach wenigen Stunden zu einer widerwärtigen Farce mit grausigen Untertönen. Man muss es gelesen haben, um es zu glauben.

Der Tod und die mehrfach zitierte „Hinfälligkeit des Fleisches“ ist das Generalthema, aber auch die ständige Erneuerung durch Kinder. Von einem trügerischen Idyll, das erotische Intermezzi kennt, führt der Weg der Erzählung geradewegs zum Horror einer Farce der Auferstehung. Der Eindruck, den die Erzählung hinterlässt, hallt noch lange nach.

_6) The Mississippi Straightforward Society (1988)_

Die titelgebende Unternehmensberatung stellte dem Verlagsleiter Rolf Heyne aus Anlass des 30-jährigen Verlagsjubiläums (1958-1988) herrliche Wachstumszahlen in Aussicht. Schon Mitte des 21. Jahrhunderts würden die Heyne-Lagerkapazitäten den Regierungsbezirk Oberbayern abdecken und anno 2100 die Grenzen des Deutschen Reiches im Jahr 1937 überschreiten. Desgleichen tolle Wachstumsraten würden die Personalentwicklung, die Anzahl der Außenrepräsentanten, der monatlichen Buchtitel (über 1 Million in 2100) und natürlich des Holzverbrauchs aufweisen!

Doch dieser Wahnsinn hat Methode, nämlich die von Mark Twain. In dessen Buch „Das Leben auf dem Mississippi“ findet sich bereits die benutzte Extrapolationsmethode, abgeleitet vom erstaunlichen Trend des Vaters der Ströme, sich zu verkürzen. Durch Begradigung (daher auch „straightforward“) verliert der Strom im Schnitt soundso viele Kilometer. In wenigen Jahren, so ergibt sich daraus, dürften die Städte Cairo (Oberlauf) und New Orleans (Mündungsdelta) nebeneinanderliegen!

|Mein Eindruck|

Auch dieser scherzhaft gemeinte Text ist ein Beitrag zu einer Anthologie, nämlich zum „Rolf Heyne Taschenbuch“ 1988. Nach dem anfänglichen Marketinggesülze legt der Schreiber richtig los. Die prognostizierten Wachstumsresultate sind aberwitzig. Es wird angenommen, dass es keinerlei Grenzen des Wachstums geben werde. Tatsächlich wurde der Heyne-Verlag schon zwölf Jahre später, nach einer Fusion mit List und Ullstein (genannt „HEUL“) an den Bertelsmann-Konzern verkauft. Nix war’s mit Wachstum.

Doch das ist nicht der Punkt. Dem Autor geht es um die Bloßstellung der Beraterphilosophie, dass unbegrenztes Wachstums- und Profitstreben allein positiv sei. Egal, dass der Wald dabei dran glauben muss – ein Ende des Waldsterbens ist dadurch garantiert: positiv!

_7) Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan (1990)_

Die Schweizer Garde des Vatikans schiebt wieder mal eine anstrengende Nachtschicht. Während eine Hologrammprojektion die stille Erhabenheit des Petersplatzes vorgaukelt, schiebt ein Baufahrzeug mit seiner riesigen Schaufel Tausende von Leichen zusammen auf einen vier bis fünf Meter hohen Berg. Es handelt sich um fast 45.000 Babyleichen. Sie wurden aus allen Teilen der Welt hierhertransport, um entsorgt zu werden – gen Himmel.

Am Morgen ist die harte Arbeit geschafft. Die ersten amerikanischen Touristen besuchen den Petersplatz, der nun wieder leer und erhaben daliegt. Nur ein Vietnamveteran schöpft Verdacht: „Hier riecht es nach Tod, nach frischem Tod.“ Lang lebe Giovanni Paolo Secondo, der neue Papst.

|Mein Eindruck|

Die erstmals 1993 im kurzlebigen Magazin „Solaris“ veröffentlichte Erzählung ist eine bittere und mitunter eklige Anklage der päpstlichen Botschaft, dass alles Leben heilig sei und Abtreibung folglich eine Sünde, ebenso wie Empfängnisverhütung. Dem Dogma stellt der Autor die abstoßende Realität entgegen: Babys als Heroinversteck für Schmuggler missbraucht, Jungs und Mädchen als Kindersoldaten in Rebellenkriegen verheizt, der Babystrich in Asien und Afrika, Babys als Ersatzteillager für Organhändler, und noch vieles mehr (diese Untaten wurden den Nachrichten entnommen, versichert der Autor).

Zweifellos ist dies eine von Jeschkes wichtigsten und umstrittensten Geschichten, so umstritten offenbar, dass er es nötig fand, bei jedem Abdruck (auch beim Ersten) ein zweiseitiges Vorwort voranzustellen, um seinen Standpunkt klarzustellen.

_8) Die Sonne des Anaximandros (2008)_

Der Neuling Dr. Scribner stellt den Dr. Katsaros, einen Veteranen unter den Exobiologen, zur Rede, was die Erkenntnisse über das Leben auf den beiden Welten Qurat und Zaqra anbelangt. Während Katsaros infrage stellt, dass man auf den Welten intelligentes Leben gefunden habe, wagt Scribner doch auf einige ungewöhnliche Beobachtungen hinzuweisen, die genau dies nahelegen …

Es wurden doppelflügelige Riesenlibellen beobachtet und untersucht, deren Gehirn verstümmelt war. Und es schien, als ob Passagiere davon abgesprungen wären, als sie eingefangen wurde. Außerdem fand sich DNS, die auf Qurat wie auf Zaqra identisch war. Wie so etwas möglich sei, wenn die Evolution nicht den gleichen Ursprung hatte?

Nach einem kleinen Intermezzo bei den intelligenten, aber eben sehr kleinen Bewohnern von Qurat kehrt die Erzählung zu Katsaros und Scribner zurück. Der Veteran schockt seinen Besucher, indem er seinen halbierten Körper von einem Sockel zu einem anderen versetzt. Tja, das ist der Preis der Forschung. Katsaros hat sein Opfer gebracht, und was für ein Unmensch wäre Scribner, wenn er ihm dieses Opfer einweihte, indem er Katsaros‘ berufliches Verdienst schmälerte?

|Mein Eindruck|

Wie schon im Hörspiel „Jonah im Feuerofen“ (in dem Erzählband „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“) beschäftigt sich der Autor hier mit der Unfähigkeit von Spezies, einander zu erkennen. Das Besondere dabei: Diese Unfähigkeit betrifft diesmal nicht nur die Menschen und ihre wissenschaftliche Methode, sondern auch die Aliens, die sich die Existenz von riesigen Ungeheuern, die intelligent sind, gar nicht vorstellen können. Es ist das alte Gulliver & Lilliput-Problem, verstärkt durch den hierarchischen Konflikt zwischen Neuling und Veteran, wobei der Veteran immer auf seine Meriten pochen kann.

Auch dieser Text war eine Auftragsarbeit, die aus Fragmenten entstand. Dementsprechend rudimentär wirkt der erzählerische Aufbau, und von einer Handlung kann nicht gesprochen werden. Es ist noch nicht mal ein sokratischer Dialog, sondern einfach ein Austausch konträrer Ansichten.

_9) Ein Ruf aus der Dunkelheit (2010)_

Isaiah lebt auf einer Welt im Sagittariusarm der Milchstraße, zusammen mit anderen Klosterschülern. Sie sind alle Horcher, die empathische Rufe von weither empfangen können, und zwar im gleichen Augenblick, selbst wenn millionen Lichtjahre zwischen Sender und Horcher liegen.

Im Unterschied zu seinen Klosterschülern ist Isaiah schon tausend Erdenjahre alt, denn er ist fast mit Lichtgeschwindigkeit hierhergereist, und die Zeitdilatation besorgte den Rest. Nachdem er ihnen vom Tag, als er entdeckt und abgeholt wurde, erzählt hat, besteigen sie das wandernde Kloster und begeben sich auf den Berg tausende Meter über dem Meer. Zusammen mit fünf anderen Klöstern der Horcher triangulieren sie den Ursprungsort eines fernen Rufes, der aus der Dunkelheit kommt, aus einer anderen Galaxie …

|Mein Eindruck|

Wie schon in seinem Kurzhörspiel „Happy birthday, dear Alice! Happy birthday, dear Anne!“ (in „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“) geht es auch hier um das Thema der Horcher, die instantane Verständigung ermöglichen. Waren es dort Klonschwestern, so sind es hier einfach begabte Jugendliche. Die Erzählerin ist ein Mädchen, es hört dem alten Isaiah zu. Das Kloster ist ein Lebewesen und mit dem Bergkloster in der Jeschke-Erzählung „Das Geschmeide“ verwandt. Sein Name „Hièn trén máy“ ist übrigens vietnamesisch und bedeutet „das in den Wolken wohnt“.

Auch diese Story war eine Auftragsarbeit, diesmal zum Thema Verständigung mit Aliens. Wie so häufig mangelt es auch diesem Text an Handlung.

_10) Orte der Erinnerung (o. J., nach 2005)_

Der Kunstmaler Howard Szajnberg ist mit der erfolgreichen Hirnchirugin Yude Rice verheiratet, als die merkwürdigen Vorfälle beginnen. Erst hat sie einen sich wiederholenden Traum von einem schönen Tal, in dem aber zwei Zeiten nebeneinander existieren. Dann erhalten sie beiden anonyme Anrufe von einem Kerl, der es gut zu meinen scheint. Er nennt sich ihren Schutzengel. Yude wird vor einem finanziellen Verlust bewahrt, doch Howard soll sich beruflich neu orientieren: vom erfolglosen und ausgebeuteten Maler zum Fotografen.

Nur weil der „Schutzengel“ sich bereits als hilfreich erwiesen hat, willigt Howard ein. Er kauft eine teure Ausrüstung (natürlich von Yudes Geld) und lässt sich an Orte schicken, von denen der „Schutzengel“ behauptet, dass dort gleich eine Naturkatastrophe stattfinden werde. Regelmäßig trifft die Vorhersage ein. Howard ist mit seiner Kamera meist als erster und einziger Fotograf vor Ort. Die Kamera schickt die Bilder direkt per Satellit an seine Agentur, die sie wiederum Publikationen in aller Welt anbietet. Im Handumdrehen wird Howard, den man bald „Super-Ho“ nennen wird, Millionär.

Die Monate vergehen, und Howard bemerkt mit Besorgnis, dass Yude offenbar Probleme mit ihrem eigenen Gehirn hat: Die Kopfschmerzen hindern sie bald daran, ihren Beruf weiter ausüben zu können. Sie geht in eine Klinik, ohne Ho Bescheid zu geben.

Denn der Schutzengel hat Pläne mit ihm. Er schickt Howard in den Golf von Bengalen, wo ein großes Hochwasser zahlreiche Tote gefordert haben soll. Mit einem gemieteten Katamaran geht’s hinaus in das Mündungsgebiet, doch außer töten Tierkadavern und Treibholz ist nichts zu sehen. Auch die anderen Fotografen an Bord sind enttäuscht, allen voran Ho’s größter Konkurrent, ein Japaner. Ein Sturm zieht, das Bott eilt zurück in den Hafen – und erleidet Schiffbruch.

Ho erwacht auf einer Sandbank. Im Sand entdeckt er ein glitzerndes Gerät, das er in die Sonne legt, damit sich seine Akkus aufladen können. Das sprechende Ding nennt sich der Personal Digital Assistant des japanischen Fotografen. Ho wählt den Namen, den es vorher hatte: Totore, der Waldgeist aus einem Animationsfilm von Miyazaki. Nun wird Totoro zu Howards Schutzengel: Er ruft Hilfe herbei. Und so schafft es Ho endlich nach Hause.

Doch dort steht nichts zum Besten für unseren Odysseus. Yude ist ohne Nachricht verschwunden (nämlich in die Klinik). Als er ihre letzte Spur entdeckt, ist er bestürzt: Ihr Körper lebt nicht mehr – der Hirntumor war inoperabel. Sie hat aber die Chance ergriffen, das neue Verfahren von Dr. Weiskrantz zu nutzen und einen Persönlichkeits-Scan von sich anlegen und speichern zu lassen. Weiskrantz versichert Ho, dass Yude noch „lebe“, und zwar keineswegs in einer Totenwelt à la Hades. Leider führt sich der Arzt aber doch als Zerberus auf, indem er Ho den Zugang zu der geliebten Frau verweigert.

Doch mit Totoros Hilfe ist auch dieser Zugang kein Hindernis für unseren Orpheus …

|Mein Eindruck|

Ganz klar ist diese wunderschöne Erzählung, die den krönenden Abschluss dieses Bandes bildet, eine Verarbeitung des antiken Mythos von Orpheus und Eurydike. Wie schon in „Nekromanteion“ wird ein Abbild eines Menschen erstellt und gespeichert, damit es jederzeit abgerufen werden kann. Doch ist Howards Eurydike wirklich glücklich, dort, wo sie jetzt ist? Er muss es unbedingt herausfinden!

Wie sich herausstellt, befindet sich ihr Bewusstsein in eben jenem schönen Tal, von dem sie einst träumte. Zufall oder Notwendigkeit? Und denkt sie auch mal an ihn, Howard? Sie denkt, dass sie es tut, nennt ihn aber lediglich „Freund“. Und nun ergibt sich die Notwendigkeit, Weiskrantz‘ Barrieren zu umgehen und in die Vergangenheit zu telefonieren – so wird Howard sein eigener „Schutzengel“. Er war es ja, der den ledigen Ho einst anrief, um ihn zu bewegen, diese tolle Lady auf dem Züricher Flughafen anzusprechen …

So entsteht unversehens eine Zeitschleife, in der Ho an seinem früheren Liebesleben mit Yude indirekt noch einmal teilhaben kann. Doch dann geschieht etwas Unvorhergesehenes …

Diese höchst romantische Geschichte, die eigentlich als Hörspiel konzipiert war, greift Jeschkes Standardthemen (Überwindung des Todes, Zeitreisen, Virtuelle Realität usw.) auf, die ich mehrfach vorgestellt habe, erweitert sie aber um Altersweisheit, Romantik, Sinnlichkeit und einen sanften, selbstironischen Humor. Außerdem gibt es nur zu dieser Geschichte Illustrationen von Thomas Franke, der Stil einzigartig ist – sie das Titelbild.

_11) Vorwort von Herbert W. Franke_

Franke ist selbst ein Veteran der deutschsprachigen Science-Fiction und Autor einer großen Zahl von Romanen, Erzählungen und Drehbüchern (er schrieb eine Fortsetzung der Kultserie „Raumpatrouille Orion“). Zum Glück drückt er sich nicht geschwollen und professoral aus, wenn er die Maßstäbe für qualitätsvolle Literatur auf Wolfgang Jeschkes Werke anwendet.

Diese seien originell, gedanklich gehaltvoll und sprachlich hochstehend – drei der wichtigsten Voraussetzungen sind also erfüllt. Dass auch idealerweise eine Handlung und interessante Figuren vorkommen sollen, muss nicht immer unbedingt der Fall sein, wie es scheint.

Interessanter fand ich jedoch, was Franke über seinen Berufskollegen und Mitarbeiter (zwischen 1969 und 1977) zu erzählen weiß. In diesen Bemerkungen findet sich ein sehr persönlich gehaltenes Bild von Jeschke wieder, das man woanders lange suchen müsste. Am ehesten würde sich uns der Mensch Jeschke – auf literarisch abstrahierter Ebene – als Autor der Vorworte des Heyne-SF-Jahrbuchs präsentieren, meint Franke. Allerdings ist klar, dass dieser Jeschke in erster Linie Herausgeber, Lektor und Marktbeobachter war. Seine bissigen Anmerkungen waren stets ein freudig erwarteter Beitrag im Jahrbuch (das übrigens bis heute bei Heyne erscheint!).

Jeschke kam wegen seiner Auslastung aus Herausgeber nur im Urlaub etc. zum Schreiben. Seit seinem Ausscheiden 2002, das er aus Altersgründen vornahm, veröffentlicht er wieder qualitätsvolle Texte, so den Roman „Das Cusanus-Spiel“ oder die Erzählung „Orte der Erinnerung“ (s. o.). Franke freut sich auf weitere solche Werke. Ich auch.

_Unterm Strich_

Die ersten sieben der zehn Texte erschienen bereits in Jeschkes Collection „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“ (s. dazu meinen Bericht). Deshalb fragt man zu recht, wieso man nun zu diesem wesentlich teureren Buch „Orte der Erinnerung“ greifen sollte. Es gibt zwei gewichtige Gründe: Erstens befindet sich die Collection aus dem Jahr 1992 nach mittlerweile fast 20 Jahren ihrer Existenz nur noch im Gebrauchtbuchhandel (v. a. online), und der Sammler bekommt dort nicht immer garantiert beste Qualität, wie ich mehrfach feststellen musste (und wenn doch, dann nur zu hohen Preisen).

Zweitens enthält „Orte der Erinnerung“ drei wichtige neue Texte, die ich bislang noch nicht kannte. Deshalb habe ich sie oben auch ausführlicher vorgestellt als die anderen Texte. Die Erzählung „Orte der Erinnerung“ – ich sagte es bereits – ist für mich der krönende Abschluss dieser Gesammelte Werke. Sämtliche von Franke erwähnte Qualitätskriterien für Literatur werden erfüllt, durch die Illustrationen Thomas franke noch wertvoller gemacht, Und wer Jeschkes Empfehlung folgt und Glucks Oper „Orphée et Eurydice“ anhört (oder zumindest den „Reigen der seligen Geister“), bekommt sogar ein multimediales Werk geboten.

|SF als Literatur des Wandels|

Science-Fiction wurde einmal die Literatur bezeichnet, die das Phänomen des Wandels am angemessensten beschreibt, bezeichnet. Und da der Wandel aller Lebensbedingungen aufgrund des Internets – Stichwort „Arabischer Frühling“ – inzwischen global wahrgenommen wird, liegt es nicht fern, SF als globales Phänomen aufzufassen. SF-Filme laufen heute in den Kinos und Wohnzimmern rund um den Globus.

Doch andersherum ist es auch zur Aufgabe des Autors geworden, global zu denken, um entsprechende Probleme aufgreifen zu können. Jeschke ist mir stets als einer derjenigen deutschen Autoren bekannt gewesen, der seine Figuren in allen Weltgegenden, vorzugsweise in Asien, agieren und den Wandel erleben lässt.

|Vorreiter|

Andere Autoren, wie Frank Schätzing, Michael Iwoleit und Andreas Eschbach, sind ihm hierin gefolgt. Sie alle ersetzen den deutschen Macher als Hauptfigur nicht einfach durch einen angelsächsischen Macher, wie es noch in den sechziger und siebziger Jahre für deutsche Autoren obligatorisch war, wollten sie Erfolg haben. Nein, ihre Teams sind multinational, ihre Schauplätze auf der ganzen Welt angesiedelt und ihre Themen von zahlreichen Kulturen nachvollziehbar, so etwa der Klimawandel (Schätzings „Schwarm“), das Ende des Ölbooms (Eschbachs „Ausgebrannt“) oder die Auswüchse der Gen- und Cybertechnologie (Iwoleits „Psyhack“).

Mit Frankes Worten aus dem Vorwort kann man also heute schon anhand deutscher Autoren und ihres Erfolgs sehen, wie sich Jeschkes jahrzehntelange Herausgeberschaft auf die deutsche SF-Autorenschaft (und ebenso auf die Grafiker) positiv ausgewirkt hat. Das mag sich für den Autoren Jeschke als irrelevant anmuten, ist aber das Gegenteil: Dem Anspruch, den der Herausgeber Jeschke aufstellte, musste auch der Autor Jeschke genügen. Und durfte sich dennoch einige witzige Storys wie „Yeti“ erlauben.

|Abschluss|

Mit diesem dritten Band sind die „Gesammelten Werke“ vorerst abgeschlossen. Der neueste Text ist ja von 2010. Der Sammler hat damit ein gutes Fundament, das er nun durch die Romane „MIDAS oder Die Auferstehung des Fleisches“, „Der letzte Tag der Schöpfung“ und „Das Cusanus-Spiel“ ergänzen kann.

|Schwächen|

Punktabzug gibt es von mir nur für die Auftragsarbeiten „Anaximandros“ und „Ruf aus der Dunkelheit“ sowie „Mister Smith“. Ihnen fehlt eine Handlung. Außerdem habe ich mich über die fehlenden Jahresangaben zu den einzelnen Texten nicht gerade gefreut, was besonders bei „Orte der Erinnerung schade ist. Die ersten sieben Texte findet man jedoch in „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“ datiert und „Anaximandros“ und „Ruf aus der Dunkelheit“ werden vom Autor datiert. Ich habe diese Angaben bei jedem Text eingetragen. Auf die drei Druckfehler, die ich fand, brauche ich nicht näher einzugehen, denn es handelt sich um simple Flüchtigkeitsfehler.

|Taschenbuch: 256 Seiten
Illustriert von Thomas Franke
ISBN-13: 978-3926126917|
[www.shayol.net]http://www.shayol.net

_Wolfgang Jeschke (als Herausgeber) bei |Buchwurm.info| [Auszug]:_
[„Titan-1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4724
[„Titan-2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7346
[„Titan-3“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7347
[„Titan-4“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7086
[„Titan-5“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7087
[„Titan-6“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4327
[„Titan-7“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4486
[„Titan-8“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3747
[„Titan-9“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4274
[„Titan-10“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3687
[„Titan-11“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4509
[„Titan-12“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4538
[„Titan-13“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7350
[„Titan-14“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7348
[„Titan-15“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7351
[„Titan-16“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7349
[„Titan-18“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7353
[„Titan-19“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7352
[„Titan-20“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7354

Jeschke, Wolfgang – Partner fürs Leben (Gesammelte Werke – Band 2)

_Top Science-Fiction aus deutschen Landen, mit kleinen Ausfällen_

Dieser zweite Band der Gesammelten Werke Wolfgang Jeschkes enthält neben dem Kurzroman »Meamones Auge« aus dem Jahre 1992 weitere sechs Geschichten, die Jeschke in den vergangenen fünfzehn Jahren geschrieben hat und die bisher noch nicht in Buchform vorlagen. Darin beschäftigt er sich in bester sozialkritischer Tradition mit den Möglichkeiten und Gefahren der modernen Naturwissenschaften, nicht zuletzt der Gentechnologie und der vielfältigen Gefährdung unserer Umwelt. (Verlagsinfo)

_Der Autor_

Wolfgang Jeschke, geboren 1936 in Tetschen, Tschechei, wuchs in Asperg bei Ludwigsburg auf und studierte Anglistik, Germanistik sowie Philosophie in München. Nach Verlagsredaktionsjobs wurde er 1969-1971 Herausgeber der Reihe „Science Fiction für Kenner“ im Lichtenberg Verlag, ab 1973 Mitherausgeber und ab 1977 alleiniger Herausgeber der bis 2001 einflussreichsten deutschen Science-Fiction-Reihe Deutschlands beim Heyne-Verlag, München. Von 1977 bis 2001/02 gab er regelmäßig Anthologien – insgesamt über 400 – heraus, darunter die Einzigen mit gesamteuropäischen Autoren.

Seit 1955 veröffentlicht er eigene Arbeiten, die in ganz Europa übersetzt und z.T. für den Rundfunk bearbeitet wurden. Er schrieb mehrere Hörspiele, darunter „Sibyllen im Herkules oder Instant Biester“ (1986). Seine erster Roman ist „Der letzte Tag der Schöpfung“ (1981) befasst sich wie viele seiner Erzählungen mit Zeitreise und der Möglichkeit eines alternativen Geschichtsverlaufs. Sehr empfehlenswert ist auch die Novelle „Osiris Land“ (1982 und 1986). Eine seiner Storysammlungen trägt den Titel „Schlechte Nachrichten aus dem Vatikan“.

_Die Erzählungen _

_1) „Meamones Auge“ (Kurzroman, 1994)_

In ferner Zukunft haben die Menschen Planeten um Planeten erobert, ausgebeutet, verwüstet und wieder verlassen. Gentechnik und Terraforming-Methoden erlauben ihnen, dass ganze Planeten oder Monde mit künstlich geschaffenen Lebewesen und Pflanzen ausgestattet und schließlich als Nahrungsquellen abgeerntet werden können. Aber der Mensch ist die alte Bestie geblieben, egoistisch, machtbesessen und manchmal genial in seiner Kunst, zum Beispiel in der Gentechnik.

Auf Confringet, einem Mond des Riesenplaneten Meamone, hat sich unvorhergesehen intelligentes Leben entwickelt. Der despotische Herrscher des Planeten schickt seine Soldaten und Jäger aus, das Wesen zu fangen. Seine junge Tochter, rebellisch und eigenwillig, verdächtigt ihn, ihre Mutter vor Jahren in die ringsum liegende karge Wüste verbannt zu haben, wo sie bei den feindseligen Wüstenbewohnern unweigerlich umkommen musste.

Die junge Frau, Meta, steht auf der Seite der Entrechteten und ergreift natürlich Partei für das Wesen Om, als man es eingefangen in den Palast zurückbringt. Sie entdeckt, dass sie sich telepathisch mit Om verständigen kann. Er betrachtet sie als eine Göttin und „Geistschwester“.

Als die Kreaturenhändler sich für Om interessieren, um ihn an die Gen-Designer zu verschachern, probt die junge Frau den Aufstand – vergeblich. Oms Gene sollen den großen Gentechnikkonzernen zusätzliche Möglichkeiten bereitstellen, willfährige Intelligenz in Organismen einzubauen. Ein Horrorszenario von kompletten Planetenbevölkerungen mit künstlichem Bewusstsein, künstlicher Religion usw. wird an die Wand gemalt. Um warum sollten Metas telepathische Fähigkeiten nicht auch ihrem Vater etwas wert sein? Meta befürchtet, ebenfalls verkauft zu werden – womöglich ebenso wie ihre verschwundene Mutter.

Die Raumschiffe, die die weit entfernt voneinander liegenden Welten miteinander verbinden, indem sie mit Beinahe-Lichtgeschwindigkeit wissenschaftlich und militärisch wertvolle Güter transportieren (Gensequenzen werden hingegen digital übertragen), werden von telepathisch begabten „Rufern“ gesteuert. Sie haben Kontakt mit „Horchern“ auf den angeflogenen Welten. Meta beschließt, sich zu einer Horcherin ausbilden zu lassen und den Planeten zu verlassen. Man hat ihr gesagt, auch ihre Mutter haben diesen Weg gewählt. Nun sucht sie ihre Spur.

Nach einem relativistischen Zeitraum von 300.000 Confringet-, aber nur wenigen Bordjahren, kehrt Meta in ihr Heimatsystem zurück. Wie schon bei ihrem Abflug vorauszusehen, wurden die Meamone-Monde Confringet und Conteret, die sich den gleichen Orbit geteilt hatten, bei einem Zusammenstoß zertrümmert. Doch der große dunkle Wirbelsturm auf dem Riesenplaneten, „Meamones Auge“, besteht immer noch – und starrt Meta gleichgültig an.

|Mein Eindruck|

Jeschkes Roman enthält Anklänge an das exzentrische Himmelskörpersystem in „Helliconia“ des englischen Autors Brian W. Aldiss, an die DUNE-Navigatorengilde und die arabisch anmutenden Wüstenbewohner in den Wüstenplanet-Romanen von Frank Herbert, an die italienische Palastkultur der Renaissance sowie an die Gentechniker auf Jackson’s Hole in den „Barrayar“-Romanen von Lois McMaster Bujold. Insgesamt ist dies eine ziemlich hochkarätige Ahnenreihe. Die neuartige Mischung dieser Elemente hebt Jeschkes Roman aus der Masse der angelsächsischen Science-Fiction heraus, bleibt dieser aber verbunden. Dem Leser ist nachdenklich machende Unterhaltung ist gewährleistet.

Auffällig ist die bei fast allen Figuren außer dem Herrscher anzutreffende hohe Rationalität, wie moralisch verwerflich auch die jeweiligen Handlungen sein mögen. Doch angesichts der beständigen Bedrohung durch den ko-orbitalen Mond Conteret sollte man erwarten, dass sich eine Weltuntergangsreligion entwickelt habe, deren Priester einen beachtlichen gesellschaftlichen Einfluss ausüben. Diese Kaste fehlt ebenso wie die Ausübung irgendeiner Religion. Das wirkt etwas unplausibel.

_2) „Partner fürs Leben“ (1994/96, Kurd-Laßwitz-Preis 1996)_

Der alte Hessler fristet seinen Lebensabend in der Klinik von Prof. Dr. Scheufele, der an ihm die Creutzfeld-Jacob-Krankheit feststellt: BSE. Das kommt von Hesslers Vorliebe für rohes Rindfleisch. Schon macht sich Vergesslichkeit in Hesslers Hirn bemerkbar.

Zum Glück hat der alte Ingenieur in seinen besten Jahr vorgesorgt: durch die Lifelong Partnership Association, kurz LPA. Dies stellt praktisch eine Art Körperversicherung dar: Indem der Versicherungsnehmer seinem lebenslangen Partner eine bestimmte Prämie zahlt, kommt dieser mit seiner Familie zu Wohlstand und kann sich was aufbauen. Dafür verpflichtet er sich im Versicherungsfall das benötigte Organ zu spenden – in diesem Fall erst ein Auge, dann das andere.

So geschieht es, doch die Folgen unerwartet. Die Partnerschaft findet auch auf geistig-emotionalem Gebiet ihre Umsetzung. Hessler träumt von Reisfelder in Indonesien, die ein Muslim sehen würde, sowie dessen Frau, die liebliche Nining. Und Jono, sein Partner in Indonesien, verspürt auf einmal Appetit auf tierisches Eiweiß, ein unerhörter Luxus in seiner ländlichen Gemeinde …

|Mein Eindruck|

Das nenn‘ ich mal eine richtige Entwicklungshilfe: Sie funktioniert in beide Richtungen. Natürlich würde es gegen eine solche Art der Körperversicherung, wie schon der Autor voraussah, erhebliche Proteste geben, nicht zuletzt von der Kirche. Andererseits: Wer seinen Körper, wie viele im Westen, durch Fehlernährung – BSE war 1994 in den Schlagzeilen – zugrunde richtet, der kann gleichzeitig auch was Gutes tun, indem er seinen Lifelong Partner unterstützt, statt in eine Lebensversicherung einzuzahlen, in deren Genuss nur seine Verwandten und Nachkommen kämen. Es gibt dem Begriff „Leibrente“ eine ganz neue Bedeutung …

_3) „Der Geheimsekretär“ (1999)_

Zwei Leute blicken im Jahr 2100 zurück auf das Jahr 2000, als alles noch ganz anders war. Einer der beiden Leute ist ein Mensch, wie es scheint, doch der andere ist der titelgebende Geheimsekretär, eine Künstliche Intelligenz, die in einem Ring ihren Sitz hat. Der Großvater des Menschen traf damals die Großmutter, was für ein Glück.

Wenn man sich heute die Südostschweiz anschaut, dann hat sich doch einiges gebessert. Die Antigravitation macht vieles besser. So gibt es etwa kein Parkplatzproblem mehr – die Autos schweben ja über dem Dorf. Und auch Hochwasser gehören der Vergangenheit an. Der LKW-Durchgangsverkehr saust mit Schallgeschwindigkeit durchs Tal, wie eine Magnetschwebebahn auf Anti-G-Schienen. Fast geräuschlos, wenn es den Überschallknall nicht gäbe. Na, das ist doch was.

|Mein Eindruck|

Der Autor sollte einer Zeitung in der Südostschweiz um Chur, wo ja bekanntlich viel Durchgangsverkehr herrscht, eine kleine Story zur Jahrtausendwende schreiben. Herausgekommen sind einige witzige Ideen zu den Folgen der Erfindung der Antischwerkraft und zu den Folgen der Datenflut im Internet. Mehr bringt der Dialog aber auch nicht.

_4) „Allah akbar and so smart our NLWs“ (1999?)_

NLW sind non-lethal weapons, also nicht tödliche Waffen. Ihren Einsatz verfolgen die beiden Techniker von GLUE, dem genetischen Aufspür- und Ausführungskommando der USA, in Afghanistan. Der Talibanführer, den ihre miniaturisierten und als Fliegen getarnten Beobachtungsdrohnen, im Visier haben, ist nicht bloß ein Kämpfer, sondern auch ein homosexueller Pädophiler.

Das Verstecken unter Tarnnetzen, um den Spähaugen der Satelliten zu entgehen, nützt den Taliban nichts, denn sie werden ja sowohl optisch beobachtet als auch genetisch aufgespürt. Dennoch merkt der Rebellenführer, dass mit den Fliegen etwas nicht stimmt: Sie starren ihn alle an. Seine Reaktion kommt zu spät für ihn und seine Leute. Sie werden von kleinen Spinnen in Kokons eingesponnen und vom Gift künstlicher Käfer bewegungsunfähig gemacht.

Das ist zwar alles ganz nett, aber wie hält man die Gefangenen davon ab weiterzukämpfen? Gar nicht, meint der andere Techniker. Solche Gefangenen werden von anderen Taliban getötet. Weiß der Geier, warum.

|Mein Eindruck|

Die Landschaft ist zwar nicht die Afghanistans, sondern Syyriens, aber der Autor hat sie selbst gesehen (1984), deshalb wirkt sie so authentisch. Ebenso die Bewohner, auch wenn die Gedankengänge des homosexuellen Pädophilen sicher nur Spekulationen bleiben können. Aber das ist nur Nebensache.

Der Blickwinkel springt zwischen ihm und den in den USA stationierten Technikern hin und her. Der Krieg hat eine groteske Form der Telepräsenz angenommen, bei der keine physischen Soldaten mehr eingesetzt werden, sondern mikrominiaturisierte und ferngesteuerte Waffen – eben die titelgebenden NLWs.

_5) „Das Geschmeide“ (2004, Kurd-Laßwitz-Preis)_

Auf der Siedlerwelt Cartesius, die schon lange vor den Menschen besiedelt gewesen ist, geschieht ein schrecklicher Frevel. Das Geschmeide der Götter, in dem Generationen von lebenden Göttinnen eingeschlossen sind, ist mutwillig gestohlen worden. Die Diebe aus der Flotte haben es auf die Diamanten abgesehen. Doch selbst als der Abgesandte der Flotte eine wiederhergestellte Version des Geschmeides zurückbringt, ändert dies nichts. Vier der Diamanten sind nicht mehr die ursprünglichen. Die aktuelle lebende Göttin, die Keschra, stirbt an der Aufregung und die Flottenabgesandten müssen sich vor den wütenden Pilgern im abgelegenen Keschra-Kloster in Sicherheit bringen.

Palladier, der als Dolmetscher Zeuge dieser skandalösen Vorgänge wurde, liegt verletzt im Hospital und versucht, das Vorgefallene zu verstehen. Trägt er eine Mitschuld? Doch die Bürgermeisterin der Siedler versichert ihm, es verhalte sich ganz anders. Es sei eine Folge der Zeitverschiebung, dass die Angehörigen der Flotte mutwillig mit den Siedlerwelten umsprängen: Sie erleben durch die Lichtgeschwindigkeit vier oder fünf subjektive Jahre Flugzeit, während auf den Welten Zehntausende von Jahren vergingen. Ihr Zuhause sei daher das Schiff im Raum, nicht die besuchten Welten.

|Mein Eindruck|

Trotz anfänglicher Wirrnis gelingt es dem Autor, ein spannendes und interessantes Garn zu weben. Was wie eine Fantasyerzählung beginnt, weitet schrittweise den Blickwinkel aus, bis daraus eine Science-fiction-Erzählung geworden ist. Die entworfenen Welten und Kulturen könnten die Grundlage für ein DUNE-mäßiges Epos abgeben, doch der Autor hat den kleinen Rahmen gewählt – und so viel mehr gewonnen als mit einem Epos. (Die Story gewann den KLP, nachdem sie in Andreas Eschbachs Anthologie „Eine Trillion Euro“ erschienen war.)

_6) „Lucia“ (2005)_

Gerd und Linda machen sich Sorgen um ihr „Baby“ und eilen zum Ort, wo sie Lucia beobachten können. Dr. Klein und Dr. Wittig wirken sehr besorgt. Die Bilder, die sie hereinbekommen, sind nicht ganz das, was sie erwartet haben. Denn Lucia befindet sich am denkbar heißesten Ort des Sonnensystems: in den äußeren Schichten der Sonn. Sie ist eine Sonde und wird vom Orbiter, der sie filmt, beobachtet. Wird sie es schaffen, diese Feuerprobe zu bestehen?

|Mein Eindruck|

Zunächst scheinen sich Linda und Gerd um einen jungen Menschen („Baby“) zu sorgen, doch nach wenigen Seiten wird klar, dass unser Autor absichtlich irregeführt hat: Das „Baby“ ist die Sonnensonde. Die Feuerprobe gilt ihrer schützenden Haut: Wird die spezielle Beschichtung die extreme Hitze aushalten? Diese Beschichtung wird von den Amis (von wem sonst?) „Skunk Coating“, also Stinktierbeschichtung, genannt.

Der Autor hat diese kleine Story für eine Firmen-Anthologie geschrieben, und diese Firma stellt – wen wundert’s? – eben solche Beschichtungen her. Der Grund ist jedoch weniger der finanzielle Anreiz, als vielmehr eine Hochachtung vor solchen Technikern, die auf Jeschkes eigener Ausbildung in Handwerk, Technik und Uni beruht – dies erklärt sein Begleitwort im einzelnen.

_7) „post-OP“ (2007)_

Der Erzähler ist in einer deutschen Klinik operiert worden. Seltsamerweise bestehen sowohl das Personal als auch die Patientenschaft aus Menschen, die zwar deutsch sprechen, aber aus anderen Ländern stammen: Bosnien, Äthiopien, Griechenland, Albanien, Türkei usw. Er wird froh sein, wenn er wieder nach Hause darf.

|Mein Eindruck|

Auch diese Story war eine Auftragsarbeit, und es ist beileibe keine SF-Erzählung: Die Anwesenheit der vielen „Ausländer“ ist ja bereits heute Realität. Der Herausgeber Hannes Riffel bestand trotzdem darauf, den Text in diese Auswahl aufzunehmen. Immerhin: Die Wahrnehmung von Fremdheit ist eines der zentralen Themen der Zukunftsliteratur.

_8) Vorwort von Franz Rottensteiner_

Nachdem er die Misere des gewandelten Verlagsmarktes abgehandelt hat, kommt der bekannte Herausgeber („Suhrkamps Phatastische Bibliothek“, „Quarber Merkur“, usw.) auf die Spielarten der Science-Fiction zu sprechen, zwischen den Polen der Faktenpopularisierer und den Fabulierern. Dann endlich beginnt er Jeschke einen Stellenwert zuzuweisen und dessen Werke unter ihren verschiedenen Aspekten zu beurteilen.

Rottensteiner sieht Jeschke meistens unter den Fabulierern und Weltenschöpfern, besonders in „Meamones Auge“, „Der letzte Tag der Schöpfung“ usw., aber auch als Reiseführer bei einer Odysssee, etwa in „Osiris Land“. Aber Jeschke stütze sich durchaus auf wissenschaftliche Fundamente, nicht nur in „Meamones Auge“ (das an Aldiss‘ „Helliconia“ erinnert), sondern auch in „Das Cusanus-Spiel“, einem Zeitreise-Roman.

_Unterm Strich_

Der stärkste Text in diesem Mittelband der Trilogie gesammelter Jeschke-Erzählungen ist zweifellos „Meamones Auge“. Der Kurzroman greift einen Traum der Gentechnik auf und verlegt ihn zwischen die Sterne. Das ist durchaus spannend und anrührend zu lesen. Leider gibt es, wie im gesamten Band, keine einzige Illustration zu dieser Geschichte, anders als im Heyne-SF-Band von „Meamones Auge“.

Auf dem zweiten Rang finden sich die Erzählungen „Partner fürs Leben“, das auch die Medizin globalisiert, und „Das Geschmeide“, das zwischen Fantasy und Science Fiction wandert. Beide Texte erhielten zu Recht den Kurd-Laßwitz-Preis.

Die restlichen Texte kann ich leider nur als Füllsel ansehen. Mag auch ab und zu, besonders in „Allah akbar“, eine Menge Einfallsreichtum dahinterstecken, so beleuchten die handlungslosen Stories lediglich schlaglichtartig mögliche Entwicklungen. Nichtsdestotrotz steht in ihnen immer der Mensch im Mittelpunkt, als Täter wie auch als Opfer, so etwa von neuester Technik. Es sind Short Short Storys, wie sie v. a. in den USA gepflegt werden (Isaac Asimov hat davon 1984 bei Goldmann einen ganzen Band veröffentlicht).

Was Rottensteiner zu erwähnen vergisst, ist die bemerkenswerte Tatsache, dass Jeschke zu den wenigen deutschen SF-Autoren gehört, die auch in Übersee veröffentlicht worden sind, insbesondere in Großbritannien und den Vereinigten Staaten. (Rottensteiner publizierte Jeschke in den USA in mindestens einer Anthologie, wie Jeschke berichtet.) Damit befindet sich der Autor in einer Riege mit Andreas Eschbach und Frank Schätzing.

Die drei Illustrationen von Thomas Franke (zwei auf dem Umschlag, eine auf dem Frontspiz) illustrieren das Aufeinandertreffen bzw. die Koexistenz von Natur und Technik, Gestern und Heute, Tradition und Wissenschaft. Ganz besonders gefiel mir dabei der urwüchsige Schamane auf dem Frontispiz.

|Taschbenbuch: 192 Seiten
ISBN-13: 978-3926126788|
[www.shayol.net]http://www.shayol.net

_Wolfgang Jeschke (als Herausgeber) bei |Buchwurm.info| [Auszug]:_
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[„Titan-9“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4274
[„Titan-10“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3687
[„Titan-11“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4509
[„Titan-12“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4538
[„Titan-13“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7350
[„Titan-14“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7348
[„Titan-15“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7351
[„Titan-16“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7349
[„Titan-18“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7353
[„Titan-19“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7352
[„Titan-20“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7354

Antje Szillat – Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt (Rick 1)

Rick:

01 „Wie man seine durchgeknallte Familie überlebt“
02 „Acht Pfeifen an Bord und kein Land in Sicht“

Die Nöte eines Elfjährigen: Rick als Liebessaboteur

Rick ist elfeinhalb Jahre alt und wohnt mit seinem Pa, dessen Kumpel Wutz und Kater Gismo in einer hundertprozentigen Männer-WG! Rick ist Eishockeystürmer und sein Leben wirklich cool, bis sich sein Pa ausgerechnet in Ricks Lehrerin verknallt. Die hat auch noch einen nervigen Sohn, von dem Ricks Pa denkt, sie könnten Freunde werden. Alarmstufe Rot, deshalb schmiedet Rick einen perfekten Plan, damit die zwei sich schnell wieder aus seinem Leben verziehen – doch damit geht der Ärger erst richtig los … (Verlagsinfo)

Die Autorin

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Luca Novelli – Einstein und die Zeitmaschinen (Szenische Lesung)

Weisheit durch Scheitern: Einsteins Ideen erklärt

Der berühmte Wissenschaftler Albert Einstein erzählt selbst kurzweilig und packend von seinem Leben und seinen Forschungen, seiner Liebe zur Physik, seiner Geige und seiner Einstellung zu Atomwaffen und Krieg. In der Schule war er mittelmäßig, beruflich verdiente er jahrelang wenig Geld als Mitarbeiter des Patentamtes. Doch plötzlich kursieren seine Ideen in der ganzen Welt! Wissenschaftliche Texte geben eine Einführung in die Theorien des Physikers, die alle Vorstellungen von Raum und Zeit infrage stellten. Zum Beispiel die Relativitätstheorie. (Verlagsinfo)

Der Verlag empfiehlt diese szenische Lesung ab 10 Jahren.

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Leo Perutz – Der schwedische Reiter. Historischer Roman

Ein Doppelleben auf Zeit

Die Welt ist aus den Fugen: Der Krieg zwischen August dem Starken und Karl XII. von Schweden hat Schlesien um 1700 im Würgegriff. Regimenter durchziehen das Land und üben erbarmungslose Lynchjustiz. Die Bauern, aber auch Banden von Räubern und Vagabunden kämpfen ums nackte Überleben. Ein christlicher Bischof bietet den Verfolgten letzte Zuflucht: In seinen Steinbrüchen und Schmelzöfen „stöhnen an Karren geschmiedet die Lebendig-Toten, die sich vor dem Galgen in die Hölle geflüchtet haben“.

An der deutsch-polnischen Grenze um das Jahr 1700 prellt ein Dieb einen adeligen schwedischen Offizier, der desertiert ist, um Namen und Existenz. Zwar gelingt es ihm, dessen Verlobte Maria Agneta zu erringen, doch zuletzt greift das Schicksal ein, entwirrt die verschlungenen Fäden und zwingt ihn zur Sühne für seine Doppelexistenz. (abgewandelte Verlagsinfo)
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Gijsen, Wim – Im Reich der Zauberinnen (Deirdre 3)

_Die |Deirdre|-Trilogie_:

1. Band: [„Wendekreise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7624
2. Band: [„Die Sandrose“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7625
3. Band: [„Im Reich der Zauberinnen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7626

_Fantasy-Action: Entscheidung beim Orakel_

Im dritten und abschließenden Band von Wim Gijsens Trilogie um die Entwicklung und Abenteuer der jungen Frau Deirdre in den Ländern am Lavendelmeer kommt es zur Entscheidung: Wird die Welt weiterhin gespalten bleiben oder wird es Deirdre gelingen, als geweissagte Retterin der Welt, als die „Bidahinne“ die Spaltung aufzuheben und Frieden zu bringen?

_Der Autor_

Wim Gijsen (1898-1990) ist einer der bekanntesten niederländischen Autoren. In Deutschland erschienen seine Science-Fiction-Romane „Die Ersten von Rissan“ (1980) und „Die Könige der Vorzeit“ sowie die Fantasy-Romane um Iskander den Traumdieb (alle bei Heyne). „Die Sandrose“ ist der zweite Band in der Trilogie um die junge Frau Deirdre, die dazu berufen scheint, die seit Jahrtausenden gespaltenen Völker, die um das Lavendelmeer herum siedeln, wieder zu versöhnen.

_Handlung_

Die weisen Frauen eines Wüstenklosters haben in Deirdre, der ehemaligen Priesterin und Tempeldienerin, die „Bidahinne“ erkannt. Sie soll dem Lure-Imperium den heißersehnten Frieden bringen. Diese Ereignisse wurden im zweiten Band der Trilogie, „Die Sandrose“, berichtet.

Ins Reich Lure gelangt Deirdre jedoch als Gefangene der telepathischen Zauberin und Herrscherin Katein, ein Faustpfand, um für Katein Macht und Einfluss unter ihresgleichen zu erringen. Doch Katein ist entgangen, dass der Kampf zwischen ihr und Deirdre nicht mit Gewalt, sondern mit den Waffen des Geistes ausgetragen wird.

Denn Deirdre erzählt in Kateins Palast von ihrem Land, das ihren Zuhörern wie ein freundlicherer Gegenentwurf zu ihrer eigenen, auf Gewalt und Machtausübung aufgebauten Gesellschaft erscheint. So überzeugt sie Kateins Schwester Themis, eine als harmlos und versponnen geltende Künstlerin, ihr zur Flucht zu verhelfen. Deirdre flieht in die Berge, wo sie sich den Rebellen anschließt und ihre Gefährten wiederfindet. Später schließt sich ihr Themis an, sozusagen als erste Jüngerin.

Katein ist zwar außer sich vor Wut, dass ihr die wertvolle Fremde entwischt ist, doch sie muss sich dem Orakel der Erdmutter stellen # die konkurrierenden Herrscherhäuser haben sie des Hochverrats angeklagt. Sie wird wider Erwarten freigesprochen, und es gelingt ihr sogar, die anderen Häuser hinter sich zu bringen. Auf der Höhe ihres Ruhms angelangt, kann Katein nun mit ihrer Flotte in See stechen, um die Länder am Lavendelmeer ihrem Machtbereich einzuverleiben. Doch sie hat nicht mit der Überzeugungskraft Deirdres gerechnet, die sich ihr in den Weg stellt.

_Mein Eindruck_

Der Schlussband der „Deirdre“-Trilogie weist eine kunstvolle Erzähltechnik auf, die geschickt die Perspektiven der Hauptpersonen einander kontrastierend gegenüberstellt. Deirdre ist entsetzt über ein Land, in dem Frauen genauso schlimm herrschen und Untertanen ausbeuten, wie in ihrer Heimat dies Männer tun. Katein hingegen ist so von Machtgier besessen, dass sie ihre eigene Schwester tötet und Aufstände erbarmungslos niederschlägt.

Allmählich verschiebt sich (mit zahlreichen ironischen Aspekten) das Gleichgewicht zwischen den beiden, sodass Kateins Anhänger zu Deirdre überlaufen. Der Entscheidungskampf bleibt jedoch buchstäblich bis zur letzten Seite aufgeschoben. So ist dieser Schlussband ein außerordentlich spannendes, einfallsreiches und lebendiges Buch.

|Originaltitel: Lure (1986)
Taschenbuch: 382 Seiten
Aus dem Niederländischen übertragen von Hildegard Höhr
ISBN-13: 978-3453156081|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

Gijsen, Wim – Sandrose, Die (Deirdre 2)

_Die |Deirdre|-Trilogie_:

1. Band: [„Wendekreise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7624
2. Band: [„Die Sandrose“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7625
3. Band: [„Im Reich der Zauberinnen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7626

_Kampf mit den inneren Dämonen_

Mit der „Deirdre“-Trilogie hat Gijsen ein Juwel europäischer Fantasy geschrieben, das sich einfallsreich und wohltuend von der Einheitskost amerikanischer Fantasy abhebt. Mag der erste Band noch nicht besonders rasant gewesen sein, so entschädigen dafür doch die beiden Folgenbände durch mehr Action.

_Der Autor_

Wim Gijsen (1898-1990) ist einer der bekanntesten niederländischen Autoren. In Deutschland erschienen seine Science-Fiction-Romane „Die Ersten von Rissan“ (1980) und „Die Könige der Vorzeit“ sowie die Fantasy-Romane um Iskander den Traumdieb (alle bei Heyne). „Die Sandrose“ ist der zweite Band in der Trilogie um die junge Frau Deirdre, die dazu berufen scheint, die seit Jahrtausenden gespaltenen Völker, die um das Lavendelmeer herum siedeln, wieder zu versöhnen.

_Handlung_

Deirdre wurde als Kind von einer alten weisen Frau prophezeit, dass sie das Schicksal der Völker bewegen werde. Nun ja, im ersten Teil der Trilogie, Wendekreise, sah ihr Leben nicht danach aus: Sie wurde in die Leibeigenschaft verkauft und musste sich im Tempel der Göttin prostituieren.

Das Blatt wendet sich für Deirdre radikal, als die Äbtissin eines ihr bislang völlig unbekannten Kloster ssie freikauft und sie von einem Seemann namens Lodderein zu sich bringen lässt. Die Reise führt sie per Schiff übers Lavendelmeer, das so heißt, weil eine gefährliche Algenart mit dem Lavendelduft die Sinne der Menschen betäubt und sie so in Gefahr bringt.

Die Reise geht immer weiter, bis Deirdre mit ihren Gefährten mitten in der Wüste auf das Kloster Dodenisse stößt. Die geheimnisvolle Äbtissin namens Shihazar eröffnet Deirdre, dass sie sie freigekauft habe, weil Deirdre möglicherweise die geweissagte Bidahinne sei, die Befreierin der Völker, die erkennbar sei am Zeichen der Rose so ein Zeichen trägt Deirdre am Arm. Die aber hat so ihre Zweifel, das Mal stammt von einem Hundebiss.

Im Kloster erlernt Deirdre die Selbsterforschung, den Kontakt mit der Geisteswelt und die Telepathie allesamt sehr nützliche Dinge, wie sich zeigen soll. Shihazar schickt sie mit einem Dutzend Begleiter auf eine gefährliche Mission ins verborgene und feindliche Land Lure, um mit dessen Bewohner, die sich vor Urzeiten von der Glaubensrichtung Dodenisses abgespalten haben, Kontakt aufzunehmen und zu einem Einverständnis zu gelangen.

Als Führerin über den hohen Bergpass, den Deirdres Gesellschaft bezwingen muß, erweist sich die Gefangene Kateien, die aus Lure stammt. Doch kaum ist der Pass glücklich bezwungen, übernimmt die schon zuvor hochmütige Katein plötzlich das Kommando: Nur Deirdre kann den telepathischen Kräften der ehemaligen Hohepriesterin standhalten, ihre Gefährten werden gefangen.

Es sieht so aus, als habe Deirdre schlechte Karten in Lure. Doch die Göttin hält ihre Hand über die junge Bidahinne, die bald wieder den Glauben an sich gewinnt.

_Mein Eindruck_

Dieser Mittelband erzählt von Übergängen, Reisen und Wandlungen – die Lösung folgt erst im Schlussband. Höhepunkt ist sicherlich die Klostersitzung, auf der Deirdre zu Retterin der Welt der Bidahinne erklärt wird.

Die Action findet nicht in äußerlichen, sondern innerlichen, seelischen Kämpfen statt. Eindringlich weiß der Autor von Deirdres Initiation in die Anderwelt zu erzählen: In einem stockdunklen Raum in den Gängen der uralten Totenstadt, allein mit sich und ihren Dämonen Einsamkeit, Begierde und Tod.

Der Stil unterscheidet sich stark von amerikanischer Fantasy, weist viel weniger Dialoge und mehr Innenwelt auf. Zudem nimmt der Erzähler kein Blatt vor den Mund, wenn es um sexuelle Dinge geht nach dem Motto: Bloß keine falsche Scham!

Man darf auf den Schlussband gespannt sein.

|Originaltitel: Bidahinne (1985)
Taschenbuch: 333 Seiten
Aus dem Niederländischen übertragen von Hildegard Höhr
ISBN-13: 978-3453156050|
[www.heyne.de]http://www.heyne.de

Dick, Philip K. – Radio Freies Albemuth

_Der Autor_

Philip Kindred Dick (1928-1982) war einer der wichtigsten und zugleich ärmsten Science- Fiction-Schriftsteller seiner Zeit. Obwohl er fast 30 Jahre lang veröffentlichte (1953-1981), wurde ihm zu Lebzeiten nur geringe Anerkennung zuteil. Oder von der falschen Seite: Das FBI ließ einmal seine Wohnung nach dem Manuskript von „Flow My Tears, the Policeman Said“ (dt. als „Die andere Welt“ bei Heyne) durchsuchen. Okay, das war unter Nixon. Er war mehrmals verheiratet und wieder geschieden, philosophisch, literarisch und musikologisch gebildet, gab sich aber wegen des Schreibstress‘ durchaus dem Konsum von Medikamenten und Rauschdrogen wie LSD hin – wohl nicht nur auf Erkenntnissuche wie 1967.

Er erlebte noch, wie Ridley Scott 1980 seinen Roman „Do Androids Dream of Electric Sheep?“ zu „Blade Runner“ umsetzte und ist kurz in einer Szene in „Total Recall“ (1982) zu sehen (auf der Marsschienenbahn). „Minority Report“ und „Impostor“ sind nicht die letzten Storys, die Hollywood verfilmt hat.

Ben Affleck soll in naher Zukunft in einem Film namens „Paycheck“ auftreten, der auf der gleichnamigen Dick-Story aus dem Jahr 1953 beruht. An einem Skript zu Dicks Roman „Der dunkle Schirm“ wird seit Jahren gebastelt. Und vom Roman „UBIK“ hat Dick selbst ein Skript erstellt (das in der Heyne-Ausgabe vom 11/2003 enthalten ist), das aber noch keine Umsetzung gefunden hat.

_Der Roman_

Diese Urfassung von Dicks VALIS-Roman entstand 1975/76, wurde aber erst posthum in Dicks Nachlass gefunden und veröffentlicht. Er konnte das Manuskript seinerzeit nicht bei den Verlagen unterbringen, wohl auch aus politischen Gründen.

„Albemuth“ ist durchaus ein eigenständiger Roman und als solcher jedem Leser absolut verständlich, selbst wenn man die spätere Trilogie nicht gelesen hat. Es handelt sich um einen durch und durch politischen Roman, der mit Anspielungen auf reale Ereignisse Anfang der 70er Jahre gespickt ist.

Während Dick in der realen Welt mit der Geheimpolizei der Nixon-Regierung unliebsame Bekanntschaft machte, so sind es der Dick und sein Freund Brady in einer Parallelwelt, die sich gegen die Machenschaften Präsident Ferris F. Freemonts behaupten müssen. Freemont will offenbar die ganzen USA in ein riesiges Konzentrationslager verwandeln bzw. hat das schon getan.

Nicholas Brady, vom kleinen Plattenverkäufer (war PKD auch mal) zum bekannten Talentsucher der kalifornischen Popmusikbranche aufgestiegen, gerät unversehens in den Verdacht subversiver kommunistischer Tätigkeit. Dabei hatte er nur Kontakt mit sehr seltsamen Außerirdischen.

Mit Hilfe der von VALIS, einer außerirdischen Intelligenz, übermittelten Informationen finden Dick und Brady schließlich heraus, dass Freemont als Inkarnation des Bösen ausgeschaltet werden muss – und dass eine Schlacht im Gange ist, in der sich die Seite der Guten der Hilfe von Paralleluniversen versichert hat, um Freemont alias Nixon auszuschalten. Eine Invasion aus dem All scheint das letzte Mittel gegen den ultrakonservativen Präsidenten zu sein, der überall den Einfluss des Kommunismus wittert …

_Mein Eindruck_

Ein optimales Werk für Paranoiker also. All die Bezüge zu realen Ereignissen machen „Albemuth“ zu einem Schlüsselroman in Dicks Werk, der nicht nur für eingefleischte Dick-Fans interessant ist. Die Story selbst ist unterhaltsam und spannend im typischen Dick-Ton erzählt.

|Taschenbuch: 269 Seiten
Originaltitel: Radio Free Albemuth, 1975/76;
Aus dem US-Englischen übertragen von Peter Robert
ISBN-13: 978-3811837461|
[www.vpm.de]http://www.vpm.de

Viele weitere Rezensionen zu _Philip K. Dick_ findet ihr in unserer [Datenbank]http://buchwurm.info/book

Baldacci, David – Spieler, Die (Lesung)

_Die |Camel Club|-Serie:_

1) [„Die Wächter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4513
2) [„Die Sammler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5748
3) [„Die Spieler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7606
4) „Die Jäger“
5) „Hell’s Corner“ (noch ohne dt. Titel)

_Washington: Mord und Totschlag um ein tödliches Geheimnis_

Der geheimnisvolle Camel Club will die verborgenen Machenschaften der US-Regierung aufdecken, um Korruption und Betrug ein Ende zu bereiten. Auch Trickbetrügerin Annabelle Conroy hat sich dieser hehren Aufgabe verschrieben, doch unvermittelt wird sie selbst zur Gejagten. Nachdem sie den Mörder ihrer Mutter, einen skrupellosen Kasinoboss, um 40 Mio. Dollar erleichtert hat, steht sie als Nächste auf seiner Abschussliste.

Im Kampf um Leben und Tod ist ihr die Hilfe des Klubs gewiss. Die Karten werden jedoch neu gemischt, als dessen Anführer Oliver Stone von seiner Vergangenheit eingeholt wird und plötzlich selbst vor einem Killer fliehen muss … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

David Baldacci wurde 1960 in Virginia geboren, wo er heute lebt. Er wuchs in Richmond auf; sein Vater war Mechaniker und später Vorarbeiter bei einer Spedition, seine Mutter Sekretärin bei einer Telefongesellschaft. Baldacci studierte Politikwissenschaft an der Virginia Commonwealth University (B. A.) und Jura an der University of Virginia. Während des Studiums jobbte er u.a. als Staubsaugerverkäufer, Security-Guard, Konstrukteur und Dampfkesselreiniger. Er praktizierte neun Jahre lang als Anwalt in Washington, D. C., sowohl als Strafverteidiger als auch als Wirtschaftsjurist.

Neben seiner Arbeit als Schriftsteller engagiert sich Baldacci für eine Reihe karitativer und gesellschaftlicher Institutionen, darunter der National Multiple Sclerosis Society, der Barbara Bush Foundation for Family Literacy, der Virginia Foundation for the Humanities, der America Cancer Society, der Cystic Fibrosis Foundation und der Viriginia Commonwealth University. David Baldacci ist verheiratet und hat zwei Kinder: Tochter Spencer und Sohn Collin. Laut Verlag liegt die Gesamtauflage seiner Bücher weltweit bei über 55 Millionen Exemplaren.

Mehr Infos: [www.david-baldacci.com]http://www.david-baldacci.com (Verlagsinfo)

_Der Sprecher_

K. Dieter Klebsch absolvierte seine Schauspielausbildung an der Staatlichen Schauspielschule Berlin „Ernst Busch“. Seit 1973 wirkte er in verschiedenen Theater-, TV- und Kinoproduktionen mit. Seit 1976 ist Klebsch auch als Synchronsprecher tätig und leiht seine Stimme u. a. Alec Baldwin.

Klebsch liest eine von Kai Lüftner bearbeitete Fassung. Die Aufnahme in den d.c. studios NRW-Berlin, leiteten Dicky Hank und Dennis Kassel, die wohl auch das musikalische Motiv beitrugen (diese Angabe fehlt). Regie führte Kati Schaefer.

_Handlung_

Annabelle Conroy, 36, ist auf der Flucht. Sie hat den Gangster Jerry Beggar, den Mörder ihrer Mutter, um 40 Millionen Dollar betrogen. Anthony Wallace, der ihr Komplize war, ist schwer verletzt und drei weitere Personen sind in einer Villa getötet worden, sie selbst konnte entkommen, gerade noch. Doch Beckers Rache ist ihr gewiss. Sie muss die Hilfe des Camel Club in Anspruch nehmen, die man ihr sicher nicht verweigern wird. Sie kennt zumindest dessen Mitglieder Caleb Shaw und Oliver Stone.

Stone arbeitet auf dem Friedhof und wird am TV-Gerät Zeuge, wie Carter Gray, dem ehemaligen Sicherheitschef des Präsidenten, eine Medaille verliehen werden soll. Dabei plante doch Gray, den Präsidenten zu ermorden. Als Gray mit seiner Medaille aus dem Weißen Haus gefahren wird, zeigt er Stone den Stinkefinger, denn Stone hält ein Schild hoch, auf dem steht: „Ich will die Wahrheit wissen.“

Von Stone unbemerkt folgt Harry Finn dem Wagen von Gray zu dessen Wohnsitz an der Chesapeake Bucht. Er hat den Auftrag, Gray umzulegen. Nur zwei Wachen beschützen das Zielobjekt. Finn ist ein ehemaliger Spezialkämpfer der Marine, ein Navy SEAL. Er hat bereits einen Plan, wie der Mord gelingen kann. Denn unerkannt arbeitet er beim Heimatschutz.

Stone rät Anne Conroy dringend, nicht unterzutauchen, sondern in Washington zu bleiben und herauszufinden, was Beggar überhaupt weiß. Sie ist einverstanden, und Stone ruft den Club zusammen. Sie finden heraus, dass der Fall Beggar vom Justizministerium, also vom FBI, untersucht wird. Unterdessen folgt Stone einer Einladung Grays. Gray zeigt ihm Fotos dreier ehemaliger Kollegen Stones beim Secret Service: Sie wurden alle in den letzten zwei Monaten ermordet. Von wem und weshalb? Und Stone, der ehemalige Mr. John Carr, steht bestimmt ebenfalls auf der Liste des Killers. Am nächsten Tag wird Grays Haus in die Luft gejagt. Kein Wunder, dass das FBI ihn dringend sprechen will.

Stone hat damit kein Problem: Er besitzt zwar keine Ausweispapiere, aber dafür eine Belobigung vom FBI-Chef selbst. Grays Haus ist ein Trümmerfeld. Grays Leiche ist nicht eindeutig zu identifizieren. Es gibt verwirrende Berichte von Überlebenden, doch als Stone ein Druckventil findet, reimt er sich zusammen, dass der Täter im Haus Gas ausströmen ließ und es dann mit einem Schuss zur Explosion brachte. Dieser Schuss muss von einer Steilwand über der Brandung gekommen sein. Der Mörder ist ein verdammt guter Kletterer.

Aus alten Unterlagen, die er in einem Grab auf seinem Friedhof deponiert hat, fischt Stone ein altes Foto aus seiner Zeit beim CIA in Vietnam. Dort erledigte er mit drei Kollegen die Drecksarbeit für Gray und Roger Simpson, einen jetzigen Senator mit Ambitionen auf den Präsidentensessel. Haben diese beiden vielleicht ein Unrecht begangen, das gesühnt und nun auch ihren Untergebenen in die Schuhe geschoben werden soll?

Stone ruft Anne Conroy an. Sie ist in ihrer Heimatstadt in Maine, in Kennebunk. Dort fing alles an, was dann zu ihrer Vergeltung an Beggar führte. Beggar tötete ihre Mom, will Annes Vater ihm 10.000 Dollar geraubt hatte. Während er zu ihr fährt, erkundigen sich drei seiner Freunde vom Club in Atlantic City nach Jerry Beggar. Sie erfahren, dass er nach Washington geflogen ist. Caleb Shaw, ein weiteres Clubmitglied erhält in einer Bibliothek Beggars Besuch. Beggar bietet ihm viel Geld an, um an Annabelle Conroy heranzukommen, die mit Calebs Vorgänger liiert war. Caleb ruft aufgeregt Stone an, der in Maine ist. Dieser warnt Reuben in Atlantic City sowie Annabelle in Maine, die ihm falsche Papiere verschafft.

Es sieht ganz so aus, als müsste Stone nicht nur gegen den unbekannten Killer kämpfen, sondern auch sehr bald schon gegen den skrupellosen Jerry Beggar. Doch auch Carter Gray weilt keineswegs unter den Toten, sondern bereitet Stone schon bald ein unangenehmes Wiedersehen …

_Mein Eindruck_

Im typischen Baldacci-Stil springt die Erzählung von Szene zu Szene und wechselt dabei stets Schauplatz und Figuren. Schon bald hat der Hörer Mühe, den drei – oder waren’s vier? – Erzählsträngen zu folgen. Da ist zum einen Oliver Stone, dann Annabelle Conroy und ihr wiedergefundener Vater, die noch ein Hühnchen mit Jerry Beggar zu rupfen haben.

Schließlich taucht aus der Vergangenheit ein gewisser Harry Finn auf, der die ehemaligen Kollegen Stones bei der CIA eliminiert. Aber warum und in wessen Auftrag, fragen sich sich Stone und Carter Gray. Wie sich herausstellt, steckt Lesya, eine ehemalige russische Spionin, dahinter, die von Harry Finns Vater Ray Solomon für die CIA rekrutiert wurde. Doch zu welchem Zweck? Harry Finn ist hinter Stone alias John Carr her, weil dieser von Gray und Roger Simpson seinerzeit den Befehl erhielt, Solomon zu eliminieren. Solomon war ein unerwünschter Zeuge für eben jenen supergeheimen Zweck, den der US-Präsident nicht autorisiert hatte: die Ermordung der beiden sowjetischen Ministerpräsidenten Adropow und Tschernenko, denen 1986 Gorbatschow folgte.

Selbstverständlich darf nichts davon auch nur mit einem Sterbenswörtchen an die Öffentlichkeit gelangen, sondern wird der dritte Weltkrieg entfacht, suggeriert der Autor mehrfach. Also wächst bei allen Beteiligten der Druck, besonders bei Gray, Simpson und Stone. Indem sich jedoch Stone einfach an Finns Fersen heftet und ihm über die grüne Grenze nach Kanada folgt, stößt er auf Lesya und Geheimdokumente, die Grays und Simpsons Schuld am Anti-Andropow-Komplott beweisen. Brisanter Stoff! Lesya will Solomons Rehabilitation, Stone will Grays und Simpsons Ende.

Doch als sie in Washington eintreffen, ist dort die Lage bereits zu ihren Ungunsten gedreht worden – Gray ist auf alles vorbereitet. Deshalb kommt es direkt vor dem Capitol und dessen neuem Besucherzentrum zu einem explosiven Showdown, der sich gewaschen hat. Auch das Nachspiel bleibt spannend bis zur letzten Szene. Also: dranbleiben!

Man sieht also, dass der Autor nicht nur die Drecksarbeit der Spezialkommandos in Vietnam aufgearbeitet hat, sondern auch noch eine Erklärung für den vorzeitigen Tod der beiden Ministerpräsidenten Andropow und Tschernenko serviert. Sollen wir diesem Braten wirklich trauen? Lieber nicht, sonst könnte ja der dritte Weltkrieg ausbrechen.

Wem dieses ganze Geflecht von Querverbindungen und laufendem Szenenwechsel zu kompliziert ist, weil er lieber MTV schaut, der soll sich doch einfach das Buch zulegen. Da hat er dann Gelegenheit, jederzeit wieder zurückzublättern. Das Taschenbuch erscheint aber erst am 16. September 2011.

_Der Sprecher_

Die Stärke von Klebsch, dem Synchronsprecher von Alec Baldwin, bekannt als Jack Ryan in der Clancy-Verfilmung „Jagd auf Roter Oktober“, liegt nicht in der Charakterisierung. Seine Figuren klingen oftmals gleich, insbesondere die männlichen. Stone, Reuben, Gray und Simpson klingen alle recht ähnlich, auch wenn sie sich vielleicht eines anderen Tonfalls befleißigen. Die weiblichen Figuren, von denen es leider nur zwei (Annabelle und Lesya) gibt, klingen ebenfalls sehr ähnlich, aber wenigstens ist Annabelle jung und Lesya recht alt.

Klebschs Stärke liegt in der situationsbedingten Gestaltung der Stimmen. Hier kann er richtig aus sich herausgehen, wenn es darum geht, entrüstetes oder feierliches Pathos zu intonieren sowie wütende Proteste zu deklamieren. Er kann aber auch sehr leise sein, so etwa dann, wenn jemand flüstert. Dies alles und noch viel mehr bietet sein Vortrag.

Besonders gefiel mir seine Darstellung des Gangsters Jerry Beggar. Der droht, lacht und einmal brüllt er sogar. Das glatte Gegenteil ist hingegen ein alter CIA-Analytiker namens Max Hemmerling. Als Stone ihn besucht, schlottert hemmerling praktisch vor Angst, redet schnell und panisch. Wenig später ist er mausetot.

Gestört hat mich wiederholt Klebschs fehlerhafte Aussprache des Vornamens Reuben, der ziemlich häufig genannt wird, weil einer der „Wächter“ so heißt. Er spricht es [roiben] statt [ru:ben] aus.

|Die Musik|

Michael Marianetti hat das musikalische Motiv für das In- und das Outro beigetragen. Es handelt sich dabei hauptsächlich um eine im martialisch-bedrohlichen Rhythmus einer Marschtrommel eingebetteten Abfolge von Kadenzen.

_Die Übersetzung_

… durch Uwe Anton, einen früheren Übersetzer von Comictexten – lang ists her – ist kompetent gelungen. Allerdings hatte ich am Anfang Schwierigkeiten, alle Abkürzungen zuzuordnen. Dass es sich beim NIC um das Heimatschutzministerium handeln muss, begriff ich erst allmählich.

Anton hat einen erschreckend schweren Fehler schon in den ersten Kapiteln eingebaut. Da ist die Rede von einer „Foltermethode Surfbrett“. Das ergibt natürlich keinen Sinn. Gemeint sein dürfte wohl der allseits berüchtigte Begriff „Waterboarding“, der garantiert nichts mit Surfen zu tun hat, sondern mit dem simulierten Ersäufen eines Opfers. Mir ist schleierhaft, wie dieser Fehler in den Text geraten konnte.

_Unterm Strich_

In seiner üblichen Technik des spannenden Erzählens verknüpft Baldacci mehrere Handlungsstränge, um sowohl finstere Machenschaften aufzudecken als auch um ein altes Familiengeheimnis aufzudecken und zu sühnen. Dass dabei bestimmte Figuren auf der Strecke bleiben, andere aber überleben, versteht sich von selbst – mehr darf nicht verraten werden.

Seit „Der Abgrund“ hat Baldacci immer mehr Actionthriller geschrieben und mit den Romanen um den Camel Club (ab „Die Wächter“) verlegt er die Handlung regelmäßig in das Machtzentrum des Weißen Hauses. Damit macht er den amerikanischen Thrillern um Jason Bourne (Lustbader) und Alex Cross (Patterson) heftig Konkurrenz.

Baldacci schreckt nicht davor zurück, die Tode der beiden russischen Ministerpräsidenten Andropow und Tschernenko, die den Aufstieg Gorbatschows ermöglichten, der CIA unterzuschieben. Natürlich wusste der Präsident nichts davon! Aber klar doch. Und der Präsi genehmigte auch nie Foltermethoden wie Waterboarding (das hier fälschlich als „Surfbrett-Methode“ übersetzt wird). Schon klar.

|Das Hörbuch |

Klebsch versucht sein Möglichstes, um den Figuren Leben einzuhauchen. Während die Figuren meist ziemlich ähnlich Tonlagen haben, gelingt ihm sein Ziel am besten, indem er die Figuren in bestimmten Szenen mal laut, mal leise sprechen lässt. Dabei schreckt er auch nicht vorm Brüllen zurück. Doch keine Sorge, es wird auch geflüstert.

Leider ist dies nie Liebesgeflüster. Merkwürdig, dass sich zwischen Stone und Annabelle Conroy kein Techtelmechtel entwickelt. Aber er ist wohl „einfach zu alt für diesen Scheiß“, hat er doch schon in Vietnam gedient. Jedenfalls hat er nicht seine Kampffähigkeiten verloren. Der Hörer ist gut beraten, Action bis zum Schluss zu erwarten.

|6 Audio-CDs mit 455 Spieldauer
Originaltitel: Stone Cold (2007)
Aus dem US-Englischen von Uwe Anton
ISBN-13: 978-3-7857-4153-5|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_David Baldacci bei |Buchwurm.info|:_
[„Mit jedem Schlag der Stunde“ 2400
[„Im Bruchteil der Sekunde“ 836
[„Das Geschenk“ 815
[„Der Abgrund“ 414
[„Die Verschwörung“ 396
[„Das Versprechen“ 361
[„Die Versuchung“ 676
[„Im Takt des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5677
[„Im Takt des Todes“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5880
[„Die Sammler“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7058

Baldacci, David – Spieler, Die

_Die |Camel Club|-Serie:_

1) [„Die Wächter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4513
2) [„Die Sammler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5748
3) _“Die Spieler“_
4) „Die Jäger“
5) „Hell’s Corner“ (noch ohne dt. Titel)

_Der Camel Club in Aktion_

Der geheimnisvolle Camel Club will die verborgenen Machenschaften der US-Regierung aufdecken, um Korruption und Betrug ein Ende zu bereiten. Auch Trickbetrügerin Annabelle Conroy hat sich dieser hehren Aufgabe verschrieben, doch unvermittelt wird sie selbst zur Gejagten. Nachdem sie den Mörder ihrer Mutter, einen skrupellosen Kasinoboss, um 40 Mio. Dollar erleichtert hat, steht sie als Nächste auf seiner Abschussliste.

Im Kampf um Leben und Tod ist ihr die Hilfe des Klubs gewiss. Die Karten werden jedoch neu gemischt, als dessen Anführer Oliver Stone von seiner Vergangenheit eingeholt wird und plötzlich selbst vor einem Killer fliehen muss … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Autor_

David Baldacci wurde 1960 in Virginia geboren, wo er heute lebt. Er wuchs in Richmond auf; sein Vater war Mechaniker und später Vorarbeiter bei einer Spedition, seine Mutter Sekretärin bei einer Telefongesellschaft. Baldacci studierte Politikwissenschaft an der Virginia Commonwealth University (B. A.) und Jura an der University of Virginia. Während des Studiums jobbte er u.a. als Staubsaugerverkäufer, Security-Guard, Konstrukteur und Dampfkesselreiniger. Er praktizierte neun Jahre lang als Anwalt in Washington, D. C., sowohl als Strafverteidiger als auch als Wirtschaftsjurist.

Neben seiner Arbeit als Schriftsteller engagiert sich Baldacci für eine Reihe karitativer und gesellschaftlicher Institutionen, darunter der National Multiple Sclerosis Society, der Barbara Bush Foundation for Family Literacy, der Virginia Foundation for the Humanities, der America Cancer Society, der Cystic Fibrosis Foundation und der Viriginia Commonwealth University. David Baldacci ist verheiratet und hat zwei Kinder: Tochter Spencer und Sohn Collin. Laut Verlag liegt die Gesamtauflage seiner Bücher weltweit bei über 55 Millionen Exemplaren.

Mehr Infos: [www.david-baldacci.com]http://www.david-baldacci.com (Verlagsinfo)

_Handlung_

Annabelle Conroy, 36, ist auf der Flucht. Sie hat den Gangster Jerry Beggar, den Mörder ihrer Mutter, um 40 Millionen Dollar betrogen. Anthony Wallace, der ihr Komplize war, ist schwer verletzt und drei weitere Personen sind in einer Villa getötet worden, sie selbst konnte entkommen, gerade noch. Doch Beckers Rache ist ihr gewiss. Sie muss die Hilfe des Camel Club in Anspruch nehmen, die man ihr sicher nicht verweigern wird. Sie kennt zumindest dessen Mitglieder Caleb Shaw und Oliver Stone.

Stone arbeitet auf dem Friedhof und wird am TV-Gerät Zeuge, wie Carter Gray, dem ehemaligen Sicherheitschef des Präsidenten, eine Medaille verliehen werden soll. Dabei plante doch Gray, den Präsidenten zu ermorden. Als Gray mit seiner Medaille aus dem Weißen Haus gefahren wird, zeigt er Stone den Stinkefinger, denn Stone hält ein Schild hoch, auf dem steht: „Ich will die Wahrheit wissen.“

Von Stone unbemerkt folgt Harry Finn dem Wagen von Gray zu dessen Wohnsitz an der Chesapeake Bucht. Er hat den Auftrag, Gray umzulegen. Nur zwei Wachen beschützen das Zielobjekt. Finn ist ein ehemaliger Spezialkämpfer der Marine, ein Navy SEAL. Er hat bereits einen Plan, wie der Mord gelingen kann. Denn unerkannt arbeitet er beim Heimatschutz.

Stone rät Anne Conroy dringend, nicht unterzutauchen, sondern in Washington zu bleiben und herauszufinden, was Beggar überhaupt weiß. Sie ist einverstanden, und Stone ruft den Club zusammen. Sie finden heraus, dass der Fall Beggar vom Justizministerium, also vom FBI, untersucht wird. Unterdessen folgt Stone einer Einladung Grays. Gray zeigt ihm Fotos dreier ehemaliger Kollegen Stones beim Secret Service: Sie wurden alle in den letzten zwei Monaten ermordet. Von wem und weshalb? Und Stone, der ehemalige Mr. John Carr, steht bestimmt ebenfalls auf der Liste des Killers. Am nächsten Tag wird Grays Haus in die Luft gejagt. Kein Wunder, dass das FBI ihn dringend sprechen will.

Stone hat damit kein Problem: Er besitzt zwar keine Ausweispapiere, aber dafür eine Belobigung vom FBI-Chef selbst. Grays Haus ist ein Trümmerfeld. Grays Leiche ist nicht eindeutig zu identifizieren. Es gibt verwirrende Berichte von Überlebenden, doch als Stone ein Druckventil findet, reimt er sich zusammen, dass der Täter im Haus Gas ausströmen ließ und es dann mit einem Schuss zur Explosion brachte. Dieser Schuss muss von einer Steilwand über der Brandung gekommen sein. Der Mörder ist ein verdammt guter Kletterer.

Aus alten Unterlagen, die er in einem Grab auf seinem Friedhof deponiert hat, fischt Stone ein altes Foto aus seiner Zeit beim CIA in Vietnam. Dort erledigte er mit drei Kollegen die Drecksarbeit für Gray und Roger Simpson, einen jetzigen Senator mit Ambitionen auf den Präsidentensessel. Haben diese beiden vielleicht ein Unrecht begangen, das gesühnt und nun auch ihren Untergebenen in die Schuhe geschoben werden soll?

Stone ruft Anne Conroy an. Sie ist in ihrer Heimatstadt in Maine, in Kennebunk. Dort fing alles an, was dann zu ihrer Vergeltung an Beggar führte. Beggar tötete ihre Mom, will Annes Vater ihm 10.000 Dollar geraubt hatte. Während er zu ihr fährt, erkundigen sich drei seiner Freunde vom Club in Atlantic City nach Jerry Beggar. Sie erfahren, dass er nach Washington geflogen ist. Caleb Shaw, ein weiteres Clubmitglied erhält in einer Bibliothek Beggars Besuch. Beggar bietet ihm viel Geld an, um an Annabelle Conroy heranzukommen, die mit Calebs Vorgänger liiert war. Caleb ruft aufgeregt Stone an, der in Maine ist. Dieser warnt Reuben in Atlantic City sowie Annabelle in Maine, die ihm falsche Papiere verschafft.

Es sieht ganz so aus, als müsste Stone nicht nur gegen den unbekannten Killer kämpfen, sondern auch sehr bald schon gegen den skrupellosen Jerry Beggar. Doch auch Carter Gray weilt keineswegs unter den Toten, sondern bereitet Stone schon bald ein unangenehmes Wiedersehen …

_Mein Eindruck_

Im typischen Baldacci-Stil springt die Erzählung von Szene zu Szene und wechselt dabei stets Schauplatz und Figuren. Schon bald hat der Hörer Mühe, den drei – oder waren’s vier? – Erzählsträngen zu folgen. Da ist zum einen Oliver Stone, dann Annabelle Conroy und ihr wiedergefundener Vater, die noch ein Hühnchen mit Jerry Beggar zu rupfen haben.

Schließlich taucht aus der Vergangenheit ein gewisser Harry Finn auf, der die ehemaligen Kollegen Stones bei der CIA eliminiert. Aber warum und in wessen Auftrag, fragen sich Stone und Carter Gray. Wie sich herausstellt, steckt Lesya, eine ehemalige russische Spionin, dahinter, die von Harry Finns Vater Ray Solomon für die CIA rekrutiert wurde. Doch zu welchem Zweck? Harry Finn ist hinter Stone alias John Carr her, weil dieser von Gray und Roger Simpson seinerzeit den Befehl erhielt, Solomon zu eliminieren. Solomon war ein unerwünschter Zeuge für eben jenen supergeheimen Zweck, den der US-Präsident nicht autorisiert hatte: die Ermordung der beiden sowjetischen Ministerpräsidenten Adropow und Tschernenko, denen 1986 Gorbatschow folgte.

Selbstverständlich darf nichts davon auch nur mit einem Sterbenswörtchen an die Öffentlichkeit gelangen, sondern wird der dritte Weltkrieg entfacht, suggeriert der Autor mehrfach. Also wächst bei allen Beteiligten der Druck, besonders bei Gray, Simpson und Stone. Indem sich jedoch Stone einfach an Finns Fersen heftet und ihm über die grüne Grenze nach Kanada folgt, stößt er auf Lesya und Geheimdokumente, die Grays und Simpsons Schuld am Anti-Andropow-Komplott beweisen. Brisanter Stoff! Lesya will Solomons Rehabilitation, Stone will Grays und Simpsons Ende.

Doch als sie in Washington eintreffen, ist dort die Lage bereits zu ihren Ungunsten gedreht worden – Gray ist auf alles vorbereitet. Deshalb kommt es direkt vor dem Capitol und dessen neuem Besucherzentrum zu einem explosiven Showdown, der sich gewaschen hat. Auch das Nachspiel bleibt spannend bis zur letzten Szene. Also: dranbleiben!

Man sieht also, dass der Autor nicht nur die Drecksarbeit der Spezialkommandos in Vietnam aufgearbeitet hat, sondern auch noch eine Erklärung für den vorzeitigen Tod der beiden Ministerpräsidenten Andropow und Tschernenko serviert. Sollen wir diesem Braten wirklich trauen? Lieber nicht, sonst könnte ja der dritte Weltkrieg ausbrechen.

Wem dieses ganze Geflecht von Querverbindungen und laufendem Szenenwechsel zu kompliziert ist, weil er lieber MTV schaut, der soll sich doch einfach das Buch zulegen. Da hat er dann Gelegenheit, jederzeit wieder zurückzublättern.

_Die Übersetzung_

… durch Uwe Anton, einen früheren Übersetzer von Comictexten – lang ists her – ist kompetent gelungen. Allerdings hatte ich am Anfang Schwierigkeiten, alle Abkürzungen zuzuordnen. Dass es sich beim NIC um das Heimatschutzministerium (das eigentlich DHS abgekürzt wird) handeln muss, begriff ich erst allmählich.

Anton hat einen erschreckend schweren Fehler schon in den ersten Kapiteln eingebaut. Da ist die Rede von einer „Foltermethode Surfbrett“. Das ergibt natürlich keinen Sinn. Gemeint sein dürfte wohl der allseits berüchtigte Begriff „Waterboarding“, der garantiert nichts mit Surfen zu tun hat, sondern mit dem simulierten Ersäufen eines Opfers. Mir ist schleierhaft, wie dieser Fehler in den Text geraten konnte.

_Unterm Strich_

In seiner üblichen Technik des spannenden Erzählens verknüpft Baldacci mehrere Handlungsstränge, um sowohl finstere Machenschaften aufzudecken als auch um ein altes Familiengeheimnis aufzudecken und zu sühnen. Dass dabei bestimmte Figuren auf der Strecke bleiben, andere aber überleben, versteht sich von selbst – mehr darf nicht verraten werden.

Seit „Der Abgrund“ hat Baldacci immer mehr Actionthriller geschrieben und mit den Romanen um den Camel Club (ab „Die Wächter“) verlegt er die Handlung regelmäßig in das Machtzentrum des Weißen Hauses. Damit macht er den amerikanischen Thrillern um Jason Bourne (Lustbader) und Alex Cross (Patterson) heftig Konkurrenz.

Baldacci schreckt nicht davor zurück, die Tode der beiden russischen Ministerpräsidenten Andropow und Tschernenko, die den Aufstieg Gorbatschows ermöglichten, der CIA unterzuschieben. Natürlich wusste der Präsident nichts davon! Aber klar doch. Und der Präsident genehmigte auch nie Foltermethoden wie Waterboarding (das hier fälschlich als „Surfbrett-Methode“ übersetzt wird). Schon klar.

Merkwürdig, dass sich zwischen Stone und Annabelle Conroy kein Techtelmechtel entwickelt. Aber er ist wohl „einfach zu alt für diesen Scheiß“, hat er doch schon in Vietnam gedient. Jedenfalls hat er nicht seine Kampffähigkeiten verloren. Der Leser ist gut beraten, Action bis zum Schluss zu erwarten.

|Taschenbuch: 480 Seiten
Originaltitel: Stone Cold (2007)
Aus dem US-Englischen von Uwe Anton
ISBN-13: 978-3404160808|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

_David Baldacci bei |Buchwurm.info|:_
[„Mit jedem Schlag der Stunde“ 2400
[„Im Bruchteil der Sekunde“ 836
[„Das Geschenk“ 815
[„Der Abgrund“ 414
[„Die Verschwörung“ 396
[„Das Versprechen“ 361
[„Die Versuchung“ 676
[„Im Takt des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5677
[„Im Takt des Todes“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5880
[„Die Sammler“ (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7058

Prineas, Sarah – Auf der Spur der silbernen Schatten (Der magische Dieb 2)

_|Der magische Dieb|-Trilogie:_

Band 1: „Auf der Jagd nach dem Stein der Macht“
Band 2: _“Auf der Spur der silbernen Schatten“_
Band 3: „Auf der Suche nach dem goldenen Drachen“ (08.02.2013)

_Ein Zauberlehrling im Clinch mit dem Osama bin Laden der Wüste_

Im ersten Band der Trilogie wurde der junge Dieb Connwaer von dem Zauberer Nevery als Lehrling angenommen. Er gerät in den Machtkampf zwischen den Magiern, der Herzogin und dem finsteren Underlord Crowe, der einen unlizensierten Magier beschäftigt, wie Conn weiß. Alles hat damit zu tun, dass die magische Energie im Herzogtum Wellmet rapide abnimmt und Verfall einsetzt. Doch wer steckt dahinter?

Conn hat es herausgefunden und den Schaden behoben. Doch nun tauchen (in Band 2) furchtbare Schattenwesen auf, die ihre Opfer in Stein verwandeln. Die Magie von Wellmet versucht Conn zu warnen, stößt aber auf taube Ohren. Erst ein schrecklicher Unfall zwingt ihren Jünger Conn, Wellmet zu verlassen und in der Wüstenstadt Desh nach der Herkunft der Schattenwesen zu suchen …

_Die Autorin_

Sarah Prineas lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Iowa City und unterrichtet an der dortigen Universität u.a. Literatur und kreatives Schreiben. „Der magische Dieb – Auf der Jagd nach dem Stein der Macht“ war ihr Romandebüt und Auftakt zur gleichnamigen Trilogie. Mehr Infos: [www.der-magische-dieb.de]http://www.der-magische-dieb.de

_Handlung_

Connwaer, der magiebegabte Dieb, hat in seinem letzten Abenteuer die Stadt Wellmet vor dem Verschwinden der Magie, die sie wärmt und erhellt, bewahrt. Allerdings kam es bei seiner Rettungsaktion zu einer Explosion, bei der er seinen Zauberstein, den Locus magicalicus, verlor. Ohne diesen ist er nicht mehr als Zauberer qualifiziert.

Außerdem verbreitet er noch ketzerische Reden, die den Rat der Magier in rasende Wut versetzen: dass nämlich die Magie ein eigenständiges Wesen sei, und dass Zaubersprüche nur eine Methode, um mit diesem Wesen zu kommunizieren. Frechheit! Für seine Aufstiegschancen in der Zauberer-Community sieht es denkbar schlecht aus.

Bei der Explosion hat er direkten Kontakt mit der Magie von Wellmet aufgenommen. Diesen Erfolg will er nun wiederholen, denn er glaubt, dass die Magie etwas mitteilen will. Womöglich sogar eine Warnung. Denn es ereignen sich unerklärliche Todesfälle in Wellmet und zwar nicht nur im Armen- und Arbeiterviertel Twilight, sondern auch im Reichenviertel Sunrise: Menschen werden versteinert. Aber wodurch und von was?

Um dies herauszufinden, will Connwaer eine klitzekleine, wirklich nur eine winzige Explosion in seiner Stube in Magier Neverys Haus zustande bringen. Leider machen die Zutaten flüssiges Silbes und Tourmalefine ihm einen dicken Strich durch die Rechnung, indem sie sich verselbständigen. Die Detonation ist recht beachtlich und verwüstet die Stube. Immerhin gibt es einen Erfolg: Die Magie versorgt Connwaer mit einem ellenlangen Zauberspruch. Leider versteht er davon nur den Namen „Desh“. Dies ist die nächstgelegene Stadt im Süden. Sie wird von dem Zauberkönig Jaggus beherrscht.

Entgegen der Proteste von Meister Nevery besorgt sich Connwaer mit der finanziellen Unterstützung seiner Freundin Rowan, der unternehmungslustigen Tochter der Herzogin, eine Menge Nachschub für seine Explosionen. Den bekommt er nur in Twilight. Dort warnt man ihn vor den Schatten, den Bösen. Und tatsächlich versucht ihn so ein Schattenwesen zu überwältigen und in Stein zu verwandeln. Bei dem Jungen Dee ist es ihnen bereits gelungen. Er entdeckt, dass diese tödlichen Wesen aus dunklem Silber bestehen, einer verdrehten Form von flüssigem Silber. Doch wem gehorchen sie? Nevery sagt, dass der Hauptlieferant von flüssigem Silber die Minen von Desh seien …

Die nächste Explosion zerstört Nevrys Haus vollständig und verletzt den Hausdiener Benet schwer, von Neverys Bibliothek ganz zu schweigen. Connwaer kann von Glück sagen, dass er noch am Leben ist. Nun ist seine Verbannung unvermeidlich, Connwaer muss fort und die Wärme der Wellmet-Magie verlassen. Das mit Benet tut ihm von Herzen leid. Aber da Rowan im Auftrag ihrer Mutter bereits nach Desh unterwegs ist, um als Diplomatin Jaggus nach den Schatten zu befragen, braucht er sich ihr nur anzuschließen.

Denkt er. Doch wie sich herausstellt, ist er bei Rowan und ihren Beschützern alles andere als willkommen. In Desh allerdings ist es nur Connwaers Schlossknackerkunst zu verdanken, dass Rowan überhaupt etwas herausfindet. Und was sie dort erfahren, ist alles andere als ungefährlich …

_Mein Eindruck_

Wie schon im ersten Band der Trilogie (siehe meinen Bericht) freute ich mich über den unerschrockenen Einfallsreichtum des Zauberlehrlings, der überhaupt nicht brav ist. Seine Situation ist weit entfernt von den geregelten Abläufen einer Internatsschule wie Hogwarts. Und Harry Schotter wäre niemals Weltmeister im Schlösserknacken geworden.

Wenigstens hat Connwaer in Rowan eine mindestens ebenso unternehmungslustige Gefährtin, auch wenn er sie nicht immer fair behandelt. Aber sie ahnt im Herzen, dass er der einzige Magier ist, der Wellmet retten kann. Denn die alten, verknöcherten Magier-Knacker sperren sich für jede Idee, die auch nur im Ruch steht, neu zu sein – und somit ihre Autorität infrage stellt.

Als Tochter der Herzogin bricht Rowan nach Desh auf. Sie hat dort eine diplomatische Mission zu erfüllen, und ihre Fechtkünste sollen ihr ebenfalls gute Dienste erweisen. Die Fechtlektionen, die sie ihren Lehrer Argent dem ungeschickten Connwaer erteilen lässt, sind allerdings kein Quell der Freude für die beiden, sondern nur für uns, die Leser. Connwaer kommt eben aus der Gosse von Twilight, und als Gossenkind befleißigt er sich durchaus unlauterer Kampfmethoden.

Diese Szenen dienen der Vorbereitung auf das, was die Wellmet-Delegation in Desh erwartet. Von König Jaggus ist kein verräterisches Wort herauszubekommen, und auch sein Locus Magicalicus ist nirgendwo zu finden. Erst als es Conn gelingt, in dessen geheimes Arbeitszimmer einzudringen, wird ihm klar, was Jaggus vorhat: Er produziert dunkles Silber, um damit die Magie von Desh in seine Gewalt zu bringen, Nicht genug damit, schickt er auch noch Schatten aus, um auch Wellmet zu terrorisieren. Erst als Jaggus den Zauberlehrling gefangen nimmt, wird klar, dass noch mehr dahintersteckt: Die Magie des Schreckens hat Jaggus in Besitz genommen, und der genießt nun scheinbar unbegrenzte Macht.

Spannend wird es, als Jaggus Arhionvar, die Magie des Schreckens, auf Conn loslässt. Wird sie ihn ebenfalls verschlingen?

|Terroristen aus der Wüste|

Dass diese Handlung eine Parabel, lässt sich unschwer erkennen. Schon im ersten Band war die Aussage sehr deutlich: Die Magie ist dort nur eine weitere Form von Energie, die Wärme und Helligkeit spendet. Hier geht es nun um das Gegenteil. Die Schatten sind eine pervertierte Form von Magie, die Terror verbreiten sollen. Ihre Opfer erstarren buchstäblich vor Angst zu Stein. Die Parallele zum Terrorismus unserer Tage ist unübersehbar.

Deshalb ist es interessant zu schauen, wie die Autorin Terrorismus Begriffen der Magier-Fantasy erklärt. Jaggus, der Entsender der Schatten (= Agenten), genießt die Macht, die er durch seine Schreckensherrschaft erlangt. Doch er erweist sich selbst nur als Nutznießer und Agent einer größeren Macht. Ahrionvar, die Magie des Schreckens, hat von ihm Besitz ergreifen können, weil er es zuließ.

Jaggus weist Conn eindringlich auf die Ähnlichkeit zwischen ihnen beiden hin. Sie waren beide einsame Waisenkinder, die Hilfe und Anerkennung suchten. Jaggus ließ sich von Arhionvar besitzen, um nicht mehr einsam und allein sein zu müssen. Und auch Conn sucht den Kontakt zur Magie von Wellmet. Allerdings gibt es einen gravierenden Unterschied: Conn hat Rowan, Nevery und Benet, die ihn alle unterstützen.

Nicht nur dies hilft ihm, Arhionvars Angriff zu parieren. Conn hat beinahe Benets Leben auf dem Gewissen, einen Mann, den er liebt wie eine Mutter. (Nevery stellt die Vaterfigur dar.) Conn hat eine Schuld auf sich geladen. Würde er sich in die Hand des Schreckens begeben, dann wird er nicht nur diese Schuld verraten, sondern sich auch noch auf jene Seite stellen, die Benet so schwer verletzt hat. Es würde sich selbst doppelt verraten.

Man sieht also, dass die Autorin nicht nur eine Beschreibung des Terrorismus liefert, den sie als Herrschaftsinstrument interpretiert. Sie zeigt auch auf, wie es gelingen sollte, dem Terrorismus standzuhalten und sich nicht mit ihm und seinen Mechanismen gemein zu machen. Die Opfer verpflichten die Überlebenden, dem Terror abzuschwören – und ihm zu widerstehen. Wer dies unterlässt, verliert die Essenz dessen, was ihn menschlich macht – siehe Jaggus.

|Die Sendboten|

Die gute Magie hat ihre eigenen Sendboten, und sie treten in vielfältiger Zahl auf. In Wellmet sind es die Raben, die Conn auf Schritt und Tritt beobachten und später auch als Brieftauben dienen. In Desh nehmen ihre Stellen die Eidechsen ein, die überall zu finden sind – und die Jaggus abgrundtief hasst. Das ergibt einen Sinn, denn Jaggus ist als Diener der bösen Magie ein Feind aller Sendboten des Guten. Allerdings vermeidet die Autorin es, alles in gut und böse einzuteilen, als gäbe es weiße und schwarze Magie. Bei ihr ist der Übergang fließend, genau wie in der Realität.

|Schwächen|

Das Buch ist gut, aber nicht perfekt. So empfang ich den Schluss als Cliffhanger: Die Auflösung einer zentralen Frage fehlt nämlich meines Erachtens. Wenn Ahrionvar in Conns Kopf und Seele eingedrungen ist, wie soll es ihm gelingen, sie von dort wieder zu entfernen? Diese Frage scheint sich gar nicht zu stellen. Aber warum die böse Magie auf einmal verschwinden sollte, wird nie begründet. Meines Erachtens hat sie keinen Grund dazu. Ich hoffe sehr, dass der dritte Band, der im Februar 2013 bei uns erscheinen soll, die fehlende Antwort liefert.

Außerdem fand ich es ungewöhnlich, um nicht zu sagen: unplausibel, dass Rowan ihrem Freund praktisch alles durchgehen lässt und ihm alles nachsieht. Sie ist wie eine gütige Mutter oder ein guter Geist, die keinerlei Kritik übt, obwohl sich Conn dich einiges zuschulden kommen lässt. Aber wenigstens rettet er ihrer Mutter das Leben. Vielleicht ist sie ja einfach nur dankbar?

|Anhänge|

In den vier Anhängen findet der junge Leser Angaben über die wichtigsten Personen, die herausragenden Orte wie etwa die Akademie, sodann die Erklärung zum Runenalphabet, das wir unter Neverys Tagebucheinträgen sehen und zuletzt vier Backrezepte: Benets Brötchen und Conns Brötchen. Brötchen wirken zwar unscheinbar, doch unserem Helden verleihen sie auf seinen Schleichwegen Kraft und Durchhaltevermögen. Den Abschluss bilden Rowan Forestals Anmerkungen zum Schwertkampf, in denen die wichtigsten Grundbegriffe erklärt werden.

|Illustrationen|

Das Buch ist wunderschön illustriert. Die Bleistiftzeichnungen zeigen die wichtigsten Gebäude in Wellmet sowie diverse Wesen, beispielsweise die Schattenwesen. Allerdings tauchen diese Zeichnungen immer wieder als Leitmotive auf, quasi als Embleme, die eine bestimmte Örtlichkeit oder Person signalisieren. Da zahlreiche Briefe und Botschaften ausgetauscht werden, sind diese auch zu reproduzieren – inklusive Tintenflecken und Eidechsenfährten.

|Die Übersetzung |

Die Übersetzung ist außerordentlich gut gelungen. Ich stieß nur auf nur drei, vier Fehler, die meisten davon Endungsfehler.

_Unterm Strich_

Ich habe nur einen Nachmittag für diese flott geschriebene, actionreiche und spannende Geschichte benötigt. Die zahlreichen Botschaften und Briefe, die auf Pergament-Faksimile so groß gedruckt sind, sparen jede Menge Seiten, ebenso die umfangreichen Anhänge. So bleiben für die eigentliche Story nur etwa 260 Seiten übrig, die ratzfatz ausgelesen sind.

Das soll nicht bedeuten, dass die Handlung geradlinig vor sich hinplätschert. Es gibt durchaus ein paar Komplikationen, aber sie sind so schnell bewältigt, dass sie den Lesehunger nicht stoppen können. Es sind immer wieder die Auseinandersetzungen mit den Handlangern von Jaggus, der eine Art Osama bin Laden der Wüste darstellt, die für Spannung und Action sorgen. Diese Spannung wird immer wieder durch ironisch-humorvolle Szenen, in denen sich Conn entweder als Fechter-Niete, als gemeingefährlicher Chemiker oder als Schlossknackergenie erweist.

Ich würde das Buch ab etwa zehn Jahren empfehlen.

Wegen des Cliffhanger-Charakters des Buchschlusses bin schon sehr gespannt auf die Fortsetzung, der allerdings erst im Febriuar 2013 bei uns erscheinen soll.

|Taschenbuch: 287 Seiten
Originaltitel: The Magic Thief: Lost (2009)
Vom Verlag empfohlenes Lesealter: 10 – 12 Jahre
Aus dem Englischen von Knut Krüger
ISBN-13: 978-3570223376|
[www.randomhouse.de/cbjugendbuch]http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

Parker, Robert B. – Perchance to Dream

_Unterhaltsamer, ironischer: Philip Marlowes neuer Fall_

Carmen Sternwood, ein neurotisches blondes Gift, ist aus dem Sanatorium verschwunden. Und Philip Marlowe, Privatdetektiv und Blondinenexperte, soll sie schleunigst wiederfinden. Der Auftrag führt Marlowe zurück auf die schäbigen Straßen von Los Angeles, in ein düsteres Labyrinth des Verbrechens, in dem sündige Engel und schlagringbewehrte Mobster, kalte Killer und miese Bullen nur auf ihn warten. Eins weiß er sicher, dass weiße Spitzenbüstenhalter immer schon gefährlicher als 45er Revolver waren. Und bei der Schwester der Gesuchten hat er gute Chancen, endgültig unter die Räder zu kommen … (Verlagsinfo)

Die Übersetzung „Tote träumen nicht“ erschien 1991 bei Knaus als Teil 9 der „Philip Marlowe“-Serie.

_Die Autoren_

1) Der US-Autor Robert B. Parker, geboren 1932, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Der ehemalige Professor für Amerikanische Literatur Robert B. Parker lebte mit seiner Frau Joan in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen viele seiner Krimis.

Neben seinen etwa 60 Krimis schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten Chandler-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O. K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

2) Raymond Chandler

Raymond Thornton Chandler wurde am 23. Juli 1888 in Chicago geboren. Der alkoholsüchtige Vater verließ die Familie, als Raymond sieben Jahre alt war. Die Mutter siedelte mit dem Jungen nach Großbritannien über. Auf dem College beschäftigte er sich vor allem mit Malerei und mit Literatur. Um die Sprachen zu lernen, ging Chandler jeweils für ein Jahr nach Frankreich und nach Deutschland.

1907 nahm Chandler die britische Staatsbürgerschaft an und arbeitete für kurze Zeit beim britischen Naval Stores Branch. Dann verdingte er sich als Reporter für den London Daily Express und die Bristol Western Gazette. Nebenbei veröffentlichte er mehrere Gedichte und seine erste Erzählung. 1912 kehrte er in die USA zurück und schlug sich in Los Angeles mit den unterschiedlichsten Jobs durch. In Abendkursen eignete sich Chandler Buchhaltung und Rechnungswesen an.

1917 meldete Chandler sich zur kanadischen Armee. Er machte eine Ausbildung bei der Luftwaffe, doch kurz vor dem Abschluss seines Trainings war der Krieg in Europa vorbei. Chandler kehrte nach Los Angeles zurück und wurde Buchhalter einer Molkerei. 1922 übernahm er den Posten des Buchhalters in einer Öl-Firma und stieg binnen kurzer Zeit zum Vize-Präsidenten auf. Zwei Jahre später heiratete er Cissy Pascal, die fast 18 Jahre älter war als er selbst.

1932 verlor Chandler seinen Posten, weil er zu viel trank und häufig krankfeierte. Von nun an widmete sich Raymond Chandler ganz dem Schreiben. Er arbeitete fünf Monate an einer Erzählung, die er schließlich dem Magazin »Black Mask« verkaufte: 1933 erschien Chandlers erste Kriminalgeschichte. In seiner vierten Geschichte »Killer in the Rain« tritt zum ersten Mal Philip Marlowe auf, der zum Prototypen des amerikanischen Detektivs wird. 1939 erschien Chandlers erster Roman „Der große Schlaf“. Seine Romane entstanden aus dem Zusammenfügen und verdichten mehrerer Geschichten.

Anfang der vierziger Jahre begann Chandlers Kontakt mit Hollywood. Es gelang ihm, die Film-Rechte an seinen ersten Romanen zu verkaufen. Billy Wilder überredete ihn 1943, gemeinsam ein Drehbuch des Romans »Double Indemnity« von James M. Cain zu schreiben. Für sein Script zu »The Blue Dahlia« wurde Chandler für den Oscar nominiert.

Chandlers Frau Cissy verstarb im Dezember 1954 nach langer, schwerer Krankheit. Ihr Tod warf Chandler aus der Bahn. Er verfiel dem Alkohol und unternahm einen Selbstmordversuch. Chandler reiste viel, auch nach Europa. Er starb am 26. März 1959 in LaJolla, Kalifornien.

Krimis von Raymond Chandler:

|Die Philip-Marlowe-Reihe:|

o (1939) Der große Schlaf (The Big Sleep )
o (1940) Lebwohl, mein Liebling (Farewell, My Lovely )
o (1942) Das hohe Fenster (The High Window )
o (1943) Die Tote im See (The Lady in the Lake )
o (1949) Die kleine Schwester (The Little Sister )
o (1953) Der lange Abschied (The Long Good-bye )
o (1958) Playback (Playback )
o (1989) Einsame Klasse (vollendet von Robert B. Parker: Poodle Springs)
o (1991) Tote träumen nicht (Fortsetzung zu »Der große Schlaf« von Robert B. Parker: Perchance to dream)

_Handlung_

|PROLOG|

Da dies die Fortsetzung von „The Big Sleep“ ist, schickt der Autor der Haupthandlung das Beschlusskapitel von „The Big Sleep“ voraus. In rückblickenden Aussagen von Philip Marlowe und seiner Beinahe-Geliebten Vivian Sternwood erfahren wir so, um was es überhaupt gegangen ist.

Und auf diese Weise erinnern sie uns daran, welche Figuren und Namen im Vorgänger wichtig sind und wahrscheinlich wieder auftauchen werden, so etwa der zwielichtige Eddie Mars, ein Club-Besitzer oder der verblichene Rusty Regan. Wer hat ihn eigentlich auf dem Gewissen? Hier wird es geklärt. Und eines wird dabei sehr deutlich: Vivians Schwester Carmen ist völlig unzurechnungsfähig …

|Haupthandlung|

General Sternwood ist gestorben, friedlich im Bett, sollte man betonen. Vivian hat Carmen auf Marlowes Anraten in ein Sanatorium geschickt. Doch nun erfährt er von ihrem Butler Norris, dass Carmen dort seit zwei Tagen nicht mehr gesehen worden ist. Vivian behauptet, sie habe bereits Eddie Mars gebeten, sich darum zu kümmern, doch der tut so, als wisse er von nichts. Und der Leiter des Resthaven-Sanatorium, „Dr.“ Bonsentir, der nirgendwo als Arzt registriert ist, wirft Marlowe durch zwei seiner Gorillas kurzerhand raus.

Das lässt sich Marlowe nicht lange bieten. Obwohl ihn die Cops, Eddie Mars und auch Vivian davor warnen, Bonsentirs Weg zu kreuzen, weil dieser Protektion ganz oben genieße, dringt der Privatdetektiv ein. Es gelingt ihm, mit einer alten Patientin zu sprechen, Mrs. Swayze liest gerade ein knallhartes Pornoheft, das selbst Marlowe rotwerden lässt. Kaum hat sie einen Namen erwähnt, dringt schon wieder einer der Gorillas auf Marlowe ein. Doch dieser ist gewappnet und verlässt ungeschoren das Feld.

Der unter solchen Mühen errungene namen laut „Simpson“. Er gibt über 100 davon in L. A., doch Vivian kennt den Betreffenden: Ronald Simpson ist ein Multimillionär, der abgeschieden und abgeschottet in einer Burg lebt – das findet Marlowe bei einem kleinen Besuch heraus. Aber auch nicht mehr, denn Simpsons PERSÖNLICHE Assistentin, die Königin Victoria Konkurrenz machen könnte, sagt keinen Piep und weiß von nichts. Sternwood? Nie gehört! Wen will sie eigentlich auf den Arm nehmen, fragt sich Marlowe.

Lt. Ohls, der Distriktsheriff, nimmt ihn zu einem Leichenfund mit: Ist es Carmen? Doch die Leiche einer jungen Frau ist als schwarzhaarig zu erkennen, selbst wenn ihr der Kopf fehlt. Bemerkenswert ist aber, dass in einem Streichholzheftchen die Telefonnummer von Carmen (oder Vivian) steht. Als Ohls und Marlowe „Dr.“ Bonsentir einen Besuch abstatten, um nach Carmen zu fragen, sagt der Arzt, sie sei nicht mehr da – ebenso wenig wie Marlowes Zeugin. Und Bonsentir gibt Ohls seinen Telefonhörer: Der Bezirksstaatsanwalt ist dran. DA Wilde vergattert sie dazu, die Finger von Bonsentir zu lassen, über den Simpson bekanntlich die Hand hält. Aber beide lassen durchblicken, dass diese Zurückhaltung nicht für Marlowe gelte …

Auch Vivian kann ihren neuen Lover Marlowe nicht davon abhalten, dem Sadomasochisten Simpson das Handwerk zu legen. Er weiß, dass er sich dann mit Simpsons Freunden, dem Gouverneur von Kalifornien und dem Präsidenten der Vereinigten Staaten, anlegt. Na und? Was hat er schon zu verlieren? Nur seinen Sinn für Gerechtigkeit. Und das Leben einer unzurechnungsfähigen Frau. Und beides kann Marlowe niemals zulassen.

Dann macht der Gegner einen dummen Fehler und Marlowe bekommt den ersten Hinweis darauf, was Simpson und Bonsentir im Schilde führen.

_Mein Eindruck_

Ich muss zugeben, ich war teils erfreut und teils enttäuscht. Erfreut war ich über das Wiedersehen mit Spenser, denn dessen Charakter füllt nun die Persona von Philip Marlowe aus: gesellig, witzig, selbstironisch, unerschrocken und ein Teamarbeiter – also so ziemlich das Gegenteil von Chandlers einzelgängerischem Marlowe.

Marlowe verbündet sich sogar mit dem zwielichtigen Nachtklubbesitzer Eddie Mars, ein Schachzug, den der Original-Marlowe wohl nicht einmal in Betracht gezogen hätte. Aber Parkers Marlowe lässt fünfe auch mal gerade sein und billigt den Verbrechern eine Existenzberechtigung zu. Ganz besonders dann, wenn sie ihm dazu verhelfen, seine Mission zu erfüllen. Ironischer- oder traurigerweise ist es am Schluss Eddie Mars, der Vivian Sternwood trösten wird. Denn Marlowe, der proletarisch lebende Outcast, passt einfach in die Nobelhütte der Millionenerbin. Aber er erweist dem verblichenen General die letzte Ehre.

Worum geht es nun eigentlich in dieser Fortsetzung des Klassikers? Wer gedacht hat, dass Bonsentir ein mieser Kerl ist, ist auf der richtigen Fährte: Er ist Simpsons Zuhälter, dessen Mentor und wohl auch der Initiator des riesigen Dings, das die beiden in den Bergen drehen wollen: ein Wasserdiebstahl in gigantischem Ausmaß.

Diesem geplanten Verbrechen kommt Marlowe schrittchenweise und durch hartnäckiges Nachfragen auf die Spur. Eine verwitwete Journalistin aus altem Schrot und Korn steht ihm dabei hilfreich gegen Simpsons zwielichtige Typen, zu denen auch zwei Dorfpolizisten gehören, zur Seite. Chandler hätte solche uramerikanischen Szenen niemals schreiben können, glaube ich (ich muss noch viel von ihm lesen), aber Parker bringt die Szenen mit Pauline Snow ganz natürlich rüber – und mit jeder Menge bodenständigem Humor. Spenser in Aktion! Zusammen stoßen sie auf blutige Spuren eines Verbrechens – und auf die Herkunft der zerstückelten Frauenleiche.

Nun ist die Hauptfrage, die Marlowe immer wieder um die Ohren gehauen wird, die nach den handfesten Beweisen für Simpsons und Bonsentirs Verbrechen und Machenschaften. Wer Parkers bzw. Spensers Arbeitsmethode kennt, der ahnt schon, dass nur eine direkte Konfrontation mit dem großen Hintermann selbst die Lösung des Rätsels und Problems bringen kann. Außerdem muss Marlowe noch Carmen aufspüren. Die beste Gelegenheit bietet sich, als Simpsons Riesenyacht an der Küste vor Anker und Bonsentir an Bord geht …

Und hier beginnt der enttäuschende Teil. Das Finale hatte ich mir aufgrund der „Spenser“-Krimis fulminanter und actionreicher vorgestellt. Stattdessen ist es eine Mischung aus mitleiderregender Komödie auf Seiten von Simpson/Bonsentir, hirnlosem Dauernkichern auf Seiten von Carmen und Heldentum wider Willen auf Seiten von Marlowe. Von Spensers Souveränität also keine Spur.

Man könnte allerdings mit Fug und Recht einwenden, dass Marlowe keineswegs Spensers Verhalten entsprechen muss. Deshalb muss er auch weder perfekt sein noch Spensers Körperstärke und Gewaltbereitschaft aufweisen. Wer solche Eigenschaften erwartet, wird enttäuscht. Und Spenser würde auch niemals ein schickes Mädel wie Vivian Sternwood sitzenlassen.

_Unterm Strich_

Diese Fortsetzung von „Der große Schlaf“ ist also keineswegs ein weiterer „Spenser“-Krimi. Das ist gut und schlecht. Es ist gut, weil Marlowe-Freunde sich hier wiederfinden können und Marlowe nicht wie Spenser mit Körper- und Gewalteinsatz kämpft, sondern mit Köpfchen (Marlowe ist Schachspieler) und ganz viel Geduld (er lauert ganze drei Tage vor Bonsentirs Klinik). Daher fällt die Action im Finale ganz anders aus als erwartet. Hauptsache, Erfolg.

Doch dieser Marlowe ist kein mürrischer Einzelgänger mehr, der er bei Chandler war. Vielmehr arbeitet diese Version nun gerne mit den Behörden zusammen, gibt sich leutselig mit Journalisten und verbündet sich mit einem Gangster. Ja, er lässt sich sogar zu einer stürmischen Liebesnacht mit Vivian Sternwood hinreißen. Auch sie hat sich verändert: Aus der skrupellosen Raubkatze ist ein anschmiegsames, schutzbedürftiges Schmusekätzchen geworden. Lediglich Carmen ist sich treu geblieben: Kind und Teufel in einem.

Die zahlreichen Zitate, die besonders im ersten Viertel massiv eingefügt sind (so etwa der Prolog), erleichtern den Einstieg ungemein, ohne dass man „Der große Schlaf“ kennen muss. Damit eignet sich dieses Buch eigentlich für jeden Krimikenner, der sich kurzweilig unterhalten lassen möchte. Vielleicht hätte sich Parker auch von Dashiell Hammett („Der Malteser Falke“, „Der dünne Mann“) inspirieren lassen sollen.

Als Krimi auf Chandler-Niveau erreicht das Buch jedoch nie den Meister, wie mir scheint, selbst wenn Simpson direkt kritisiert und demontiert wird, der „Freund“ der Mächtigen. Hier wird die kalifornische Gesellschaft also solche unter Anklage gestellt: Wirtschaftlicher Erfolg wird begrüßt, und über die Tatsache, dass der ultrareiche Simpson Mädchen wie seltene Früchte konsumiert und sie dann von Bonsentir „entsorgen“ lässt, schaut man geflissentlich hinweg.

Simpson ist – ähnlich wie Howard Hughes – so gemütskrank wie Carmen Sternwood, ein Anzeichen für die Dekadenz, die die Gesellschaft erreicht hat. Der Autor fragt, wie viel eine Gesellschaft wert ist, die es zulässt, dass ihre schwächsten Mitglieder von ihresgleichen ungestraft getötet werden können.

Der Originaltitel verweist auf die Träume, die Marlowe heimsuchen. Dieses Merkmal sucht man bei Chandlers Detektiv vergebens. Es sind grausame und bizarre Träume, manche auch pathetisch auf Kosten des Träumers. Es gibt noch eine Träumerin: Mrs. Swayze, die alte Insassin von Bonsentirs Klinik. Wenn sie von ihrem Pornoheft aufblickt, blickt sie sehnsüchtig nach ihrem Haus, das nirgendwo zu erblicken ist. Sie ist die Inkarnation einer alt und dekadent gewordenen Gesellschaft, die den Kontakt zur Realität verloren hat. Tagträume, das weiß jeder, sind jedoch in Hollywood an der Tagesordnung. Und wir träumen alle fröhlich mit, wenn wir ins Kino gehen.

Festzuhalten bleibt vielleicht, dass Parker sich Chandler zum Vorbild nahm und sich der Polizeihauptmann Cronjager aus „Der große Schlaf“ direkt im ersten Jesse-Stone-Krimi „Night Passage“ wiederfindet. Wenn es je eine Hommage an ein Vorbild gab, dann diese.

|Taschenbuch: 271 Seiten
ISBN-13: 978-0399135804|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/putnam.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066
[„Gunman’s Rapsody“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6836
[„Wilderness“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6956

„Cole & Hitch“:

1) „Appaloosa“ (2005)
2) „Resolution“ (2008)
3) „Brimstone“ (2009)
4) „Blue-Eyed Devil“ (2010)

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) [„Night and Day“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6873
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) [„Family Honor“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6831
2) [„Perish Twice“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6832
3) [„Shrink Rap“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6833
4) [„Melancholy Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6834
5) [„Blue Screen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6835
6) [„Spare Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6852

Die „Spenser“-Reihe:

01 [„The Godwulf Manuscript“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6921
02 [„God Save The Child“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6951
03 [„Mortal Stakes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6922
04 [„Promised Land“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6923
05 [„The Judas Goat“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6953
06 [„Looking for Rachel Wallace“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6954
07 „Early Autumn“
08 „A Savage Place“
09 [„Ceremony“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6952
10 „The Widening Gyre“
11 „Valediction“
12 [„A Catskill Eagle“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7066
13 [„Taming a Sea-Horse“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6839
14 „Pale Kings and Princes“
15 „Crismon Joy“
16 [„Playmates“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6867
17 [„Stardust“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6819
18 „Pastime“
19 „Double Deuce“
20 [„Paper Doll“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6818
21 [„Walking Shadow“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6820
22 [„Thin Air“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6872
24 [„Small Vices“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6829
25 „Sudden Mischief“
26 „Hush Money“
27 „Hugger Mugger“
28 [„Potshot“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6821
29 [„Widow’s Walk“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6826
30 [„Back Story“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6842
31 [„Bad Business“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6840
32 [„Cold Service“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6844
34 [„Hundred Dollar Baby“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6838
35 [„Now and Then“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7117
36 [„Rough Weather“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7118
37 [„Chasing the Bear“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6837
38 [„The Professional“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6866
39 [„Painted Ladies“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6843
40 [„Sixkill“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7320

Mark Brandis: Alarm für die Erde – Teil 2 (Folge 18)

_|Mark Brandis| als Hörspiel:_
01 [„Bordbuch Delta VII“ 4995
02 [„Verrat auf der Venus“ 5013
03 [„Unternehmen Delphin“ 5524
04 [„Aufstand der Roboter“ 5986
05 [„Testakte Kolibri 1“ 5984
06 [„Testakte Kolibri 2“ 5985
07 [„Vorstoß zum Uranus 1“ 6245
08 [„Vorstoß zum Uranus 2“ 6246
09 [„Raumsonde Epsilon 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6467
10 [„Raumsonde Epsilon 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6468
11 „Die Vollstrecker 1“
12 „Die Vollstrecker 2“
13 [„Pilgrim 2000 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7059
14 [„Pilgrim 2000 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7060
15 [„Aktenzeichen: Illegal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7128
16 [„Operation Sonnenfracht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7129
17 [„Alarm für die Erde“ (Teil 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7479
18 [„Alarm für die Erde“ (Teil 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7480
19 „Sirius Patrouille“ (geplant für März 2012)

_Showdown am Atomvulkan: hitzige Action_

Man schreibt das Jahr 2130: Die tödliche Mischung aus Vulkanlava und hochradioaktivem Atommüll verseucht immer größere Teile Afrikas. Hochkommissar Mark Brandis hat alle Hände voll zu tun, um die Evakuierungsmaßnahmen mit den eintreffenden Katastrophenmeldungen zu koordinieren. Allen Bemühungen zum Trotz haben die »Fliegenden Löwen« zunehmend Erfolg damit, die Menschen in den betroffenen Gebieten zum Bleiben zu bewegen. In Peking reift ein Plan, wie man sich das Chaos am besten zunutze machen könnte .. (abgewandelte Verlagsinfos)

Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 12 Jahren.

_Der Autor_

Nikolai von Michalewsky (1931-2000) war bereits Kaffeepflanzer, Industriepolizist, Taucher und Journalist gewesen, als sein erster Roman 1958 veröffentlicht wurde. Am bekanntesten wurde er ab 1970 mit den Mark-Brandis-Büchern, der bis heute (nach „Perry Rhodan“) mit 31 Bänden erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Reihe.

Seine konsequente Vorgehensweise, Probleme der Gegenwart imm Kontext der Zukunft zu behandeln, trug Michalewskys Serie eine treue Leserschaft und hohe Auflagenzahlen ein. Seine besondere Zuneigung galt besonders dem Hörspiel. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Kriminalhörspiel- und Schulfunkautoren Deutschlands. (Verlagsinfo)

Bisher erschienen (Gesamt-Titel ohne Teile)

1) Bordbuch Delta
2) Verrat auf der Venus
3) Unternehmen Delphin
4) Aufstand der Roboter
5) Testakte Kolibri
6) Vorstoß zum Uranus
7) Raumsonde Epsilon
8) Die Vollstrecker
9) Pilgrim 2000
10) Alarm für die Erde
11) Sirius-Patrouille

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Macher und Regisseure sind Interplanar.de:
Joachim-C. Redeker: Sounddesign und Musik
Redeker und Balthasar von Weymarn: Produktion, Regie und Schnitt

Jochim-C. Redeker, geboren 1970, lebt seit 1992 in Hannover. Gelernt hat er das Produzieren in der SAE Frankfurt, seither arbeitet er als Tonmeister für Antenne Niedersachsen. An zwei Virtual Reality Projekten hat er als Sounddesigner gearbeitet. Er gibt Audio- und Hörspielseminare und arbeitet als Werbetexter und Werbesprecher für zahlreiche Unternehmen sowie für Kino- und Radiowerbung. Musikalisch betreut er neben seinen eigenen Projekten auch Jingle- und Imageproduktionen. Bereits 1988 brachte ihm eine frühe Hörspielarbeit mit Balthasar den Sonderpreis der Jury für akustische Qualität beim Maxell Momentaufnahmen Wettbewerb ein.

Balthasar von Weymarn, geboren 1968, lebt seit 2006 im Taunus bei Frankfurt. Ausgebildeter Dramaturg und Filmproduzent (Filmstudium Hamburg); arbeitet auch als Skriptdoktor, -autor und Ghostwriter für Unternehmen wie Bavaria Film, Odeon Pictures, Tandem Communications, Storyline Entertainment u. a.

Das Hörspielmanuskript schrieb Balthasar v. Weymarn nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky. Die Aufnahmeleitung lag in den Händen von Tommi Schneefuß und Sven-Michael Bluhm.

|Die Rollen und ihre Sprecher:|

John Harris: Gerhart Hinze
Cmdr. Mark Brandis: Michael Lott
Walter »Wally« Ryan: Uve Teschner
Henri Vidal: Marion von Stengel
Nanami Kitahoshi: Meylan Chao
Magnus Sauerlein: Stefan Peters
Cpt. Grigori »Grischa« Romen: David Nathan
Ruth O’Hara: Dorothea Anna Hagena
Walter Hildebrand: Oliver Rohrbeck
Cmdr. Robert Monnier: Holger Umbreit
Iris Monnier: Ulrike Kapfer
Lt. Pablo Torrente: Martin Keßler
John Malembo: Jan Spitzer
Dr. Rebecca Levy: Claudia Urbschat-Mingues
sowie Dennis Bruhn, Markus Kähler, Jochim-C. Redeker, Balthasar v. Weymarn

_Hintergrund und Vorgeschichte_

Die Mark Brandis – Hörspielreihe begann 2005-2007 mit Bordbuch Delta VII. Inhaltlich unterscheidet sie sich in einigen wichtigen Punkten von den Büchern.

* Die Geschichten sind um 50 Jahre in die Zukunft verlegt, die Saga beginnt also 2119;
* Die Kürzel EAAU und VOR sind zu „die Union“ und „die Republiken“ geworden;

EAAU: Die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU) ist ein transkontinentaler Staatenverbund und wurde als Zusammenschluss der drei Kontinente Europa, Amerika und Afrika ca. 1999 gegründet – ihr assoziiert ist Australien. Während Europa der Kontinent ist, der über die längste Tradition verfügt, haben sich Afrika und Amerika zu den industriell bedeutendsten Kontinenten entwickelt.
Flagge: ein Ring goldener Planeten um drei kleeblattartig angeordnete grüne Kontinente auf weißem Grund.
Hauptstadt: Metropolis

VOR: Die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) sind ein transkontinentaler Staatenverbund und umfassen zwischen Ural und der Pazifikküste die asiatischen Staaten einschließlich Ozeaniens.
Flagge: zwei gekreuzte Mongolenschwerter vor einer gelb-roten Sonne.
Hauptstadt: Peking

VEGA

Die Strategische Raumflotte (SR) lagerte 2106 ihre Entwicklungsabteilung auf die Venus aus. Die zuständige Agentur ist die VEGA, kurz für Venus-Erde Gesellschaft für Astronautik, mit immerhin 8000 Mitarbeitern. Direktor der VEGA ist seit 2122 der ehemalige Major (SR) und Commander (VEGA) John Harris. Die Routen der Testflüge für die Neuentwicklungen sind streng geheim, da die Prototypen als begehrte Beute sowohl für die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) und die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU), aber auch für Raumpiraten gelten. Offiziell gilt die VEGA als neutral, aber ihre Auftraggeber waren bislang immer die SR und die Raumfahrtbehörde der Union.

_Handlung_

Dies ist die direkte Fortsetzung von Teil 1 (logo!).

Mark Brandis hat seinem langjährigen Freund Robert Monnier erlaubt, 390 afrikanische Waisenkinder in einem für die Top-Klasse reservierten Flieger auszufliegen. Stante pede muss sich mark für seine humanitäre Tat verantworten. Man hat die Kinder alle wieder aus dem Flieger evakuiert, und Soldaten sind mit Robert Monnier nach Spanien geflogen. Na prächtig! Mark schnaubt frustriert.

Stattdessen schickt ihn die VEGA in den erdnahen Raum, um dort eine chinesische Überläuferin zu kontaktieren. Hoshi informiert ihn, dass die VOR-Invasion in Neukaledonien und auf dem Mond nur der erste Schritt in einem umfassenden Krieg darstelle: Das Ziel sei Australien, das neutral und daher unbewaffnet ist. Als das Treffen angegriffen wird, lässt Brandis zurückschießen.

Sein Chef Harris ist darüber wütend. Er entbindet Brandis mit sofortiger Wirkung von seinen Aufgaben als Hochkommissar und bietet ihm stattdessen eine Mission an der Quelle des afrikanischen Unheils an: Eine Atomexplosion soll die Eruption ausblasen. Für Brandis und Leutnant Torrente (vgl. „Pilgrim 2000“) beginnt eine der gefährlichsten Missionen ihres Lebens. Denn Gefahr droht nicht nur von den regelmäßigen Ausbrüchen des Vulkans, sondern nach wie vor von Seiten der Fliegenden Löwen …

_Mein Eindruck_

Während die erste Hälfte dieser Folge keinen vom Hocker reißt, weil es vor allem um administrative Rangeleien und eine Spionageaktion geht, wird dieses Manko an Action und Spannung durch die zweite Hälfte vollwertig aufgewogen. Hier wird der Hörer direkt ins Geschehen hineingeworfen: ins Innere eines kochenden Vulkankraters!

Brandis und Torrente versuchen, eine Atombombe – auch nicht gerade die pflegeleichteste Fracht – per Hubschrauber in den Krater zu werfen. Dabei werden sie von Angreifern der Fliegenden Löwen massiv gestört – eine brenzlige Lage, die noch von der Atombombe und den Vulkanausbrüchen potenziert wird. Das ist extrem spannend inszeniert. Hier darf aber nicht verraten werden, wie die waghalsige Aktion ausgeht und ob sie den erhofften Erfolg zeitigt.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Geräuschkulisse erstaunt den Hörer mit einer Vielzahl mehr oder weniger futuristischer Töne, so etwa Triebwerke oder Luken und Schleusen. Doch wenn man ein Fan von SF-Fernsehserien ist, dann dürfte den Hörer dies nicht gerade umhauen, sondern eher ganz normal vorkommen. Vor allem das Dröhnen, Zischen und Jaulen von Düsen ist regelmäßig zu hören, was ja auch naheliegt.

Der gute Sound trägt dazu bei, den Hörer direkt ins Geschehen hineinzuversetzen, und das kann man von den wenigsten SF-Fernsehserien behaupten. Auch das Design von verzerrten Meldungen ist ähnlich professionell gehandhabt. Ein Satz kann mittendrin seine Klangcharakteristik ändern – faszinierend.

Ein Höhepunkt der Sounddramaturgie ist der Actionknaller in der zweiten Hälfte dieser Folge. Im Hintergrund hört man den Vulkan rumoren und die Hitze wabern. Im Vordergrund dröhnen die Rotorblätter des Hubschraubers. Richtig laut wird es, als der Heli eine Tür verliert. Dennoch kann man jedes Wort der drei Sprecher verstehen – eine Meisterleistung der Tontechnik.

|Die Sprecher|

Die Sprecher erfüllen ihre Aufgabe zu meiner Zufriedenheit. Es handelt sich um die immer wieder in der Serie auftauchenden Hauptfiguren wie der Titelheld, seine Frau und sein Boss. Daneben ergeben sich immer wieder neue Nebenfiguren, darunter auch chinesisch oder afrikanisch klingende Sprecher.

|Musik|

Ja, es gibt durchaus Musik in diesem rasant inszenierten Hörspiel. Neben dem Dialog und den zahllosen Sounds bleibt auf der Tonspur auch ein wenig Platz für Musik. Sie ist wie zu erwarten recht dynamisch und flott, aber nicht zu militärisch – ganz besonders im Intro und in den Intermezzi.

Ganz am Schluss erklingt ein Outro, das den Ausklang zu dieser Episode bildet, bevor es zu einer langsamen Hintergrundmusik abbremst. Diese läuft während der langen Absage, bei der sämtliche Sprecher und, wo sinnvoll, ihre Rollen aufgezählt werden.

|Das Booklet|

Das Booklet bietet einen Überblick über die bereits erschienenen Folgen der Serie, über die Macher und über die Sprecher. In den Zusatzinformationen ist ein Auszug aus dem berüchtigten Q-Papier zu finden, das die Afrika-Flüchtlinge in vier Prioritätsklassen hinsichtlich ihrer Evakuierung einteilt: Evakuierung unbedingt erforderlich (1), wünschenswert (2), bedingt vorgesehen (3) und nicht vorgesehen (4). Ein Widerspruch gegen die Einteilung ist erst nach Ende des Katastrophenzustands zugelassen …

Auf der nächsten Seite ist ein Auszug aus den Reiseberichten von Mark Brandis zu finden. Es geht um sein Verhältnis zu Colonel Chemnitzer, den Verführer seiner Frau Ruth, der sie dann, als der Vulkan ausbrach, sitzengelassen hatte. Nun soll er ihn nach Metropolis bringen. Kann er sich weigern?

_Unterm Strich_

Die 2. Hälfte dieser Doppelfolge – deren Teilung durchaus willkommen ist – führt die Handlung erwartungsgemäß direkt weiter, verlegt die Schauplätze aber von Nordafrika hinaus in den erdnahen Raum und dann wieder zurück zum Kilimandscharo. Auf diese Weise schließt sich der Kreis der Bewegung in der Handlung.

Die weniger actionbetonten Geschehnisse in der ersten Hälfte dieser Folge werden durch den Action-Höhepunkt in der zweiten Hälfte aufgewogen. Hier werden die Hörer direkt ins wilde Geschehen – siehe oben – hineingezogen. Die Tontechnik hat in dieser Szene knifflige Probleme zu lösen, doch ist ihr dies bravourös gelungen, so dass wir jedes Wort der drei Sprecher verstehen können. Wie diese Aktion ausgeht, darf hier nicht verraten werden.

|Das Hörbuch|

„Mark Brandis“ ist als Hörspiel professionell inszeniert, spannend, stellenweise actionreich und mitunter sogar bewegend. Im Unterschied zu den ersten Folgen wurden nun mindestens zwei größere Dialogszenen eingebaut, die mir sehr gut gefallen haben. Sie charakterisieren besonders Mark Brandis als einen moral- und verantwortungsbewussten Erwachsenen, der auch mal seine Fehler korrigieren kann.

Dies ist beruhigend weit entfernt von Kinderkram und rückt die Serie in die Nähe der POE-Hörspiele, die mir fast durchweg gut gefallen. In zehn Jahren wird man diese Serie als Vorbild für eine gelungene SF-Serie aus deutschen Landen auf gleicher Höhe mit „Perry Rhodan“ setzen. Und die Sammler werden sich die Finger danach lecken.

|1 Audio-CD
Spieldauer: 52 Minuten
Tracks: 10
Empfohlen ab 12 Jahren
UPC: 0602527804170|
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.markbrandis.de]http://www.markbrandis.de
[www.interplanar.de]http://www.interplanar.de

_Mark Brandis bei |Buchwurm.info|:_
Band 01: [„Bordbuch Delta VII“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6535
Band 02: [„Verrat auf der Venus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6539
Band 03: [„Unternehmen Delphin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6536
Band 04: [„Aufstand der Roboter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6618
Band 05: [„Vorstoß zum Uranus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6630
Band 06: [„Die Vollstrecker“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6636
Band 07: [„Testakte Kolibri“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 08: [„Raumsonde Epsilon“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6781
Band 09: [„Salomon 76“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 10: [„Aktenzeichen: Illegal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6801
Band 11: [„Operation Sonnenfracht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6802
Band 12: [„Alarm für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6882
Band 13: [„Countdown für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6908
Band 14: [„Kurier zum Mars“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6938
Band 15: [„Die lautlose Bombe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6962
Band 16: [„PILGRIM 2000“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7167
Band 17: [„Der Spiegelplanet“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7194
Band 18: [„Sirius-Patrouille“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7267
Band 19: [„Astropolis“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7390
Band 20: [„Triton-Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7391

Mark Brandis: Alarm für die Erde – Teil 1 (Folge 17)

_|Mark Brandis| als Hörspiel:_
01 [„Bordbuch Delta VII“ 4995
02 [„Verrat auf der Venus“ 5013
03 [„Unternehmen Delphin“ 5524
04 [„Aufstand der Roboter“ 5986
05 [„Testakte Kolibri 1“ 5984
06 [„Testakte Kolibri 2“ 5985
07 [„Vorstoß zum Uranus 1“ 6245
08 [„Vorstoß zum Uranus 2“ 6246
09 [„Raumsonde Epsilon 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6467
10 [„Raumsonde Epsilon 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6468
11 „Die Vollstrecker 1“
12 „Die Vollstrecker 2“
13 [„Pilgrim 2000 1“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7059
14 [„Pilgrim 2000 2“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7060
15 [„Aktenzeichen: Illegal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7128
16 [„Operation Sonnenfracht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7129
17 [„Alarm für die Erde“ (Teil 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7479
18 [„Alarm für die Erde“ (Teil 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7480
19 „Sirius Patrouille“ (geplant für März 2012)

Freigebiger Vulkan: Atommüll gratis für alle!

Man schreibt das Jahr 2129. Kein ruhiges Weihnachten für Commander Brandis und seine Crew. Die Evakuierungs-maßnahmen eines Gebiets von 500 km² um den Kilimandscharo in Ostafrika stellt die Logistik der Helfer bereits vor unüberwindbare Probleme. Anscheinend immun gegen die radioaktive Strahlung schießen selbsternannte Freiheitskämpfer, die »Fliegenden Löwen«, auf die Hilfstruppen. Und Ruth wartet verunglückt in einem gestrandeten Transporter bei Nairobi auf Rettung … (abgewandelte Verlagsinfo) Diese Geschichte schließt direkt an „Operation Sonnenfracht“ an.

Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 12 Jahren.

_Der Autor_

Nikolai von Michalewsky (1931-2000) war bereits Kaffeepflanzer, Industriepolizist, Taucher und Journalist gewesen, als sein erster Roman 1958 veröffentlicht wurde. Am bekanntesten wurde er ab 1970 mit den Mark-Brandis-Büchern, der bis heute (nach Perry Rhodan) mit 31 Bänden erfolgreichsten deutschsprachigen SF-Reihe.

Seine konsequente Vorgehensweise, Probleme der Gegenwart imm Kontext der Zukunft zu behandeln, trug Michalewskys Serie eine treue Leserschaft und hohe Auflagenzahlen ein. Seine besondere Zuneigung galt besonders dem Hörspiel. Er gehörte zu den meistbeschäftigten Kriminalhörspiel- und Schulfunkautoren Deutschlands. (Verlagsinfo)

Bisher erschienen (Gesamt-Titel ohne Teile)

1) Bordbuch Delta
2) Verrat auf der Venus
3) Unternehmen Delphin
4) Aufstand der Roboter
5) Testakte Kolibri
6) Vorstoß zum Uranus
7) Raumsonde Epsilon
8) Die Vollstrecker
9) Pilgrim 2000
10) Alarm für die Erde
11) Sirius-Patrouille

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Macher und Regisseure sind Interplanar.de:
Joachim-C. Redeker: Sounddesign und Musik
Redeker und Balthasar von Weymarn: Produktion, Regie und Schnitt

Jochim-C. Redeker, geboren 1970, lebt seit 1992 in Hannover. Gelernt hat er das Produzieren in der SAE Frankfurt, seither arbeitet er als Tonmeister für Antenne Niedersachsen. An zwei Virtual Reality Projekten hat er als Sounddesigner gearbeitet. Er gibt Audio- und Hörspielseminare und arbeitet als Werbetexter und Werbesprecher für zahlreiche Unternehmen sowie für Kino- und Radiowerbung. Musikalisch betreut er neben seinen eigenen Projekten auch Jingle- und Imageproduktionen. Bereits 1988 brachte ihm eine frühe Hörspielarbeit mit Balthasar den Sonderpreis der Jury für akustische Qualität beim Maxell Momentaufnahmen Wettbewerb ein.

Balthasar von Weymarn, geboren 1968, lebt seit 2006 im Taunus bei Frankfurt. Ausgebildeter Dramaturg und Filmproduzent (Filmstudium Hamburg); arbeitet auch als Skriptdoktor, -autor und Ghostwriter für Unternehmen wie Bavaria Film, Odeon Pictures, Tandem Communications, Storyline Entertainment u. a.

Das Hörspielmanuskript schrieb Balthasar v. Weymarn nach dem gleichnamigen Roman von Nikolai von Michalewsky. Die Musik trug Redeker bei. Die Aufnahmeleitung lag in den Händen von Tommi Schneefuß, Thomas Weichler und Sven-Michael Bluhm.

|Die Rollen und ihre Sprecher|:

Cmdr. Mark Brandis: Michael Lott
Cpt. Grigori »Grischa« Romen: David Nathan
Walter »Wally« Ryan: Uve Teschner
Boleslaw Burowski: Ozan Ünal
Sgt. Monelli: Stefan Flüeck
Col. Friedrich Chemnitzer: Thomas Nero Wolff
Ruth O’Hara: Dorothea Anna Hagena
Prolog: Wolf Frass
Henri Villiers: Wolfgang Kaven
Henri Vidal: Marion von Stengel
Walter Hildebrand: Oliver Rohrbeck
Lt. Pablo Torrente: Martin Keßler
John Harris: Gerhart Hinze
Dr. Rebecca Levy: Claudia Urbschat-Mingues
Iris Monnier: Ulrike Kapfer
John Malembo: Jan Spitzer
Nanami Kitahoshi: Meylan Chao
Col. Ernest Leighton: Reinhard Kuhnert
Cmdr. Robert Monnier: Holger Umbreit
sowie Melanie Blenke, Dennis Bruhn, Jochim-C. Redeker

_Hintergrund und Vorgeschichte_

Die Mark Brandis – Hörspielreihe begann 2005-2007 mit Bordbuch Delta VII. Inhaltlich unterscheidet sie sich in einigen wichtigen Punkten von den Büchern.

* Die Geschichten sind um 50 Jahre in die Zukunft verlegt, die Saga beginnt also 2119;
* Die Kürzel EAAU und VOR sind zu „die Union“ und „die Republiken“ geworden;

EAAU: Die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU) ist ein transkontinentaler Staatenverbund und wurde als Zusammenschluss der drei Kontinente Europa, Amerika und Afrika ca. 1999 gegründet – ihr assoziiert ist Australien. Während Europa der Kontinent ist, der über die längste Tradition verfügt, haben sich Afrika und Amerika zu den industriell bedeutendsten Kontinenten entwickelt.
Flagge: ein Ring goldener Planeten um drei kleeblattartig angeordnete grüne Kontinente auf weißem Grund.
Hauptstadt: Metropolis

VOR: Die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) sind ein transkontinentaler Staatenverbund und umfassen zwischen Ural und der Pazifikküste die asiatischen Staaten einschließlich Ozeaniens.
Flagge: zwei gekreuzte Mongolenschwerter vor einer gelb-roten Sonne.
Hauptstadt: Peking

VEGA

Die Strategische Raumflotte (SR) lagerte 2106 ihre Entwicklungsabteilung auf die Venus aus. Die zuständige Agentur ist die VEGA, kurz für Venus-Erde Gesellschaft für Astronautik, mit immerhin 8000 Mitarbeitern. Direktor der VEGA ist seit 2122 der ehemalige Major (SR) und Commander (VEGA) John Harris. Die Routen der Testflüge für die Neuentwicklungen sind streng geheim, da die Prototypen als begehrte Beute sowohl für die Vereinigten Orientalischen Republiken (VOR) und die Europäisch-Amerikanisch-Afrikanische Union (EAAU), aber auch für Raumpiraten gelten. Offiziell gilt die VEGA als neutral, aber ihre Auftraggeber waren bislang immer die SR und die Raumfahrtbehörde der Union.

_Handlung_

Grischa Romen rüttelt seinen Kumpel Mark Brandis: Es gehe um Marks Frau ruth O’Hara. Sie sei auf dem Flughafen von Nairobi abgestürzt. Na sowas, zuletzt war Ruth doch mit General Chemnitzer auf und davon. Mark kann sie erreichen: Sie lebt, ist aber verletzt und in ihrem Flieger eingeklemmt. Und das mitten in der Fallout-Zone der Atommülldeponie! Klar, dass er mit Grischa gleich losdüst, um sie da herauszuholen, Eifersucht hin oder her.

Der Flughafen wird von Rebellen der Fliegenden Löwen beschossen. Nur unter Lebensgefahr gelingt es Mark, die Kanzel des Fliegers wegzuschießen und Ruth da rauszuholen. Mit knapper Not entkommen sie dem Beschuss. Im Camp muss Ruth sofort in die Entseuchungsdusche. Unterdessen meldet der Regierungssender, dass ein Erdbeben der Stärke 9 den Kilimandscharo erschüttert habe und dieser ausgebrochen sei. Jetzt wird der Atommüll aus der illegalen Deponie im Krater rund um die Erde verteilt …

Die Evakuierung Afrikas ist in vollem Gange, doch es drohen Panik und Chaos auszubrechen. Die VEGA bittet daher mark, als Hochkommissar die Flüchtlingsevakuierung zu organisieren. Dazu werden ihm zwei Armeen unterstellt. Dr. Levy verarztet bereits die ersten Strahlenopfer: die Hälfte davon wird nicht überleben. Mark sagt ihr, sie solle nach Kampala. Von ihr erfährt er, dass sein langjähriges Besatzungsmitglied Lt. Stroganoff strahlungsverseucht in einem Flüchtlingscamp in Nordafrika liegt.

Bevor er sich dorthinauf den Weg, versucht er mit den Fliegenden Löwen einen Waffenstillstand zu erreichen, dass deren Anführer hasst die weißen „Kolonisatoren“ zu sehr – es wird Krieg geben. Also fliegt Mark mit Grischa nach Nordafrika, um die Evakuierung von vier Millionen Flüchtlingen zu organisieren. Der Reporter Hildebrand (aus „Aktenzeichen: illegal“) informiert ihn über die Lage und fragt, ob Mark etwas von einem geheimen Q-Papier der Unions-Regierung wisse. Mark schüttelt den Kopf.

Als er Oberst Leighton, den Befehlshaber eins der Lager fragt, klärt dieser ihn auf. Das Q-Papier teilt die Flüchtlinge in vier Klassen ein. Mit Dr. Levy und Hildebrand wird Mark Zeuge, wie Bürger von Rechnern klassifiziert werden. Mark empfindet dies als himmelschreiendes Unrecht. Er will, dass das aufhört, doch da kommt schon die nächste schlechte Nachricht …

_Mein Eindruck_

Es ist der Super-GAU: Ein Endlager für Atommüll im Krater eines Vulkans, der jetzt ausbricht – das erinnert stark an die drei explodierenden AKW-Blöcke von Fukushima. Man kann sich die weitreichende Strahlenverseuchung vorstellen, wenn der höchste Berg Afrikas als radioaktive Dreckschleuder dient. Klar, dass nur massive Hilfsmaßnahmen eine kontinentumspannende humanitäre Katastrophe verhindern können. Mark Brandis ist unser Mann vor Ort und spielt Feuerwehr.

Dennoch gibt es Leute, die die Hilfsmaßnahmen als Versuchung der erneuten Kolonisierung ansehen. Die Fliegenden Löwen, die mit hypermodernen Raketenanzügen ausgestattet sind, wollen die Weißen vertreiben und schrecken vor Flugzeugabschüssen nicht zurück. Und auf der anderen Seite der Welt ergreifen die VOR-Republiken die günstige Gelegenheit, eine Insel vor Australien zu überfallen. Haben die Chinesen noch mehr vor? Der zweite Teil wird es enthüllen.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Die Geräuschkulisse erstaunt den Hörer mit einer Vielzahl mehr oder weniger futuristischer Töne, so etwa Triebwerke oder Luken und Schleusen. Doch wenn man ein Fan von SF-Fernsehserien ist, dann dürfte dem Hörer dies nicht gerade umhauen, sondern eher ganz normal vorkommen. Vor allem das Dröhnen, Zischen und Jaulen von Düsen ist regelmäßig zu hören, was ja auch naheliegt.

Der gute Sound trägt dazu bei, den Hörer direkt ins Geschehen hineinzuversetzen, und das kann man von den wenigsten SF-Fernsehserien behaupten. Auch das Design von verzerrten Meldungen ist ähnlich professionell gehandhabt. Ein Satz kann mittendrin seine Klangcharakteristik ändern – faszinierend.

|Die Sprecher|

Die Sprecher erfüllen ihre Aufgabe zu meiner Zufriedenheit. Es handelt sich um die immer wieder in der Serie auftauchenden Hauptfiguren wie der Titelheld, seine Frau und sein Boss. Daneben ergeben sich immer wieder neue Nebenfiguren, darunter auch chinesisch oder afrikanisch klingende Sprecher.

|Musik|

Ja, es gibt durchaus Musik in diesem rasant inszenierten Hörspiel. Neben dem Dialog und den zahllosen Sounds bleibt auf der Tonspur auch ein wenig Platz für Musik. Sie ist wie zu erwarten recht dynamisch und flott, aber nicht zu militärisch – ganz besonders im Intro und in den Intermezzi.

Ganz am Schluss erklingt ein Outro, das den Ausklang zu dieser Episode bildet, bevor es zu einer langsamen Hintergrundmusik abbremst. Diese läuft während der langen Absage, bei der sämtliche Sprecher und, wo sinnvoll, ihre Rollen aufgezählt werden.

|Das Booklet|

Das Booklet bietet einen Überblick über die bereits erschienenen Folgen der Serie, über die Macher und über die Sprecher. Neben einer Karte der Region um den Kilimandscharo-Vulkan ist ein Auszug aus den Memoiren eines Unions-Ministers über die „Operation Sonnenfracht“ abgedruckt. Das Ziel war, den Atommüll eines Endlagers im Mawenzi-Krater in der Sonne zu entsorgen. Unter Leitung von Mark Brandis gelang diese logistische Meisterleistung, doch drei Tage vor Abschluss der Operation machte ein Beben der Stärke 9 (!) alle Anstrengungen zunichte – der Vulkan brach aus. „In den nächsten Wochen und Monaten sollte das Gesetz des Handelns denen zugutekommen, die Mut, Initiative und auch Skrupellosigkeit besaßen …“, schreibt der Minister anno 2142.

_Unterm Strich_

Wieder mal ist das Szenario, das eine MARK-BRANDIS-Folge entwirft, verdammt nah dran an der Wirklichkeit. Diese Folge erinnert viel zu sehr an die Explosionen in Fukushima, um nicht beunruhigend zu wirken. Die Macher haben sich bemüht, die anschließende humanitäre Katastrophe realistisch darzustellen. Wie soll man bloß vier Millionen Flüchtlinge vom Kontinent runterschaffen – und wohin damit?

Wie in vielen Katastrophensituation greift hier das Triage-Prinzip: Die Opfer werden in Klassen eingeteilt, die ihre Betroffenheit berücksichtigt. Das mag ungerecht erscheinen, doch in Wahrheit dient dieses bewährte Verfahren dazu, die am schwersten Betroffenen als erste zu versorgen, bevor sie verbluten.

Doch was Mark Brandis in Nordafrika vorfindet, ist die Perversion von Triage: Ein dummer Rechner teilt die Flüchtlinge in Klassen der Dringlichkeit ein. Und so kommt es dazu, dass riesige Flugzeuge leerstehen, nur weil sie für Regierungspersonal der Top-Priorität reserviert sind. Das kann Mark natürlich nicht mit ansehen, und so fällt er eine verhängnisvolle Entscheidung. Mehr davon im zweiten Teil.

|Das Hörbuch|

„Mark Brandis“ ist als Hörspiel professionell inszeniert, spannend, meist actionreich und mitunter sogar bewegend. Im Unterschied zu den ersten Folgen wurden nun mindestens zwei größere Dialogszenen eingebaut, die mir sehr gut gefallen haben. Sie charakterisieren besonders Mark Brandis als einen moral- und verantwortungsbewussten Erwachsenen, der auch mal seine Fehler korrigieren kann.

Dies ist beruhigend weit entfernt von Kinderkram und rückt die Serie in die Nähe der POE-Hörspiele, die mir fast durchweg gut gefallen. In zehn Jahren wird man diese Serie als Vorbild für eine gelungene SF-Serie aus deutschen Landen auf gleicher Höhe mit „Perry Rhodan“ setzen. Und die Sammler werden sich die Finger danach lecken. Diese Folge ist dabei keine Ausnahme, sondern im Gegenteil ein weiterer Höhepunkt.

|1 Audio-CD
Spieldauer: ca. 60 Minuten
Tracks: 10
Empfohlen ab 12 Jahren
UPC: 0602527804163|
[www.folgenreich.de]http://www.folgenreich.de
[www.markbrandis.de]http://www.markbrandis.de
[www.interplanar.de]http://www.interplanar.de

_Mark Brandis bei |Buchwurm.info|:_
Band 01: [„Bordbuch Delta VII“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6535
Band 02: [„Verrat auf der Venus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6539
Band 03: [„Unternehmen Delphin“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6536
Band 04: [„Aufstand der Roboter“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6618
Band 05: [„Vorstoß zum Uranus“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6630
Band 06: [„Die Vollstrecker“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6636
Band 07: [„Testakte Kolibri“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 08: [„Raumsonde Epsilon“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6781
Band 09: [„Salomon 76“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6723
Band 10: [„Aktenzeichen: Illegal“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6801
Band 11: [„Operation Sonnenfracht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6802
Band 12: [„Alarm für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6882
Band 13: [„Countdown für die Erde“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6908
Band 14: [„Kurier zum Mars“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6938
Band 15: [„Die lautlose Bombe“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6962
Band 16: [„PILGRIM 2000“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7167
Band 17: [„Der Spiegelplanet“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7194
Band 18: [„Sirius-Patrouille“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7267
Band 19: [„Astropolis“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7390
Band 20: [„Triton-Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7391

Campbell, Jack – Hinterhalt, Der (Die verschollene Flotte 5)

_|Die verschollene Flotte|:_

Band 1: [„Furchtlos“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6124
Band 2: „Black Jack“
Band 3: [„Fluchtpunkt Ixion“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7009
Band 4: [„Gearys Ehre“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=7364
Band 5: _“Der Hinterhalt“_ („Relentless“, 2009)
Band 6: „The Lost Fleet: Victorious“ (2010)
Band 7: „The Lost Fleet: Beyond the Frontier“ (04/2011)

_Die Relativität von Treue und Verrat _

Seit hundert Jahren kämpft die Allianz verzweifelt gegen die Syndikatswelten, und die erschöpfte Flotte ist in Feindgebiet gelandet. Ihre einzige Hoffnung: Captain John Geary. Seit seinem heldenhaften letzten Gefecht hält man ihn für tot. Doch wie durch ein Wunder hat er im Kälteschlaf überlebt. Nun soll er als dienstältester Offizier das Kommando über die Flotte übernehmen, um sie sicher nach Hause zu bringen. In einem Krieg, der nur in einem Fiasko enden kann …

Band 5: Nachdem „Black Jack“ Geary erfolgreich die Kriegsgefangenen der Allianz befreit hat, muss er feststellen, dass die Syndics mit ihrer mächtigen Reserveflotille angreifen wollen. Ihr Ziel: Gearys Verband ein für alle Mal zu zerstören. Doch der Kommandeur springt mit seinen Schiffen von einem Sternensystem zum nächsten, in der Hoffnung, die unausweichliche Konfrontation zu vermeiden. Bis Saboteure seinen Plan vereiteln … (erweiterte Verlagsinfo)

_Der Autor_

Hinter dem Pseudonym „Jack Campbell“ verbirgt sich der ehemalige U.S. Navy-Offizier John G. Hemry. In seinem aktiven Dienst bei der Marine sammelte er viel Erfahrung, die er in seine SF-Romane einfließen ließ. Campbell lebt mit seiner Frau und seinen drei Kindern in Maryland, unweit Washington, D. C.

Zyklus „Stark’s War“

1. Stark’s War (April 2000)
2. Stark’s Command (April 2001)
3. Stark’s Crusade (March 2002)

Zyklus „Paul Sinclair“

1. A Just Determination (May 2003)
2. Burden of Proof (March 2004)
3. Rule of Evidence (March 2005)
4. Against All Enemies (March 2006)

_Vorgeschichte_

Captain John „Black Jack“ Geary ist ein Kriegsheld aus jenen Tagen vor hundert Jahren, als der Krieg der Allianz mit den Syndikatswelten begann. Damals rettete er sich an Bord einer Rettungskapsel, die ihn im Kälteschlaf hielt, und wurde hundert Jahre später aufgefischt. Jetzt hat ihn die Flotte wieder aufgetaut, weil ein Notfall eingetreten ist: Die Allianz-Flotte ist im Feindgebiet umzingelt, nachdem sie verraten wurde. Ihr bleibt nur die Wahl zwischen bedingungsloser Kapitulation und völliger Vernichtung durch die zahlenmäßig überlegene Syndic-Flotte.

Geary verlässt seine Kabine an Bord des Flaggschiffs „Dauntless“ (= Furchtlos) und geht zur Brücke. Dort übergibt ihm Admiral Bloch als dem dienstältesten Offizier das Kommando über die Flotte und verrät ihm ein ungemein wichtiges Geheimnis: Die „Dauntless“ darf um keinen Preis in die Hand des Feindes fallen, sonst ist die Allianz verloren. Dann fliegt Bloch mit einer Fähre zum Flaggschiff des Gegners, um zu verhandeln. Hilflos muss Geary auf dem Bildschirm die Videoübertragung mit ansehen, wie der Vorstandsvorsitzende (CEO) des Syndikats Bloch und seine Adjutanten kaltblütig abknallen lässt. Es gibt keine Verhandlungen, sondern ein Ultimatum: eine Stunde bis zu Kapitulation oder Vernichtung.

Eine Stunde kann eine Menge Zeit sein, wenn es drauf ankommt, denkt Geary. Nach einer Rücksprache mit Captain Desjani, der Kommandantin der „Dauntless“, über das Geheimnis lässt er eine Videokonferenz der anderen Kapitäne einberufen. Er bringt trotz des Widerstands einiger Offiziere – wer traut schon einem Aufgetauten? – alle auf seine Linie und lässt einen Rückzugsplan ausarbeiten: Operation Ouvertüre. In einem Vier-Augen-Gespräch mit der Ko-Präsidentin zweier verbündeter Flotten muss er zu seinem Missvergnügen feststellen, dass auch sie das Geheimnis der Flotte kennt – oder zumindest gut geraten hat. Immerhin ist Ko-Präsidentin Victoria Rione abschließend bereit, den Gegner hinzuhalten.

Während sich die Flotte umformiert, um den Massensprungpunkt anzuvisieren, der sie aus dem feindlichen System herauskatapultiert, führt Geary ein Gespräch mit dem CEO des Gegners. Der ist zunächst verständlicherweise ungläubig, dass ein vor hundert Jahren gestorbener Offizier nun das Kommando über die Allianz-Flotte übernommen haben will. Das soll wohl ein Trick oder schlechter Scherz sein? Geary pflegt nicht zu scherzen, aber es gibt ihm Gelegenheit, den CEO eine weitere halbe Stunde aufzuhalten. Bis dieser die Verbindung entnervt unterbricht, um Gearys Offiziere einzeln zur Aufgabe zu überreden. Geary unterbindet diesen Versuch energisch.

Mit einem verlustreichen Rückzugsgefecht gelingt es Geary, seine Flotte fast komplett aus dem Feindsystem springen zu lassen. Doch er verliert dabei seinen Großneffen, der sich für die Flotte opfert und in Gefangenschaft geht. Geary verspricht ihm, ihn rauszuholen und Michaels Schwester zu kontaktieren, die auf einer der Allianzwelten lebt.

Doch jenseits des Zielpunktes nach dem Sprung muss Geary feststellen, dass hundert Jahre Krieg ihre Spuren hinterlassen haben, nicht nur auf den Welten, sondern vor allem in Gearys eigener Flotte …

_Handlung_

Nach der doppelten Schlacht bei Lakota und einer Passage des Diwalla-Systems befindet sich die Allianz-Flotte auf ihrem Rückzug nur noch drei Sprungpunkte von der Grenze zum Allianz-Raum entfernt, wo sie auf Hilfe hoffen darf. Mit Sorge sieht Commander Geary, wie die Vorräte an Energie und Waffen zusammengeschmolzen sind. Und jetzt bittet ihn Captain Tanya Desjanai auch noch, im System Heradao 2000 Allianz-Kriegsgefangene zu befreien. Die würden die geringen Proviantvorräte noch stärker strapazieren.

Aber es führt kein Weg daran vorbei. Zwar gäbe es im System Kalixa ein Hyperportal, doch diese Transporteinrichtung wird bekanntlich von den Syniks als gigantische Massenvernichtungswaffe missbraucht. So haben die Syndiks ihre eigene Lakota-Hauptwelt vernicht. Sie schrecken vor nichts zurück – und werden womöglich von den unsichtbaren Aliens fehlgeleitet, die im Hintergrund die Fäden ziehen.

Im System Heradao muss sich Gearys Flotte zwei Syndik-Flotten stellen. Aus der ersten macht er mittels ungewöhnlicher Taktik Kleinholz, erleidet jedoch beträchtliche Verluste, darunter eines der wenigen Hilfsschiffe. Aber sein Schlachtkreuzer „Dauntless“ ist weiterhin intakt. Er kann die zweite, kleinere Syndikflotte nicht ignorieren, denn sie könnte Minen legen, um den Weg zum Sprungpunkt Richtung Allianz-Raum zu verlegen. Doch diese Flotte verkrümelt sich. Schon bald zeigt sich der Grund dafür.

Der Sieg der Allianz-Flotte bleibt im Heradao-System nicht ohne Folgen: Die Herrschaft der Syndiks bricht zusammen. Ein Bürgerkrieg bricht auf zwei Planeten aus, was zur Folge hat, es niemanden gibt, mit dem Geary verhandeln könnte. Aber der Grund, warum er hergekommen ist, sind ja die Kriegsgefangenen auf der dritten Welt. Es stellt sich als extrem schwierig heraus, sie herauszuholen. Und als sie endlich an Bord sind, muss er drei davon in Schutzhaft nehmen: Sie haben mit dem Feind kollaboriert, nun will jeder Kriegsgefangene sich an ihnen rächen.

Beim Weiterflug nach Atalia eröffnet ihm sein Geheimdienstoffizier Iger, dass aus abgefangenen Syndik-Übermittlungen hervorgehe, dass eine Art Reserveflotte ausgerüstet werde. Aus Ortsangaben ist zu schließen, dass diese Syndik-Flotte per Hypernet vom anderen Ende des Syndik-Raumes, wo sie Wache gegen die mutmaßlichen Aliens schob, an die Grenze zum Allianz-Raum verlegt worden sei. Und dort, im Atalia-System, soll sie wohl Gearys Flotte den Weg versperren. Geary stöhnt: Seine Energie- und Waffenvorräte könnten gerade mal für eine Schlacht reichen.

Der Sprung nach Atalia verwirrt Geary und Desjani erst, denn dort ist gerade eine Schlacht zwischen Syndiks und Allianz im Gange. Dann versagt der Antrieb der „Dauntless“: Die Lichter gehen aus, als sich der Hauptantrieb notabschaltet. Als wäre dies nicht schon Anlass zur Sorge genug, explodiert in der Nähe der Kreuzer „Lorica“ in einem Lichtblitz. Geschockt suchen Geary und Desjani nach der Ursache.

Es gibt nur eine bestürzende Erklärung: Verrat in den eigenen Reihen, und das im Angesicht des Feindes …

_Mein Eindruck_

|Eine Frage der Treue|

Das Generalthema dieses vorletzten Bandes der Serie ist Treue. Und natürlich ihr Gegenteil: Verrat. Treue kann sich in vielerlei Form manifestieren, grübelt Geary, als er die drei Kollaborateure unter den Kriegsgefangenen von Heradao verhören lässt. Aber auch der Verräter, der die „Lorica“ auf dem Gewissen hat, hat eine ganz eigene Auffassung von Treue.

Die haarigste Definition von Treue, deren Analyse sich Geary notgedrungen widmen muss, ist jedoch die gegenüber der Allianz: Bleibt er der Flotte treu, die er befehligt, oder wird er der derzeitigen Regierung der Allianz gehorchen? Lässt er sich von den Offizieren zum Diktator ausrufen? Die Macht dazu und das nötige Charisma hätte er durchaus. Immer wieder fragen ihn alle wichtigen Leute danach.

Geary antwortet stets, dass es nicht die Leute und Schiffe seien, die die Allianz ausmachten, sondern ihre Prinzipien. Und denen sei er verpflichtet: Achtung vor dem Leben und dem Selbstbestimmungsrecht des Menschen. Diese Antwort stellt in zahlreichen Variationen die ewigen Frager zufrieden, so dass sie ihrerseits loyal zu Geary sein können.

|Schachzüge|

Dieser Band beginnt und endet mit einer Schlacht. Noch drei Hüpfer, dann darf Gearys Flotte hoffen, in Sicherheit zu sein. Doch diese Hoffnung trügt. Vom Verrat in den eigenen Reihen ganz abgesehen, hat ihm die Reserveflotte der Syndiks einen Hinterhalt gelegt. Sobald er sich im heimatlichen System Varandal in Sicherheit wähnt, wollen die Syndiks dort das Hypernet-Portal zur Explosion bringen. Diese Nova würde sowohl sämtliche Einrichtungen des Systems vernichten, als auch die eintreffende Allianz-Flotte und die bereits vor Ort befindliche Heimatflotte (beziehungsweise deren Überreste nach der Schlacht von Atalia). Ein Schlag, von dem sich die Allianz wohl nicht so schnell erholen dürfte.

Schachzug um Schachzug muss Geary nun die Syndiks durchschauen und seinerseits überlisten, um Varandal und seine ausgepowerte Flotte zu retten. Man verrät nicht zuviel, wenn man zusammenfasst, dass ihm dieses Kunststück bravourös gelingt. Wie sonst könnte die Serie weitergehen? Denn noch muss der Abschlussband „Victorious“ (wörtlich: siegreich) bei uns erscheinen. Ich werde nicht verraten, was Geary und Desjani als Nächstes vorhaben. Aber ein Kenner der Serie kann es sich an fünf Fingern ausrechnen.

|Aliens|

Die Hypernet-Portale, die die Syndiks nun schon zum zweiten Mal zerstören wollen, sind Danaergeschenke der bis dato unsichtbaren Aliens. Ahnungslos haben Syndiks und Allianz-Mitglieder diese Technik für sich adaptiert und genutzt, ohne zu ahnen, dass sich ein explodierendes Portal in eine Sternenexplosion verwandeln lässt, wenn man es darauf anlegt.

Und darüber hinaus verstehen die Aliens einiges von Computertechnik: Sie haben Würmer in zahlreiche Systeme der Allianzflotte eingeschleust. Diese wurden erst in Band 4 eliminiert. Aber es gibt offenbar weitere Würmer, eingeschleust von Mitgliedern der Flotte der selbst – von Verrätern. Gaery muss sich fragen, was die Aliens vorhaben. Wollen sie, dass sich Syndiks und Allianz weiterhin permanent an die Gurgel gehen? Dann könnten sie als lachende Dritte deren Territorien übernehmen. Geary nimmt sich vor, den Aliens einen dicken Strich durch die Rechnung zu machen.

_Die Übersetzung _

Ralph Sander hat einen guten, wenn auch nicht sonderlich anspruchsvollen Job erledigt. Seine falschen Endungen halten sich in Grenzen, aber es gibt eine Reihe von Kommafehlern. Auf Seite 58 sieht es zudem nicht besonders toll aus, wenn ein Wort „v-ollem“ getrennt wird. Auf Seite 185 gibt es in der letzten Zeile einen typischen Flüchtigkeitsfehler zu besichtigen: „Uns“ statt „Und“.

_Unterm Strich_

Der Auftakt besteht aus der obligatorischen Raumschlacht, diesmal im System Heradao, Das Finale bestreitet ebenfalls eine Raumschlacht, denn der Ex-Marineoffizier kennt sich damit einfach am besten aus. Zwischen diesen beiden Action-Höhepunkten, die jeder Leser der Reihe erwartet, soll die Spannung jedoch nicht erlahmen. Hier flicht der Autor eine Gefangenenbefreiung und eine Sabotageakt ein, die jedoch ohne weitere Folgen für den Verlauf der Story bleiben. Sie illustrieren jedoch das Generalthema der Treue und des Verrats.

In den bisherigen vier Bänden hat der Autor eine deutliche Weiterentwicklung seiner Figuren gezeigt: Vom legendären „Black Jack“, den die „lebenden Sterne“, also Götter, geschickt haben müssen, wird er zu einer Art Hoffnungsträger der Flotte (v.a. Cpt. Desjanis), der sich durchaus auch mal von seiner menschlichen Seite zeigen darf, und zwar nicht nur gegenüber Kolleginnen, sondern auch gegenüber dem sogenannten Feind.

Schade, dass sich Geary und Tanya Desjani nicht weiter annähern dürfen: Sie muss die eiserne Jungfrau spielen, will sie ihre Ehre nicht aufs Spiel setzen. Dafür kabbelt sie sich ständig mit Rione, ihrer Vorgängerin in Gearys Gunst – Anlass für zahlreiche ironische Seitenhiebe und etwas Humor in der grimmigen Szenerie.

In diesem fünften Band fasst sich der Autor viel kürzer und lässt die Weiterentwicklung beiseite. Zur Freude des Lesers widmet er sich am Anfang in der Mitte und vor allem im Finale der Action. Obwohl mich der Band nicht sonderlich gerührt hat, so hat er mich doch mit den Raumschlachten spannend unterhalten.

|Taschenbuch: 382 Seiten
Originaltitel: The Lost Fleet: Relentless;
Aus dem US-Englischen von Ralph Sander
ISBN-13: 978-3404206421|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

John Masefield – Das Mitternachtsvolk

Phantasievolles Jungenabenteuer: Die Jagd nach dem Schatz von Santa Barbara

Um das Jahr 1927 in England auf dem Lande. Wenn es dunkel wird und das Mitternachtsvolk sein Unwesen treibt, ist dem kleinen Kay Harker bange. Tiger lauern unter dem Bett, und im Betthimmel hat sich bestimmt eine Pythonschlange verborgen. Mit der Hilfe seiner Spielgefährten und den Tieren des Hauses, zu denen auch zwei charakterlose Katzen zählen, gelingt es Kay jedoch, seine Kinderängste zu bewältigen. Die aufregende Schatzsuche, in die er hineingerät, hat ein gutes Ende, und Kay wird ein gutes Stück erwachsener … (abgewandelte Verlagsinfo)
John Masefield – Das Mitternachtsvolk weiterlesen

John Crowley – Great Work of Time. Alternativweltroman

Finger weg von Zeitkorrekturen!

Alles beginnt damit, dass der mittellose Mathematiker Caspar Last ins Jahr 1856 reist, um dort einen ganz bestimmten Brief an sich selbst abzuschicken. Doch diese winzige Tat ändert den Geschichtsverlauf, den wir kennen. Im Jahr 1956 reist der Polizist Denys Winterset durch ein Afrika, das fast komplett dem British Empire angehört und in dem Luftschiffe die luxuriöseste Fortbewegungsweise gewähren. Doch weitere hundert Jahre später herrscht die Otherhood über ein weltumspannendes Imperium voller Magi, Engeln und Hominiden …

„Great Work of Time“ erhielt 1990 den „World Fantasy Award for Best Novella“.
John Crowley – Great Work of Time. Alternativweltroman weiterlesen