Alle Beiträge von Michael Matzer

Lebt in der Nähe von Stuttgart. Journalist und Buchautor.

Parker, Robert B. – Paper Doll – Ein Spenser-Krimi

_In Boston wie im Süden: die Tyrannei weißer Männer_

Die Frau eines angesehenen Bostoner Anwalts wird mitten in der Stadt unweit ihres Hauses mit einem Hammer erschlagen. Nach erfolglosen Ermittlungen hält die Polizei den Fall für die Tat eines Verrückten und kommt nicht weiter. Deshalb bittet der Witwer den Privatdetektiv Spenser um Hilfe. Schon bei seiner ersten Nachforschung in der Heimat der Ermordeten, bekommt Spenser mordsmäßig eins auf die Mütze. Jemand will nicht, dass er den Mord aufklärt. Aber warum?

Deutscher Titel: „Schmusepuppe“. Das trifft den Sachverhalt nicht wirklich.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

„Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Spenser ist ein Privatdetektiv in Boston. Er lebt mit der Psychotherapeutin Susan Silverman und dem „Wunderhund“ Pearl zusammen, die er beide gerne mit Kreationen aus seiner Küche verwöhnt. Heute kommt der wohlhabende Anwalt Loudon Tripp-Nelson zu ihm. Offenbar hat er Spensers Hintergrund gründlich überprüft. Er kommt zu ihm auch nur, weil die Polizei überhaupt nicht weiterkommt: Seine Frau Olivia wurde von einem Unbekannten mit einem Zimmermanshammer erschlagen, mitten auf einem Platz im Nobelviertel Beacon Hill, wo Tripp-Nelsons Haus steht. Der von ihm ausgestellte Scheck ist beträchtlich, und Spenser nimmt den Fall deshalb gerne an.

Der Polizeileutnant hat keine großen Erkenntnisse beizutragen, ebenso wenig der eigentliche Bearbeiter des Falles, Farrell. Tripp-Nelson und seine Frau seien offenbar Heilige gewesen und ihre zwei Kinder Loudon junior und Meredith ebenfalls kleine Heilige. Die zwei gehen aufs College. Als Spenser das Haus in Augenschein nimmt, stellt er fest, dass die Eltern getrennte Schlafzimmer haben. Zudem sehen die Zimmer von Olivia und den Kindern wie Gästezimmer aus: unbewohnt, ausgestellt, präsentabel. Sehr merkwürdig. Junior wirft Spenser raus. Was hat denn der für ein Problem, fragt sich der Privatdetektiv.

Noch merkwürdiger ist Tripp-Nelsons Sekretärin. Ann Summers ist eine Wucht und einem Abenteuer zwischen den Laken sicher nicht abgeneigt. Wenn Spenser seine Susan nicht hätte … Aber Ann Summers will nichts über die Familie ihres Brötchengebers sagen und auch nicht verraten, warum sie zwischen neun und vier praktisch nichts zu arbeiten hat. Sie liest stattdessen, gut für ihre Bildung. Aber was macht sie in Wahrheit den lieben langen Tag?

Dass Senator Bob Stratton sich für den Fall interessiert, hat Spenser schon gehört. Als er ihn im Club seines Klienten trifft, macht der Senator schlüpfrige Bemerkungen über junge Damen, bevor er Tripp-Nelson sein Beileid ein wiederholtes Mal ausdrückt. Eine interessante Figur, ohne Zweifel.

|Im tiefen Süden|

Da es weder einen Täter noch ein Motiv gibt, gräbt Spenser in der Biografie des Opfers. Hatte es jemand aus der Vergangenheit auf sie abgesehen? Also fliegt er nach Alton, South Carolina, und quartiert sich dort ein. Kaum ist er von einem Besuch an Olivias Schule zurück, merkt er schon, dass sein Hotelzimmer durchsucht worden ist. Nichts fehlt, aber vor dem Hotel steht ein blauer Buick, der sofort wegfährt, wenn er auf ihn zugeht. Wird er von der Polizei überwacht?

Ja, so ist es, erklärt der schwarze Hoteldiener Sedala, der Sheriff war da. Offenbar hat ihm jemand aus Boston einen Tipp gegeben, jemand, der hier viel zu sagen hat. Und Spenser hat da schon eine Ahnung, wer das sein könnte. Sedala gibt ihm noch einen Tipp: Sich mal eine kleine Frittenbuden anzusehen. Tatsächlich ist dort das Essen nicht nur besser und herzhaft, sondern es hängt dort auch ein Foto von Olivia Nelson an der Wand. Nur, dass die weiße Frau, die dieses Mädchen ihre Tochter nennt, gar nicht Nelson heißt, sondern Rankin. Das Foto zeige ihre Tochter Cheryl Anne. Spenser ist perplex.

Um sich Klarheit zu verschaffen, fährt er, stets überwacht, raus zu Olivias Vater Jack. Der war zu seiner Zeit nicht nur ein toller Jäger und Reiter, sondern auch ein Frauenheld, der laut seinem Pferdehalter alles besprang, das keinen Penis hatte. Allerdings ist Jack Nelsen inzwischen ein Halbtoter, der nur noch übergewichtig vor der Glotze hängt und Whisky süffelt. Als Spenser seine Tochter Olivia erwähnt, wehrt Nelsen ab: Er habe keine Tochter. Und sein alter Diener Jefferson erklärt es: Olivia heiratete einen Afrikaner und zog nach Kenia. Nelson hat sie quasi enterbt. Als der völlig überraschte Spenser ihn nach Cherryl Anne Rankin fragt, lügt Jefferson. Aber warum?

Kaum zurück im Hotel, erstattet Spenser einem ebenso erstaunten Polizeileutnant in Boston Bericht. Und da sieht er aus dem Fenster, wie die komplette Polizei vor seinem Hotel eintrifft. Die kommen bestimmt nicht, um eine Disco aufzumachen. Spenser bittet den Leutnant noch, ihm zu helfen, da wird er auch schon abgeführt, und zwar auf höchst illegale Weise. Aber das ist erst der Anfang seines Martyriums im tiefen Süden …

_Mein Eindruck_

Dies ist der erste „Spenser“-Krimi, den ich gelesen habe, und ich muss sagen, dass ich keineswegs enttäuscht bin. Anfangs sah der Plot wie ein Fliegengewicht aus, doch in seiner unnachahmlich lässigen Art führt der Autor seine Figuren immer weiter auf einer Spirale der Verzweiflung und Aufklärung. Genau so, als sei die Ermittlung eine andere Art des Exorzimus.

Im Brennpunkt der Ermittlung stehen erst zwei Familien: die von Olivia Nelson, die gar nicht Olivia Nelson ist, und die ihres angeblichen Vaters, der sich als ihr tatsächlicher Vater entpuppt. Olivias Mann Loudon Tripp ist ein Meister im Verdrängen der Wirklichkeit, wie Spenser mit wachsender Bestürzung feststellen muss. Olivias Bett war deshalb so sauber und präsentabel, weil praktisch nie darin schlief, sondern sich lieber in den Betten anderer Männer herumtrieb. Und seine Tochter Meredith ist deswegen so still, weil sie ein schreckliches Geheimnis zu verbergen hat.

Nur gut, dass Spenser eine Psychotherapeutin zur Freundin hat. So bekommt er eine Erklärung für die massive Realitätsverdrängung Loudon Tripps, ebenso für die von Jack Nelson, Olivias Vater. Und er findet jede Menge Erholung von seinen strapaziösen Ermittlungen im Süden und Boston, wenn er mit Susan ins Bett geht. Sie ist die Lauren Bacall für seinen Philip Marlowe – und hat genauso schlagfertige Antworten. Das sorgt für subtilen Yankee-Witz, für eine feine Ironie, die elegant an der Grenze zum schwarzen Humor entlangsegelt.

Doch abgesehen von den Tripp-Nelsons geht es auch um Senator Stratton. Der Mann, der sich zum Präsidentschaftskandidaten aufstellen lassen will, unternimmt einiges, damit Spenser seine Finger vom Fall „Olivia Nelson“ lässt. Nicht ohne Grund, hat er doch „Livvie“ viele Male nicht nur sexuell benutzt, sondern auch noch um all ihr Geld gebracht – „Parteispenden“ von seiner ehemaligen Wahlkampfhelferin. Doch dann ist er zu weit gegangen …

Natürlich ist es lachhaft, auch nur daran zu denken, dass ein Bostoner Cop sich an einem SENATOR vergreifen könnte. Ein SENATOR, der den Polizeipräsidenten locker in die Tasche stecken könnte. Und doch gelingt Spenser dieses kleine Wunder, und zwar auf seine unnachahmlich menschliche Weise, die zeigt, wie moralisch integer der Ermittler ist. Und als auch die Tripps der Wahrheit ins hässliche Medusenauge sehen müssen, hat auch Senator Stratton keine Worte mehr. Und uns bleibt die Spucke weg. Aber heißt dies auch, dass er der Mörder ist? Das soll hier nicht verraten werden.

|Der Buchtitel|

Die Übersetzung des Buchtitels „Paper Doll“ mit „Schmusepuppe“ trifft nur die halbe Wahrheit, nämlich „doll“, das umgangssprachliche Wort für „junge attraktive Frau ohne feste Bindung“, vulgo: „Schlampe“. Aber was ist mit „paper“? Die Titelillustration des Originals gibt schon einen Hinweis: Eine Papierpuppe lässt sich wie ein Abziehbild ausschneiden, sodass sie keinen eigenen Charakter hat. Oder sie hat den Charakter eines anderen Menschen angenommen, der fortan nur noch auf dem Papier existiert. Es geht also um eine falsche Identität – genau die Täuschung, die Spenser so zu schaffen macht.

_Unterm Strich_

In einer zunehmend spannenderen und beklemmenderen Ermittlung, die aber auch keiner Verschnaufpausen entbehrt, deckt der Autor die repressive Herrschaft des weißen Mannes auf – die „Tyrannei alter Männer“ („Pulp Fiction“ von Tarantino) vor allem. Im alten Süden, in South Carolina, hat Jack Nelson alles besprungen, was nicht bei drei auf den Bäumen war. Die Tyrannei gegenüber Frauen ist nur die andere Seite der Tyrannei gegen die Schwarzen, deren Folgen Spenser allenthalben antrifft.

Doch was wir und Spenser nicht erwartet haben: Die Tyrannei des weißen Mannes setzt sich auch im Norden fort. Und nicht bei irgendwelchen Leuten, sondern bei einem Senator, also dem gewählten Vertreter eines Bundesstaates. Senator Stratton weiß sich in der sexuellen und finanziellen Ausbeutung von Frauen und ihren Familien jedoch völlig auf einer Linie mit anderen „Kameraden“, die seine schlüpfrigen Witze – besonders über Jungfrauen – lustig finden. Im Gegensatz zu Spenser. Und er befindet sich als Angehöriger der politischen Elite des Landes in „bester“ Gesellschaft, zum Beispiel in der der Kennedys Anfang der sechziger Jahre. Was sagt dies über ein politisch-kulturelles System aus?

Mich hat die Lektüre nie gelangweilt und ich fand sie zunehmend spannender, je mehr beklemmende Enthüllungen mir Spenser bzw. Parker offenbarten. Der Held würde heulen, wenn er nicht solch einen Rückhalt in seiner besten Freundin hätte – der weiblichen wie der hündischen.

Dieser „Spenser“-Krimi lässt sich nur schwer mit den „Jesse Stone“-Krimis vergleichen. Aber auch hier ist der lakonische Witz der Dialoge (Einzeiler am laufen Band) und die moralische Integrität und Unerschrockenheit des Ermittlers unverkennbares Markenzeichen des 2010 verstorbenen Autors Robert B. Parker.

|Taschenbuch: 279 Seiten
ISBN-13: 978-0425141557|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

Parker, Robert B. – Death in Paradise (Jesse Stone 3)

_Eine Kugel für Pretty Baby_

Polizeichef Jesse Stone hat mit dem Mord an einem Teenager-Mädchen zu tun. Natürlich sucht er dessen Mörder. Aber wieso will in seinem Städtchen Paradise niemand der Angehörige des Mädchens sein, um die Leiche zu bestatten?

Dieser Roman wurde für die „Jesse Stone“-Serie mit Tom Selleck eindrucksvoll verfilmt. Allerdings weist die Fernseh-Episode eine Unmenge an Unterschieden auf. Diese erörtere ich weiter unten.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

„Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

In einem nahen See wird die Leiche eines Mädchens gefunden. Sie muss sich schon einige Zeit darin befunden haben, denn die Verwesung hat eingesetzt. Sie wurde ermordet: Eine Kugel durch den Kopf, wahrscheinlich aus einer 38er. Polizeichef Jesse Stone Mitarbeiter finden am Ufer einen Schulring an einem Goldkettchen: Der recht umfangreiche und reich verzierte Ring stammt von der Swampscott High School und zwar aus dem Jahr 2000.

Das Mädchen könnte den Ring ihres Freundes an dem Kettchen getragen haben, sinniert Stone. Der Mörder schleppte die Leiche von seinem Auto durchs Unterholz bis in den See hinein, beschwerte sie dort mit Seil und Steinen, um sie am Aufsteigen zu hindern und versenkte sie dort. Wenig später finden Stones Mitarbeiter auch den Stein und das Seil – ein erster Hinweis. Er schickt gleich Arthur Angstrom los, um alle entsprechenden Läden abzuklappern. Vielleicht war der Mörder dumm genug, mit seiner Kreditkarte zu bezahlen.

Höchste Zeit, der Swampscott High School einen Besuch abzustatten. Die Rektorin ist Lilly Summers, DOKTOR Lilly Summers, eine adrette Lady – und derzeit unverheiratet. Jesse lädt sie sofort zum Mittagessen ein, sodass sie über den Fall des ermordeten Mädchens reden können. Wie sich herausstellt, könnte es sich um Elinor Bishop handeln, die von allen nur Billie genannt wurde und wohl so etwas wie eine Nymphomanin war. Sie schlief mit allen, doch nur einer war ihr wahrer Freund: William Royston, genannt Hooker, der Held des Jahrgangs, ein Vorzeigejunge.

Doch warum war Billie eine Nymphomanin und ihre Noten so schlecht, dass sie kaum die Versetzung schaffte? Sie war apathisch und interesselos. Jesse vermutet gleich, dass sie seelisch etwas aus der Bahn geworfen haben muss. Auch ihre Eltern sind sonderbar: Sie leugnen standhaft, dass sie eine Tochter namens Elinor oder Billie hätten. Was durch die Zahnarztunterlagen widerlegt wird. Dennoch beharrt die Mutter darauf, dass Billie für sie tot sei. Der Vater hat gefälligst die Klappe zu halten. Ebenso die dritte Tochter, Carla.

Aber wenigstens die zweite Tochter, Emily, redet mit Jesse. Sie hat eine Telefonnummer: Billie ging zu den Nonnen in Boston. Die Nonne, Schwester Mary John, hat ebenfalls eine Telefonnummer. Diese gehört dem Bostoner Gangster Gino Fish. Fish, der bekanntermaßen schwul ist und erst recht nichts sagt, habe nichts mit Prostitution am Hut, sagt die Bostoner Polizei, verkörpert durch Brian Kelly (den wir schon aus den Sunny Randall-Krimis kennen). Also legt sich Jesse mit seinem Mitarbeiter Suitcase Simpson und Kelly auf die Lauer. Nach Wochen entdecken sie: Es ist Fishs Rezeptionist Alan Garner, der den Prostituiertenring betreibt. Und die Huren sind blutjung – genau wie Billie. Hat einer der Freier Billie umgebracht?

Doch die Verbindung zu Paradise fehlt. Diese wird hergestellt durch die Verbindung von Gino Fish mit dem angesehenen Autor Norman Shaw, ein Alkoholiker mit einer sexuell frustrierten Frau, die sich an Jesse ranschmeißt. Shaw soll im Auftrag von Fish eine Biografie des Gangsters schreiben, gegen einen ansehnlichen Vorschuss. Jesse fragt sich, was Shaw für Fish getan haben könnte …

_Mein Eindruck_

Wie sich herausstellt, hat Gino Fish keine Ahnung von den Nebengeschäften seines Rezeptionisten Alan Garner, der einen Ring von minderjährigen Huren führt. Gut für Fish, schlecht für Garner. Denn wenn Fish die Wahrheit über seinen Lover herausfindet, bringt er ihn um. Das wissen auch die beiden Cops Stone und Kelly, als sie Garner schließlich in die Mangel nehmen. Aber sie lassen ihm ein winziges Schlupfloch: Wenn er Shaw verpfeift, kommt er ihne Mordanklage davon. Und die würde sich in seinem Lebenslauf – der durch Fish drastisch abgekürzt werden könnte – gar nicht gut ausnehmen.

Doch Stone und Kelly geht es um den Mörder von Billie Bishop. Wenn es weder Fish noch Garner war, dann kommt vorderhand nur Shaw in Frage. Ihr Problem ist allerdings, dass sie Shaw seine pädophilen Neigungen nachweisen müssen. Das kann eine der geschiedenen Gattinnen besorgen. Und sie müssen Billie mit ihm in Verbindung bringen. Wie ginge das besser als über Garner?

Dieser „Jesse Stone“-Krimi nimmt sich wie schon „Sea Change“ und „Paper Doll“ des heißen Eisens der Pädophilie an, diesmal aber auch des Themas Prostitution von Minderjährigen. Beide Themen entfachen in Jesse Stone sowohl Depression als auch Wut. Er hat Billie gegenüber ein heimliches Versprechen abgegeben, ihren Killer zu stellen und zur Rechenschaft zu ziehen. Bis ihm dies gelingt, besteht ein langer Spannungsbogen, der vier kleine Nebenhandlungen mühelos stützt.

Diese Nebenhandlungen umfassen 1) eine Liebschaft mit Lilly Summers, von der er Jenn informiert; 2) weitere Treffen mit Jenn; 3) Jesse besucht erstmals eine Psychotherapeuten, dem ihn Jenn empfiehlt: Dix soll Jesse von seiner Alkoholsucht befreien; und 4) Mr Snyder, ein Alkoholiker wie Jesse, schlägt seine Frau, doch Jesse verhilft ihr zur Freiheit – was zu einer Geiselnahme in einem Supermarkt führt. In Snyder entdeckt Jesse einen Aspekt seiner selbst, der ihm gar nicht gefällt. Und zum ersten Mal findet er selbständig heraus, was damit nicht stimmt.

|Unterschiede zur Verfilmung|

Dieser Roman wurde für die „Jesse Stone“-Serie mit Tom Selleck eindrucksvoll verfilmt. Allerdings weist die Fernseh-Episode eine Unmenge an Unterschieden auf. Während die „Snyder“-Episode relativ unangetastet blieb, sondern fordert der blutige Abschluss der Geiselnahme ein bedauernswertes Opfer. Die Ermittlung in Boston dauert längst nicht so lange, wie sie im Buch dargestellt wird. Vielmehr findet Jesse Stone im Film in Billies Zimmer (!) ein Buch von Norman Shaw – quasi ein Wink mit dem Zaunpfahl.

Signifikanter ist eigentlich der Abschluss des „Fish/Garner“-Strangs. Im Film spielt Garner praktisch keine Rolle, wenn ich mich recht entsinne. Vielmehr läuft alles auf eine Konfrontation zwischen Fish, seinem Schützen Vinnie Morris (bestens aus den „Spenser“-Krimis bekannt) und Stone hinaus. Davon kann im Buch nicht die Rede sein. Im Film wird plötzlich Fish zum Mörder von Billie gemacht, was Shaw ziemlich entlastet. Das widerspricht auf eklatante Weise der Absicht des Autors, der alle Schuld an Billies Tod auf Shaw ablädt.

Wie man sieht, ist der Drehbuchautor mit der Vorlage regelrecht Schlitten gefahren. Die Abkürzungen und Verdrehungen sind wirklich ärgerlich. Ich musste mich erst von diesen Verfälschungen freimachen, um die Romanvorlage wirklich genießen zu können. Wohl dem also, der die Verfilmung noch NICHT kennt!

_Unterm Strich_

Ich habe diesen Krimi an zwei Tagen gelesen. Wie bei allen „Jesse Stone“-Romanen Parker sorgt die Verbindung aus Verbrechen, sozialem und menschlichem Drama sowie erotischer Nebenhandlung dafür, dass sowohl männliche als auch weibliche Leser gut unterhalten werden. Parker prangert die Ursachen der Prostitution von Minderjährigen genauso an wie die verlogene Moral der Freier, die die Minderjährigen ausnützen. Der Regisseur Louis Malle hat mal eine Minderjährige zum „Pretty Baby“ hochstilisiert, doch der Film ist ebenso verlogen wie die Freiermoral.

Was mir diesmal fehlte, was die Action, die beispielsweise die „Stone“-Romane „Trouble in Paradise“ und „Stranger in Paradise“, aber vor allem die „Spenser“-Krimis zu liefern wissen. Außerdem fehlte mir die Erklärung für Billies nymphomanisches Verhalten und dessen Auslöser. Deshalb gibt es einen Punktabzug.

Der Leser sei ausdrücklich vor der verfälschenden TV-Verfilmung gewarnt. Sie verhinderte, dass ich diesen Roman so gut genießen konnte, wie ich von den „Stone“-Krimis gewohnt bin. Denn die TV-Bilder überlagerten immer wieder die Darstellung im Buch. Und letzten Endes widerspricht die Aussage des Films der Absicht des Autors. Während Parker mit dem Schriftsteller hart ins Gericht geht, ist im Film der Gangster der Böse – das Klischee ist mal wieder bestätigt.

|Taschenbuch: 289 Seiten
ISBN-13: 978-0425187067|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

Parker, Robert B. – Trouble in Paradise (Jesse Stone 2)

_Großangriff mit Apache: Überfall auf die Insel der Reichen_

Polizeichef Jesse Stone bekommt es diesmal mit einem skrupellosen Räuber und dessen Bande zu tun. Nachdem sie den einzigen Zugang zu Stiles Island gesprengt haben, räumen die Räuber in aller Seelenruhe die Nobelvillen der Bewohner aus und plündern sogar deren Bankschließfächer. Der Haken: Sie müssen warten, bis die Flut kommt und ein Boot sie abholen kann. Zeit genug für Stone, um einzugreifen und die Geiseln zu befreien?

Dieser Roman wurde meines Wissens nach noch nicht übersetzt.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

„Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Jimmy Macklin ist ein Ganove, der frisch aus dem Gefängnis entlassen wurde und bereits Pläne für den nächsten großen Coup ausheckt. Im Knast hat er von einem „Kollegen“ erfahren, dass es auf Stiles Island eine ganze Reihe von Nobelvillen gebe, in denen sich etliche Wertsachen befänden. Und dann gebe es da noch die Bank. Viele der Bewohner der Insel, die dem Städtchen Paradise und ihrem Hafen vorgelagert ist, hätten dort ihre Preziosen, Wertpapiere und so weiter gebunkert.

Man müsste aber schon eine schlagkräftige Mannschaft zusammenbekommen, die es mit dem Sicherheitsdienst dort aufnehmen könne. Null Problemo, denkt Jimmy Macklin in den Armen seiner Freundin Faye. Die Jungs bekomme ich locker zusammen – ich muss ihnen nur genügend Anteil an der Beute versprechen. Einer der Jungs jedoch, der Apache Wilson Cromartie, genannt „Crow“, verlangt einen größeren Anteil: 20 Prozent oder die Sache läuft ohne ihn. Jimmy weiß, dass der Kontraktkiller mit und ohne Waffe alles töten kann, was sich bewegt. Geht also in Ordnung.

Macklin gibt sich bei der Immobilienmaklerin Marcy Campbell als Interessent aus, der sich auf Stiles Island niederlassen will. Er fängt sogar ein Verhältnis mit der schlanken, fitten Frau an. Doch Jimmy ist ein Adrenalinjunkie, der die Gefahr liebt: Er besucht sogar den Polizeichef Jesse Stone, um den Mann einzuschätzen. Der Dorfpolizist scheint wider Erwarten kein ahnungsloses Landei zu sein, und das beunruhigt ihn – ein klein wenig. Dem muss man eben Rechnung tragen.

Nachdem Crow Geld beschafft hat und die anderen Spezialisten – für Elektrik und Sprengstoff – ihr Zeug gekauft haben, sind Jimmy und seine Crew bereit. Sie ahnen nicht, dass Jesse Stone sie bereits beobachtet. Kam ihm gleich nicht koscher vor, dass dieser „Harry Smith“ angibt, aus Concord zu stammen, seinen Wagen aber auf eine Adresse in Charlestown zugelassen hat. Unter der angegebenen Adresse logieren auch noch andere Typen, darunter einer, der besonders zwielichtig aussieht.

Jesse lässt das Nummernschild des Lieferwagens prüfen, der vor dieser Wohnung steht. Er ist auf einen Wilson Cromartie aus Tucson zugelassen. Jesse stammt aus Tucson. Dort war sein Vater Polizist. Und Jesse hat dort immer noch Freunde, die ihn nun eindringlich davor warnen, es alleine mit Wilson Cromartie, genannt Crow, aufzunehmen. Das sei ein eiskalter Killer. Deshalb kreuzt Jesse mit zwei seiner Mitarbeiter vor Macklins Wohnung auf. Er findet nur Faye vor, die sich Rocky nennt. Der Vogel ist ausgeflogen. Aber wohin?

Um 10 Uhr am gleichen Morgen reißt die Verbindung zum Sicherheitsdienst von Stiles Island ab und alle Telefone lassen nur das Besetztzeichen ertönen. Als Jesse die Lage dort von zwei Angestellten prüfen lässt, fliegt ihr Streifenwagen mitsamt der Brücke in die Luft. Das verheißt nichts Gutes, weiß Jesse.

Und das ist erst der Anfang …

_Mein Eindruck_

Dieser zweite „Jesse Stone“-Krimi bietet dem Leser eine Menge Spannung und tödliche Action. Allerdings lässt sich der Autor, die Geschichte richtig zu erzählen. Er bereitet den Höhepunkt, der im letzten Drittel folgt, sorgfältig vor. Erst auf diese Weise tragen zwei Nebenhandlungen dazu bei, die menschliche Anteilnahme des Lesers am Geschehen sicherzustellen.

Beide Nebenhandlungen drehen sich um die Liebschaften des Polizeichefs. Wir wissen ja schon aus dem ersten Band „Night Passage“, dass Jesse Stone kein Kostverächter ist. Er fing eine Affäre mit der Anwältin Abby Taylor an, doch im Laufe der Handlung kam es zu einem Zerwürfnis: Sie konnte nicht akzeptieren, dass seine erste Priorität seinem Job gilt, und der beinhaltet eben manchmal, Menschen töten zu müssen. Jetzt will Abby diese Liebschaft wieder aufwärmen. Sie inszeniert in aller Öffentlichkeit einen leidenschaftlichen Kuss. Dies wiederum führt zu einem verhängnisvollen Missverständnis, denn automatisch gerät Abby ins Visier von Jimmy Macklin und seiner Freundin Faye.

Der Immobilienmaklerin Marcy Campbell ergeht es wenig besser. Macklin nimmt auch sie gefangen, in der Hoffnung, mit ihr als Geisel den Polizeichef erpressen zu können – auch sie gehört zu den Freundinnen Stones. Und als wäre das noch nicht genug, muss Stone auch noch mit seiner Ex Jenn und ihren eigenen Affären zurechtkommen.

Sein Privatleben ist also recht turbulent, denn er gibt keiner der Damen einen Korb. Jenn tritt dafür in aller Öffentlichkeit für Jesse ein – und zwar so schlagfertig, dass sie Jesses lauteteste Kritikerin Kay Hopkins eine in die Fresse haut. Jesse hat das zweifelhafte Vergnügen, seine eigene Ex in eine Zelle sperren zu müssen. Und dabei liebt er sie doch noch. Und wir lieben ihn, weil er all diese Schwächen hat und sich um alles Mögliche kümmern muss.

Mit Macklin hat der Autor hingegen eine Figur geschaffen, die gerne der perfekte Räuber sein möchte, aber dabei in die übliche Hybris verfällt. Crow drückt es klipp und klar aus: Gerade weil Macklin ein Adrenalinjunkie ist, macht er keine detaillierten Pläne – und muss sich dann mit den Folgen der Fehler herumschlagen. Einer davon besteht darin, vier Stunden lang darauf warten zu müssen, dass die Flut hoch genug ist, damit ein Schnellboot nahe genug an der Inselküste anlegen kann, dass Menschen zu ihm hinauswaten können. Und in dieser kritischen Wartezeit kann natürlich alles Mögliche passieren.

Es ist recht vorhersehbar, dass Jesse sich in einen Taucheranzug kleidet und zur Insel schwimmt, um dort mit Macklin abzurechnen. Aber es ist keineswegs vorauszusehen, was Faye mit Abby Taylor gemacht hat. Oder welche Pläne der schlaue Apache Crow im entscheidenden Augenblick in die Tat umsetzt. Das lässt Macklin nämlich ganz schön alt aussehen. (Und deshalb taucht Crow in dem Roman „Stranger in Paradise“ zehn Jahre später erneut auf – siehe dazu meinen Bericht.)

_Unterm Strich_

Ich habe diesen spannenden Roman an nur einem Nachmittag und Abend verschlungen. Die Geschichte ist ebenso erotisch wie actionreich mit zahlreichen feinen Szenen aufgezogen, die sich einerseits zu einem menschlich anrührenden Mosaik vereinen (Marcy, Abby, Jenn), als auch zu einer spannenden Entwicklung beitragen, die sich in Explosionen, Morden und Geiselnahme entlädt.

Für weibliche Leser ist das vielleicht ein wenig starker Tobak , aber die Leser der Jesse-Stone-Reihe sind vermutlich überwiegend Männer (im Gegensatz zur „Sunny Randall“-Reihe). Andererseits: Ein Kel, wie Stone, der die Frauen so liebt, kann einfach kein schlechter Typ sein – und vielleicht wird deshalb am Schluss auch (ganz sachte) abgeknutscht.

Ein Stückchen Sozialkritik soll nach all dieser Action und Erotik nicht unterschlagen werden. Jesses erster Fall dreht sich nämlich um drei Halbstarke, die im dringenden Verdacht stehen, das Haus eines Pärchens Schuler abgefackelt zu haben. Die Art und Weise, wie Jesse diesen Fall ohne jeden Beweis löst, ist zwar bewundernswert, stößt aber bei den Eltern der drei Tatverdächtigen und besonders ihren Anwälten (darunter Abby Taylor) auf wenig Gegenliebe. Im Gegenteil: auf heftigen Widerspruch.

Jesse Stone ist ein Kerl mit Ecken und Kanten und weit davon entfernt, perfekt zu sein, weder im Job noch in der Liebe. Wir lieben ihn dafür. Aber er tut, was er kann. Und das ist nicht wenig. Außerdem arbeitet er an seiner ehemaligen Ehe. Jeden Tag ein kleines Stückchen. Und Zwischenfälle wie auf Stiles Island sind in diesem Bemühen zwar störend, aber nicht wirklich von großer Bedeutung. Und Baseball bedeutet Jesse, wie man in „Death in Paradise“ lesen kann, wesentlich mehr als ein paar Ganoven.

|Taschenbuch: 324 Seiten
ISBN-13: 978-0399144332|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/putnam.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

Parker, Robert B. – High Profile (Jesse Stone 6)

_Aufgehängt: ein TV-Promi auf Liebesabwegen_

Ein umstrittener Talkshow-Moderator und Freund des Gouverneurs wird tot in einem öffentlichen Park von Paradise, Massachusetts, aufgefunden: Mit drei Kugeln in der Brust, den Hals in einer Henkersschlinge, hängt er an einem Baum. Chief Jesse Stone ahnt nichts Gutes. Wenig später findet eine Restaurantbesitzerin die tote Freundin des Moderators in ihrem Müllcontainer. Sie posaunt ihren Fund gleich hinaus an die versammelte Presse.

Nicht nur die Medien üben nun Druck auf Stone aus, sondern auch das Büro des Gouverneurs, das über jeden seiner Ermittlungsschritte informiert werden will. Zu allem Unglück wird auch noch Stones Freundin und Exgattin Jenn vergewaltigt und beschattet, just zu der Zeit, da sich Stone mit der Privatdetektivin Sunny Randall (siehe die entsprechenden Krimis) zusammentun will. Es herrscht ein mittleres Chaos in Stones Leben, und nur mit viel Hilfe kann er es bewältigen – und den Fall lösen.

Auch dieser „Stone“-Krimi wurde noch nicht übersetzt, und auch eine Verfilmung existiert meines Wissens nach nicht.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

„Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Der Indian Hill bietet normalerweise einen prima Ausblick über den Hafen von Paradise, Massachusetts. Heute ist der Anblick des Indian Hill interessanter, wenn auch hässlicher: An einem Baum baumelt eine Leiche. Kate Mahoney entdeckte ihn beim Joggen und alarmierte die Polizei. Nun fürchtet sie Ärger. Chief Jesse Stone versichert ihr, sie werde keinen Ärger bekommen, und hält sich die Nase zu: Die Leiche des Toten stinkt wie eine überreife Frucht. In der Brust des Toten: Drei Einschusslöcher. Aber nirgendwo Blut. Offensichtlich wurde er woanders getötet.

Die Rechtsmedizin identifiziert den Toten: Walton Weeks war ein bundesweit bekannter Talkshow-Moderator im Fernsehen, ein Moderator im Radio und ein Kolumnist in zahlreichen Zeitungen – ein Promi. Stone und seine Crew ahnen, was jetzt auf sie zukommt: ein Medienzirkus ohnegleichen. Jesse verdonnert Molly Crane dazu, die obligatorischen Pressekonferenzen abzuhalten. Er zieht es vor, zu ermitteln und hinter den Kulissen aktiv zu werden.

Da Walton Weeks ein enger Freund des Gouverneurs von Massachusetts war, schneit auch ein Bürokrat aus dessen Büro herein. Der Typ fordert von Stone, über jeden Ermittlungsschritt auf dem laufenden gehalten zu werden, geradeso als hätte er in Paradise etwas zu sagen. Stone lässt ihn abblitzen.

Am nächsten Tag bahnt sich Daisy Dyke, die lesbische Restaurantbesitzerin von nebenan, den Weg durch die Pressemeute. Sie habe etwas im Müllcontainer hinterm Haus entdeckt. Diskret schaut sich Jesse dort um: Eine Frauenleiche liegt im Container, mit einem Loch in der Brust. Später informiert ihn die Rechtsmedizin, dass sie in der zehnten Woche schwanger war – Weeks war der Vater. Es handelt sich um seine persönliche Assistentin Carey Longley.

Weeks hatte einen Bodyguard, einen Ex-Cop namens Conrad Lutz. Seltsamerweise war dieser gerade zum Zeitpunkt des Verschwindens von Weeks und Longley von seinen Pflichten entbunden worden, wie Lutz zu Protokoll gibt. Stone wird den Leibwächter schon bald noch öfter sehen.

Nach ein paar Tagen wundert sich Stone, warum die Verwandten von Weeks und Longley nicht nach den Leichen fragen, um sie beerdigen. Bei einem Treffen mit den „Interessenvertretern“ lernt Stone in New York City die aktuelle Gattin, deren Vorgängerin (die erste Gattin lebt in Italien), den Rechercheur von Weeks, den Manager und den Anwalt kennen. Eine Menge Leute, die nun womöglich arbeitslos werden. Oder doch nicht? Und wer wird überhaupt wie viel erben? Auch das wird Stone noch herausbringen, um auf ein Motiv zu stoßen: Diese Leute können das Weeks-Unternehmen ohne Weiteres weiterführen – eine wahre Goldgrube.

Allerdings hält ihn vorderhand seine Exfrau Jenn in Atem: Sie sagt, sie sei vergewaltigt worden, können aber nicht sagen, von wem, und sie werde beschattet, könne Jesse aber nicht sagen, von wem. Ein wenig mysteriös findet der gestresste Dorfpolizist und schaltet seine neue Freundin, die Privatdetektivin Sunny Randall aus Boston, ein. Die verspricht, sich Jenns anzunehmen, denn über solche Dinge könnten „Schwestern“ eben viel besser sprechen als Männer. Das ist Stone umso lieber. Schon bald stellen sich erste Informationen darüber ein, um wen es sich bei dem Stalker handelt.

Eine Frage nagt an Jesse: Was hatten Weeks, der Schürzenjäger, und seine schwangere Freundin eigentlich in Paradise zu suchen? Er weiß inzwischen, dass Weeks hier in seiner frühen Jugend die „beste Zeit seines Lebens“ verbracht hat, bevor etwas Einschneidendes geschah, das Weeks‘ Sexualität grundlegend veränderte, etwas, das mit seiner Mutter zu tun hatte. Wollten sich die beiden Turteltauben hier häuslich niederlassen?

Jesse fragt seine alte Flamme, die Immobilienmaklerin Marcy Campbell, und die findet heraus, dass Carey Longley unter ihrem Mädchennamen Young auf Stiles Island ein Haus kaufte, auf der Atlantikseite: für über vier Millionen. Als sich Jesse in dem Haus umschaut, findet er im begehbaren Kühlschrank der noblen Hütte eine erste Spur. Jetzt ahnt er, was der oder die Mörder vorhatten …

_Mein Eindruck_

Wie so oft verknüpft der Autor auch hier wieder zwei Kriminalfälle, denen Chief Stone nachgehen muss. Stone arbeitet zwar nach dem Prinzip „In der Ruhe liegt die Kraft“, aber selbst er droht diesmal ins Schleudern zu geraten: Es ist seine eigene Exfrau, die eines der Opfer ist. Er hat zu der Frau, die ihn schon mehrfach betrogen hat, ein gespaltenes Verhältnis, liebt sie aber dennoch.

Aber was tut ein Chef am besten, wenn er in Zeitnot ist? Er delegiert die Aufgabe. Die Glückliche und Freundliche ist diesmal Sunny Randall, eine Privatdetektivin aus Boston, die in bislang sechs Romanen des Autors aufgetreten ist. Sie ist kompetent, möchte Jesse zum Freund, hat aber noch eine emotionale Hypothek: Richie, ihr erster Gatte – und obendrein ein Mafioso. Sie bringt heraus, was wirklich hinter dem Stalker steckt – eine weitere zerbrochene Beziehung als Konsequenz aus Jenns notorischem Fremdgehen.

Wieder mal kommt Jesses Psychotherapeut Dix zu seinem Recht. Und Jesse hat eine Erleuchtung: Jenn benutzt Sex, um ihre Karriere zu fördern. Aber warum kommt sie dann immer wieder zu Jesse zurück? Es ist noch eine Erleuchtung fällig, bevor Jesse (im nächsten Krimi „Stranger in Paradise“) angemessen auf Jenns zwiespältiges Liebesverhalten eingehen kann. Wie so oft in Beziehungen geht es um die Balance zwischen Vertrauen und Kontrolle, zwischen Selbsthauptung und Hingabe. Jesse und Jenn – sie sind das seltsamste Liebespaar, das mir je in der Krimiliteratur untergekommen ist, und sie wissen, wie seltsam sie sind. „Aber gut seltsam.“ Genau.

|New Yorker Connection|

Dafür geht die Ermittlung über Walton Weeks nur mit Mühe und unter Aufbietung aller Personalressourcen voran. Hierbei tut sich nicht nur Molly Crane hervor, sondern besonders Suit Simpson. Er will es endlich zum Detective, also zum Mordermittler, bringen und detektiert, was das Zeug hält. Obwohl Jesse Suit immer wieder mit Bedauern sagt, dass die Stadt kein Geld für einen Detective hat, lobt er Suit in den höchsten Tönen: Er werde eines Tages gewiss der „Chief of Detectives“ sein.

Suit detektiert beispielsweise, dass Conrad Lutz der geschiedene Gatte der jetzigen Witwe Weeks ist. Und Lorrie Weeks hieß früher mal Lorrie Pilarcik, bevor sie Lutz heiratete. 1987 war es Lutz, der als Cop in Baltimore den notorischen Schürzenjäger Walton Weeks auf dem Parkplatz eines Einkaufszentrums festnahm: wegen öffentlichen Bumsens einer Neunzehnjährigen. Deshalb wurde Weeks überhaupt aktenkundig und durfte demzufolge keine Waffenlizenz bekommen. „Interessant, nicht?“ Jesse bestätigt: „Höchst interessant. Aber was hat das mit dem Doppelmord zu tun?“

In der Folge geschahen zwei Dinge: Lutz gab seinen Cop-Job auf und wurde Weeks‘ Leibwächter. Und Lorrie ließ sich 1987 von Lutz scheiden, um nur 15 Tage später Weeks zu heiraten. In Las Vegas erfolgen Scheidungen bereits nach sechs Wochen Aufenthalt. Könnten die beiden Weeks erpresst haben? Vielleicht mit seinem abwechslungsreichen Liebesleben? Oder hatten sie es bereits damals auf sein florierendes Medienimperium abgesehen – das wäre noch herauszubringen.

Doch wie so häufig in Stones Polizistenleben gibt es auch diesmal lediglich einen Berg von Indizien, aber keinen einzigen Beweis. Deshalb verlegt sich Jesse jetzt auf Social Engineering: Beobachten, Fakten sammeln und jemanden derart unter Druck setzen, bis er oder sie die Wahrheit ausspuckt. Auch wenn Jesse und Suit dabei die Grenzen der Legalität ein wenig, ähem, großzügig auslegen.

Sie fahren nach New York zu Lorrie und ihren Konsorten. Schon bald ergeben sich zahlreiche Anhaltspunkte, mit denen sich ihr Social Enginnering ausgezeichnet in die Tat umsetzen lässt, mit Unterstützung der New Yorker Polizei, versteht sich.

_Unterm Strich_

Ich muss zugeben, dieser „Stone“-Krimi hat mich ein wenig enttäuscht. Es gibt weder Action (wenn auch einen Showdown) noch schlüpfrige Sexszenen wie in den ersten „Stone“-Krimis oder in den „Spenser“-Abenteuern. Dafür leuchtet der Autor ein wenig in die oberen Etagen des Big Apples und des Gouverneurspalastes, aber das war auch schon alles. Ich wusste ja schon vorher (aus „Paper Doll/Schmusepuppe“), dass Parker keinen Respekt vor hohen Tieren hat, und er hat mich auch diesmal nicht enttäuscht: Der Gouverneur erscheint wie eine Witzfigur, die nur Bullshit redet.

Viel mehr hätte mich interessiert, wie aus dem netten Jungen Walton Weeks ein obsessiver Schürzenjäger wurde. Was hat ihm seine Mutter angetan, dass er so geworden ist, fragt sich der Leser. Parker speist ihn mit ein paar allgemeinen Andeutungen ab. Hier hat der Parker das Thema Kindesmissbrauch offenbar nicht weiter vertiefen wollen, und das, obwohl er doch dieses Thema in „Sea Change“ (einen Roman zuvor) intensiv beackert hatte.

Walton Weeks erscheint im Nachhinein wie eine tragische Figur: Nach drei Ehen ohne Nachwuchs gelingt es ihm, mit seiner Assistentin ein Kind zu zeugen, will sich scheiden lassen und mit ihr in Paradise eine Familie gründen. Doch man lässt ihn nicht, aus rein egoistischen Gründen, wie so oft. Es ist im Grunde die traurige Lebensgeschichte eines Mannes, der keineswegs ein Dummschwätzer oder Provokateur ist, sondern zum politischen Bewusstsein der Nation beitrug. Der Autor stellt uns die Frage, was einem Promi wie Weeks zum Verhängnis werden konnte. Diese Frage ist weder ironisch, noch sarkastisch oder gar hämisch gestellt, sondern aus menschlichem Interesse.

|Taschenbuch: 280 Seiten
ISBN-13: 978-0425206096|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

Parker, Robert B. – Sea Change (Jesse Stone 5)

_Porno, Video, Mord: verhängnisvolle See_

Die Leiche einer geschiedenen Millionenerbin aus Florida wird an den Stränden von Paradise, Massachusetts, angespült. Nachdem die Identität der von Meeresgetier verunstalteten Frau festgestellt worden ist, beginnt Chief Jesse Stone die perversen Geheimnisse des Opfers zu entdecken – und die einer Vergangenheit, die jeden, der sie kannte, in ein verdächtiges Zwielicht rückt, von ihren Freunden bis hin zu ihrer Familie. Leider ist keiner bereit zu reden, und so ist es Stones Aufgabe, für die Tote zu sprechen. Was er zu sagen hat, gefällt ihm mit jeder Wendung der Ermittlung immer weniger …

Diese Folge der „Stone“-Krimis wurde fürs Fernsehen verfilmt, allerdings in stark gekürzter Form. Dieses Buch wurde noch nicht ins Deutsche übersetzt.

Hinweis: Das englische Wort „sea change“, das Shakespeare erfand, bezeichnet eine profunde oder merkliche Transformation.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

„Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

|PROLOG|

Es ist bereits Nacht geworden, als das Segelboot vor der Bucht von Paradise, Massachusetts, kreuzt und an Stiles Island entlanggleitet. Florence Horvath ist mit der Person am Steuer allein an Bord, um einen schönen Tag mit ihr zu verbringen und sich auszusprechen. Sie soll etwas an der Reling überprüfen und sie begibt sich hin. Da vollführt die Person ein Wendemanöver, der Mastausleger trifft Florence am Körper, sie fällt über Bord. Obwohl es dunkel ist, kann sie doch die Lichter des Bootes sehen, sobald sie wieder auftaucht. Sicher nur ein Unfall, und die Person wird sie gleich wieder an Bord holen. Doch als das Boot zurückkehrt, dreht es nicht bei, sondern pflügt Florences Körper geradewegs unter Wasser …

|Haupthandlung|

Zwei bis drei Wochen später beginnt die Paradise Race Week, die jährliche Segel-Regatta in Paradise. Sie dauerte früher mal zwei Wochen, eine für die kleinen Boote, die Zweite für die großen Jachten. Doch seit einigen Jahren dauert sie vier Wochen, und die Segler nehmen die Gelegenheit wahr, sich zu besaufen, die Sau rauszulassen und aus Paradise einen Saustall zu machen.

|Die Leiche|

Kaum hat Chief Jesse Stone ein paar junge Typen wegen Urinierens in einen städtischen Brunnen in die Ausnüchterungszelle gesteckt, als er von der Frauenleiche erfährt, die im Hafenbecken angespült wurde. Weil die Meerestiere sie angeknabbert habe, lässt sie sich nicht identifizieren. Wenig später meldet ein Liegeplatzvermieter ein fremdes Boot, und an Bord dieses Bootes findet sich der Führerschein der Unbekannten: Florence Horvath. Sie stammt aus Fort Lauderdale bei Miami, Florida.

Auf seine Bitte hin nimmt Kelly Cruz, eine Privatdetektivin, die Ermittlung dort auf. Und Captain von der Mordkommission der Staatspolizei von Massachusetts hilft ihm, weil Stone nur so eine kleine Dorftruppe hat. Cruz stellt sich als erstaunlich fähig heraus. Florence E. Horvath stammt aus einer Milliardärsfamilie, der eine Handelskette gehört. Ihr Geburtsname lautete Florence Plum. Sie hat zwei Geschwister, Corliss und Claudia, die nach Angaben der Eltern in Europa reisen.

|Das Video|

Und Cruz schickt Stone eine Videokassette mit brisantem Inhalt: Ein Heim-Porno. Dieses Video habe sie in Florences Wohnung in Fort Lauderdale gefunden. Es zeigt Florence beim Sex mit zwei Männern zugleich. Sie bilden ein sogenanntes Sandwich. Die Frau schaut der Kamera direkt in die Linse – sie will, dass ihr Gesicht zu sehen ist. Was Chief Stone aber mehr interessiert: Wo und von wem wurde dieses Vdeo gedreht?

Zum Glück braucht Stone nur zwei und zwei zusammenzuzählen. Die Millionenerbin kam wahrscheinlich an Bord einer Segeljacht aus Florida nach Paradise, mit einem ebenso betuchten Kapitän. In der Liste der an der Regatta teilnehmenden Boote finden sich nur drei Kandidaten, und die klappert Stone nacheinander ab. An Bord der Jacht von Harrison Darnell kommt es zu einem Zwischenfall.

|Der Playboy|

Der weithin als Playboy bekannte Besitzer der „Lady Jane“ weigert sich, den Cops den Zutritt zu den Räumen unter Deck freizugeben. Stone lässt ihm Handschellen anlegen und schaut sich dennoch kurz um. Er bemerkt die Sitzbank mit den gelben und blauen Streifen, die er auf dem Video gesehen hat – und einen Messingaffen. Dessen langer Schweif ist auf dem Video ebenso zu sehen. Nun braucht Stone nur noch eine Gelegenheit, um das Boot genauer unter die Lupe zu nehmen. Die gegenwärtige „Mätresse“ Darnells bestätigt Stones Verdacht: Florence Horvath war an Bord. Doch was stieß ihr zu – Unfall oder Mord – und von wem?

|Die Schwestern|

Unerwartet tauchen die beiden Schwestern der Toten bei ihm auf. Corliss und Claudia sind Zwillinge und bildhübsch, wenn auch aufreizend gekleidet. Sie bewegen sich nicht etwa in Europa, sondern in den gleichen Kreisen wie Florence, hier an der amerikanischen Ostküste, auf Partys, wo es viel Koks gibt und noch mehr Sex. Stone merkt gleich, dass sie nichts als Luft in der Birne haben.

Als sie behaupten, sie wollten herausfinden, wer Florence auf dem Gewissen habe, gibt er ihnen die Nummer von Staatsanwältin Rita Fiore (mit der Stone schon mal ein paar Nächte verbracht hat), die die beiden Schnepfen an einen bekannten Privatdetektiv in Boston weitervermitteln könne (Stone denkt an Spenser). Allerdings wird nichts aus der Sache, denn sie weigern sich, den Namen des Verdächtigen rauszurücken, den der Detektiv suchen soll.

Allerdings verplappern sie sich und verraten den Namen derjenigen Person, durch die sie überhaupt von Florences Tod erfahren haben wollen. Kimmie Young. Diese frühere Jugendfreundin erweist sich in Kelly Cruz‘ Ermittlungen als Goldgrube, allerdings auch als Fährte ins Herz der Finsternis …

_Mein Eindruck_

Was läge für den Polizeichef eines Hafenstädtchens näher, als auf Verbrechen an Bord von Booten zu stoßen? Das dürfte auch den Leser nicht verwundern. Was jedoch das Besondere an diesem Fall ausmacht, ist die vielfältige Art der Verbrechen. Dass an Bord eines Bootes ein Porno gedreht wird – na, wenn schon? Dass der Bootsbesitzer sämtliche Räume an Bord verkabelt hat und die Fahrgäste heimlich beim Duschen, Ausziehen und Vögeln filmen lässt, das ist ja nichts Ungesetzliches. Heikel und relevant wird die Sache erst, als eine Minderjährige (also unter 16 Jahren) vergewaltigt und dabei gefilmt wird. Das gibt Jesse Stone einen Anlass, gegen den Täter einzuschreiten.

|Ins Herz der Finsternis|

Aber Stone hat die Chance, einen viele dickeren Fisch zu fangen: Er könnte diesen Bootsbesitzer – Harrison Darnell oder seinen Playboy-Kumpel Tom Ralston – auch wegen Mordes an Florence Horvath drankriegen. Das ist er dem Opfer schuldig. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt: Die Ermittlung, die Kelly Cruz vorantreibt, führt zu weitaus überraschenderen Ergebnissen als der Fall der vergewaltigten Minderjährigen. In Fort Lauderdale findet Jesse endlich seinen Mörder. Mehr darf nicht verraten werden.

Jesse hat ein echtes Problem mit den Sexorgien an Bord der Playboy-Jachten. Nicht etwa, weil die Superreichen und ihre Tussis auf ihn an Dorfpolizist herabblicken, wie sie es nun mal tun, sondern weil in den Aktivitäten an Bord regelmäßig Mädchen verwickelt sind, die dazu verführt werden: Ausreißerinnen, Abenteurerinnen, aber auch brave Dorfmädchen aus Paradise. Kelly Cruz deckt eine ganze Szene bzw. Industrie für diese Aktivitäten auf, bei der nicht bloß Pornos gedreht werden und Kokain geschnupft wird. Es kommen auch Menschen dabei um.

|Falltüren|

Wurde mir allmählich schon ein wenig mulmig angesichts dieser Erkenntnisse Stones, so öffnet sich im Anschluss eine Falltür nach der anderen, als sich Stone der beiden Schwestern von Florence annimmt. Corliss und Claudia haben weitaus mehr Dreck am Stecken, als sie zugeben würden: Sie waren es, die das Pornovideo mit ihrer Schwester gedreht haben – und findet das auch noch sehr witzig. Aber worin der Zweck dieser Übung bestand und wem Florence es zuschickte, verschweigen sie hartnäckig. Als Jesse es ihnen sagt, brechen sie zusammen. Was haben sie zu verbergen und wovor haben sie Angst?

Die furchtbare Geschichte der jahrelang missbrauchten Plum-Geschwister gelangt schließlich an einen Punkt, an dem ich tatsächlich Angst vor weiteren entsetzlichen Enthüllungen hatte. Die Spirale des Grauens war schon weit fortgeschritten, aber die Wahrheit über Florences Tod immer noch nicht erreicht. Dieser Spannungsbogen bleibt bis zum Schluss erhalten.

|Gegenbewegung|

Der einzige Grund, warum diese zunehmend finsterer werdende Geschichte erträglich ist, besteht in dem aufsteigenden Handlungsstrang um Jesse und seine Exfrau Jenn, die wieder bei ihm eingezogen ist. Die beiden scheinen sich wieder zu verstehen, und seit Jesse regelmäßig zum Psychotherapeuten Dix (im TV-Film von Filmlegende William Sadler gespielt) geht, traut Jenn ihrem Ex auch zu, dass er nicht wieder dem Alkohol verfällt und schlimme Dinge tut. Nur Jesse hat ein Problem: Kann er seiner Exfrau, die ihn schon mehrfach betrogen hat, überhaupt noch vertrauen? Mehr dazu erfahren wir im nächsten „Stone“-Roman mit dem Titel „High Profile“.

_Unterm Strich_

Die TV-Version reicht nur im Ansatz an dieser Vorlage heran. Das Buch gehört mit Sicherheit zu den besten „Stone“-Krimis, die Parker veröffentlicht hat (es kommen ja noch welche posthum), und für mich hat der Krimi die volle Punktzahl verdient. Er ist enorm spannend, menschlich anrührend und weckt wie kein anderer Parker-Krimi, den ich kenne, ein tiefes Grauen, wie es nur ein guter Horrorroman vermag. Denn alle drei Plum-Schwestern sind Opfer, auch wenn sie als leichtlebige Partygirls auftraten und Sex nur zum Vergnügen betreiben. Doch wird ihre Fassade erst einmal durchbrochen, erweisen auch sie sich als menschliche Wesen, voll Angst und Schrecken.

Die Geschichte wäre nicht auszuhalten, gäbe es nicht auch Anlass zu Hoffnung und Amüsement. Jenn ist zu ihrem Exgatten Jesse Stone zurückgekehrt und darf nicht bloß als Wetterfee auftreten, sondern diesmal sogar eine richtige Reportage über die Regatta drehen. Dabei liefert sie Jesse wertvolle Hinweise. Und der Polizeichef kabbelt sich wie stets mit seinen zwei Lieblingskollegen, dem ehrgeizigen Suit Simpson und der resoluten Molly, einer Mutter von drei Kindern.

Dies ist auch der erste der „Stone“-Krimis, in dem mindestens ein Drittel der Handlung nicht von Stone & Co. bestritten wird, sondern von einer hinzugezogenen Hilfskraft. Kelly Cruz macht allerdings in Fort Lauderdale einen so guten Job, dass sie Stones Ermittlung eine entscheidende Wendung verleiht. Am Schluss, als Stone sie endlich mal trifft, lobt er sie in den höchsten Tönen – was bei einem Melancholiker ihm wie stets ein wenig gedrückt klingt. Wegen dieser Kooperation verwundert es nicht, dass Jesse auch mit Sunny Randall Teamarbeit leistet, einen weiteren von Parkers Serienhelden. In „High Profile“ tritt Sunny selbst auf. Sieht so aus, als müsste ihr ihre Romane ebenfalls noch lesen.

|Taschenbuch: 295 Seiten
ISBN-13: 978-0425214428|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/berkley.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

Parker, Robert B. – Night Passage (Jesse Stone 1)

_“Rio Bravo“ reloaded: Jesse Stone feiert seinen Einstand_

Jesse Stone hat Scheidung und LAPD hinter sich in L. A. gelassen, um einen Job als Dorfsheriff an der Ostküste anzunehmen. Der Grund: Er hat ein schweres Alkoholproblem. Doch auch in den Städtchen Paradise steht nicht alles zum besten, und schon bald muss Jesse Stone das tun, was er am besten kann: Morde aufklären.

Deutscher Titel: „Das dunkle Paradies“.

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

„Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Jesse Stone fährt quer durch Amerika, die ganzen 3000 Meilen, von Ozean zu Ozean. Vor sich hat er den Horizont, hinter dem das Städtchen Paradise in Massachusetts auf ihn wartet. Dort soll er neuer Sheriff werden. Hinter sich lässt er eine geschiedene, aber immer noch geliebte Frau namens Jenn, die ihn mit einem Filmproduzenten betrogen hat. Jenn will um jeden Preis Schauspielerin werden.

Und er lässt die Mordkommission des LAPD hinter sich, bei dem er durch seine Kündigung einer Entlassung zuvorgekommen ist. Denn Jesse hat ein großes Problem, das er auch jetzt mit sich nimmt: Er ist schwer alkoholabhängig. Doch die Anonymen Alkoholiker fand er einen Witz. Immerhin dachten die Stadtoberen von Paradise, die ihn in Chicago interviewten, einen annehmbaren Ersatz für seinen Vorgänger Tom Carson. Was Jesse nicht ahnt, ist der Umstand, dass Hastings Hathaway, der Bürgermeister, und Lou Burke, der Interims-Sheriff, Jesse für ebenso leicht formbar halten wie Carson. In dieser Annahme sollen sie sich gründlich geirrt haben.

Schon wenige Tage nach seiner Amtseinführung fallen Stone einige Besonderheiten an Paradise auf: Es gibt keinen einzigen Schwarzen in der Stadt, und Waffen dürfen nur Christen tragen, nicht aber Juden – von denen es nicht wenige gibt. Außerdem scheint die Miliz, die Hathaway, der Bankdirektor, anführt, das Monopol auf Waffen zu haben. Diese über hundert Mann führen unter seiner Leitung jeden Donnerstag Manöver im Hinterland durch, bei denen gehörig geballert wird. Was das alles soll, ist Stone jedoch erst einmal schleierhaft. Er wird schon noch merken, wie der Hase läuft.

Hathaway hat einen zwielichtigen Handlanger, einen Mann fürs Grobe, den Muskelprotz Jo Jo Genest. Jo Jo ist sein Verbindungsmann zur Mafia in Boston, für die Hathaway Millionen von Dollars wäscht. Jo Jo schleppt das Bargeld in Koffern zu Hathaways Bank, der es dann legalisiert. Beide kriegen natürlich ihre Prozente. Als der Bankdirektor seine Miliz aufrüsten will, an wen wendet er sich da? Natürlich an Genest. Der soll bei der Mafia Waffen besorgen. Wie sich herausstellt, verläuft dieser Deal nicht ganz wie gewünscht. Und das gibt böses Blut.

Schon nach wenigen Tagen bekommt auch Jesse es mit Genest zu tun. Die Cops wurden gerufen, weil Jo Jo seine geschiedene Frau Carole verprügelt hat. Obwohl eine gerichtliche Anordnung ihm das Betreten des Hauses verbietet. Er hat Carole mehrfach vergewaltigt. Das ficht ihn nicht an, denn er betrachtet die Mutter seiner Kinder immer noch als sein Eheweib. Nach Befragung aller Zeugen geht Jesse ganz schnell und direkt vor, denn Jo Jo versteht nur eine Sprache: Gewalt. Kaum hat ihm Stone das Knie in den Schritt gerammt, klappt der Muskelprotz wimmernd zusammen. Alle Umstehenden sind wie erstarrt. Aber Stones Warnung kommt bei Genest an und wirkt. Der Typ hält sich von nun an von Carole fern. Dafür hat sich Stone seinen ersten Feind im Ort geschaffen.

Aber das hat auch sein Gutes. Denn die Anwältin Abby Taylor, der Rechtsbeistand der Gemeinde, verliebt sich in Jesse und verbringt bei ihm schöne Nächte. Jedenfalls so lange, bis sich die Dinge in Paradise durch weitere Morde so weit verfinstert haben, dass Stone niemand mehr trauen kann, nicht einmal mehr Abby. Sie ist tief getroffen und kurz davor, ihn zu verlassen. Aber sie respektiert ihn zu sehr und unterstützt ihn weiter. Diese Hilfe wird ihm noch sehr helfen.

Denn er erfährt, dass sein Vorgänger Tom Carson in Wyoming durch eine Autobombe getötet wurde. Das ruft die Staatspolizei von Massachusetts auf den Plan. Captain Healy findet Stone voll in Ordnung – sie waren beide Baseballer und lieben beide guten Whisky. Und als Tammy Portugal, eine junge geschiedene Frau, tot aufgefunden wird, kann Stone Healys Hilfe gut gebrauchen.

Ein Killer treibt in Paradise sein Unwesen. Natürlich kennt Stone seinen Namen. Doch er kann ihm nichts nachweisen. Da flattern eines Tages pornografische Polaroidfotos in die Briefkästen einiger maßgeblicher Leute. Die Fassade bröckelt, und endlich bekommt Stone die Aussagen, die er braucht. Doch er braucht mehr als das, um gegen die Kräfte zu bestehen, die sein Kontrahent nun aufbietet …

_Mein Eindruck_

Ist das nun „High Noon“ oder „Rio Bravo“, fragt sich der Western-Kenner. Denn ganz am Schluss steht Sheriff Stone einer Übermacht gegenüber. Jetzt zeigt sich, ob er sich mit seiner Amtsführung und als Mensch nur Feinde gemacht hat – das wäre dann „High Noon“ – oder auch Freunde. Wie sich zeigt, läuft es wie in „Rio Bravo“: Nicht ganz unerwartet kommt nicht nur die Kavallerie, sondern die ganze Polizeitruppe von Paradise an seine Seite. Viel unerwarteter ist die Hilfe seitens einer Schülerin, mit der Jesse ein paar sehr unkonventionelle Gespräche geführt hat, etwa übers öffentliche Marihuanarauchen. Und auch Abby Taylor spielt eine Rolle in diesem Beistand. Am Schluss bekommt Jesse auch noch einen Überraschungsbesucher aus L. A.

Wie man sieht, weiß der ausgebuffte Krimiautor – er schrieb den Roman mit 65 – durchaus noch mit einigen Wendungen aufzuwarten, die man nicht unbedingt erwarten würde. Wer „Rio Bravo“ kennt, der ahnt allerdings bereits, wie die ganze Sache für Sheriff Stone ausgehen wird. Eine der Nebenfiguren heißt sogar Dukie, und Duke war bekanntlich der Spitzname von John Wayne, der in „Rio Bravo“ die Hauptrolle spielte – neben einem ständig besoffenen Robert Mitchum. Was einen dann doch stark an Stone erinnert.

Ich habe den Verdacht, dass die Ermittlung gar nicht das Hauptinteresse des Autors war, sondern vielmehr die Abgründe, die sich hinter der wohlanständigen Fassade von Paradise auftun. Der Bürgermeister macht Geschäfte mit der Mafia und handelt, als gehörte die Stadt ihm. Als ihm die Sache mit seiner Geliebten – wie will geheiratet werden – zu brenzlig wird, lässt er sich kurzerhand umlegen. Nicht nett. Ebenso wenig nett wie die Affären, die seine frustrierte Frau Cissy nicht nur mit Jo Jo, sondern auch mit einem der Polizisten hat.

Alles hat zwei Seiten in Paradise. Die öffentliche Fassade der Wohlanständigkeit schreibt zwar vor, dass die Miliz bei der Parade am Unabhängigkeitstag auftritt, um den Stolz der Stadt zu vertreten, aber die Miliz kann sich im Handumdrehen auch in eine Gestapo von Hathaways Gnaden verwandeln. Die Rechte der Juden hat er bereits beschnitten und die Schwarzen erst gar nicht in die Gemeinde gelassen. Hathaway, König des Paradieses von eigenen Gnaden, will ein christliches, weißes, protestantisches Paradies – und das schließt auch paranoide Verfolgungstheorien mit ein, vor allem gegenüber der Regierung, und auch Geschäfte mit der Mafia. Hauptsache, der hehre Zweck heiligt die schmutzigen Mittel.

Jesse Stone hat allerdings Dienst im härtesten Stadtviertel von Los Angeles getan, in South Central. Für ihn sind solche Typen wie Genest oder Hathaway kleine Fische. Dennoch hat er ein gewaltiges Handicap: Paradise bedeutet für ihn mit 35 Jahren bereits die berufliche Endstation. Wenn er es hier nicht schafft, dann nirgendwo. Wir und Paradise können also froh sein, dass er seine erste Krise gut übersteht und noch viele weitere Fälle lösen kann.

_Unterm Strich_

Es gibt nicht viele Krimihelden, von denen man sagen kann, dass sie wirklich sinnlich veranlagt sind, aber Jesse Stone ist so einer. Ein weiterer Unterschied zum TV-Helden, der von Tom Selleck verkörpert wird. Herrje, im Buch ist Stone ja erst Mitte dreißig und nicht etwa Mitte fünfzig wie Selleck. Trotz seiner zahlreichen Affären kommt Stone doch noch zu ordentlicher Polizeiarbeit, und diesmal fordert eine Mordserie seine – beinahe ungeteilte – Aufmerksamkeit.

Es hat actionreichere Ermittlungen gegeben und wesentlich spannendere Kriminalszenen, aber selten welche, die so ironisch erzählt wurden. Die Ironie ist in diesem ersten „Stone“-Krimi noch nicht so ausgeprägt und pointiert wie in späteren Romanen, etwa „Stone Cold“ (2003). Auch die Erzählweise setzt noch viel mehr auf lange Beschreibungen von Umgebung, Menschen und Aktionen als später. Dafür erfahren wir aber viel mehr über den Menschen Jesse Stone und sein Innenleben.

Wer also mit den „Stone“-Krimis den Autor Robert B. Parker enrtdecken möchte, sollte möglichst mit „Night Passage“ beginnen. Fast alle Parker-Krimis sind auch auf Deutsch erhältlich, allerdings bei verschiedenen Verlagen. Zum Glück gibt es a) eine Autoren-Homepage und b) zahlreiche deutsche Rezensionen.

|Taschenbuch: 322 Seiten
ISBN-13: 978-0399143045|
[Verlagshomepage]http://us.penguingroup.com/static/pages/publishers/adult/putnam.html

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

Parker, Robert B. – Stone Cold (Jesse Stone 4)

_Trouble im Paradies: Stone ist echt sauer_

Ein etwas durchgeknalltes Killerpärchen aus der Großstadt macht Jesse Stone, dem Sheriff des Küstenstädtchens Paradise, Massachusetts, das Leben schwer. Und zwar so schwer, dass sogar seine Exfreundin Abby ins Gras beißen muss. Kann Stone die beiden überführen und Abby rächen?

_Der Autor_

Der US-Autor Robert B. Parker, 1932-2010, gehörte zu den Topverdienern im Krimigeschäft, aber auch zu den fleißigsten Autoren – er hat bis zum seinem unerwarteten Tod im Januar 2010 über 50 Romane veröffentlicht. Am bekanntesten sind neben der „Spenser“-Reihe wohl seine neun „Jesse Stone“-Krimis, denn deren Verfilmung mit Tom Selleck in der Titelrolle wird gerade vom ZDF gezeigt. Parker lebte in Boston, Massachusetts, und dort oder in der Nähe spielen fast alle seine Krimis.

„Jesse Stone“-Krimis:

1) [„Night Passage“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6811
2) [„Trouble in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6816
3) [„Death in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6815
4) [„Stone Cold“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6810
5) [„Sea Change“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6812
6) [„High Profile“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6813
7) [„Stranger in Paradise“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6814
8) „Night and Day“
9) „Split Image“

Die „Sunny Randall“-Reihe:

1) „Family Honor“
2) „Perish Twice“
3) „Shrink Rap“
4) „Melancholy Baby“
5) „Blue Screen“
6) „Spare Change“

Unter anderem in der „Spenser“-Reihe, die derzeit 39 Romane umfasst, erschienen:

„Widow’s Walk“, „Potshot“, „Hugger Mugger“, „Potshot“, „Small Vices“, „Bad Business“, „Back Story“ …

Und viele Weitere.

Außerdem schrieb Parker ein Sequel zu Raymond Chandlers verfilmtem Klassiker „The Big Sleep“ (mit Bogart und Bacall) „und mit „Poodle Springs“ einen unvollendeten „Chandler“-Krimi zu Ende. „Gunman’s Rhapsody“ ist seine Nacherzählung der Schießerei am O.K. Corral mit Wyatt Earp und Doc Holliday, ein klassischer Western.

_Handlung_

Kenneth Eisley ist ein geschiedener Börsenmakler in Paradise, Massachusetts. Er liebt es, jeden Morgen mit seinem ungarischen Hirtenhund Goldie den Strand entlangzujoggen. An diesem Dienstag kommt er nicht weit: Zwei Kugeln zerfetzen sein Herz. Goldie kehrt allein und verwirrt zu ihrem nun verlassenen Zuhause zurück. Sheriff Jesse Stone und sein Team stellen fest, dass die zwei Kugeln beide aus je einer 22er-Pistole stammen und fast gleichzeitig abgefeuert wurden, fast die gleiche Stelle trafen und es sich folglich entweder um zwei Killer mit gleichen Waffen oder um einen – sehr seltsamen – Killer mit zwei Pistolen handeln muss. Würde nicht eine Pistole reichen?

Als die Mutter der Schülerin Candace Pennington in sein Büro tritt und behauptet, Candace sei vergewaltigt worden, setzt Jesse Stone eine recht merkwürdige Art von Ermittlung in Gang. Damit Candaces Name nicht durch den Dreck gezogen wird, soll niemand erfahren, dass drei bestimmte Jungs sie vergewaltigten und Fotos von ihr machten. Denn die Jungs drohten ihr, sie öffentlich bloßzustellen, sodass sie von ihrer Schule wegziehen müsste. Stone verspricht ihr, er werde sein Möglichstes um, damit sie bleiben könne. Seine Angestellten ermitteln undercover …

Barbara Carey wird in einer entlegenen Ecke des riesigen Parkplatzes des lokalen Einkaufszentrums von Paradise aufgefunden. Zwei Kugeln haben ihre Brust zerfetzt. Genau wie bei Kenneth Eisley. Wieder ist das Motiv völlig unklar, und es gibt keinen bekannten Zusammenhang zwischen ihr und Eisley. Stone hat eine Ahnung und lässt die Nummernschilder aller Autos im nahen Umkreis notieren.

Garfield Kennedy erwischen die Killer als Nächsten. Zwei Skateboardjungs finden seine Leiche im Gestrüpp hinter der Kirche. Auch hier fällt Stone der genau ausgekundschaftete Tatort auf: Die Tat erfolgte, bevor die Parkplatzleuchten eingeschaltet wurden, die Entdeckung danach. Und ein roter Saab verschwand genau in diesem kurzen Zeitraum.

Jesse Stone lässt Bo Marino als Ersten der drei Gang-Vergewaltiger festnehmen, wegen Besitzes verbotener Substanzen, Widerstand gegen die Staatsgewalt und wegen Besitzes von Pornographie: vier Fotos der vergewaltigten Candace Pennington. Darauf ist das Gesicht von Kevin Feeney deutlich zu erkennen. Bo Marinos Vater ist die Angelegenheit der Anwältin Abby Taylor, die Stone seit seiner Ankunft in Paradise kennt und die seine Freundin war. Und als Bo eine Nacht in der Zelle verbringen muss, wirft Marino Abby einfach raus. Stone lädt sie zu einem gemütlichen Abendessen mit abschließendem Schäferstündchen ein. Dann knöpft er sich Kevin Feeney vor. Der verpfeift die beiden anderen, wenn auch unter Tränen.

Die beiden Killer sind auf der Suche nach ihrem nächsten Kandidaten und kurven in ihrem roten Saab durch das wohlhabende Städtchen. Diesmal soll es eine Frau sein, wegen des Ausgleichs: zwei Männer, zwei Frauen. Wunderbar. Das wird ihnen wieder einen ordentlichen Kick verschaffen. Er filmt mit der Videokamera Kandidatinnen. Da! Eine fein gekleidete Frau mit Aktentasche und einem Handy am Ohr. Perfekt. Es ist Abby Taylor …

_Mein Eindruck_

Dies ist der mittlerweile vierte „Jesse Stone“-Krimi von Veteran Parker und wahrscheinlich einer der besten. Im Vergleich zum ersten, „Night Passage“, gibt es hier kaum noch irgendwelche Landschafts- und Stimmungsbeschreibungen, außer einer einzigen, die ein ganzes, kurzes Kapitel ausmacht. Ansonsten besteht das Buch zu 95 Prozent aus Dialogen. Die Erwartung erfüllt sich, dass das Buch deshalb sehr leicht und flott zu lesen ist. Aber man sollte nicht dem Irrtum unterliegen, dass die Dialoge deshalb Fliegengewichte wären. Ganz im Gegenteil.

Parker hat die Kunst perfektioniert, seinen eigenbrötlerischen, einsilbigen Kleinstadtsheriff mit den wenigen Worten, die Stone aus Höflichkeit äußert, viel sagen zu lassen. Die Damen – und das sind wirklich nicht wenige – wissen es mit Fassung zu tragen. Auch sie müssen, wie wir, zwischen den Zeilen der Dialoge lesen. Was sagt Stone denn wirklich, wenn er so einsilbig ist? Meist legt er sich nicht fest. Das kann nerven, aber die Damen in seinem Bett müssen es ertragen, denn es ist Stones Art, höflich zu ihnen zu sein.

|Liebes-Händel|

Als daher Staatsanwältin Rita Fiore ihren beträchtlichen erotischen Charme auf Stone spielen lässt, ist er, da kein Kostverächter, der Letzte, der sie von der Bettkante schubsen würde. Andererseits ist da noch seine Exfrau Jenn, die in Boston arbeitet (sie ist ihm im Laufe der Jahre aus L. A. gefolgt). Und er würde Rita sagen, dass er immer noch auf die Liebe zu Jenn hofft. Was soll eine Frau wie Rita tun? Es gibt ja schließlich noch andere Kerle. Und Jesses Freundin Marcy hat sich längst mit seiner Art abgefunden. Abby ist ein Versöhnungsfick – nur Jenn allein zählt. Ist das wahre Liebe? Vermutlich. Polizistenliebe.

|Erholung|

Stone hat mittlerweile sein schweres Alkoholproblem überwunden, zum nicht geringen Staunen zahlreicher Besucher. Es war der Grund für seine Kündigung des Polizeidienstes beim LAPD (Mordkommission) und – nach der Scheidung – für seinen Weggang aus L. A. (Wie es zu dieser Entwicklung kam, erzählt Parker in „Night Passage“, das man deshalb als ersten „Stone“-Roman lesen sollte.) Allabendliche Anrufe von Jenn sowie Therapiestunden beim Psychotherapeuten Dix (im Film gespielt von Hitchcock-Veteran William Devane) könnte dazu beigetragen haben, dass Stone trocken geworden ist.

|Die Killer|

Umso besser, denn diesmal braucht er nicht nur gute Nerven, sondern auch psychologisches Gespür: Er hat für die Serienmorde weder ein Motiv noch irgendwelche Beweise, selbst wenn ihm sein Riecher sagt, dass es die beiden Yuppies Anthony und Brianna Lincoln (falls das ihr richtiger Name ist) waren. Und wie kann er sie überführen? Es gibt nur eine Methode: Man muss sie in die Falle locken. Allerdings klappt das nur dann, wenn sie sich selbst für schlauer halten, als er erscheint. Also spielt Stone in einer unnachahmlichen Weise den Dorftrottel im Sheriffstuhl, der den lieben langen Tag eigentlich nur Strafzettel verteilt. Ob sie sich hereinlegen lassen, soll hier nicht verraten werden.

|Zwei Seiten|

Die Krimis zeigen Stone immer von zwei Seiten. Während er wirklich ein abgebrühter Cop aus Los Angeles ist, der nur nicht genug Leute hat, ist er auf der anderen Seite gegenüber den Bürgern seiner Stadt ein geradezu zärtlicher Übervater. Aber ein Vater. Und ein Vater muss auch mal Strenge zeigen, um gewissen Leuten wie den drei Oberschüler-Serienvergewaltigern und ihren Eltern zu zeigen, was moralisch vertretbar ist und was nicht. Es ist eine Farce, wenn die Anwälte der drei Familien und der Stadt ausbaldowern, wie die Strafe für die Vergewaltiger aussehen soll. Durch seine Verbindung mit Rita Fiore setzt sich Stone liebes-diplomatisch durch: Er ist es am Ende, bei dem sie ihre Strafe ableisten müssen.

|Unterschiede zur TV-Fassung|

Wer erwartet, dass das TV-Skript sich sklavisch an die Romanvorlage hält, liegt völlig daneben. Sicher, man kann nicht viel an den Killern und den Morden ändern, aber doch ziemlich viel darum herum. Ein TV-Krimi ist die dramaturgische Kunst der Verdichtung emotionaler Wirkungen, v. a. hinsichtlich Spannung. Deshalb wurde der Schluss komplett neu geschrieben.

Was sich im Buch ziemlich lang hinzieht und in Toronto endet, findet deshalb in der TV-Fassung seine lokal inszenierte Zuspitzung des Falles. Was in Toronto an hässlichem Verhalten seitens Stone gezeigt wird, findet in der TV-Fassung nicht statt: Hier verteidigt er sich in Notwehr. Dort, im Roman, greift er selbst an. Ich muss ehrlich zugeben, dass mir die TV-Version wesentlich besser gefallen hat; hierbei hat Stone alle moralischen Argumente auf seiner Seite.

|Englischniveau|

Die Englischkenntnisse, die für das Verständnis dieses „Stone“-Krimis – das trifft für andere möglicherweise nicht zu – nötig sind, sind die eines Realschülers. Mithin ist der Text also nicht sehr anspruchsvoll. Aber es ist ein Pluspunkt, wenn man Kenntnisse der amerikanischen Gesellschaft und Kultur aus eigener Anschauung mitbringt – und nicht etwa den Pseudodoku-Unsinn aus dem Fernsehen.

_Unterm Strich_

Es gibt nicht viele Krimihelden, von denen man sagen kann, dass sie wirklich sinnlich veranlagt sind, aber Jesse Stone ist so einer. Ein weiterer Unterschied zum TV-Helden, der von Tom Selleck verkörpert wird. Herrje, im Buch ist Stone ja erst Mitte, Ende dreißig und nicht etwa Mitte fünfzig wie Selleck. Trotz seiner zahlreichen Affären kommt Stone doch noch zu ordentlicher Polizeiarbeit, und diesmal fordert eine Mordserie seine – beinahe ungeteilte – Aufmerksamkeit.

Es hat actionreichere Ermittlungen gegeben und wesentlich spannendere Kriminalszenen, aber selten welche, die so ironisch erzählt wurden. Wenn Jesse den Dorfdeppen markiert, um die Verdächtigen in Sicherheit zu wiegen, dann hat man was zum Schmunzeln. Doch wie stets ist es auch angeraten, zwischen den Zeilen zu lesen. Die Dialoge sind trügerisch einfach, drehen sich aber nicht selten um grundlegende Bedingungen der menschlichen Existenz, z. B. um das Zusammenbleiben von Paaren. Was ist dafür nötig? Beispielsweise ein Bindungsritual in Form von gemeinsam begangenen Morden.

Wenn man diesen Roman gelesen hat, bedauert man umso mehr, dass der Autor im Januar 2010 endgültig den Computer abgestellt hat.

|Taschenbuch: 304 Seiten
ISBN-13: 978-1842431160|
[www.noexit.co.uk]http://www.noexit.co.uk

_Robert B. Parker bei |Buchwurm.info|:_
[„Der stille Schüler“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4066

Perry-Rhodan-Team / Böhmert, Frank / Effenberger, S. A. / Sieper, Marc – Hyperschock, Der (Perry Rhodan – Sternenozean 3) (Hörspiel)

_Perry und Kantiran: Flucht und Wiedersehen_

Lübbe Audio vertont die Abenteuer des Kadetten Kantiran und des Sternenadminstrators Perry Rhodan, die in der Unterserie „Sternenozean“ im Perry Rhodan-Universum spielen. Bislang sind sechs Hörspiele veröffentlicht, doch will Lübbe offenbar vierzig Hörspiele produzieren. Dies ist die erste Staffel.

_Die Reihe_

„Perry Rhodan“ ist die größte SF-Heftchen- und Roman-Reihe der Welt. Eine Vielzahl von Autoren schreibt seit Jahrzehnten für die Reihe, und koordiniert wird dieser Aufwand vom Pabel Verlag in Rastatt. Auch Andreas Eschbach fühlte sich geehrt, einen oder zwei Bände beitragen zu dürfen.

Es gab vor der aktuellen Lübbe-Audio-Reihe schon Vertonungen der PR-Silberbände, doch nicht in der stilvollen Inszenierung des STIL-Tonstudios. Die Vorlage für das vorliegende Abenteuerhörspiel lieferten die Romane „Die Macht der Sekte“ von Michael Nagula und „Brennpunkt Talan“ von Arndt Ellmer.

Die ersten sechs Hörspiele:

1) [„Der Sternenbastard“ 3030
2) [„Die Mascantin“ 3031
3) „Der Hyperschock“
4) „Planet der Mythen“
5) „Havarie auf Hayok“
6) „Das Blut der Veronis“

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Erzähler: Christian Schult
Perry Rhodan: Volker Lechtenbrink
Mondra Diamond: Heide Domanowski
General Traver: Klaus Dieter Klebsch
Homer G. Adams: Hasso Zorn
Erzähler: Achim Höppner (Stimme von „Gandalf“)
Kantiran: Christian Stark
Mal Detair: Jürgen Kluckert

Volker Lechtenbrink wurde 1944 in Cranz/Ostpreußen geboren. Bereits als Achtjähriger sprach er im Kinderfunk und stand zwei Jahre später auch schon auf der Bühne. 1959 wurde er durch den Antikriegsfilm „Die Brücke“ (Regie: Bernhard Wicki) bundesweit bekannt. Er besuchte die Schauspielschule in Hamburg und ist heute in zahlreichen TV-Serien zu sehen. Darüber hinaus ist er am Theater tätig, geht auf Tourneen oder wirkt als Intendant. (Verlagsinfo)

Die Hörspieladaption stammt von S.A. Effenberger. Regie, Musik, Ton und Programmierung lagen in den Händen von Christian Hagitte und Simon Bertling vom Ton-Studio STIL. „Die Musik wurde exklusiv für die Perry-Rhodan-Hörspiele komponiert und vom Berliner Filmorchester unter der Leitung von Christian Hagitte live eingespielt. Die elektronischen Klänge und Effekte wurden speziell für die Hörspiele vom STIL-Team durch den Einsatz von Computertechnik generiert“, heißt es im Booklet. Executive Producer der Reihe ist Marc Sieper.

Am Schluss erklingt der vierminütige Song „Passing By – Perry Rhodan Mix“ von der Band Camouflage. Der Originaltitel stammt von der LP „Relocated“ (SPV 2006).

_Vorgeschichte_

Die Lage des Jahres 1332 Neuer Galaktischer Zeitrechnung ist in der Galaxis so bedrohlich und zugleich offen wie seit Jahren nicht mehr. Und alles bewegt sich auf eine einzige Veränderung hin: Die Erhöhung des des Hyperphysikalischen Widerstandes, kurz Hyperimpedanz genannt. Dieser „Hyperimpedanzschock“ trifft die Galaxis mehrfach. Durch ihn fällt jede hochwertige Technologie aus. Dies kündigt sich durch eine stark verminderte Höchstgeschwindigkeit der Raumschiffe eine reduzierte Reichweite des interstellaren Hyperfunks an. Auch das Gesicht der Galaxis verändert sich. Durch die Hyperimpedanz ausgelöst, kommt es zu schweren Hyperstürmen und Raumbeben. Bisher unter Hyperkokons verborgene Sternenhaufen stürzen in die Galaxis zurück.

Diese Vorgeschichte aus Episode wird in Rückblenden in Folge 2 integriert. Daher soll sie hier wiederholt werden.

Der 14-jährige Junge Kantiran lebt als Sohn eines Terraners und einer Arkonidin als Untertan des Kristallimperiums auf einem friedlichen Agrarplaneten. Nach dem Verlust seiner Eltern, die auf einer Schürfexpedition verschollen, wächst er bei seinen Pflegeeltern Weigel und Arachya auf. Eines Tages holt ihn sein arkonidischer Freund Valizon in seinem Gleiter ab und lädt ihn zu einer Spritztour in den Dschungel ein. Valizons Freund Tam neckt den „Terranerbastard“ ständig.

Sie landen auf einem weißen Felsen und erkunden den Urwald. Unbekannte Laute erfüllen die Vegetation, und Kantiran findet seine Begleiter erst auf einer Lichtung wieder. Doch im Dickicht gegenüber liegen Krochen auf der Lauer: schwebfähige Raubtiere, die aus einem Menschen ruckzuck Kleinholz machen können. Zur Überraschung Valizons nimmt Kant keineswegs Reißaus, sondern geht vielmehr auf das Leittier zu und verbeugt sich vor ihm. Seine Ehrerbietung wird gnädig ankzeptiert, und die Krochen trollen sich. Bis auf ein Jungtier, das Kant auf den Namen Torn tauft.

Seine Freunde sind mehr als verwundert über Kants mutiges Verhalten. Tam verspottet ihn trotzdem. Am Abend isst Kant mit seinen Pflegeeltern, als sie ein bemerkenswertes Geräusch hören: Ein Sternenkreuzer landet. Der riesigen Kugel entsteigen ein Riese und eine Frau. Es sind die Flottenführerin Ascari da Vivo und ihr Leibwächter Shallowain. Die Admiralin nimmt Kant auf einen kurzen Flug mit, um ihm etwas zu geben: ein Erbstück von seinem Vater. Es sieht zwar aus wie eine terranische Uhr, ist aber ein intelligenter persönlicher Assistent. Er tauft ihn Tonto. Außerdem lädt sie ihn zur imperialen Kadettenschule ein, der Parageta. Kant ist baff.

Nach drei Jahren ist seine Ausbildung zum Flottenoffizier fast beendet. In vielen Kämpfen hat er sich zum besten Dagorista der Parageta emporgearbeitet. Seit einem Jahr liebt er eine schöne Schneiderin mit dem klangvollen Namen Thereme. Sie arbeitet im Haushalt des Geheimdienstchefs Kilor, aber das stört Kant nicht, denn Theremes Liebe genügt ihm, um alle Unbill zu ertragen. Eine Woche vor der Prüfung beehrt ihn sogar der feindliche terranische Resident Perry Rhodan höchstpersönlich mit einem Besuch der Kadettenschule, denn Kantiran bewundert ihn sehr. Sie tauschen einen Handschlag gemäß dem alten barbarischen Brauch Terras aus, was der arkonidische Ausbildungsleiter später scharf rügt.

Doch dann kommt der Tag, der Kantirans Leben für immer verändern soll.

_Handlung von Episode 2_

Kantiran hat die Geliebte tot auf ihrem Bett gefunden. Doch er glaubt nicht, dass sie an einem Herzschlag gestorben sein soll, wie der Med behauptet. Der Tierheiler Mal Detair, der zufällig hinzukam, hat da schon einen plausibleren Grund auf Lager: Mord. Er riecht den Duft von Trivipern, exotischen Stechinsekten, die von Adligen gern für unauffällige Attentate verwendet werden, weil ihr Gift nicht nachzuweisen ist. Doch wer sollte den Tod einer Schneiderin wünschen? Warum, wenn nicht wegen ihrer Liebe zu Kantiran …

Da der Geheimdienst, in dessen Haus Thereme wohnte, die Ermittlungen übernimmt, macht Mal Detair seinem neuen Freund Kant keine Hoffnung, dass der Täter je gefunden wird. Also müssen sie ihn auf eigene Faust aufspüren. Mal muntert den Trauernden auf, indem er andeutet, dass die Verweigerung der Abschlussprüfung einem Verrat an der Verblichenen gleichkäme. Na, wenn das kein guter Grund ist weiterzumachen!

Die Spur der Trivipern deutet in eine Richtung, die Kantiran ganz und gar nicht behagt, ja, die ihm sogar unmöglich vorkommt. Doch etwas anderes lenkt ihn ab: In der Tierarztpraxis Mals entdeckt er seine telepathische Gabe wieder, die er schon gegenüber den Krochen seiner Heimatwelt angewandt hat. Die imperialen Mediziner, die den Prüfling untersuchen, erwarten völlig andere Psi-Kräfte bei einem Mutanten wie ihm, sodass sie nicht auf seine telepathische Gabe stoßen. Sie wirkt obendrein nur auf Tiere, nicht auf Arkoniden. (Terraner gibt es weit und breit keine.)

Die Mascantin Ascari da Vivo, die ihn von seinem abgeschiedenen Heimaltwelt im Hayok-Sektor geholt hat, ist ein wenig besorgt um die geistige Gesundheit ihres Schützlings, als er sich der Abschlussprüfung auf der Welt Iprasa unterzieht. Und tatsächlich muss dort etwas Furchtbares mit ihm geschehen sein, denn er wacht erst drei Monate nach der Prüfung aus seinem Koma wieder auf.

Bei Mal Detair findet er ein neues Schoßtier, mit dem er telepathisch kommunizieren kann. Kemi ist ein aggressiver Tarox-Marder, und hört nur auf seinen Befehl. Er trägt das Tier, das Mal ihm schenkt, wie einen Pelz um den Hals. Und ein Besuch bei der Mascantin eröffnet ihm auch den Weg, wie er an Ascaris vertrauliche Daten über sich selbst kommen kann. Und wer weiß, was er dabei auch über den Mord an Thereme entdecken könnte. Der Verdacht, den er schon vor seinem Koma gegen die Admiralin, die direkt dem Imperator unterstellt ist, hegte, muss überprüft werden.

Doch Kantiran findet mehr über seine Identität heraus, als ihm lieb ist …

_Handlung von Folge 3_

Kantiran ist mit Mal Detair und seinem Haustier auf der Flucht vor der arkonidischen Polizei. Dieses Tier hat Kantirans Mutter Ascari da Vivo schwer im Gesicht verletzt, eine Vergeltung für Ascaris Mord an Kantirans Freundin Thereme. Die Reanimation bleibt bislang erfolglos. (Aber Ascari taucht später wieder auf.)

Commander Shallowain, der grausame Kralazene, und sein Kollege Kimur müssen sich beim Imperator der Arkoniden für Kantirans Anschlag auf die Mascantin verantworten. Shallowain, so lautet der imperiale Befehl, soll den Attentäter lebend schnappen.

Kantiran wird demzufolge der Boden unter den Füßen zu heiß: Er muss runter von diesem Planeten, Arkon II, und schleicht sich mit Mal Detair ins Frachtzentrum des Raumflughafens. Sie wimmeln einen zuvorkommenden Roboter ab, denn eigentlich wollen sie bloß den nächsten Raumer erwischen, der abdüst. Dieser erweist sich als der Raumer eines Springer-Patriarchen. Kapitän Geltani sind jedoch blinde Passagiere an Bord recht unwillkommen, wohl aber zahlende Gäste – und genau das macht Kantiran verdächtig: Er zahlt zuviel. Dennoch ist er froh über sein Matratzenlager.

Als Kantiran und Mal vor der Tür einen Knall hören, springen sie auf – gerade noch rechtzeitig, um den Überfall von drei Springerkämpfern abzuwehren. Sie töten die Kerle und löschen einen Brand. Es ist vielleicht nicht sonderlich klug von Kantiran, dem Käptn die drei Leichen zu zeigen. Jetzt hat er die ganze Springersippe an Bord gegen sich. Zeit für einen geordneten Rückzug! Zum Glück ist der Frachtraum mit den schnellen Raumgleitern ganz in der Nähe …

|Unterdessen|

Perry Rhodan, der terranische Administrator, erhält von Agent Miles Kantor eine dringende Warnmeldung, dass sich Gravitationswellen nach einem Beben ausbreiten und sich die Hyperimpedanz erhöht, was bedeutet, dass Hyperraumfunk und -flug in Gefahr geraten könnten, nicht mehr zu funktionieren. Da die Überlichtkristalle versagen, wird auch überlichtschneller Raumflug unmöglich, und ein Rückfall auf den Stand der Frühzeit der Raumfahrt droht. Perry sieht sich in seinen Warnungen bestätigt. Natürlich hat ihm keiner geglaubt. Jetzt ist ein Hypersturm im Anzug.

Zwei Tage später sitzen Miles und Perry in Terrania City zusammen, um im Restaurant Marco Polo zu Abend zu essen. Trin Marath, der „Kosmosspürer“, den Perry für Miles abgestellt hat, hat einen Asteroiden mit einer unbekannten Orterstation gefunden, die eine Reichweite von zwei Lichtjahren aufweist. Doch innerhalb dieses Radius findet sich keine Mutterstation. Merkwürdig, nicht?

Da melden die Sicherheitsleute, dass sie zwei mutmaßliche Terroristen gefasst hätten, die möglicherweise von Arkon II kommen. Perry hat durch seinen Geheimdienst vom Anschlag auf seine Exgeliebte Ascari da Vivo erfahren. Könnte es sich um die gleichen Angreifer handeln? Agentin Mondra Diamond führt die zwei gefassten Terroristen herein: Es sind Kantiran und Mal Detair. Endlich steht Kantiran seinem Vater gegenüber. Und es gibt eine Menge Fragen zu klären – unter vier Augen, versteht sich …

_Mein Eindruck_

Nachdem Perry Rhodan, der Präsident der Liga Freier Terraner (LFT), die Identität Kantirans bestätigt hat, nimmt er dessen Asylantrag an und erzählt ihm vertraulich, wie es dazu kam, dass Perry mit dieser Arkonidin einen Sohn zeugte: Ascari erinnerte Perry an seine erste Frau Thora. Gut, dass auch Kantiran schon weiß, dass er seine Mutter um ein Haar umgebracht hätte. Ascari liegt im Krankenhaus mit einem verätzten Gesicht. Wer weiß, was sie tun wird, wenn sie wieder bei Kräften ist. Perry tadelt Kantiran ob dieser unbeherrschten Racheaktion. Dann lädt er ihn dazu, ihn auf der Reise in den Hayok-Sektor zu begleiten (siehe die weiteren Folgen und meine Berichte dazu).

Neben dieser Zusammenkunft zweier Zentralgestalten des Handlungskomplexes „Der Sternenozean“ spielt das Erscheinen des Hypersturm eine weitere Rolle. Allerdings gehen nur halb glaubwürdige Meldungen von diesem kosmischen Phänomen ein, und so bleiben ernstzunehmende Reaktion vorderhand aus. Der Hypersturm verhindert, wie gesagt, den überlichtschnellen Raumflug sowie die entsprechende Hyperraum-Kommunikation. Aber was hat den Hypersturm ausgelöst und welche Konsequenzen wird dieses Phänomen auf die Entwicklung der Ereignisse haben? Diese zwei Fragen werden erst ganz allmählich und in kleinen Schritten beantwortet.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

So fangen Sternenopern an: Mit einer schmissigen Titelmelodie und raunenden Stimmen, die Schicksalhaftes verkünden. Ein Erzähler wie Achim Höppner hat eine recht hohe Autorität und wir glauben ihm seine Geschichte nur allzu gern, wenn er von den ersten Abenteuern des jungen Helden berichtet. Die Musikbegleitung besteht mal aus unschuldig klingenden Geigen mit einer Pianobegleitung, mal aus dynamischer Hintergrundmusik, als Kantiran auf der Flucht ist.

Schon bald melden sich düster dräuende Instrumente wie etwa Posaunen und etliche Bässe, als Kantiran in Gefahr gerät. Insgesamt ist die Musik und die Geräuschkulisse eine ganze Menge Aufwand für eine simple Sternenoper, aber es lohnt sich: Das Hörspiel klingt höchst professionell produziert. Ich könnte Gegenbeispiele nennen, in denen die Musikbegleitung in die Hose ging, aber sie stammen alle nicht von STIL. Die Geräusche können in Sachen Professionalität absolut mithalten.

Die größte akustische Leinwand bemalen jedoch die tausend elektronisch erzeugten Sounds, die der ganzen Handlung erst das kosmische Science-Fiction-Feeling verleihen. Ohne sie könnte es sich ebenso gut um Fantasy auf einem fernen Planeten handeln, wie sie z. B. Jack Vance fabriziert hätte.

Der Abschlusssong von Camouflage klingt nach solider deutscher Wertarbeit: mit einem fetzigen Bassriff und einem Sänger, der sich die Feinheiten der englischen Aussprache noch antrainieren muss („head“ klingt wie „hat“). Der Song dauert vier Minuten und ist wenig bemerkenswert. PR-Fans werden ihn sicherlich begrüßen.

_Unterm Strich_

Wie die meisten Perry-Rhodan-Abenteuer verbindet auch diese Episode Action mit menschlichem Drama. Die abenteuerliche Flucht Kantirans und seiner Gefährten ist spannend und actionreich in Szene gesetzt, entbehrt auch nicht gewisser witziger Momente: Wie wird sich Kantiran aus seiner Klemme befreien?

Auf der anderen Seite sorgt das erste Wiedersehen Kantirans mit Perry, seinem Vater – sie sahen sich erstmals an der Militärakademie – für einige bewegende Momente. Denn Perry, der Präsident der Freien Terraner, muss entscheiden, ob er einem gesuchten Verbrecher Asyl gewährt. Eigentlich ist das bei seinem leiblichen Sohn keine Frage, aber dennoch: Ein Politiker muss stets auf Nummer sicher gehen. Zum Glück verläuft die Begegnung konstruktiv und Perry lädt den Sohnemann auf einen kleinen Raumflug ein.

Der Ausblick ist jedoch alles andere als heiter und hoffnungsfroh stimmen: Ein Hypersturm ist im Anzug und wird die Gesetze des Universums auf den Kopf stellen. Dass noch mehr dahintersteckt, wird sich schon bald herausstellen – eine tödliche Bedrohung für die Erde …

|Das Hörspiel|

„Der Hyperschock“ bildet eine vielversprechende Fortsetzung zu einer wahrscheinlich ziemlich langen Hörspielserie (sie hat bislang über 30 Folgen). Sie wird offenkundig von Profis produziert, von mancher bekannten Hollywoodstimme gesprochen und liefert einen soliden Gegenwert für den Preis von rund acht Euronen. Jugendliche zwischen 14 und 17 Jahren dürften sich rasch mit dem jungen Titelhelden Kantiran identifizieren und das ist eine der besten Voraussetzungen, ein treues Publikum aufzubauen.

|Audio-CD mit 73 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3785731659|
[www.perryrhodan.org]http://www.perryrhodan.org
[www.luebbe-audio.de]http://www.luebbe-audio.de

_Perry Rhodan auf |Buchwurm.info|:_
[„Die Sternenarche“ 769 (Perry Rhodan – Lemuria 1)
[„Der Schläfer der Zeiten“ 871 (Perry Rhodan – Lemuria 2)
[„Exodus der Generationen“ 886 (Perry Rhodan – Lemuria 3)
[„Der erste Unsterbliche“ 949 (Perry Rhodan – Lemuria 4)
[„Die letzten Tage Lemurias“ 1021 (Perry Rhodan – Lemuria 5)
[„Die längste Nacht“ 1137 (Perry Rhodan Lemuria 6)
[„Die Lebenskrieger“ 2189 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 1)
[„Die Trümmersphäre“ 2468 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 2)
[„Die Quantenfestung“ 3050 (Perry Rhodan PAN-THAU-RA 3)
[„PERRY RHODAN: Odyssee“ 3240
[„Die Kaiserin von Therm“ 3241 (Perry Rhodan Silberband 94)
[„Die Rückkehr“ 1611 (Perry-Rhodan-Roman 2295)
[„Das Antares-Riff“ 1706 (Perry Rhodan Extra 2)
[„Perry Rhodan – Das Rollenspiel“ 2925 (Grundregelwerk)
[„Sternenozean“ 5831 (Hörspielserie, Teil 1-25)
[„Das gestrandete Imperium“ (Perry Rhodan – Der Posbi-Krieg 1)“ 6081
[„Perry Rhodan – Silber Edition 24: Die Para-Sprinter“ (Hörbuch) 6330
[„Perry Rhodan – Silber Edition 25: Brennpunkt Andro-Beta“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6492
[„Perry Rhodan: Der Posbi-Krieg“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6394
[„Perry Rhodan – Silber Edition 74: Konzil der Sieben“ (Teil 1)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6560
[„Perry Rhodan – Silber Edition 74: Konzil der Sieben“ (Teil 2)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6614
[„Perry Rhodan – Silber Edition 74: Konzil der Sieben“ (Teil 3)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6666
[„Perry Rhodan – Silber Edition 74: Konzil der Sieben“ (Teil 4)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6721
[„Die Zeitstadt“ (Perry Rhodan – Andromeda 6) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6740
[„Konzil der Sieben“ (Perry Rhodan – Silber Edition 74) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6743
[„Die Laren“ (Perry Rhodan – Silber Edition 75, Teil 1) (Lesung)]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6775

MacBride, Stuart – Dark Blood

_Der Opfergang des Monsters, eine Tragikomödie_

Der Seniorenschänder Richard Knox aus Newcastle hat seine Gefängnisstrafe abgesessen, doch in seinem neuen Domizil am Rande Aberdeens wird er entdeckt und zum Objekt gewalttätiger Proteste. Die Aberdeen Cops müssen hinnehmen, dass ein Kommissar aus Newcastle „ein Auge auf die Dinge hat“. Als jedoch Knox verschwindet und Danby entführt wird, gerät die Lage völlig außer Kontrolle.

_Der Autor_

Stuart MacBride war schon alles Mögliche: Ein Grafikdesigner, dann ein Anwendungsentwickler für die schottische Ölindustrie und jetzt Kriminalschriftsteller. Mit seiner Frau Fiona lebt er in Nordostschottland. Seine Krimis um Detective Sergeant Logan McRae spielen in Aberdeen. Mehr Infos finden Sie unter [www.stuartmacbride.com]http:// www.stuartmacbride.com

|Werke:|

1) „Cold Granite“ (2005) = [„Die dunklen Wasser von Aberdeen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2917
2) „Dying Light“ (2006) = [„Die Stunde des Mörders“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3739
3) „Broken Skin“ (2007) = [„Der erste Tropfen Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4940
4) „Blind Eye“ = „Blinde Zeugen“
5) „Flesh House“ (2008) = [„Blut und Knochen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5792
6) „Halfhead“ (2009) – noch ohne dt. Titel
7) _“Dark Blood“_ (2010) – noch ohne dt. Titel
8) „Shatter the Bones“ (2011) – noch ohne dt. Titel

_Handlung_

Der Jahresanfang in Aberdeen ist diesmal saukalt, und ständig fegen Schneegestöber über Hügel, Straßen und Küste. Doch auch in diesem Dreckswetter soll Detective Sergeant Logan „Lazarus“ McRae nach einem Elektriker namens Steve Polmont suchen. Schließlich ist Steve so etwas wie der Neffe von Logans Vorgesetzter Detective Inspector Steel. Dieser lesbischen Hexe kann Logan einfach nichts entgegensetzen. Als rumpelt er jetzt mit seinem alten klapprigen Fiat auf die Baustelle, wo der Edinburgher Gangster Malcolm „Malk the Knife“ Maclennon mehrere hundert Reihenhäuser errichtet, mitten in Aberdeens grüner Lunge.

|Betonleichen|

Im ersten Anlauf findet Logan nur mehrere Hinweise, dass Steve Polmont vor ein paar Tagen verschwunden ist. Der Polier weint ihm keine Träne nach, weil Polmont angeblich einige Dinge mitgehen ließ. Dass Logan vom Handlanger des Poliers, einem verdächtigen Individuum mit einem Rottweiler, unsanft gedrängt wird, die Baustelle zu verlassen, macht ihn erst stutzig und dann ärgerlich. Er kommt mit einem Leichenhund wieder – und wird fündig.

Sehr zum Missvergnügen des Baustellenleiters lässt er mit Spezialwerkzeug einen ganzen Betonblock aus dem Fundament eines Hauses schneiden – und siehe da: Unter dem Klotz klebt eine Leiche. Die Gerichtsmedizinerin Isobel Macalister, Logans Ex und frischgebackene Mama, erklärt die Leiche für die von Steve Polmont. Aber wer hat den kleptomanen Elektriker auf dem Gewissen? Logan hat da einen leisen Verdacht …

|Der Schänder muss weg!|

Allerdings wird Logan einem anderen Team zugeteilt, das damit betraut ist, den entlassenen Häftling Richard Knox zu bewachen und zu bemuttern. Knox hat in Newcastle und den schottischen Lowlands mehrere Senioren geschändet, sodass ihn deren Angehörigen lieber tot als frei sehen, selbst noch nach Dutzend Jahren. Knox wählt als erstes Domizil das Haus seiner Großeltern. Angeblich hat er Gott gefunden. Er betet jedenfalls oft genug vor dem elektrischen Kaminfeuer.

Dem Kommissar, der aus Newcastle gekommen ist, erzählt er jedenfalls nichts über seine damalige Zeit. Danby hängt trotzdem herum, um „ein Auge auf die Dinge zu haben“, wie er behauptet. Doch auf die direkte Frage Logans antwortet er, Knox habe seinen Freund Billy Adams auf dem Gewissen, zumindest moralisch, wenn schon nicht physisch.

Doch von seinem Freund Colin Miller bei der Zeitung erfährt Logan eine ganz andere Story: Knox war der Kassenwart des Newcastler Gangsters „Mental Mikey“ und habe in dessen Auftrag mehrere Millionen Pfund beiseitegeschafft. Hinter diesem Nest-Ei seien jetzt einige Leute aus Newcastle her, nachdem Mental Mikeys gerade den Löffel abgegeben hat. Und wer weiß, denkt Logan: Vielleicht will ja auch DSI Danby seinen Schnitt dabei machen.

|Doppelter Verschwindeakt|

Während vier Cops auf Richard Knox aufpassen, soll Logan eine rätselhafte Überfallserie auf Juwelierläden sowie das Auftauchen von Falschgeld und gefälschten Waren aufklären. Das hält ihn einigermaßen auf Trab, doch unversehens geraten die Dinge an der Medienfront außer Kontrolle: Als Colin Miller den Aufenthaltsort von Richard Knox von dessen alter Englischlehrerin erfährt, weiß es sofort ganz Aberdeen. Die Protestmenge versammelt sich, gibt sich aber schon bald nicht mehr mit Protest zufrieden: Benzinbomben fliegen, kurz nachdem Knox unter Bewachung das Haus verlassen hat.

Unter dem Bildmaterial, das die Medienmeute geschossen hat, stößt Logan auf zwei bekannte Gesichter: Es sind die Angehörigen von zweien der Opfer. Späte Rache – oder steckt mehr dahinter? Als erst Knox aus dem neuen Versteck verschwindet und dann auch noch DSI Danby aus seinem Hotel entführt wird, gerät die Lage vollends außer Kontrolle. Und Detective Inspector Steel ist unabkömmlich, weil gerade das erste Kind ihrer Lebenspartnerin zur Welt kommt, eine Frühgeburt.

Offensichtlich ist wieder alles der Initiative von DS Logan McRae überlassen, um einen Fall nach dem anderen aufzuklären, inklusive eines Showdowns auf jener unheilvollen Baustelle …

_Mein Eindruck_

„Dark Blood“ soll eigentlich eine Geschichte über ein Monster sein. Das Monster ist Richard Knox, der sich an mehreren älteren Herren sexuell vergangen haben soll. Nun ist Knox freigelassen worden und diverse Herrschaften der zwielichtigen Unterwelt – aber auch andere – hätten gerne mal ein Wörtchen mit ihm gesprochen. Das ist eine der vier Seiten im Umgang mit einem Monster: Man will es entweder benutzen, heilen, wegsperren oder töten. Alle vier Aspekte sind im Buch zu finden, so etwa der gewalttätige Protest der Menge vor Knox‘ Haus.

Während sich die Cops aufgeregt auf diesen Protest konzentrieren und dümmlich durch die ausgebrannte Ruine des Hauses stolpern, sollten sie sich viel besser um die unsichtbare Gefahr kümmern: um jene Leute, die das Monster für ihre Zwecke benutzen wollen. Die Schwierigkeit der Cops dabei besteht allerdings darin, diese Leute überhaupt zu erkennen. Dummerweise sind die meisten Cops derartig betriebsblind und in eigene Querelen verstrickt, dass sie den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen. Als die Katastrophen hereinbrechen, kommt natürlich jede Vorkehrung zu spät.

Diesen Mechanismus kann man mit einem weinenden Auge beklagen und anprangern (das erledigt bereits Colin Miller in der Tageszeitung) oder verlachen. Dazu verleitet uns der Autor in seiner Geschichte. Die besten Cops wie etwa Logan McRae werden von ihren Vorgesetzten zusammengestaucht, wenn sie auch nur die geringste Initiative zeigen, und getadelt, wenn sie die Vorschriften verletzen.

Nicht genug damit, gibt es in der Truppe auch Pappenheimer, die sich Lorbeeren verdienen wollen und dafür über Leichen gehen. Einer dieser Saubermänner fälscht beispielsweise McRaes Unterschrift, um sein verhängnisvolles Treiben zu tarnen. Verständlicherweise ist McRae stocksauer, als er dies herausfindet, und will dem Saubermann an die Wäsche. Dafür gibt es einen Rüffel für unkollegiales Verhalten.

Während sich die Cops ständig selbst ein Bein stellen und McRae wie Don Quichotte gegen Windmühlen kämpft, machen sich die bösen Jungs über Knox und Danby her. Dieses Trio begleitet die Handlung ständig. Aber der Leser darf sich vom Autor nicht an der Nase herumführen lassen. Das Denken in Klischees wird vom Autor regelmäßig mit bösen Überraschungen bestraft. Die bösen Jungs entpuppen sich als die Guten – sofern es das überhaupt gibt.

So scheint DSI Danby zu den Kerlen mit den weißen Hüten zu gehören. Aber auch er will nur Knox dazu benutzen, an die Millionen von Gangsterboss Mental Mikey heranzukommen. Dies macht ihn zumindest zu einem Angehörigen der Grauzone. Merke: So wie die Cops um McRae nur Menschen sind, so trifft dies auch für Egoisten in den oberen Rängen zu. Jeder will sein Pfund Fleisch von Knox abhaben, egal ob der nun ein Monster ist oder nicht. Die Welt ist, wie sie ist: egoistisch, voller Täuschungen und stets darauf aus, dir ein Bein zu stellen. Selbst der Showdown findet in einem wütenden Schneesturm statt.

|Humor ist, wenn man trotzdem lacht|

Aber es kann auch lustig zugehen – wenn man schottischen Humor mag. Und der kann ganz schön sarkastisch und schräg sein. So befragt McRae in einer wundervollen Szene einen mutmaßlichen Juwelendieb in dessen schäbigen Wohnwagen. Danny Saunders lebt mit seiner Freundin Stacy Gardner zusammen, die ein Kind erwartet. In einer nahezu bizarren Entwicklung von Klamauk-Horror stellt sich nicht nur Danny als hammerschwingender Polizistenschreck heraus, sondern auch die harmlos erscheinende Stacy. Eine Bratpfanne schwingend versetzt sie Logan McRae eins auf die Rübe, bis er seinem zweiten Vornamen „Lazarus“ alle Ehre machen muss.

Ein weiteres Dauerelement, das für Ironie sorgt, ist McRaes Vaterschaft. Oh ja, in „Blind Eye“ hat er sich von seiner Chefin Steel dazu „überreden“ lassen, ihrer Lebensgefährtin Susan, die niemals selbst auftritt, ein Kind zu machen. Während Steel eifersüchtig und neidisch auf seine Zeugungsfähigkeiten ist, wacht sie mit Argusaugen über die Schwangerschaft ihrer Ehefrau Susan. Bis dann endlich der große Tag der, äh, Früh-Geburt kommt und Steel fortan unabkömmlich im Krankenhaus über „ihr“ Erstgeborenes wacht. McRae hat Glück, dass er zur Begutachtung des Ergebnisses eingeladen wird. Voilà, dies ist Jasmine! Na, stolz?

_Unterm Strich_

„Dark Blood“ hat mich zunächst dadurch enttäuscht, dass es längst nicht die emotionale Wucht von „Flesh House“ entfaltet. Die Fälle von Richard Knox und Steve Polmont scheinen eher der skurrilen Art des Verbrechens anzugehören. McRaes Verfolgung von Lappalien wie Falschgeld, Juwelenraub und gefälschten Markenartikeln wirkt auch nicht gerade schwerwiegend und zielführend.

Im Gegenteil: Sie wirken eher ablenkend, so als ob die zentrale Story um die Entführung von Knox und Danby vom Autor als zu dünn erachtet wurde, um einen Roman komplett zu tragen. Glücklicherweise hängt einiges zusammen, und im Rahmen des Polizeialltags dürfen auch Lappalien nicht fehlen. Sie dienen der Auflockerung, leider lenken sie auch vom Wesentlichen ab.

Allerdings erklären sie, wieso McRae, unser Held à la Don Quichotte, ständig Zusammenhänge übersieht, Botschaften missversteht, Nachrichten unterdrückt und ignoriert und auch sonst überaus unzureichend erscheint. Der Autor scheint der Meinung zu sein, dass auch Cops wie McRae nur allzu menschlich sind. Sie sind keine einzelgängerischen Übermenschen wie Inspector Rebus oder andere Superschnüffler. Ganz im Gegenteil: Allzu oft kommen sie unter die Räder. Und am Schluss wird McRae natürlich – wieder mal – gekreuzigt. Buchstäblich.

|Taschenbuch: 469 Seiten
ISBN-13: 978-0007244621|
[www.harpercollins.com]http://www.harpercollins.com

Dark, Jason – John Sinclair – Das Erbe des Schwarzen Tods (Folge 59) (Hörspiel)

_Verhängnis aus Atlantis: die Sense des Todes_

„Geisterjäger“ John Sinclair ist Oberinspektor in einer Sonderabteilung von Scotland Yard, die sich mit übersinnlichen Fällen befasst. Sinclair wird von einem Kreuz beschützt und gewarnt, das vom Propheten Hesekiel selbst stammt. Zur doppelten Sicherheit trägt er auch eine Beretta-Pistole mit sich, die mit Silberkugeln geladen ist. Werwölfe und ähnliches Gelichter mögen so etwas gar nicht. Heißt es.

Folge Nr. 59 entspricht dem Band 199 der Bastei-Heftromanserie.

Die Hörspiele dieser Reihe sind Vertonungen der gleichnamigen Bastei-Heftserie. Mit der Folge 60 feiert die Hörspielreihe ein weiteres Jubiläum – mit einem Online-Gewinnspiel. Der Verlag empfiehlt sein Werk ab 16 Jahren.

_Der Autor_

Der unter dem Pseudonym „Jason Dark“ arbeitende deutsche Autor Helmut Rellergerd ist der Schöpfer des Geisterjägers John Sinclair. Am 13. Juli 1973 – also vor 37 Jahren – eröffnete der Roman „Die Nacht des Hexers“ die neue Romanheft-Gruselserie „Gespenster-Krimi“ aus dem Hause Bastei. Inzwischen sind über 1700 John-Sinclair-Romane erschienen, die Gesamtauflage der Serie beträgt laut Verlag über 250 Millionen Exemplare.

_Die Sprecher/Die Inszenierung_

Frank Glaubrecht spricht den Geisterjäger himself und ist die deutsche Stimme von Al Pacino.
Joachim Kerzel, die deutsche Stimme von Jack Nicholson und Dustin Hoffman, spricht den Erzähler.
Suko: Martin May
Sir James Powell: Karlheinz Tafel
Glenda Perkins: Ilya Welter
Bill Conolly: Detlef Bierstedt
Sheila Conolly: Daniela Hoffmann (Stimme von Julia Roberts)
Johnny Conolly: Frederik Döring
Myxin: Eberhard Prüter
Kara: Susanna Bonaséwicz
Erik Hansen: Simon Jäger (Stimme von Josh Hartnett, James Duvall, Balthazar Getty, River Phoenix u.a.)
Harry Cumberland: Peter Flechtner
Gil Meier: Oliver Kalkofe
Cliff: Jan Spitzer
Zack Zacharry: David Nathan (Stimme von Johnny Depp u.v.a.)
Phil Green: Ingo Albrecht
Dschinn: Jörg Hengstler
Charles: Ingo Oschmann
Ansage: Fred Bogner

_Der Regisseur_

… ist Oliver Döring, Jahrgang 1969, der seit 1992 ein gefragter Allrounder in der Medienbranche ist. „Als Autor, Regisseur und Produzent der John-Sinclair-Hörspiele hat er neue Maßstäbe in der Audio-Unterhaltung gesetzt und ‚Breitwandkino für den Kopf‘ geschaffen“, behauptet der Verlag. Immerhin: Dörings preisgekröntes Sinclair-Spezial-Hörspiel „Der Anfang“ hielt sich nach Verlagsangaben wochenlang in den deutschen Charts.

Buch und Regie: Oliver Döring
Realisation: Patrick Simon
Tontechnik und Schnitt: ear2brain productions
Hörspielmusik: Christian Hagitte, Simon Bertling, Florian Göbels
Produktion: Alex Stelkens (WortArt) und Marc Sieper (Lübbe Audio)

_Handlung_

Zack Zacharry ist ein Forscher und lässt sich in der Antarktis von Cliff herumkutschieren. Sie stoppen mitten im Schneesturm, als Zack eine grüne Wolke erspäht. Eine grüne Wolke, die sich gegen die Windrichtung auf sie zubewegt! Der Schnee beginnt grün zu leuchten. Weil das Schneemobil feststeckt, müssen sie aussteigen, um es freizuschaufeln. Staunend stellen sie fest, dass der Wind zu pfeifen aufhört. Ein merkwürdiges Geräusch erklingt – wie von einer gigantischen Sense. Dann spürt Zack, wie etwas Scharfkantiges aus Metall mit großer Wucht in seinen Körper fährt …

Unterdessen in London. John Sinclair flucht über den Bericht, den er für Sir Powell schreiben soll. Da lässt ihn der Chef zu sich rufen, und zusammen mit Suko vernimmt John die erstaunliche Nachricht, dass am Südpol ein Forscher zusammen mit seinem Fahrer tot aufgefunden worden sei. Die Wunden stammen entweder von einem großen Schwert, einer Machete oder einer Sense. John erinnert sich an die Waffe, die der Schwarze Tod benutzte, den er besiegte. Statt hinzufliegen sollen John und Suko lieber das Medium Kara und ihren Freund Myxin kontaktieren.

Wenig später am stürmischen Kap Hoorn, an der Südspitze Lateinamerikas. Kapitän Phil Green lässt alle Schotten der „Lucky Bay“ dichtmachen. Da bemerkt sein Funktechniker etwas Merkwürdiges auf dem Radarschirm: Etwas bewegt sich gegen die Windrichtung auf das Schiff zu. In Greens Fernglas lässt sich ein grünliches Leuchten erspähen. Und ist da etwa eine Fratze in der Wolke? Doch selbst nach einer Kursänderung folgt ihnen die grüne Wolke. Schon bald befinden sie sich auf Kollisionskurs. Das Radar fällt aus, das Funkgerät ebenso. Die Fenster zerbersten, und eine riesige Sense fegt über die Brücke …

In der Nähe von London wohnen Bill und Sheila Conolly, John Sinclairs Freunde, mit ihrem Sohn Johnny zusammen in einem gemütlichen Heim. Denken sie. Bill stellt die Möbel um, damit Kara und Myxin einen Landeplatz im Wohnzimmer haben. Sheila macht Bills Verhalten nervös. Und er hat eine Waffe. Sie zuckt zusammen, als Geheul erklingt. Bill geht hinaus auf Veranda und Rasen. Er erblickt zwei helle Augen, die sich dem Bannkreis weißer Magie nähern, und ein Knurren: ein Wolf! Sheila ruft nach ihm, doch Bill warnt sie, im Haus zu bleiben. Der Wolf lässt sich durch den Bannkreis nicht davon abhalten, Bill zu Boden zu werfen und ihm an die Gurgel zu fahren …

Nur drei Mann überleben die Katastrophe auf der „Lucky Bay“. Harry Cumberland, ein erfahrener Seemann, lenkt das Rettungsboot, in dem Eric und Gil sitzen, auf eine Insel zu, die er erspäht hat. Sie betreten einen kahlen, leeren Strand unter den Uferfelsen. Noch ahnen sie nichts von den Schrecken, die diese Insel birgt …

Als John und Suko bei den Conollys eintreffen, hören sie die Schreie und eilen in den Bannkreis, um dem am Boden liegenden Bill beizustehen. John zielt auf den Wolf. Doch auch Kara und Myxin sind per Teleportation eingetroffen; sie gebieten John Einhalt: „Nicht schießen!“ Kara erklärt, dass es sich nicht um einen gefährlichen Werwolf handle, sondern um eine Inkarnation von Nadine Bergers Seele (siehe Folge 55, „Fenris, der Götterwolf“). John liebte Nadine einst sehr und trauert immer noch um sie.

Die Wölfin ist gekommen, um John vor großer Gefahr zu warnen. Keinen Augenblick zu früh, denn schon können die Gefährten eine grüne Wolke erblicken, die sich über London bildet und sich in ihre Richtung bewegt. Das verheißt nichts Gutes, und John meint, ein leises Zischen wie von einer Sense zu vernehmen …

_Mein Eindruck_

Die zwei Handlungsstränge führen zu verschiedenen Erkenntnissen und liefern gleich zwei Showdowns. Was die drei Schiffbrüchigen auf der Insel bei Feuerland antreffen, ist ein Lager von Zombies – und das Hauptquartier der Mord-Liga. Das wird in späteren Folgen noch von Bedeutung sein, wie der Schluss vermuten lässt.

Viele eindrucksvoller ist jedoch die Konfrontation auf dem Grundstück der Conollys. Offensichtlich hat es der Sensenschwinger ausschließlich auf John Sinclair abgesehen, der den Schwarzen Tod besiegt hat. Dessen Tod will der Dschinn, der sich als Erbe des Getöteten versteht, blutig rächen. Da gerät er aber an den Falschen. Der Dschinn, ein Wesen aus Atlantis, mag ja eine riesige Sense zur Hand haben, doch John hat ja bekanntlich sein heiliges Kreuz, das allerlei Höllengezücht abwehrt. Äh, wenn er es nicht gerade verlegt hat, so wie jetzt zum Beispiel.

Doch es ist ja nicht das erste Mal, dass John quasi mit heruntergelassenen Hosen erwischt wird. Es muss schon ein wenig brenzlig werden, bevor der Sieg nahe ist. Außerdem: Wozu hat John denn seine Freunde dabei? Eben. Die heruntersausende Sense gibt Suko Gelegenheit, wieder mal seinen weltberühmten Zaubertrick mit der gestoppten Zeit vorzuführen. Nein, damit ist kein Hundertmeterlauf gemeint, sondern der Zeitstopp, den er mit einem magischen Stab veranlasst, den ihm irgendwelche tibetanischen Weisen geschenkt haben.

Gegegn Dschinns, also Geistwesen, helfen bekanntlich weder geweihte Kugeln noch Bazookas. Deshalb braucht John unbedingt sein geweihtes Kreuz. Es müsste hier irgendwo rumliegen, oder? Wie gut, dass die Wölfin jetzt an John Seite wacht. Nadine Berger sorgte schon zu Lebzeiten gut für ihren John, nun kann sie ihm auch diesmal hilfreich beistehen – durch Apportieren beispielsweise.

_Die Sprecher / Die Inszenierung_

Die Macher der „Geisterjäger“-Hörspiele suchen ihren Vorteil im zunehmend schärfer werdenden Wettbewerb der Hörbuchproduktionen offensichtlich darin, dass sie dem Zuhörer nicht nur spannende Gruselunterhaltung bieten, sondern ihm dabei auch noch das Gefühl geben, in einem Film voller Hollywoodstars zu sitzen. Allerdings darf sich niemand auf vergangenen Lorbeeren ausruhen: Bloßes Namedropping zieht nicht, und So-tun-als-ob ebenfalls nicht.

Die Sprecher, die vom Starruhm der synchronisierten Vorbilder zehren, müssen selbst ebenfalls ihre erworbenen Sprechfähigkeiten in die Waagschale werfen. Zum Glück tun Pigulla, Kerzel, Glaubrecht und Co. dies in hervorragender und glaubwürdiger Weise. Statt gewisse Anfänger zu engagieren, die mangels Erfahrung bei den zahlreichen emotionalen Szenen unter- oder übertreiben könnten, beruht der Erfolg dieser Hörspielreihe ganz wesentlich darauf, dass hier zumeist langjährige Profis mit schlafwandlerischer Sicherheit ihre Sätze vorzutragen wissen.

Übertriebene Ausdrucksweisen heben die Figuren in den Bereich von Games- und Comicfiguren. Das kann bei jugendlichen Hörern ein Vorteil sein. Die Figuren schreien wütend, fauchen hasserfüllt oder lachen hämisch. Besonders unheimlich ist die Darstellung des Spuks, eines wirklich mächtigen Dämons. Leider erfahren wir rein gar nichts über seine Herkunft und Entstehung. Auch alle anderen Figuren muss der Hörer bereits kennen, um sie zuordnen zu können. Aber als Fan der Serie kennt man ja Jane Collins, Sinclair, Glenda Perkins, Kara, Myxin usw. bereits.

|Geräusche|

Die Geräusche sind genau die gleichen, wie man sie in einem halbwegs realistischen Genre-Spielfilm erwarten würde, und die Geräuschkulisse wird in manchen Schlüsselszenen recht stimmungsvoll aufgebaut. Insbesondere die Szenen im Garten der Conollys sind akustisch recht eindrucksvoll umgesetzt. Vom Zischen der Sense über die auffälligen Schüsse und Schreie bis hin zum absoluten Sound Overkill, wenn die Macht des Kreuzes auf die Kraft der Sense trifft – Explosionen, die auf einer leistungsfähigen Anlage die Wände zum Wackeln bringen können. So haben wir das gern!

Das Kontrastprogramm dazu bietet das Hörspiel ebenfalls. Die drei Überlebenden der „Lucky Bay“ geraten nämlich in eine unheimliche Szenerie. Leise Töne sind hier angesagt, geflüsterte, verzweifelte Dialoge – und zombiemäßiges Röcheln, Knurren und schließlich Blutspritzen … Während der Showdown in Conolly Garten recht archaisch anmutet, liefert das Geschehen bei Kap Hoorn entsprechend moderne Geräusche: Funksprüche, Motorengeräusche, eine SOS-Rakete und dergleichen mehr.

|Musik|

Die Musik gibt ziemlich genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und leitet in den kurzen Pausen bzw. Übergängen gleich zur nächsten Szene über. Sie wurde von einem Orchester eingespielt, und so entsteht der Eindruck, die Begleitmusik zu einem alten Hollywood- oder British Horror Movie zu hören.

Stets gibt die Musik genau die vorherrschende Stimmung einer Szene wieder und ist mit einem klassischen Instrumentarium produziert. Mit einer einzigen Ausnahme: Die Titelmelodie der Serie erschallt in einem hämmernden Rock-Rhythmus aus den Lautsprecherboxen. Sehr sympathisch.

Musik, Geräusche und Stimmen wurde so fein aufeinander abgestimmt, dass sie zu einer Einheit verschmelzen. Dabei stehen die Dialoge natürlich immer im Vordergrund, damit der Hörer jede Silbe genau hören kann. An keiner Stelle wird der Dialog irgendwie verdeckt.

|Booklet|

… enthält im Innenteil Angaben über die zahlreichen Sprecher, die Macher sowie sämtliche Hörfolgen. Auf der letzten Seite weist der Verlag auf den offiziellen JOHN-SINCLAIR-Song „CAIN – Age of Darkness“ hin, der „auf allen bekannten Musik-Downloadportalen“ zur Verfügung stehe.

_Unterm Strich_

In einem reizvollen Wechselspiel von Kontrasten führt diese Episode von Sinclairs Abenteuern zwei separate Handlungsstränge zu ihrem jeweils spektakulären Ende. Der Aufbau der Spannung durch Rätsel einerseits und Horror andererseits lässt den Zuhörer bei der Stange bleiben. Er wird durch einen explosiven Showdown in London belohnt und durch die Ereignisse auf der Feuerlandinsel neugierig auf die Fortsetzung gemacht.

Die Andeutung, dass Atlantis unter dem Südpol zu vermuten ist, machte mich ebenfalls stutzig. Wer weiß, was noch alles unter den tauenden Eismassen verborgen liegt – man hat bereits einen der größten Seen der Welt dort entdeckt. Und Lovecraft wusste in „Berge des Wahnsinns“ von weit faszinierenderen Dingen zu berichten – und sie versprechen nicht geringeren Horror als eine Sinclair-Folge.

|Das Hörspiel|

Auch jungen Menschen, die sich einfach nur für gruselige Audiokost interessieren, die gut gemacht ist, lässt sich das Hörspiel empfehlen. Es ist leicht verständlich, wirkungsvoll inszeniert und die Stimmen der Hollywoodstars vermitteln das richtige Kino-Feeling. Die Action kommt niemals zu kurz, was die Game-Freunde doch einigermaßen zufriedenstellen sollte.

|Audio-CD mit ca. 56 Minuten Spieldauer
ISBN-13: 978-3-7857-4238-9|
[www.sinclair-hoerspiele.de]http://www.sinclair-hoerspiele.de
[www.wortart.de]http://www.wortart.de

Noch mehr über |John Sinclair| finden Sie in unserer [Rezensionsdatenbank]http://www.buchwurm.info/book .

MacBride, Stuart – Flesh House

_Hannibal Lecter lässt grüßen_

Als im Aberdeener Hafen ein Container entdeckt wird, in dem sich gefrorenes Menschenfleisch befindet, löst dieser Fund die größte Menschenjagd in der Geschichte der Stadt aus Granit aus. Schon vor 20 Jahren wurde der „Flesher“ als Serienkiller gejagt; er schlachtete seine Opfer im ganzen Königreich, bis Ken Wiseman schließlich hinter Gitter gebracht wurde. Aber elf Jahre später kam er in der Berufung wieder frei. Seitdem sterben wieder Menschen. Und nicht irgendwelche, sondern Angehörige der damaligen Ermittlung. Detective Sergeant Logan McRae kommt es vor, als wäre dieser Fall ein wenig komplizierter, als jeder im Kommissariat zu glauben scheint …

_Der Autor_

Stuart MacBride war schon alles Mögliche: ein Grafikdesigner, dann ein Anwendungsentwickler für die schottische Ölindustrie und jetzt Kriminalschriftsteller. Mit seiner Frau Fiona lebt er in Nordostschottland. Seine Krimis um Detective Sergeant Logan McRae spielen in Aberdeen. Mehr Infos finden Sie unter [www.stuartmacbride.com]http:// www.stuartmacbride.com

|Werke:|

1) „Cold Granite“ (2005) = [„Die dunklen Wasser von Aberdeen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2917
2) „Dying Light“ (2006) = [„Die Stunde des Mörders“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3739
3) „Broken Skin“ (2007) = [„Der erste Tropfen Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4940
4) „Blind Eye“ = „Blinde Zeugen“
5) „Flesh House“ (2008) = [„Blut und Knochen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5792
6) „Halfhead“ (2009) – noch ohne dt. Titel
7) „Dark Blood“ (2010) – noch ohne dt. Titel
8) „Shatter the Bones“ (2011) – noch ohne dt. Titel

_Handlung_

Detective Inspector David Insch ist nicht glücklich. Der Zwei-Meter-Hüne mit Übergewicht überwacht eine Durchsuchung von Proviantcontainern im Aberdeener Hafen. Offenbar wurden in den Lebensmitteln, die für die Bohrinseln bestimmt waren, menschliche Überreste gefunden. Was ihn so auf die Palme bringt, ist indes nicht das tiefgefrorene Händchen oder Schenkelchen, sondern Isobel McAlister, die Pathologin, die sich weigert, wie allen anderen zu kuschen, wenn er pfeift. Ganz im Gegenteil: Die „Eiskönigin“, wie sie hinter vorgehaltener Hand genannt wird, stürmt wenige Stunden später in sein Büro und haut ihm eine runter. Er hat angedeutet, sie würde ihre Arbeit nicht korrekt, zu langsam oder gar mit Behinderungsabsicht machen. Fortan nimmt er sich vor ihr in Acht.

Das Fleisch gehört Cash & Carry Thompson, und die wiederum hat es unter anderem von der Metzgerei Andrew McFarlanes. Noch ein wunder Punkt in David Ischs Biographie. Denn McFarlane, der seit dem Verschwinden seiner Frau Kirsty mittlerweile 20 Jahre lang dem Teufel Alkohol huldigt, ist der Schwager von Ken Wiseman – und den hat Insch mehrere Jahre lang gejagt, damals, 1987 bis 1990. Bis Wiseman, der landesweit Menschen getötet und geschlachtet haben soll, wegen eines Verfahrensfehlers freigelassen wurde.

Wenn also jetzt menschliche Überreste in Essen auftauchen, kann eigentlich nur Wiseman dahinterstecken. Darüber braucht Isch nicht zweimal nachzudenken. Für ihn ist und bleibt Wiseman der „Flesher“, der Fleischer. Es gibt sogar ein Buch über den Flesher: „Smoak with Blood“ von James McLaughlin, dem Sohn von zwei Opfern, die 1987 verschwanden (im Prolog).

Aber obwohl er McFarlane in Gewahrsam nimmt und dieser seine Unschuld und Unwissenheit beteuert, kommt es zu weiteren Morden: Inschs damaliger Mentor Brooks unternimmt einen Freiflug vom Dach eines Hochhauses – ohne Fluggerät und mit etwas Nachhilfe von Ken Wiseman. Insch ist sofort auf hundertachtzig und verstärkt die Suche. Er nimmt Wisemans Zellennachbar Robertson in die Mangel und setzt auch Logan McRae auf ihn an. Doch Logan hat ein Problem mit Angus Robertson: Das ist der Mann, der ihm vor wenigen Jahren (in „Cold Granite“), 23 Mal in den Bauch gestochen hat, bis er fast verblutete. Immerhin sagt Robertson, dass Wiseman seinerzeit eine Frau tötete. Aber wer war sie? Robertson will sich nicht erinnern können.

Alle Schritte, die Insch und sein Team unternehmen, werden mittlerweile von dem BBC-Fernsehreporter Alec, einem kleinen fetten Mann, begleitet. Sein Tic ist es, vor einer Aufnahme immer „Action!!“ zu rufen. Das finden die Polizisten völlig unangebracht. Um die Anspannung noch etwas zu steigern, hat Isch den jetzigen Chef des Polizeidezernats West Midlands, Faulds, aufs Auge gedrückt bekommen. Faulds soll mit Insch und Steel, den lokalen Kommissaren, zusammenarbeiten, doch was passiert? Logan wundert es nicht, dass sich die drei erst einmal zoffen, besonders was den Kurs und die Prioritäten dieses Falls angeht. Er selbst ist wieder mal der Dumme: Alle wollen, dass er für sie arbeitet – das bedeutet eine astronoimische Anhäufung von Überstunden.

Nach einer weiteren Rangelei brummt der übergeordnete Detective Chief Superintendent, „Bald Brian“ Bain, Insch zwei Tage Suspendierung vom Dienst auf. Doch als Insch am dritten Tag nicht zurückkehrt, ist jeder insgeheim froh darüber. Am vierten Tag schaut Logan einfach mal so nach dem Rechten. Auf sein Klingeln passiert jedoch nichts: Stille. Am fünften Tag nimmt er Faulds und TV-Reporter Alec mit, um bei Insch nach dem Rechten zu schauen.

Er trifft exakt in jenem Moment vor Inschs Haus auf dem Land ein, als dessen Range Rover losfährt. Logan sofort hinterher, über die Landstraße, an Traktoren und Maschinen vorüber. Dann die Entdeckung: Am Steuer des Range Rovers sitzt gar nicht Insch, sondern ein anderer, wahrscheinlich Wiseman. Was kann er Insch und dessen Familie (Gattin, drei Töchter) angetan haben?

In einer wilden Verfolgungsjagd quer durch die Botanik, die BBC-Mann Alec in helle Begeisterung versetzt, braust Logan Wiseman hinterher …

Tags darauf sind alle überzeugt, den Flesher gefangen zu haben. Während er von allen – außer Steel – gelobt wird, fragt sich Logan jedoch, ob er hätte verhindern können, dass Sophie starb. Wiseman hingegen beteuert seine Unschuld: „Ich bin nicht der Flesher!“ Und lacht Insch aus. Der jedoch sinnt auf blutige Rache für das Erlittene, besonders für den Tod der kleinen Sophie.

Da verschwindet ein neues Opfer, in seinem Haus entdeckt man ein Blutbad. Hat der Flesher erneut zugeschlagen?

|Unterdessen|

Heather Inglis sitzt allein in ihrer dunklen Metallzelle und redet mit den Toten. Heather ist entführt worden, zusammen mit ihrem Mann Duncan. Wo mag ihr kleiner Sohn Justin jetzt sein? Geht es ihm gut, fragt sie sich. Duncan ist verletzt worden, als man sie entführte. Ihm nützt all sein Wettern und Wüten nichts. Sie muss Zeuge seines Sterbens werden. Aber in ihren Tagträumen bleibt er bei ihr. Er nimmt sie vor dem DUNKEL in Schutz.

Das DUNKEL fordert seinen Tribut. So wie von Mr. New, einem Entführten, der auch gewütet hat, bis der Lärm ihrem Kerkermeister, der nie ein Wort sagt und ihr zu essen gibt, zu viel wurde … Nun gehört auch Mr. New zum Chor der Stimmen in Heathers Kopf. Und das DUNKEL fordert weiterhin ihre Unterwerfung. Heather ist zu schwach, um sie zu verweigern. Sie isst …

_Mein Eindruck_

Dreieinhalb Jahre nach seinem fulminanten Erstling „Cold Granite“ von 2005 ist Stuart McBride mittlerweile beim Fernsehen angekommen. Seine Geschichten werden auf dem Kanal ITV3 gezeigt, und dieser zeichnete ihn mit einem Award aus. Also verwundert es den regelmäßigen leser nicht, als auf einmal ein BBC-Reporter im Roman auftaucht, der die Arbeit der Kriminaler von Aberdeen dokumentieren will.

Ein weiteres unübersehbares Merkmal für solche öffentliche Aufmerksamkeit sind die zahlreichen Fotos von Zeitungsmeldungen über die Mordserien des Fleshers und über das Buch „Smoak with Blood“ (aus einem alten Sinnspruch des 17. Jahrhunderts, natürlich aus der Fleischergilde). Diese Fotos suggerieren uns, dass es den Fall des Fleshers, der über 20 Jahre hinweg tätig war – mit 17 Jahren Pause – tatsächlich existierte. Ich habe dies nicht nachgeprüft, aber die Tatsache, dass eine fiktive Figur wie Colin Miller als Autor eines dieser Zeitungsartikel abgedruckt ist, lässt mich an deren Echtheit zweifeln. Wenn sie jedoch alle fiktiv sind, so lässt dies auf einen ungeheuren Aufwand schließen, den sich der Autor diesmal gemacht hat. (Aber er verdient ja auch inzwischen entsprechend viel.)

Fiktiv oder nicht – feststeht, dass der Flesher-Fall, den Detective Inspector Insch mit Ken Wiseman identifiziert, ungeheuer spannend ist. Es ist natürlich unser heimlicher Hel, der sich von solchen Voreingenommenheiten nicht blenden lässt und den Fakten, sowohl in der Gegenwart als auch vor 20 Jahren (1987), auf den Grund geht. Damals wurde ganz klar das Gesetzt gebrochen, um Wiseman hinter Gitter zu bringen. Soll es diesmal genauso laufen? Er weigert sich, dies zuzulassen, was ihn unweigerlich in Inschs Schusslinie bringt …

DI Steel ist wie zuvor darauf bedacht, andere für sich rackern zu lassen und dann den Ruhm einzustreichen. Bis es Logan zu blöd wird, er sich Fauld und DC Rennie schnappt und auf eigene Faust ermittelt. Meist im Schlachthaus. Das Besondere, Magen umdrehende Thema ist diesmal Kannibalismus. Erst werden die Opfer fachgerecht mit einem Bolzenschussgerät getötet, dann fein säuberlich zerlegt und anschließend verwertet, etwas durch Kochen. Als dieser Sachverhalt endlich in den Gazetten von Aberdeen landet, graust es den Leuten, die ach so gerne Schweinekoteletts und Burger essen. Die Drähte laufen bei der Polizei und dem Gesundheitsdienst heiß. Allgemeiner Aufruhr sorgt dafür, dass nur noch Importfleisch, Vegetarisches und Meeresfrüchte auf den Teller kommen.

Passend zu Jonathan Safran Foers Buch „Tiere essen“ führt uns der Autor diesmal ins Schlachthaus. Dort erfahren wir endlich, was eigentlich aus den nicht essbaren Bestandteilen der Viecher wird, die geschlachtet werden. Ich will das hier nicht ausbreiten; es schlägt einem auf den Magen. Im Schlachthaus, dem Abattoir, findet passenderweise auch der furiose Showdown statt, wobei Logan dem Täter dicht auf den Fersen ist. Und hier sehen wir auch Heather Inglis wieder, deren seltsamen Leidensweg wird durch das ganze Buch hindurch mit verfolgen durften.

Hätten Insch und Brooks vor 20 Jahren ihren Job richtig gemacht, wäre der wahre Flesher schon damals gefasst worden. Denn die Fakten waren alle vorhanden; man hätte sie bloß zusammenfügen müssen. Als Logan und Rennie endlich diese Aufgabe erledigen, stellt sich auch die einzige Identität des Täters heraus, die einen Sinn ergibt. Und diese Erkenntnis ist einfach umwerfend. Auch für den Leser, das kann ich versprechen.

|Schräger Humor|

Die scheinbare Objektivität, die die Foto-Dokumentation suggeriert, findet ihr Gegengewicht in der radikalen Subjektivität, die wir mit Heathers Tagträumen, ihrem Wahnsinn, präsentiert bekommen. Und das Gleichgewicht findet sich auch wieder zwischen der harten Polizeiarbeit, die vor allem Logans und Rennies Schulern lastet, und ihrem Privatleben.

Dieses Privatleben sorgt regelmäßig für Erheiterung, allerdings mehr von der ironischen und sarkastischen Sorte – schottischer Humor eben. So läuft beispielsweise eine Wette gegen Insch: Wann wird er durchdrehen und jemandem die Fresse polieren? Dummerweise ist Logan dabei sowohl der Gewinner – er setzt auf den richtigen Tag – als auch der Verlierer: Er ist Inschs Opfer.

Auch Rennie kriegt sein Fett weg. Rennie ist total in die süße Laura verliebt, weil die so einen Kanone im Bett ist. Nach ein paar Wochen schon will er sie heiraten. Logan schaut sich die Kleine mal genauer an und zieht den richtigen Schluss. Er will Rennie, dem Rangniederen, eigentlich nicht den Spaß am Sex verderben, aber dessen Vorwurf, dass er selbst der „dirty old man“ sei, kann er nicht auf sich sitzen lassen. Er zeigt Rennie die süße Laura in ihrem natürlich Lebensraum: An der Schule …

Auch Detective Inspector Steel, sonst immer die taffe Kommissarin, hat ihre liebe Not: Sie hat einen Heiratsantrag bekommen. Oh nein, nicht von Logan, denn Steel ist ja lesbisch, nein, von ihrer Freundin Susan. Während sie sich mit ihrer kratzenden Unterwäsche herumplagt, mal sie sich aus, was wohl als Nächstes kommt: Kinder. Oh Graus, diese kleinen Monster!

Tja, dabei kann ihr Logan nicht helfen, denn er hat ja diesbezüglich sein eigenes Päckchen zu tragen. Er und Jackie haben sich vor 18 Monaten getrennt, genauer: nach dem Fall mit dem Vergewaltiger, der zugleich der Stürmerstar des Aberdeener Fußballvereins war (in „Broken Skin“, s. o.). Logan versucht Jackie Watson, seiner Ex, klarzumachen, dass es nicht an ihrer Fehlgeburt lag, die sie danach erlitt. Er liebe sie einfach nicht, sagt er ihr ins Gesicht. Und bekommt dafür ihre Faust auf die Nase … Man sollte sich nicht mit einem weiblichen Ninja anlegen; Jackie gehört zum schnellen Einsatzkommando (SEK).

_Unterm Strich_

Wem sich beim Thema Schlachthaus und Kannibalismus nicht sogleich der Magen umdreht, wird mit einem trickreich und gekonnt angelegten Kriminalroman belohnt, der am Schluss nicht nur mit überraschenden Wendungen, sondern auch mit einem packenden Showdown aufwartet. Während die Fotostrecken und Zeitungsausschnitte Objektivität und Authentizität suggerieren, führt uns der Wahnsinn Heather Inglis‘ direkt ins Herz der Finsternis. Es erweist sich als einfach unmöglich, das Buch hundert Seiten vorm Schluss aus der Hand zu legen.

|Kannibalismus|

Der Autor weist mit diesem darauf hin, dass es seit 400 Jahren in Aberdeen die Fleischerzunft gibt und dass seitdem das Verhackstücken von Tierleichen eine ehrenwerte Tätigkeit ist. Allerdings zeigen die Zeitungsausschnitte, dass die Zunft ebenfalls einiges auf dem Kerbholz hat. Und vielleicht will der Autor auch den einen oder anderen Leser dazu anregen, mal darüber nachzudenken, was aus all den bedauernswerten Tieren gemacht wird – und das auch Menschen letzten Endes nur Tiere sind, die andere Tiere essen. (Das Fleischessen war nicht immer so intensiv wie heute, aber darauf geht der Autor nicht ein.) Aber in der Höhle des Fleshers wird Heather Zeugin dessen, was es bedeutet, einen Menschen binnen dreißig Minuten in leckeres Bratenfleisch zu zerlegen. (Na, noch hungrig?)

Hannibal Lecter lässt schön grüßen. Kein Wunder, dass er mehrfach genannt wird, wenn es um das Thema Kannibalismus geht. Typisch für den schottischen Humor ist allerdings, dass das grausige Thema nicht nur anrührend, sondern auch mit ätzendem Sarkasmus behandelt wird, der die Absurdität so mancher Situation an den Tag legt. Das habe ich sehr an diesem Roman geschätzt.

|Gestiegener Anspruch|

Dieser Band der Serie ist längst nicht so bissig und witzig wie die Anfangsbände, dafür ist der Ansatz diesmal ein anderer: Dokumentation vs. Tiefenpsychologie, Polizeikritik, Medienkritik („Action!!“), Traditionskritik (die Zunft) und vieles mehr. Der Anspruch, den der Autor an sich selbst stellt, ist offenbar gestiegen, sonst würde er nicht solchen Aufwand treiben. Andererseits wird er inzwischen verfilmt.

Der große Erfolg schottischer Autoren wie Val McDermid und Sir Ian Rankin hat ungeheure Mengen von Geld in die Verlagskassen gespült, die Fernsehsender und Produktionsgesellschaften lechzen nach TV-Erfolgen wie „Die Methode Hill“ (O-Titel „Wire in the blood“). Kein Wunder, dass sich ein Autor wie MacBride solchen Forderungen nicht verschließen kann und will. Mehrfach präsentiert er in „Flesh House“ Szenen wie aus einem Drehbuch, mit verteilten Rollen und Regieanweisungen, einem Maximum an Ökonomie in der Inszenierung aller anderen Szenen.

Das ist meist flott und reich an „Action!!“, aber auch die ruhigen Passagen dürfen nicht fehlen. Das war auch schon in McDermids „Schlussblende“ so, als sie das Schicksal eingesperrter Entführungsopfer schilderte. Es ist also keineswegs alles Show, was MacBride präsentiert. Und am Schluss überlegt es sich der Leser vielleicht zweimal, ob er seinen Sonntagsbraten so wahnsinnig lecker findet …

|Taschenbuch: 595 Seiten
ISBN-13: 978-0007244553|
[www.harpercollins.com]http://www.harpercollins.com

Spillane, Mickey / Collins, Max Allan – Ende der Straße, Das (Lesung)

_Keine Ruhe im Ruhestand: Aschenputtel und die Bombe_

Der pensionierte New Yorker Cop Jack Stang glaubt seine Freundin seit 20 Jahren tot, gestorben bei einer versuchten Entführung. Doch sie lebt und hat alles verloren – außer ihren Feinden. Er besucht sie, um sie zu beschützen, doch gleichzeitig will er die alte Sache von vor 20 Jahren zum Abschluss bringen. Er kommt gerade zur rechten Zeit, wie sich zeigt …

_Der Autor_

Mickey Spillane, geboren 1918, ist der legendäre Schöpfer der Mike-Hammer-Krimis, die mit Stacy Keach in der Titelrolle verfilmt wurden. Seine Bücher haben sich weltweit über 200 Mio. Mal verkauft. Der König des Pulps starb 2006, dieser Roman erschien posthum, vollendet vom bekannten Autor Max Allan Collins.

_Der Sprecher_

Reiner Schöne lebte lange in Hollywood und drehte dort mit Filmgrößen wie Clint Eastwood und Lee van Cleef. Der Schauspieler, Synchronsprecher und Sänger mit der tiefen, markanten Stimme trägt die passende raue Note bei. (abgewandelte Verlagsinfo)

Regie führte Thomas Wolff. Die Buchvorlage erschien 2008 bei Rotbuch Verlag.

_Handlung_

Der New Yorker Ex-Cop Jack Stang ist mit 56 Jahren in Pension gegangen, zuvor war er 30 Jahre lang beim NYPD, und als Captain hat er in Manhattan so manchen Gauner gefasst – und erschossen. Schließlich war Jack mal beim Marine Corps, das bekanntlich nur die härtesten Burschen aufnimmt. Doch Jack ist nie verheiratet gewesen, hat keine Kinder, und liegt an der Geschichte, die ihm vor 20 Jahren passiert ist. Seine Verlobte Betty wurde entführt und kam dabei ums Leben.

Heute stellt ihm sein früherer Kollege Davy Ross den Tierarzt Dr. Thomas Bryce vor, der auf Staten Island eine Tierarztpraxis führt. Jack setzt sich mit Bryce in ein Café und der erzählt ihm eine erstaunliche Geschichte: Betty sei damals gar nicht im Hudson River gestorben, sondern vielmehr auf Staten Island von Bryces Vater gefunden worden. Aber sie hatte bei dem Unfall ihr Gedächtnis an all das verloren, das davor gewesen war, und sie war erblindet. Der Vater zog sie wie seine eigene Tochter auf. Heute lebe Betty in Sicherheit in Florida. Was aber noch mehr sei: Der Vater habe für 100.000 Dollar auch für Jack ein Haus gekauft und zwar gleich neben dem von Betty …

|Blick zurück|

Ist dies ein Neuanfang, fragt sich Jack etwas benommen, während Bryce nach der Überschreibung des Hauses wieder seiner Wege geht. Soll er gleich nach Florida übersiedeln? Was ist, wenn ihn Betty nicht mehr wiedererkennt? Schließlich sind zwei Jahrzehnte eine lange Zeit. Jack zögert. Und dann sind da noch seine Träume von einem Ganoven, dessen Gesicht er nicht erkennt. Eine Sache ist noch unerledigt. Und sie hat mit seiner alten Straße zu tun.

Die Straße, in der einst die Jacks Polizeiwache des 1. Reviers von Manhattans lag, ist ein sehr langer New Yorker Verkehrsweg, und er kannte die Gesichter der Bewohner, die in seinem Abschnitt wohnten. Da ist Mr. Wong, der seinen Laden dichtmacht und zurück nach China will. Da ist die neunzigjährige Bessie, die stets im Fenster hängt und alles beobachtet. Und da ist das unheimlich stille Haus, das früher mal einem Gangsterboss während der Prohibition gehöre. Wer wohnt da jetzt wohl drin, fragt sich Jack und entdeckt frische Fußspuren. Merkwürdig. Er sollte das Haus mal im Auge behalten – und seine Exkollegen um Hilfe bitten.

Betty arbeitete seinerzeit in der Datenerfassung bei der Firma Credential. Jack besucht ihren früheren Boss, Mr. Bernwald. Betty war Mitglied einer Gruppe von Computerspezialisten. Jack fragt, ob sie vielleicht Zugang zu geheimen Daten hatte. Und als Bernwald ihm dies bestätigt, denkt sich Jack seinen Teil: Möglicherweise wurde sie entführt, weil sie etwas über die Mafia herausgefunden hatte. Und die gefundenen Daten hatte sie vielleicht sogar kopiert und anschließend die Kopien versteckt. Bis heute war auch die Mafia auffallend still gewesen. Da wird Mr. Bernwald angeschossen. Offenbar ist die Mafia aufgewacht …

|Florida|

Als Jack in Sunset Lodge sein neues Haus bezieht, ist ihm schon ganz kribbelig. Wird sie ihn erkennen? Betty sieht immer noch umwerfend aus, und in seinen Augen ist sie keinen Tag gealtert. Sie trägt eine Sonnenbrille über den blinden Augen, bewegt sich aber wie ein Sehender, und ein kräftiger Windhund dient ihr als Leibwächter und Führer. Als Jack aus der Mode gekommene Wörter wie „Sweetie“ und „Kleines“ benutzt, will Betty hellhörig. Sie meint sich erinnern zu können, dass jemand, der ihr nahestand, so geredet hat …

Sunset Lodge mag zwar eine Kolonie von Expolizisten sein, doch es ist beileibe keine Insel der Seligen. Es gibt einen Polizeichef namens Kinder, dem sich Jack anvertraut. Kinder merkt, dass sich zwischen Jack und Betty etwas anbahnt und ist gern bereit, ein Auge auf die Lady zu haben. Außerdem erwähnt er noch, dass unweit der kleinen Siedlung die Garrison Estates lägen, und dort hätten sich etliche Mafiosi niedergelassen. Vielleicht fahren deshalb in letzter Zeit so viele Eisverkäufer mit ihren Wägen durch die Straßen der Polizistensiedlung …

Während Jack der Sache von vor 20 Jahren auf den Grund geht und ein sich anbahnendes Verbrechen aufdeckt, zieht sich der Kreis der Mafia um Bettys Haus immer enger. Wird Jack rechtzeitig zur Stelle sein, wenn es darauf ankommt?

_Mein Eindruck_

Als Autor Mickey Spillane 2006 verstarb und in die ewigen Jagdgründe einging, hinterließ er offenbar ein unvollendetes Manuskript. Seine Witwe, nicht faul und wahrscheinlich vom Finanzamt getriezt, bat offenbar den bekannten Autor Max Allan Collins um Vollendung der Vorlage. Collins hat beispielsweise die Romanfassung zum Film „Road to Perdition“ sowie einige Krimis geschrieben. Diese Ausgangslage mag dafür verantwortlich sein, dass der vorliegende Krimi einen so unausgewogenen Eindruck hinterlässt.

Der alte Cop und seine frühere Flamme – ihr Zusammenkommen ist, als würde das Märchen von Aschenputtel wahr werden. Natürlich gilt es vor dem Ausbruch allgemeiner Seligkeit ein paar Hindernisse zu beseitigen, teils in Form der Mafia, teils in Form eines terroristischen Verbrechens, teils in der Rekonstruktion der Vergangenheit. Diese drei Elemente wollen nicht so recht zueinanderpassen.

Doch die Vergangenheit wird mit der Gegenwart durch die Figur des Ganoven Bucky verknüpft. Vor 20 Jahren drehte Bucky schon mal ein Ding, wurde dann vorübergehend bürgerlich, bis ihn eine gewisse Geldknappheit dazu zwingt, auf eine alte Ressource zurückzugreifen: Radioaktives Atommaterial. Diese vor 20 Jahren von einem Transporter gestohlene Beute hat er im Keller des alten Gangsterhauses vergraben. Dass nicht das gesamte Haus grün strahlt, verdankt es nur dem Umstand, dass das Material in einem Tresor gebunkert ist. Jetzt will Bucky es meistbietend an ein paar Araber verkaufen, die nicht sonderlich ehrenwerte Motive haben. Jack vermutet der Einfachheit halber, dass sie Manhattan in die Luft jagen wollen.

Verständlich also, dass der gute alte Jack seiner Reloaded-Braut in Florida immer mal wieder Adieu sagen muss, um sich die Entwicklung der Dinge in seiner alten Straße zu kümmern. Und um Manhattan, das er offenbar als seinen eigenen Grund und Boden betrachtet, vor dem finalen Exitus zu bewahren. Wäre ja auch zu schade um die Wall Street, oder?

Es ist dieser terroristische Hintergrund, der den Schrecken des 21. Jahrhunderts geschuldet ist, der nicht so recht zum Old-School-Tonfall und -Plot des restlichen Romans passen will. Terroristen und Atommaterial einerseits, auf der anderen Seite jedoch das philanthropische Hausgeschenk und der Kampf ums Aschenputtel – die Schieflage der Handlung wird offensichtlich.

_Der Sprecher_

Reiner Schöne war schon vor 30 Jahren in den Hörspielen des Bayerischen Rundfunks zu hören, so etwa in der Titelrolle als Paul Cox, aber auch in etlichen Western. Seine Stimme ist „männlich herb“, tief und etwas rau, also genau richtig für ein kriminelles Milieu, in dem die Sitten ebenso rau sind. Er kann heiser auflachen, aufgebracht aufschreien, und zwar sowohl in einer männlichen wie einer weiblichen Rolle. Wie sich zeigt, kann er durchaus auch in einer hohen Tonlage sprechen, so etwa in der Rolle der alten Bessie.

Für die Charakterisierung der Figuren steht ihm allerdings nur ein begrenztes Instrumentarium zur Verfügung. An Rufus Beck reicht er also nicht heran. Die Charakterisierung erfolgt eher durch Situationen und Emotionen, die eine entsprechende Ausdrucksweise erfordert. In Jacks Verhör des Ganoven Bucky durchläuft Schönes Stimme die ganze Skala zwischen nervös, angstvoll gepresst bis hin zu offener Panik. Das ist ein starker Kontrast zu Jacks eigener Beherrschtheit und Coolness. Nur wenn Jack mit Betty zusammen ist, schleicht sich eine ungewohnte Sanftheit und Zärtlichkeit in Schönes Stimme.

_Unterm Strich_

Trotz aller Schwächen im Aufbau der Handlung (siehe oben) weiß dieser Krimi von Spillane/Collins durchaus zu unterhalten. Die Spannung bleibt aufrechterhalten, die Ironie bleibt durchweg menschenfreundlich statt bissig, und die Romantik kommt nach einem zünftigen Showdown endlich zu ihrem Recht: Amor vincit omnia!

Es bleibt einem Leser des 21. Jahrhunderts nichts anderes übrig, als diesen Märchenplot mit der aufgesetzten Modernisierung mit einem ungläubigen Schmunzeln hinzunehmen – oder das Buch in die Ecke zu feuern. Von der Härte eines Mike Hammer fehlt also jede Spur, und der Autor – welcher auch immer – erfüllt jedes Klischee vom braven New Yorker Bullen und der bösen, bösen Mafia.

|Das Hörbuch|

Reiner Schöne ist fast schon die Idealbesetzung als Erzähler dieser Hardboiled-Krimis, die Argon jetzt bringt. Es mag ihm zwar etwas an Flexibilität hinsichtlich seiner Stimme fehlen, aber dafür ist seine Ausdrucksfähigkeit hinsichtlich bestimmter Szenen und Emotionen sehr vielseitig. Er könnte die Figuren aber noch etwas besser charakterisieren.

|4 Audio-CDs mit 282 Minuten Spieldauer
Originaltitel: Dead Street
Aus dem US-Englischen Lisa Kuppler
ISBN-13: 978-3866105379|

_Mickey Spillane bei |Buchwurm.info|:_
[„Tote kennen keine Gnade“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=376
[„Tod mit Zinsen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=657
[„Das Ende der Straße“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=5307

Bunse, Rolf – Wo ist Dracula? Das außergewöhnliche Wimmelbuch

_Wimmelbuch: Lustiger Zeitvertreib für Entdecker_

Graf Dracula, der Unsterbliche, hat die Nase gestrichen voll vom langweiligen Transsilvanien. Warum immer nur in dunklen Schlössern und feuchten Kellergewölben sein Unwesen treiben (noch dazu in der tiefsten Provinz!), wo es doch noch so viel zu entdecken gibt?

Also nichts wie raus aus den engen vier Sargwänden und mitten hinein ins Menschengewimmel! War der Graf nicht eben noch auf einer Halloween-Party zu finden? Hat er sich etwa auch auf die Filmpremiere eines Vampirstreifens geschmuggelt? Wer genau hinsieht, merkt schnell: egal ob Karneval in Venedig, der Wiener Opernball oder das Metropolitan Museum in New York City – kein Schauplatz der Welt ist vor dem Blutsauger sicher … (abgewandelte Verlagsinfo)

_Der Zeichner_

Der Illustrator Rolf Bunse hat bereits mehrere Wimmelbücher veröffentlicht, darunter „Wo ist der Papst?“.

_Inhalt_

1) |Rummelplatz mit Geisterbahn|

Einleitungslos geht es gleich in die erste Szene, doch der Rummelplatz scheint aus den siebziger Jahren zu stammen: Schiffschaukel, Kettenkarussell, Zuckerwattestand, Wahrsager, Schießbude – all dies scheint heute, im Zeitalter der motorisierten Sensationsmaschinen, völlig antiquiert. Oder vielleicht gerade deshalb um so attraktiver für den Grafen. Insbesondere die Geisterbahn scheint für ihn Attraktionen bereitzuhalten: unheimliche Mönche, blutige Ritter, ein Scharfrichter mit Hackebeil, diverse Monstren. Da kommt Laune auf. Und ordentlich Gruseln. Der Graf indes hat ein Opfer gefunden …

2) |Der Spiegelsaal von Versailles|

Eine enorme Menschenmenge verliert sich zwischen den Spiegelwänden, Marmorstatuen und unter den enormen Kristallüstern. Der Graf ist leicht auszumachen.

3) |Eine Operninszenierung auf der Freilichtbühne einer Burg|

Es ist schwer herauszubekommen, um welches Schaustück es sich hier handelt, aber der Auftritt von degenfechtenden Musketieren gibt einen Hinweis. Sinds die „Meistersinger von Nürnberg“ auf der Burgbühne, so scheint im Vordergrund, der den Orchestergraben wie ein Amphitheater umgibt, eine ganz andere Geschichte dargestellt zu werden. Esel, Schafe, Ziegen treten ebenfalls auf. Mache sich jeder seinen Reim darauf. Der Graf verkneift es sich jedoch zu Singen.

4) |Im Naturhistorischen Museum|

Ein höchst sonderbares Museum: Im Vordergrund ragen furchteinflößende Skelette von Dinosauriern über die Köpfe der zahlreichen Besucher. Doch im angrenzenden Raum sind altägyptische Pharaonenstatuen und Sarkophage ausgestellt – eine Kombination aus Naturkunde- und Kulturgeschichtsmuseum. Rechts oben ist ein Rittergrab samt Statue zu erspähen, rechts unten mehrere Marmorstatuen. Nichts will so recht zueinander passen, wie eine Kreuzung aus Louvre und Senckenberg-Museum. Und Dracula natürlich mittendrin (aber gut versteckt).

5) |Auf dem Opernball|

Mehrere hundert Tanzpaare scheinen auf dem Parkett die Hufe zu schwingen, der Rest schaut von den dreistöckigen Rängen schampusschlürfend zu. Doch nicht alles ist hier Walzer! Mehrere ausgelassene Paare praktizieren den verpönten Rock’n Roll, und es ist nicht nur ein einsames Rebellen-Duo, sondern gleich mehrere. Der Graf hat auch hier ein Opfer gefunden.

6) |Karneval in Venedig|

Der Markusplatz vor dem Dogenplatz erstreckt sich zwischen gondelbesetztem Canale Grande und Säulenlöwen. Sie überblicken die bunt kostümierte Schar der Karneval Feiernden. Ein Festzug mit besonders bunt kostümierten Darstellern, manche auf Stelzen, zieht von rechts nach links, bestaunt und geknipst von modernen Touristen. Der ebenso wie ein Mann des 17. Jahrhunderts aufgetakelte Graf ist hier äußerst schwer auszumachen. Perfekte Tarnung, Euer Durchlaucht!

7) |Horrorfilmpremiere in Hollywood|

Sehr witzig: Hier treten gleich ein halbes Dutzend Draculas auf! Während die Schauspieler des DRACULA-Films den Roten Teppich entlangposieren, um von der versammelten Presse abgelichtet zu werden, betrachten Dracula-Plakate und ein Dracula-Darsteller das von Touristen bestaunte Defilee, das sich dem säulenbewehrten Eingang des Ritz Carlton nähert – vermutlich in Cannes, wo die Filmfestspiele stattfinden. Der richtige Graf – wo mag er sich versteckt haben, unter so vielen falschen …?

8) |Halloweenfeier im Schlossgarten|

Der Höhepunkt des Bandes und sicherlich eines der schwierigsten Suchbilder. Vor der Freitreppe des Schlosses erstreckt sich eine Grünfläche, auf der eine bunt kostümierte Menschenmenge zwischen Blutbrunnen und Orchesterpodium umherquirlt. Allerlei Horrorgestalten aus mindestens 20 verschiedenen Filmen, versuchen den Sterblichen einen Schrecken einzujagen: Knochenmänner, Mumien, Werwölfe, Totenkopfpiraten und viel Gelichter mehr. Leider auch der eine oder andere Vampir in Dracula-Verkleidung. Doch es kann nur einen Wahren geben! Wo ist er?

_Mein Eindruck_

Wozu ist so ein Wimmelbuch überhaupt gut, fragte ich mich vor dem Betrachten dieser acht Bilder. Schließlich sieht man ja bloß herumwimmelnde Figuren, nicht wahr? Aber bis man endlich das Gesuchte gefunden hat, vergeht doch einige Zeit, und bis dahin hat man vielfach Gelegenheit, anderes zu entdecken.

Es sind einfache Entdeckerfreuden, die es hier zu ernten gilt. Und natürlich ist die Freude am größten, wenn man diese Figuren und Dinge noch gar nicht kennengelernt hat. Dann sind sie alle neu und somit eine Überraschung. Der Betrachter müsste dann in unseren TV-gesättigten Breiten aber noch ziemlich jung sein, würde man meinen. Es gibt aber immer wieder Haushalte und vor allem Mütter, die völlig aufs Fernsehen verzichten, aus allen möglichen Gründen. Beispielsweise um ihre Kids vor Bildern der Gewalt und Verrohung zu schützen.

|Steckbrief unnötig|

Vielleicht fragt sich der eine oder andere nun, wie es gelingen soll, einen Mann zu finden, der sich unter Doppelgänger, Schauspieler und Geisterbahnfiguren zu mischen pflegt. Nichts leichter als das! Der Graf, übrigens ein sympathischer Bursche, ist stets mit einem roten Jabot angetan, dessen helle Farbe sich – in der Regel – leicht ausmachen lässt. Und hin und wieder hält er sich neben einer blonden Schönheit auf, der er gerade den Hof macht (warum wohl?). Wenn nur nicht seine Doppelgänger wären, hätte der Sucher leichtes Spiel.

_Unterm Strich_

Das Wimmelbuch lehrt den kleinen wie den großen Betrachter, das Einzelne im Vielen, das Besondere im allgemeinen Meer der Figuren zu suchen und auf dieser Forschungsreise viele Entdeckungen zu machen. So wird der Betrachter zum Navigator der Masse, zum Sucher der Besonderheit.

Diese Besonderheit ist nicht bloß der steckbrieflich gesuchte Graf, sondern auch all jene vertrauten oder unvertrauten Figuren, die sich auf der Geisterbahn, im Filmgeschäft (wo ist da der Unterschied?), auf der Halloweenparty sowie im Museum usw. dem Auge präsentieren. Gestört hat mich lediglich, dass der Graf meist allzu leicht zu finden ist. Das war beim Papst doch wesentlich schwieriger. Außerdem gab es allerlei Merkwürdigkeiten zu bestaunen, so etwa im Museum. Und warum findet sich im Gegensatz zu den Vorsatzseiten keine einzige Fledermaus weit und breit.

|Hardcover: 24 Seiten
ISBN-13: 978-3570139424|
[www.randomhouse.de/cbjugendbuch]http://www.randomhouse.de/cbjugendbuch/index.jsp

Interview mit J. J. Preyer

|Buchwurm.info| sprach mit J. J. Preyer, einem österreichischen Autor von Sherlock-Holmes- und Jerry-Cotton-Romanen – aber natürlich nicht nur.

_Buchwurm.info:_
Wie geht es Ihnen? Wo sind Sie? Was machen Sie gerade?

_Preyer:_
Es ist 4:40 Uhr. Ich habe soeben meinen Hund aus dem verschneiten Garten geholt und beginne jetzt zu schreiben, wie jeden Tag früh am Morgen. Mein Kopf muss ausgeruht sein, um vernünftig arbeiten zu können. Und ich bin ausgeruht heute morgen, voll Tatendrang.

_Buchwurm.info:_
Wie sind Sie zur Schriftstellerei gekommen? Haben Sie schon davor einen Beruf ausgeübt?

_Preyer:_
In meiner Kindheit lief nicht alles so, wie man sich das wünschen würde, also lernte ich, in eine Fantasiewelt abzutauchen, der ich durch das Schreiben Festigkeit verlieh. Die Zeitung unserer Stadt – es handelt sich um Steyr in Österreich – druckte, als ich vierzehn war, eine meiner Weihnachtsgeschichten. Ich las damals C. H. Guenters „Kommissar X“ und schrieb selbst einen ersten Krimi in ein liniertes Schulheft. Der Roman enthält schon viele Elemente meiner späteren Krimis.

Mit sechzehn erhielt ich das Angebot eines Redakteurs, bei seiner Wochenzeitung einzusteigen, er sehe Talent bei mir. Meine Eltern stellten sich quer, also beendete ich das Gymnasium, studierte Germanistik und Anglistik in Wien und wurde Gymnasiallehrer für Deutsch und Englisch. Und diesem Beruf ging ich lange Jahre nach, mit gelegentlichen Versuchen auszubrechen, unter anderem einem Jahr in Großbritannien, wo ich erst so richtig Englisch sprechen und schreiben lernte.

_Buchwurm.info:_
Warum und wozu wurden Sie auch Verleger?

_Preyer:_
Verleger wurde ich im Jahr 1996, als ich mich meinem ursprünglichen Berufswunsch wieder annähern wollte. Ich verlegte übrigens auch einen Roman des Journalisten, der meine erste Weihnachtsgeschichte veröffentlichte; ich machte den Wohnort C. H. Guenters ausfindig und brachte seine späten Romane heraus. Aber jetzt bin ich am eigentlichen Ziel angelangt: Ich schreibe wieder selbst, und das sehr intensiv, in den frühen Morgenstunden. Siehe oben.

_Buchwurm.info:_
Was ist Ihr bevorzugtes Literaturgenre? Wahrscheinlich Belletristik – und welches Untergenre?

_Preyer:_
Belletristik. Kriminalromane.

_Buchwurm.info:_
Sie haben drei Sherlock-Holmes-Abenteuer veröffentlicht. Was finden Sie an dieser Figur besonders interessant und anziehend?

_Preyer:_
Mich reizt das gesamte Personal der von Conan Doyle erfundenen Geschichten: Gut – Böse, Gescheit – Dumm aufgeteilt auf verschiedene Personen, ausgemalt mit verschiedenen Farbtönen zwischen den Extremen. Die Paarung Holmes – Watson wiederholt sich ja oft in Literatur und Film. Denken wir an Don Quixote und Sancho Pansa, an Laurel und Hardy, an Wiener Doppelconferencen*, an Kara Ben Nemsi und Hadschi Halef Omar.

*: Die Wiener Doppelconference bestand und besteht aus Kabarettnummern, in denen ein Gescheiter gegen einen Dummen antritt, mit den köstlichsten Verwicklungen, wobei meist am Schluss der Gescheite die Nerven wegwirft. Die besten Nummern waren die mit Karl Farkas und Ernst Waldbrunn. Auch ein Wikipedia-Artikel widmet sich in knappen Worten diesem Phänomen: http://de.wikipedia.org/wiki/Doppelconf%C3%A9rence

_Buchwurm.info:_
Wollten Sie sich in die Annalen der Holmes-Literatur einschreiben?

_Preyer:_
Nein, das kann auf diesem Weg nicht gelingen. So etwas wäre nur mit völlig Eigenständigem möglich, an dem ich natürlich ebenfalls heftig arbeite. Weniger an schriftstellerischem Ruhm als an den Texten.

_Buchwurm.info:_
Wie ist es Ihnen gelungen, als Autor für die Jerry-Cotton-Heftromane schreiben zu können?

_Preyer:_
Ich schrieb einen Cotton-Roman und sandte ihn an die Redaktion. Dr. Florian Marzin sah Potenzial im Text, sandte mir exakte Anleitungen für einen nahezu perfekten Cotton zu, und ich versuchte das umzusetzen. Der Roman wurde veröffentlicht, und diesem folgten bisher drei weitere, die immer wieder in Kontakt mit dem Lektor auf Cotton-Linie gebracht wurden.

_Buchwurm.info:_
Was sind Ihre liebsten Freizeitbeschäftigungen?

_Preyer:_
Ich bin ein unruhiger Mensch, ich muss in Bewegung sein. Ob dies innere Bewegung ist, wie beim Schreiben, beim Ausdenken von Geschichten, bei langen Spaziergängen oder meinen monatlichen Reisen. Der Hund und ich begeben uns jeden Monat eine Woche auf eine Reise, um neue Eindrücke zu gewinnen.

_Buchwurm.info:_
Wagen wir einen Ausblick. Woran arbeiten Sie gerade? Wann erscheint Ihr nächstes Buch?

_Preyer:_
Mein nächster umfangreicher Roman erscheint Ende März 2011 im Wiener Verlagshaus |Hernals|. Titel: „Ludwigsmord“. Thema: Eine moderne Auseinandersetzung mit den Rätseln um den Tod König Ludwigs II. (des „Kini“, der Neuwschwanstein erbauen ließ.)

Soeben abgeschlossen habe ich einen Krimi, der in meiner Heimatstadt spielt. Und jetzt befasse ich mich mit einem möglichen vierten Fall meines Sherlock Holmes. Die jeweils neuesten Projekte J. J. Preyers verrät meine Homepage: [www.oerindur.at/preyer.htm.]http://www.oerindur.at/preyer.htm

_Buchwurm.info:_
Werden Sie weitere Holmes-Abenteuer verfassen?

_Preyer:_
Wenn mir etwas Interessantes einfällt und wenn der jetzige Holmes ([„Sherlock Holmes und der Fluch der Titanic“,]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3898402916/powermetalde-21 die Red.) einigermaßen gut ankommt, wäre das möglich.

_Biografie:_

J. J. PREYER, geboren 1948 in Steyr, Österreich, als Josef Johann Preyer, laut Taufschein.

Ab dem 14. Lebensjahr literarische Veröffentlichungen.

Studium Deutsch, Englisch in Wien.

Lehrtätigkeit in der Jugend- und Erwachsenenbildung.

1976 Auslandsjahr in Swansea in Wales.

1982 Initiator des Marlen-Haushofer-Gedenkabends, der durch die Teilnahme des Wiener Kulturjournalisten Hans Weigel den Anstoß zur Wiederentdeckung der Autorin gab.

Mitarbeit an der Kinderzeitschrift „KLEX“ von Peter Michael Lingens.

1996 gründete J. J. Preyer den |Oerindur|-Verlag, einen Verlag für lesbare Literatur und Krimis.

J. J. Preyer schreibt seit Jahresbeginn 2010 für die Romanserie JERRY COTTON im [|Bastei|-Verlag.]http://www.bastei-verlag.de/

_J. J. Preyer auf |Buchwurm.info|:_
[„Sherlock Holmes und die Shakespeare-Verschwörung“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5513

MacBride, Stuart – Dying Light

_McRae, der Loser: Erfolgreich gegen jede Hoffnung_

In Abderdeen ist Detective Sergeant Logan McRae mit gleich drei Fällen befasst. Es beginnt mit Rosie Williams, ausgezogen und zu Tode geprügelt, die man unten an den Docks findet. Am anderen Ende der Stadt verbrennen sechs Menschen in einem Haus – jemand hat die Haustür zugeschraubt und Benzinbomben in die Fenster geworfen. Menschen verschwinden spurlos. Und schließlich muss sich Logan fragen, wie so sich ein angesehener Journalist wie sein Freund Colin Miller mit einem Typen einlässt, der offenbar für einen Gangsterboss aus Edinburgh arbeitet …

_Der Autor_

Stuart McBride war schon alles Mögliche: ein Grafikdesigner, dann ein Anwendungsentwickler für die schottische Ölindustrie und jetzt Kriminalschriftsteller. Mit seiner Frau Fiona lebt er in Nordostschottland. Seine Krimis um Detective Sergeant Logan McRae spielen in Aberdeen. Mehr Infos finden Sie unter [www.stuartmacbride.com]http:// www.stuartmacbride.com

|Werke:|

1) „Cold Granite“ (2005) = [„Die dunklen Wasser von Aberdeen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2917
2) „Dying Light“ (2006) = [„Die Stunde des Mörders“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3739
3) „Broken Skin“ (2007) = [„Der erste Tropfen Blut“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=4940
4) „Blind Eye“ = „Blinde Zeugen“
5) „Flesh House“ (2008) = [„Blut und Knochen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=5792
6) „Halfhead“ (2009) – noch ohne dt. Titel
7) „Dark Blood“ (2010) – noch ohne dt. Titel
8) „Shatter the Bones“ (2011) – noch ohne dt. Titel

_Handlung_

Zuerst schraubt der Pyromane die Haustür zu, solange keiner was merkt, dann wirft er die Benzinbomben durch die Fenster im oberen Stockwerk des heruntergekommenen, besetzten Hauses. Während die Schreie anfangen und das Dach nach unten zu sinken beginnt, öffnet er seinen Hosenschlitz und holt sich munter einen runter. Ah, wie sie brutzeln und schreien …

Detective Sergeant Logan McRae von der Polizei in Aberdeen hat sich schon mal besser gefühlt, als er diesen Morgen seinen Dienst antritt. Bei seiner letzten Aktion gegen Diebe oder Hehler – es gab nur einen Tipp – ist sein Kollege Trevor Maitland schwer verwundet worden und liegt auf der Intensivstation. Die Dienstaufsicht in Gestalt von Mr. Napier droht, ihm den Arsch aufzureißen, gibt ihm aber noch eine letzte Chance: In der Vermassler-Schwadron, die von Detective Inspector Steel befehligt wird. Steel ist nicht nur eine Kettenraucherin, sondern auch eine Lesbe, die an ihren männlichen Kollegen stets etwas auszusetzen hat. Kann es schlimmer kommen? Es kann.

Unten bei den Docks, nahe dem Straßenstrich, wurde die Leiche von Rosie Williams gefunden, einer Prostituierten, die Logan kannte. Der Killer hat sie ausgezogen und zu Tode geprügelt. Als sie Rosies Freund Jamie McKinnon suchen, stoßen Logan und Steel erst auf Susie, Jamies Schwester. Die führt sie unwissentlich direkt zu Jamie, dessen Flucht sie zu verhindern wissen. Haben sie ihren Prostituiertenkiller?

Kurz nach diesem Erfolg ruft Inspector Insch Logan zu der Sache mit dem niedergebrannten Haus hinzu. Logan fällt sofort auf, dass dies genau jene Gegend ist, in der die Bande, die Maitland niederschoss, ihr Hauptquartier hatte. Logan verfügt über die seltene Fähigkeit, sich in den Täter hineinzuversetzen. Was würde er tun, wenn er Feuer gelegt hätte und auf die Schreie lauschte? Genau. Logan findet das vollgespritzte Taschentuch in der einzig möglichen Ecke. Immerhin haben sie jetzt eine DNS-Probe.

Wenige Tage später findet eine Spaziergängerin im „Wald der Skulpturen“ eine weitere erschlagene Prostituierte, Michelle Wood. Nicht weit davon liegt ein toter Labrador in einem Koffer – eine Fingerübung, wie Logan es nennt: Der Killer hat die Hurenmorde geübt. Mittlerweile ist der Straßenstrich in Aufruhr: Warum tun die Bullen nicht endlich was? Das Einzige, was Logan einfällt und was er Steel vorschlagen kann: Als Prostituierte verkleidete Polizistinnen sollen den Täter anlocken und so fangen. Steel, die Ketteraucherin mit dem faulen Mundwerk, wird sofort sarkastisch und tauft diese Schnapsidee „Operation Cinderella“. Sie haben maximal fünf Tage Zeit.

Unterdessen wird in einem weiteren Haus Feuer gelegt. Während sich beim Ersten herausstellte, dass ein bekannter Drogendealer dabei ums Leben kam, ist es diesmal eine scheinbar völlig unbescholtene Familie. Logan ist der Erste, der die Leiche hinter der eingeschlagenen Haustür findet. Mittlerweile befindet sich Jamie McKinnon im Krankenhaus: Er hat versucht, sich im Gefängnis umzubringen. Aber er kommt vom Regen in die Traufe: Zwei Gentlemen statten ihm einen Besuch ab, den er nicht so schnell vergisst, wie Logan und Steel finden. Jamies Finger sind gebrochen und in seinem Enddarm befindet sich ein Viertelkilo bestes Crack-Kokain. Offenbar möchte jemand, dass er das Gefängnis damit versorgt, wenn er dorthin zurückkehrt. Das wissen die Cops zu vereiteln.

Auf dem Ü-Video des Hospitals kommt Logan eines der beiden Gesichter bekannt vor. Er hat den hochgewachsenen Kerl, der Jamie die Finger gebrochen hat, schon in einem Pub im Gespräch mit Colin Miller gesehen. Colin ist Journalist bei der Tageszeitung von Aberdeen und ein Freund. Colin hat auch Logans Ex, die Pathologin Isobel McAlister, „geerbt“. Der Kerl, den Logan, kommt entsprechend seinem Akzent nicht aus der Stadt, sondern aus Edinburgh, wo bekanntlich der Gangsterboss Malcolm Maclennan das Sagen hat, den alle nur „Malk das Messer“ nennen. Was wollen Malks Abgesandte in Logans Stadt aufziehen? Wohl keinen Verein der christlichen Wohlfahrt, sondern eher ein Drogengeschäft.

Während sich Operation Cinderalla hinzieht, kann Logan Colin breitschlagen, ihm die Adresse der beiden Gangster zu verraten. Mit Großaufgebot lässt Steel auffahren und die beiden hopsnehmen. Sie darf sie nach schottischem Recht sechs Stunden ohne Anklage verhören und ohne ihnen einen Anwalt zu geben. Die Zeit wird knapp, als die beiden mauern. Die Cops ahnen nicht, dass sie die beiden Ziehsöhne Maclennans vor sich haben.

Um die Wartezeit totzuschlagen, nimmt sich Logan einer Vermisstenanzige an. Mrs. Ailsa Cruickshank Manns Gavin sei spurlos verschwunden, heißt es. Bei dieser Ermittlung stößt Logan unerwartet auf eine heiße Spur im Fall der toten Nutten …

_Mein Eindruck_

Ermittlungen sind einander in aller Welt etwas ähnlich, was wohl in der Natur der Sache liegt. Deshalb muss ein Krimiautor darauf achten, wer die Ermittler sind und vor allem, wo und unter welchen Umständen sie ihre Arbeit tun. Logan McRae, genannt Lazarus, arbeitet in Aberdeen, einer der reichsten und zugleich mörderischsten Metropolen des Vereinigten Königreichs. Die Ölindustrie hat jede Menge Kohle in die Stadt gebracht, die explosionsartig ins ländliche Umland wuchert, doch das Geld lockt auch Drogenhändler und andere Verbrecher an, die ihren Anteil absahnen wollen. Ob es wohl nur am schlechten Wetter liegt, dass es hier mehr Morde pro Kopf gibt als in Wales und England zusammen?

Ein weiterer wichtiger Unterschied, der Logans Arbeit bestimmt, ist das spezielle Strafverfolgungs- und Justizsystem, das in Schottland gilt. Mehrmals im Buch weist Logan seine „Kunden“ süffisant darauf hin, dass alle die Krimis, die sie so eifrig lesen, nur für England Gültigkeit haben, nicht aber im schönen Schottland. Hier bläst buchstäblich ein anderer Wind. Nur Val McDermid lässt er noch gelten, denn sie stammt aus Kirkcaldy, Schottland.

Eine der Folgen dieses andersartigen Systems ist die, dass ein Verhafteter keinen Anwalt gestellt bekommt. Nein, Sir! Erst wenn es den braven Polizisten gefällt, ihm oder ihr einen Anwalt zuzugestehen. Klingt absurd, ist aber Realität. Eine weitere Besonderheit ist der Titel des Staatsanwalts, der einen Haft- oder Durchsuchungsbefehl ausstellen muss, bevor die Bullen tätig werden können: Procurator Fiscal. Klingt eher nach einem Finanzbeamten als nach dem Vertreter der Anklage. Aber keine Angst: Die Assistentin eines solchen PF kann richtig süß und humorvoll sein, wie Logan bald am eigenen Leib zu spüren bekommt. Und hab ich schon erwähnt, dass (drittens) alle Cops unbewaffnet sind? Nun, das erweist sich, als es hart auf hart kommt, als strategischer Nachteil.

Logan, Steel, Insch und all die anderen sind keine perfekten Ermittlungsmaschinen, sondern vielmehr allzu menschliche Vermassler. Sie können von Glück sagen, wenn sie eine Maus in einer Falle fangen. Hartnäckigkeit und Verbohrtheit scheinen eher die Stärke der hochwohlgeborenen Inspectors zu sein, unter denen Logan zu dienen hat. Sie weisen deutliche Macken auf: Steel ist eine kettenrauchende, lesbische Zynikerin, die an nichts mehr glaubt außer an die Privilegien ihres Standes. Und Insch futtert am laufenden Süßigkeiten, bis er so fett wie ein Elefant ist.

Glasklar, dass solchen Figuren eigentlich kein Erfolg zuzutrauen ist, deshalb tut Logan sein Bestes, der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen – was so viel Absurditäten schon schwer genug ist. Er schiebt 22-Stunden-Schichten, bis er halbtot ins Bett fällt, und selbst am Wochenende, wenn er mit der Polizistin Jackie Watson shoppen geht, lässt er sich noch „überreden“, seine Pflicht zu tun. Und es gibt immer ein Druckmittel gegen ihn, beispielsweise die Dienstaufsicht.

|Gewalttätigkeit|

Die Umgebung, in der er sich wie ein Fisch im Wasser bewegt, ist ein raues Pflaster. Aberdeen war schon immer eine Seefahrerstadt, aber jetzt kommen auch noch Neureiche und Drogendealer hinzu. Logan ist an Brutalität gewöhnt und kann selbst mal zuschlagen (wenn keiner zuschaut), aber was er nun zu sehen bekommt, übersteigt jedes Maß: abgefackelte Häuser mit Menschen darin; zu Tode geprügelte Prostituierte; gefolterte Menschen wie seinen Freund Colin Miller. Kein Wunder also, dass ihn Albträume heimsuchen. Es sei denn, Jackie bringt ihn auf andere, interessantere Gedanken.

|Drastische Sprache |

Diese Brutalität ist ein Markenzeichen der Krimis von Stuart MacBride. Der Leser sei gewarnt. Er akzeptiert die grausigen Szenen oder er lässst die Finger davon. Das gilt auch für die raue Sprache des Originals (über die Übersetzung kann ich mir kein Urteil erlauben). Da wird am laufenden Band „shite“, „fuck“ oder „bloody“ gerufen und geflucht, dass ein Henker schamrot werden würde. Hinsichtlich des drastischen Fluchens hält sich der Autor aber auffällig zurück.

|Furien in Mariengestalt|

Das eigentlich so attraktive Markenzeichen, das mir die Lektüre zu einem Vergnügen gemacht hat, ist der sarkastische Sprachwitz. Es gibt jede Menge Beispiele, aber sie hier aufzuführen wäre eine Zumutung für den guten Geschmack. Auffällig fand ich jedoch, dass die drastischsten Sprachbilder von weiblichen Figuren verwendet werden. Die Frauen in diesem Roman stehen den Kerlen in keinster Weise nach, wenns ums Fluchen und Schimpfen geht. Wenn schon mit den Schotten nicht gut Kirschen essen ist – wie ich anno 1984 selbst festgestellt habe – so gilt das für die Frauen aus der Arbeiterklasse noch viel weniger.

Aber der Autor will nicht diskriminierend sein. Frauen der angeblich besser verdienenden Klasse führen sich letzten Endes ebenso mörderisch auf wie die angeblich unter ihnen stehenden Evastöchter. Und das sorgt am Schluss für eine oder zwei schockierende Wendungen.

Dies wäre kein schottischer Krimi, wenn nicht wenigstens ein oder zwei Honoratioren Federn lassen müssten. Ian Rankin hat es mehrfach vorexerziert, z. B. in „Ehrensache“. Der eine Ehrenmann ist Andrew Marshall, ein Stadtrat, der in der Zeitung gerne über die Fehler der Polizei herzieht. Doch wie sich herausstellt, besucht er Prostituierte, um mit ihnen harte Pornospiele zu treiben. Auch wenn die betreffende Prostituierte erst 13 Jahre alt ist. Der andere „Ehrenmann“ ist der vergötterte Ehemann Gavin Cruickshank, der es aber nicht nur mit der Göttergatin trieb, sondern auch mit der Rezeptionistin und einer Stripperin. Der Autor erspart dem bürgerlichen Leser wirklich nichts. Auch nicht in seinen anderen Krimis.

_Unterm Strich_

Logan McRaes drei simultane Ermittlungen sind spannend, abwechslungsreich und grenzen mitunter an Don Quichottes Kampf gegen Windmühlen. Wie in einer absurden Komödie tricksen sich die Figuren gegenseitig aus und einer ist immer der Dumme: Logan natürlich. Er merkt sogar selbst, dass er den anderen dabei hilft, doch als er dann auf eigene Faust ermittelt, Erfolg hat und gelobt werden soll, stellt er sich selbst ein Bein. Sieht so aus, als wäre dieser sympathische Loser selbst sein größter Feind. Aber wozu hat er Freunde wie seine patente und kuschelige Jackie?

|Gewalt|

Die drei Fälle, die ihm (und somit uns) so undurchsichtig erscheinen, sind mehr oder weniger miteinander verwickelt. Und dennoch gilt der alte Ermittlergrundsatz: Es ist alles anders, als es scheint. Die Details mögen blutig erscheinen, doch die Gewalt, wenn sie mal ausgeübt, ist es nicht: Keiner wird aufgeschlitzt, um Tonnen von Blut zu verspritzen. Solche Szenen gehören in Splatter-Romane, und „Dying light“ ist gewiss keiner. Der Grusel entsteht vielmehr im Kopf des Lesers, der sich vorstellen soll, was die Täter – es sind ja mehrere – alles mit ihren Opfern angestellt haben. Diese Vorstellung ist schon schlimm genug.

|Sprachwitz|

Ich möchte nicht verschweigen, dass ich diesen spannenden Krimi in nur zweieinhalb Tagen gelesen, weil er auch sehr witzig ist. Abgesehen von der Absurdität, ist es vor allem der Sprachwitz des Originals, der mir ausnehmend gut gefiel. Die sprachlichen Witze ließen zwar im letzten Drittel zugunsten der Spannung nach, sind aber immer noch sehr ausgefallen.

|Taschenbuch: 528 Seiten
ISBN-13: 978-0007193165|
[www.harpercollins.com]http://www.harpercollins.com

McDermid, Val – Ein kalter Strom

_Rauhe Sitten in Berlin & eine verhängnisvolle Lüge_

Deutschland. Ein Psychopath, der als Kind von seinem Großvater schwer misshandelt wurde, quält aus Rache seine Opfer und ertränkt sie anschließend. Mit Vorliebe bestraft er Psychologen dafür, dass sie in anderer Leuten Seele herumpfuschen. Der Profiler Tony Hill soll den Wahnsinnigen aufspüren und gerät selbst ins Visier des Serienmörders. Zur gleichen Zeit ist Kommissarin Carol Jordan, Tonys Freundin, einem internationalen Drogenring mit Sitz in Berlin auf den Fersen. Das Ermittlerduo stößt bei seinen Nachforschungen auf Grausamkeit und Gewalt. Durch eine tragische Verkettung von Umständen bringt Tony Carol in Lebensgefahr …

_Die Autorin_

Die 1955 geborene Val McDermid wuchs in Kirkcaldy, einem schottischen Bergbaugebiet nahe St. Andrews, auf und studierte dann Englisch in Oxford. Nach Jahren als Literaturdozentin und als Journalistin bei namhaften englischen Zeitungen lebt sie heute als freie Schriftstellerin in Manchester und an der Nordseeküste. Sie gilt als eine der interessantesten neuen britischen Autorinnen im Spannungsgenre – und ist außerdem Krimikritikerin. Ihre Bücher erscheinen weltweit in 20 Sprachen. Für „Das Lied der Sirenen“ erhielt sie 1995 den Gold Dagger Award der britischen Crime Writers‘ Association.

„Tony Hill & Carol Jordan“-Reihe:
1) [„Das Lied der Sirenen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1498
2) „Schlussblende“
3) „Ein kalter Strom“
4) „Tödliche Worte“

Weitere Romane:

5) [„Echo einer Winternacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=703
6) [„Die Erfinder des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2602
7) [„Das Moor des Vergessens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6607
8) „Ein Ort für die Ewigkeit“
9) [„Nacht unter Tag“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6201

„Kate Brannigan“-Fälle (in chronologischer Reihenfolge):
1) „Abgeblasen“ (1992)
2) „Skrupellos“ (1994)
3) „Das Kuckucksei“ (1996)
4) „Clean Break“ (1997)
5) „Das Gesetz der Serie“ (1998)
6) „Luftgärten“ (1999)

_Handlung_

Kommissarin Carol Jordan bewirbt sich bei Europol und gerät an Morrigan. Der will jedoch keine gewöhnliche Polizistin, sondern eine Geheimagentin, die undercover ermittelt. Carol ist einverstanden, als Eignungstest an einem Rollenspiel mitzumachen. Allerdings könnte sie ein wenig psychologische Beratung gut gebrauchen, findet sie und wendet sich an ihren Exfreund Tony Hill, den sie zuletzt vor zwei Jahren sah.

|Schottland|

Tony Hill hat seine Impotenz an der Seite der netten Lehrerin Frances in St. Andrews überwinden. Deshalb trifft er sich mit ihr in der Kneipe, um ihre Befehle von Morrigan zu lesen. Sie soll sich in eine andere Person hineinversetzen. Das musste sie bislang noch nie tun. Aber Tony ist sicher, dass sie das draufhat. Dann begeht er einen schweren Fehler: Er stellt sie Frances vor. Die Lehrerin checkt sofort, dass sie eine alte Flamme Tonys vor sich hat. Schon nach wenigen Tagen, als Carol erneut auftaucht, wirft sie Tony hochkant hinaus, bevor er noch „Moment mal!“ sagen kann.

|London|

Carol hat den Test bestanden, jetzt geht wirds ernst. Morrigan legt ihr das Foto eines Drogenringleiters vor: Tadeusz Radecki, Pole aus altem Adel, aber weltgewandt und westeuropäisch orientiert, lebt in Berlin. Zusammen mit dem Serben Darko Krasic organisiert er den Schmuggel von Drogen, Waffen und illegalen Migranten in ganz Europa. Hochlukratives Geschäft, aber wie wickelt er es ab? Jetzt der Clou: Radeckis Geliebte Katharina Basler starb vor wenigen Wochen, aber Carol sieht aus wie deren Zwillingsschwester! Wenn sich also Carol an den Typen ranmacht, um einen Deal einzufädeln, soll er sich in sie verlieben und so eine Blöße geben, die die Cops ausnützen können. Das Risiko für Carol: maximal. Aber das sagt ihr Morrigan natürlich nicht ins Gesicht.

Tony besucht Carol in ihrer Londoner Wohnung, bevor sie nach Berlin abreist. Sie skizziert ihm ihren Plan, als Menschenschmugglerin bei Radecki aufzutreten. Obwohl Tony sie vor der Belastung warnt, ist sie bereit, das Risiko einzugehen. Sie stärken einander emotional, und wer weiß – vielleicht wird sogar mehr draus.

|Den Haag, Europol-Hauptquartier|

Petra Becker ist die deutsche Europol-Kontaktfrau aus Berlin und besucht Carol vor dem Einsatz, um tagelang alles mit ihr vorzubereiten. Petra outet sich als Lesbe, womit Carol kein Problem hat, und kennt eine andere Lesbe: die niederländische Kommissarin Marijke van Hasselt. Die habe einen ähnlichen Mann wie Tony Hill tot in Rotterdam aufgefunden: Den experimentellen Psychologen Pieter de Groot. Petra ist die Parallele zu einem anderen Mord aufgefallen, der in Bremen an Margarethe Schiller begangen wurde, eine Psychologin an der dortigen Uni. Könnte es sich um den Beginn einer Serie handeln? Carol gibt ihr den Tipp, sich an Tony zu wenden, um ein Täterprofil zu erstellen.

Wie sich herausstellt, hat Tony die Ermordete in Bremen gekannt und kommt selbst an den Tatort. Sofort schaut er sich Beckers Unterlagen über die zwei Morde an und erfährt wenige Tage später, dass es einen dritten Mord in Köln gegeben hat. Dieser Täter kommt ganz schön was rum, und immer trifft es Kollegen aus seiner eigenen Zunft. Das macht ihn besorgt. Denn nun ist diese Sache persönlich. Doch in Köln hat sich der Killer einen Ausrutscher erlaubt: Aus Wut hat er das Opfer vergewaltigt.

|Berlin|

Unterdessen hat Carol den großen Boss kennengelernt, doch Radecki gibt sich keine Blöße: Er spielt den unschuldigen, ahnungslosen Videothekenbetreiber, der er auch noch ist. Natürlich lässt er inzwischen Krasic den Hintergrund dieser angeblichen „Catherine Jackson“ überprüfen, die seiner toten Geliebten wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Im Laufe der Wochen lernen sich Carol und Tadeusz immer besser kennen und bauen Vertrauen auf. Carol spielt mit dem Feuer, während sie ihn aushorcht. Er schmuggelt Drogen, Waffen und Menschen mit einem unauffälligen Verkehrsmittel: Mit Binnenschiffen, die auf Europas weitverzweigtem Kanalnetz überallhin gelangen – und kaum kontrolliert werden. Verdammt clever, findet Carol. Aber wann kommen wir endlich ins Geschäft?

|Den Haag|

Petra Becker informiert Tony, dass der Täter zwar vielleicht etwas mit der finsteren Stasi-Vergangenheit zu tun haben könnte, dass aber die Verbindung zu den psychologischen Experimenten noch viel tiefer reichen könnte: Zu den Nazis. Es dürfte wohl bekannt sein, dass die braunen Schweine alle möglichen Experimente mit Menschen aller Gruppen anstellten, von Dr. Mengele bis zu ganz speziellen Instituten. Alle Unterlagen darüber lagern auf Schloss Hohenstein, das selbst Stätte solcher Rassenversuche war. Die Opfer erzählten und wiederholten das, was man ihnen angetan hatte. Vielleicht rächt sich der Killer nun an allen Angehörigen der Folterergruppen, nämlich den Psychologen? Aber dann müsste sein Großvater eines der Opfer der Versuche gewesen sein.

|Köln|

Auf Schloss Hohenstein darf Tony die Listen der Kinder kopieren und sie mit Verdächtigen abgleichen, die unter den Binnenschiffern in Europa zu finden sind. Denn alle Taten wurden in Städten an Flüssen oder an der Küste begangen. Der Täter ist also offenbar ein Seemann. Doch als er den Gesuchten endlich findet, gerät er in Kontakt mit der Organisation, die Tadeusz Radecki leitet. Und der sieht einen solchen Schnüffler gar nicht gern. Besonders dann nicht, wenn dieser seine Nase auch noch in das Berliner Hotelzimmer einer gewissen „Catherine Jackson“ gesteckt hat …

_Mein Eindruck_

Ein erstaunlicher Wechsel des Schauplatzes überrascht den Leser als Erstes: Es geht nach Deutschland. In jenes finstere Reich, wo einst Stasi und Nazis schalteten und walteten und dabei bekanntlich ein schreckliches Erbe hinterließen, das jedes Jahr aufs Neue ins Gedächtnis gerufen wird, egal ob durch Prozesse oder Skandale. Nun reckt diese Hydra erneut einen ihrer Köpfe: den Serienmörder, der es auf experimentelle Psychologen abgesehen hat.

Das ist natürlich das Stichwort für einen Fachmann wie Tony Hill, der unter seinen Kollegen natürlich auch engere Bekannte hat, so etwa Dr. Margarethe Schiller in Bremen. Es ist also ein nachvollziehbares persönliches Interesse, das ihn nach Deutschland bringt. Aber auch Petra Becker und natürlich Carol Jordan gilt sein teils berufliches, teils privates Interesse. Nur wegen dieser Verquickung seiner Interessensebenen kann es dazu kommen, dass seine Schnüffelei überhaupt die Interessen von Tadeusz Radecki tangiert und diesem verdächtig und bedrohlich erscheint: Was will dieser Typ auf seinen Schiffen, wenn nicht die Ladung untersuchen? Ironischerweise liegt Tony nichts ferner als das.

Durch diese Kontingenz geraten sowohl Tony Hill als auch Carole Jordan in Lebensgefahr. Tadeusz will die Probe aufs Exempel machen und schließt mit dem gefangengesetzten Tony quasi eine Wette ab. Wenn Tonys Lüge stimmt, dann wird Carol mit Tadeusz schlafen. Wenn sie aber ablehnt, dann ist sie ebenfalls eine Schnüfflerin und Tony muss, weil er gelogen hat, sterben. Das kann man doch verstehen, oder? Es kommt zu einem ziemlich spannenden Abend, bei dem Carols Verhalten über Tonys Lüge entscheidet.

VORSICHT, SPOILER!

Zartbesaitete Gemüter seien eindringlich vor der Brutalität gewisser Szenen gewarnt, die nach Carols und Tonys Enttarnung folgen. Eine Autorin wie Val McDermid, die in der englischen Krimiszene eine bedeutende Schlüsselstellung innehat, gibt sich nicht mit Scheinheiligkeiten und Kinkerlitzchen ab. Vielmehr setzt sie auf eine realistische, geradezu detailgetreue Darstellung der Polizeiarbeit, zeigt aber auch das gewalttätige Verhalten der Gegenseite.

In Carols Fall gehört dazu die mehrfache Vergewaltigung, die uns aber LIVE erspart bleibt. Nicht so hingegen die Folter an Tony: Die spannende Frage, ob Carol wie Tony liquidiert wird, bleibt bis zum Höhepunkt offen. Doch danach gilt es noch, den Serienmörder zu fassen. Oder soll er etwa davonkommen? Und obendrein hat Carol noch eine Rechnung mit Morrigan offen – er hat sie reingelegt.

Am Schluss steht die Frage, welche Folgen die Gewalt, die man ihren Körpern angetan hat, haben wird. Werden sie aussteigen und sich zur Ruhe setzen, um Lachse zu züchten? Wohl kaum, denn dazu liegt ihnen Recht und Ordnung viel zu sehr am Herzen. Aber als Geheimagentin werden wir Carol Jordan wohl nicht so bald wieder sehen. Und wir sind froh zu erfahren, dass Tony wieder als Profiler arbeiten will.

_Unterm Strich_

Jeder Fall von Tony Hill und Carol Jordan stellt die Autorin vor die Herausforderung, wie sie es schaffen soll, dass sie die beiden Welten, in denen sich die beiden Ermittler unabhängig voneinander bewegen, sich einander berühren lässt. Diesmal ist der Kontakt dieser Welten derart tragisch und verhängnisvoll, dass beide Ermittler in Lebensgefahr geraten. Ist es Ironie des Schicksals oder grandiose Blödheit zu nennen, dass Tony Hill den Gangster in die Quere kommt, gegen die Carol in Berlin ermittelt? Alles hängt vom Wissensstand ab, über den Tony verfügte. Und der war nun mal denkbar gering.

In ihrer ungewohnten Opferrolle laufen jedoch Tony und Carol zu großem Format auf: Sie decken einander, ertragen übelste Gewalt, stehen dennoch zueinander – von Helden kann man nicht mehr verlangen, höchstens noch die Opferung des Lebens. Aber da sie beide keine Soldaten sind, kommt das nicht infrage. Und so geht die Aufarbeitung der Nazi-Altlasten doch noch weiter.

|Taschenbuch: 624 Seiten
Originaltitel: The Last Tempatation (2002)
Aus dem Englischen übersetzt von Doris Styron
ISBN-13: 978-3426502495|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de

García-Clairac, Santiago – unsichtbare Buch, Das

_Kein Märchen: das Entstehen des Buches beim Lesen_

Der zehnjährige César ist schlecht gelaunt – schon wieder hat er mit seiner Familie umziehen müssen. Bloß weil sein Vater Kinderbuchautor ist und nicht zwei Bücher in einer Stadt schreiben kann. In der neuen Schule setzt sich ausgerechnet Lucía neben ihn, die selbst Schriftstellerin werden will. Schlimmer hätte es ja wohl nicht kommen können, oder? Doch Lucía entpuppt sich als mutige Helferin, als César vom Schulrowdy Lorenzo getriezt und verprügelt wird.

Zum Dank gibt er Seiten von Papas neuestem Manuskript, das den Titel „Das unsichtbare Buch“ trägt und noch gar nicht gezeigt werden darf – niemandem! Lucía ist davon überaus begeistert. Und im Verlauf dieser verwickelten Diebstahl-und-Lese-Aktion beginnt sich Césars ablehnende Haltung gegen Bücher allmählich zu ändern – mit ungeahnten Folgen …

_Der Autor_

Vom spanischen Autor Santiago García-Clairac erschienen im Baumhaus-Verlag:

1) Die Schwarze Armee: „Das Reich der Träume“
2) Die Schwarze Armee: „Das Reich der Dunkelheit“
3) Die Schwarze Armee: „Das Reich des Lichts“

_Handlung_

Von der neuen Schule erwartet César Durango auch nichts Gutes. Er ist gerade mal eine Woche mit seiner Familie in der Stadt und kennt niemanden – und niemand kennt ihn. Es stinkt ihm inzwischen gewaltig, dass sein Vater, der Kinderbuchautor, sofort in eine andere Stadt umzieht, sobald er ein Buch fertiggestellt und veröffentlicht hat. Das brauche er für seine Inspiration, behauptet Papa. Und keiner in der vierköpfigen Familie wagt dagegen aufzumucken. Nur dass César dabei jedes Mal seine Freunde verliert. Er fühlt sich entwurzelt, wie ein Stück Treibholz. Inzwischen hasst César Bücher und alles, was damit zu tun hat. Aber das soll sich radikal ändern.

Da setzt sich eine neue Mitschülerin neben ihn, und mein Gott, ist die hässlich! Die riesige Brille auf ihrer Nase wirkt wie eine Maske, hinter der sie sich versteckt. Aber sie kriegt den Mund nicht zu, fragt ihm Löcher in den Bauch und stellt sich sogar selbst vor. Sie nennt sich Lucía und will Schriftstellerin werden. Ausgerechnet! Nach einer Weile seines mürrischen Schweigens merkt selbst diese Quasselstrippe, dass sie gefälligst verduften soll.

In der Pause geht César raus auf den Schulhof, um seine Ruhe zu haben. Doch die bleibt ihm verwehrt, denn der Schulrowdy Lorenzo hat es mit seinen Kumpanen auf den Neuen abgesehen. Wird der Neue aufmucken oder sich unterbuttern lassen und ihnen sein Taschengeld überlassen? Aber zu einem Kampf kommt es gar nicht, denn auf einmal stellt sich Lucía vor den friedfertigen César und keift die Rowdies an, bis diese Leine ziehen. Auf ein andermal, drohen sie. Der ältere Javier bringt César nach Hause; auch er hat sich geprügelt.

Um sich erkenntlich zu zeigen, bringt César die ersten Seiten von Papas neuem Manuskript mit und gibt sie Lucía zu lesen. Er hat ihr verraten, dass sein Vater Bücher schreibt. Und als er in einem unbeobachteten Moment den Drucker das Manuskript ausspucken sah, hat er einfach zugegriffen. Lucía ist hingerissen, denn die Geschichte handelt von einer Prinzessin Hanna, die ein unsichtbares Buch findet. Sie will unbedingt herausfinden, was in dem Buch steht und setzt Himmel und Hölle in Bewegung, um den Ort zu finden, wo das geht: Dieser Ort, so stellt sich heraus, hat sehr viel Ähnlichkeit mit der Hölle …

Lucía will unbedingt erfahren, wie die Geschichte weitergeht. Doch Lorenzo macht ihnen immer wieder einen Strich durch die Rechnung. Sie mögen sich selbst in den Heizungskeller der Schule zurückziehen – was streng verboten ist – er findet sie dennoch und verpetzt sie. Eine ernste Verwarnung vom Direx ist die Folge, der von der Geschichte kein Wort versteht. Was soll sie denn bedeuten, um Himmels willen? Hat man so etwas schon gehört? Ein Buch, das unsichtbar ist – welchen Sinn hat es denn?

Auch César war bisher der Meinung, dass nur Dinge, die man sehen kann, existieren. Aber Javier und Lucía belehren ihn eines Besseren. Denn Luciás Mut und ihre Neugier sind unübersehbar. Und deshalb will auch er jetzt den Rest der Geschichte erfahren. Bis sein Vater sie beide vor seinem Computer ertappt, wie sie sein Manuskript lesen …

_Mein Eindruck_

Der junge Leser mag sich fragen, ob Senor Durango wirklich Märchen erzählt. Unsichtbare Bücher – wie kann es die denn geben? Doch der Leser wird unerwartet mit einer tiefen Einsicht überrascht: Unsichtbare Bücher gibt es wirklich – überall! Und warum? Ganz einfach, weil ihr Inhalt erst dann sichtbar wird, wenn sie gelesen werden. Erst dann erwacht ein Buch quasi zum Leben: im Geist des Lesers.

Das sieht sogar ein Materialist wie César ein. Bis er zu dieser Erkenntnis gelangt, muss er allerdings einen weiten Weg der inneren Reifung zurücklegen. Denn am Anfang seines Weges sind Bücher ja seine Feinde, und er tut alles, um ihnen fernzubleiben. Als Lucía sagt, sie wolle Bücher schreiben, ist sie deshalb sofort bei ihm unten durch.

Doch Lucías Begeisterung wendet das Blatt ebenso wie ihr Mut im Kampf gegen Lorenzo. Nach einigem hin und her nimmt sie ihn mit auf das Abenteuer, das jedes Buch bereithält: die Entdeckungsreise. Und da Vaters Buch erst im Entstehen ist, gestaltet sich die Entdeckung mindestens so abenteuerlich und spannend wie jene Reise, auf die sich Prinzessin Hanna mit ihrem getreuen Sigfrido begibt. Wie Hanna wollen auch César und Lucía ein Geheimnis entdecken. Und dass das Spicken in ein Buch, das erst geschrieben wird, streng VERBOTEN ist, macht die ganze Sache des Entdeckens umso reizvoller.

Lucías Auftauchen in Césars Familie ändert vieles. Nicht nur César erscheint nicht mehr als Störenfried, sondern sie hat auch einen Draht zu seinem Vater – Schriftsteller quasi unter sich. Deshalb ist sie diejenige, die die Haltung von Senor Durango ändert, als er ihre „Untat“ entdeckt. Wie kann er ihnen böse sein, wenn sie neugierig auf den Schluss seines Buches sein? Na, bitte. Und (ganz) vielleicht wird Senor Durango fortan nicht mehr wegziehen, wenn er ein neues Buch schreiben will. Hoffen darf man ja. Aber dann ist da ja noch Lorenzo …

|Die Illustrationen|

Die Schrift ist so groß gedruckt (etwa 12 Punkt), dass sie sich selbst für Omas bestens zum Vorlesen eignet. Auch die Illustrationen, die Katherina Lindenblatt beigesteuert hat, sind kindgerecht: sehr einfache Motive, stets mit einem Kind oder zweien darauf. So ist die Zeichnung auf das Wesentliche reduziert, und es kann zu keinen Missverständnissen kommen. Das Niveau ist insgesamt selbst für Acht- oder Neunjährige kein Problem.

_Unterm Strich_

Das schmale Büchlein mit der großen Schrift nimmt den jungen Leser ab neun oder zehn Jahren mit auf das, was man beim Lesen am liebsten unternimmt: auf eine Entdeckungsreise. Die Reise setzt sowohl für die Figuren der Binnengeschichte als auch für die beiden Leser und Entdecker César und Lucía eine Entwicklung in Gang, die zur Reifung führt – und zu einer wichtigen Einsicht über die wahre Natur eines Buches: Es ist solange unsichtbar, wie es sich nicht im Geist eines Lesers befindet.

Das leuchtet mir völlig ein. Denn man kann nicht aufrichtig über ein Buch sprechen, solange man es nicht gelesen und erlebt hat. Erst dann erwacht es zum Leben. Ganz nebenbei erzählt der Autor eine Geschichte über das Verhältnis des Unsichtbaren zum Sichtbaren in der Welt und unserem Leben – und was für uns eigentlich wichtiger ist.

Solch ein lehrreiches Büchlein sollte man auch mehr Menschen in die Hand drücken. Oder es einfach zu Weihnachten an die Lieben verschenken. Oder solche, die es noch werden sollen.

|Taschenbuch: 143 Seiten
Originaltitel: El libro invisibile (1999)
Aus dem Spanischen von Hans-Joachim Hartstein
Iillustriert von Katherina Lindenblatt
ISBN-13: 978-3833935985|
[www.luebbe.de]http://www.luebbe.de

McDermid, Val – Lied der Sirenen, Das

_Fesselnd: der verhängnisvolle Gesang der Sirene_

Vier Männer werden in Bradfield tot aufgefunden, alle vor ihrer Ermordung auf das Grausamste gefoltert und verstümmelt. Als der Profiler Tony Hill zum Ermittlungsteam von DCI Carol Jordan hinzugezogen wird, gerät er plötzlich selbst ins Visier des Wahnsinnigen und muss ein ganzes psychologisches Können aufbieten, um sein Leben zu retten.

Der Krimi gewann den Gold Dagger Award für den besten Kriminalroman des Jahres 1995.

_Die Autorin_

Die 1955 geborene Val McDermid wuchs in Kirkcaldy, einem schottischen Bergbaugebiet nahe St. Andrews, auf und studierte dann Englisch in Oxford. Nach Jahren als Literaturdozentin und als Journalistin bei namhaften englischen Zeitungen lebt sie heute als freie Schriftstellerin in Manchester und an der Nordseeküste. Sie gilt als eine der interessantesten neuen britischen Autorinnen im Spannungsgenre – und ist außerdem Krimikritikerin. Ihre Bücher erscheinen weltweit in 20 Sprachen. Für „Das Lied der Sirenen“ erhielt sie 1995 den Gold Dagger Award der britischen Crime Writers‘ Association.

„Tony Hill & Carol Jordan“-Reihe:
1) [„Das Lied der Sirenen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1498
2) „Schlussblende“
3) „Ein kalter Strom“
4) „Tödliche Worte“

Weitere Romane:

5) [„Echo einer Winternacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=703
6) [„Die Erfinder des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2602
7) [„Das Moor des Vergessens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6607
8) „Ein Ort für die Ewigkeit“
9) [„Nacht unter Tag“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6201

_Handlung_

Detective Inspector Carol Jordan steht neben Detective Sergeant Don Merrick im Regen und starrt auf die grausam verstümmelte Leiche eines Kollegen: Sie weiß es noch nicht, aber es handelt sich um Damian Connolly. Dies ist schon die vierte derart verstümmelte Männerleiche in Bradfield, und immer am Montag taucht alle acht Wochen so eine auf. Connolly wurde zwischen Müllcontainern hinter der Schwulenbar „Queen of Hearts“ gefunden. Gegenüber liegen Künstlerateliers. Hat keiner was gesehen?

Jordans Ermittlergruppe wird zum Versuchskaninchen für die Anwendung der Theorien von Profiler Tony Hill gemacht. Das schmeckt nicht jedem, aber Jordan ist bereit, es mit Hills Serientätertheorien zu versuchen. Vielleicht kommen sie ja damit weiter. Tom Cross hingegen hält nichts von Hills Methode, und das wird zu tragischen Konsequenzen führen.

Während Jordan und Hill die vier Fälle durchgehen, kommen sie einander näher, denn beide sind ledig. Als sie ihn einmal besucht, und eine Frau mit einer verführerischen Stimme auf seinen Anrufbeantworter spricht, ist sie peinlich berührt und will gehen, weil sie nicht in sein Privatleben eindringen will. Er wehrt ab, denn bei der Frau, mit der er Telefonsex hat, handle es sich um ein wissenschaftliches Projekt. Er sagt nicht, dass es für ihn auch eine Therapie seiner Erektionsprobleme darstellt. Das sagt er ihr erst, als alles vorüber ist.

Als Don Merrick in einer Sadomaso-Bar einen Typen ablehnt und von einem anderen angesprochen wird, wird dies zu einem Durchbruch. Fitnessstudiobetreiber Stevie behauptet, er habe alle vier Opfer gekannt; da sie alle nicht schwul waren, halte er die Morde für „Betriebsunfälle“. Na, so was. Ist er vielleicht der Schwulenkiller, den die Sensationspresse „Handy Andy“ getauft hat? Kaum hat Don mit Stevie das Lokal verlassen, um ihn aufs Revier zu nehmen, wird er jedoch von hinten niedergeschlagen.

Zum Glück sind Kollegen ganz in der Nähe, die sowohl den Angreifer als auch Stevie festnehmen. In der Vernehmung sieht es immer schlechter aus für Stevie, und die Durchsuchung seiner Wohnung fördert noch mehr belastendes Material zutage. Dabei wollte er der Polizei doch bloß helfen. Assistant Chief Constable Brandon lässt ihn frei, weil die Beweise nicht ausreichen.

Tom Cross ist schwer frustiert und wird sogar suspendiert. Er ist sicher, „Handy Andy“ erwischt zu haben und sagt dies auch gegenüber einer Sensationsreporterin: Eine Herausforderung an den wahren Killer, falls es ihn gibt. Nach einem Fluchtversuch kommt Stevie in U-Haft und wird dort vergewaltigt.

Eine fünfte Leiche taucht auf, die sich als Werk eines Trittbrettfahrers erweist. Die Lage in Bradfield gerät offenbar außer Kontrolle. Unterdessen sieht Stevie McConnell nur noch einen Ausweg, Jordan erzielt einen Durchbruch und Tony Hill erhält überraschenden Besuch von der verführerischen Frau am Telefon: Angelica will jetzt mehr als nur mit ihm reden …

_Mein Eindruck_

In diesem Krimi führt die bekannte britische Autorin das Gespann Carol Jordan und Tony Hill erstmals zusammen. Und die beiden erweisen sich als äußerst effektiv in ihrer Zusammenarbeit. Zudem kommen sie sich auch privat recht nahe, doch Tony Hill ist kein einfacher Charakter, er verbirgt etwas vor ihr. Nicht nur wird er als empfindsamer Mensch (wie wir alle) dargestellt, sondern auch noch mit einer verhängnisvollen Neigung: Telefonsex. Er ist keineswegs süchtig, doch was die Dame Angelica ihm bietet, ist zu gut, um es ablehnen zu können. Dass er bereits auf ihr „Lied der Sirenen“ hereingefallen ist, bemerkt er leider zu spät. Mehr darf nicht verraten werden.

Carol hat von ihm den Tipp bekommen, dass der wahre Täter – und nicht etwa Stevie McConnell – etwas mit Computern und Kommunikationselektronik zu tun haben könnte. Zum Glück ist Carols Bruder Michael einschlägig vorbelastet und vermittelt entsprechende Kontakte. Es geht um ein interessantes Spiel namens 3D-Discovery, bei dem der Spieler die Köpfe der Figuren durch Fotos von realen Personen ersetzen kann. Cool, nicht wahr? Doch wenn diese Personen bereits getötete Opfer sind, erhält das Spiel seinen ganz eigenen, makaberen Charakter.

Die Autorin zeichnet sich durch ein besonders tiefes Verständnis für die Polizeiarbeit aus, wie sie schon mehrfach bewiesen hat. Diesmal zeigt sie, wie sich bestimmte Polizisten so in eine falsche Annahme verrennen und auf einen falschen Verdächtigen festlegen können, dass nicht nur die Arbeit der Cops behindert wird, sondern auch ein Unschuldiger zu Tode kommt. Die (sehr realistisch dargestellten) Schreie des vergewaltigten Stevie McConnell hätten verhindert werden können, wenn gewisse Cops nicht so stur gewesen wären – oder wenn der Druck der Öffentlichkeit geringer wäre.

Hier spielen die Medien eine ganz besondere Rolle. In ihrer Jagd nach einer heißen Story übt die Reporterin Penny Burgess nicht nur Druck auf die Polizeiführung aus, sondern interviewt auch die Leute mit der falschen Meinung. Sie scheut sich auch nicht, mit Cops ins Bett zu gehen. Dabei erfährt sie dann auch noch, wie die Polizeiführung die Presse an der Nase herumführt. Prächtig! Dass Penny Burgess davon nicht entzückt ist, kann man sich denken. Leider ist ihre Arbeit alles andere als konstruktiv bei der Auffindung des wahren Täters. Ja, perfiderweise gibt sie auch noch einem Trittbrettfahrer den nötigen Vorwand, um einen Mord einem anderen in die Schuhe zu schieben.

Die Handlung gipfelt in einer packenden Szene, in der Tony Hill alle seine kunstvolle Psychologie aufbieten muss, um seinen Hals zu retten. Denn Angelica ist eine Sirene, die wie in Homers Odyssee auf einer Insel lebt, die mit Knochen bedeckt ist …

_Unterm Strich_

Die Handlungsbeschreibung klingt nicht so, als ginge es hier um etwas Weltbewegendes, doch der Eindruck täuscht. Es geht um eine Art Justizirrtum, dem ein Unschuldiger zum Opfer fällt. Die Ermittlungen in der Randgruppe der Homosexuellen und Sadomasos fordert die Cops ganz besonders heraus, auch im physischen Einsatz. Mit einem sehr ungewöhnlichen Täter führt die Autorin nicht nur die Cops lange an der Nase herum.

Und in diesem Krimi führt die Autorin erstmals das erfolgreiche Ermittlergespann Tony Hill, seines Zeichens Profiler, und Carol Jordan, die taffe und aufstrebende Polizistin zusammen, nicht nur beruflich, sondern auch privat. Wenn ich mich nicht täusche, bekam „Tony Hill“ im britischen Fernsehen mit „Die Methode Hill“ eine eigene Fernsehserie, die auch bei uns erfolgreich im ZDF lief.

|Taschenbuch: 479 Seiten
Originaltitel: The Mermaids Singing (1995)
Aus dem Englischen von Manes H. Grünwald
ISBN-13: 978-3426624296|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de

McDermid, Val – Erfinder des Todes, Die

_Der Autorenkiller: eine makabre Art von Literaturkritik?_

Eine Mordserie rafft einen bekannten Krimiautor Englands nach dem anderen dahin, pikanterweise nach genau jener Methode, die die Betroffenen zuvor in ihren Büchern so eloquent geschildert haben. Verwechselt der Täter etwa Dichtung und Wahrheit?
Profilerin Fiona Cameron bangt zunehmend um ihren Lebensgefährten, den Thrillerautor Kit Martin. Schon bald bewahrheiten sich ihre schlimmsten Alpträume. Und die Polizei ist natürlich wieder mal auf dem Holzweg …

_Die Autorin_

Die 1955 geborene Val McDermid wuchs in Kirkcaldy, einem schottischen Bergbaugebiet nahe St. Andrews, auf und studierte dann Englisch in Oxford. Nach Jahren als Literaturdozentin und als Journalistin bei namhaften englischen Zeitungen lebt sie heute als freie Schriftstellerin in Manchester und an der Nordseeküste. Sie gilt als eine der interessantesten neuen britischen Autorinnen im Spannungsgenre – und ist außerdem Krimikritikerin. Ihre Bücher erscheinen weltweit in 20 Sprachen. Für „Das Lied der Sirenen“ erhielt sie 1995 den Gold Dagger Award der britischen Crime Writers‘ Association.

„Tony Hill & Carol Jordan“-Reihe:
1) [„Das Lied der Sirenen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1498
2) „Schlussblende“
3) „Ein kalter Strom“
4) „Tödliche Worte“

Weitere Romane:

5) [„Echo einer Winternacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=703
6) [„Die Erfinder des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2602
7) [„Das Moor des Vergessens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6607
8) „Ein Ort für die Ewigkeit“
9) [„Nacht unter Tag“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6201

_Handlung_

Fiona Cameron ist Profilerin und hat als Täterpsychologin mit ihren Tipps der Metropolitan Police schon so manchen Serientäter finden helfen. Seit ihr kleine Schwester Leslie vor Jahren ermordet wurde, ohne dass man den Täter aufspüren konnte, lastet ein dunkler Schatten – ihre Dämonen – auf Fionas Seele. Die Tätigkeit als Profilerin verschafft ihr Erlösung. Bislang hat sie hervorragend mit Steve Preston zusammengearbeitet, doch seit dem letzten Fall gehen sie getrennte Wege.

Als der „Hampstead-Heath-Mörder“ soll Francis Blake in diesem Londoner Park Susan Blanchett, Mutter von Zwillingen, vergewaltigt und ermordet haben. Allerdings wird Blake vor dem Gericht Old Bailey freigesprochen. Der Grund: Die Polizei, also Preston, habe unlautere Ermittlungsmethoden eingesetzt. Blake, der acht Monate lang in Haft war, fordert Entschädigung für die Zerstörung seines Lebens. Kann man ihm nicht verdenken, deshalb wird er überwacht. Er wird später noch wichtig.

Während Steve Preston also immer noch den wahren Mörder Susan Blanchetts und anderer Vergewaltigungsopfer sucht, beunruhigt Fiona Cameron eine andere Serie von Morden. In Edinburgh wurde der schwule Krimiautor Drew Shand ermordet aufgefunden. Seltsamer folgte der Tathergang fast genau jenem Szenario, das Shand in seinem Serienkiller-Roman „Copycat“ gezeichnet hatte – die Morde Jack the Rippers. Dieser Mord erschüttert Fionas Lebensgefährten: Kit Martin ist selbst Krimiautor und war Shands Kumpel. Erst Fionas Besorgnis um ihn führt ihm die Möglichkeit vor Augen, selbst zum Ziel des Killers zu werden.

Als sowohl er als auch seine Kollegin Georgia lester einen Drohbrief erhalten, ist Fiona verständlicherweise alarmiert. Angeblich sollen die beiden Arbeiten kopiert haben – Blödsinn. Im Internet findet sie die Site „Murder behind the headlines“ (Mord hinter den Schlagzeilen) und stößt auf weitere Informationen. Weniger später wird die Autorin Jane Elias tot aufgefunden – ermordet nach einem Schema aus ihrem Roman „Death on arrival“.

Als auch Georgia vermisst wird, schaltet Fiona Chefinspektorin Duvall von der Metropolitan Police ein. Doch die springt auf einen Typen an, der ihre Pressekonferenz massiv stört, indem er sich als Urheber der Mordserie an Krimiautoren denunziert. Dieser Charles Radford lenkt die Duvall derartig ab, dass sie wichtige Hinweise in andere Richtung missachtet. Steve Preston ist es mit Hilfe einer von Fiona empfohlenen Profilerin, Terry Fowler, gelungen, einen Verdächtigen, einzukreisen: Gerard Coyle könnte der wahre „Hampstead-Heath-Mörder“ sein.

Die Lage spitzt sich dramatisch zu, als Fiona in Edinburgh weilt: Ihr Geliebter Kit Martin wird entführt und soll nach dem Schema aus seinem Roman „The blood painter“ in einem Ferienhaus sterben: Der Täter will ihm das Blut so lange abnehmen und damit die Wände bemalen, bis das Opfer stirbt. Als Fiona die Gefahr erkennt, in der Kit schwebt, ist es schon fast zu spät.

Kann sie noch rechtzeitig zu Kit gelangen, um seinen Tod zu verhindern? Und wer verbirgt sich hinter seinem Entführer?

_Mein Eindruck_

„Die Erfinder des Todes“ ist ein wirklich ausgefuchst clever konstruierter Thriller, der aber einem bekannten Strickmuster folgt. Man führe den Leser auf eine Fährte, die sich zunächst als Irrweg erweist. Dann stelle man eine zweite, scheinbar separate Serie von Taten in den Vordergrund, der von Fährte Nummer 1 ablenkt. Irgendwann werden sich die beiden Handlungsstränge derartig negativ stören, dass der Leser wirklich mit der Hauptfigur – in diesem Fall Fiona – zu zweifeln beginnt, ob das alles noch gut ausgehen kann. An diesem Punkt lasse man der Action sämtliche Zügel schießen, bis es einen oder besser noch zwei Showdowns geben kann.

Val McDermid folgt dem vielfach erprobten Strickmuster auf sehr erfolgreiche Weise. Allerdings ist ihr Anliegen ein ganz anderes, als irgendwelche blutigen Morde bis ins Detail zu schildern, zu sezieren und aufzuklären, wie das etwa Thomas Harris („Das Schweigen der Lämmer“) gemacht hat.

Denn diesmal geraten die Krimiautoren als „Erfinder des Todes“ selbst in die Schusslinie. Und die letzten Absätze, in denen Fiona Resümee zieht, machen klar, warum der Täter die Autoren auf dem Kieker hat. Sie machen die Profiler zu allmächtigen Halbgöttern, die zu allem fähig sind. Und wenn sie dann bizarrste Serienmorde aufklären, glauben die Leser – und später die Kino- und TV-Zuschauer der Verfilmungen – sogar noch, dass die Morde nicht so schlimm sein können: Es gibt ja Leute, die sie aufklären und die Täter der Gerechtigkeit zuführen können.

Der Autorenkiller übt eine makabre Art von Literaturkritik: Er demonstriert den Autoren am eigenen Leibe, wie es sich anfühlt, selbst à la livre ermordet zu werden. Das hat einen gewissen ironischen Charme. Aber es verdeckt das ernsthafte Anliegen der Autorin, die Leser aufzurütteln, zwischen erfundenen und realen Morden und Polizisten bzw. Profilern zu unterscheiden. Man kann ihr zum Vorwurf machen, sie setze selbst die kritisierten Methoden ein. Das haut aber nicht hin, denn weder schildert sie die Greueltaten noch werden diese schon verfilmt.

_Unterm Strich_

„Die Erfinder des Todes“ ist ein ungewöhnlich spannendes Krimiwerk. Geschrieben von einer Kennerin sowohl der Polizeiarbeit wie auch der Krimischreibergemeinde, weiß das Buch sowohl zu unterhalten als auch aufzuklären. Und der actionreiche Showdown in den schottischen Bergen schadet auch nicht. Ich kann das Buch jedem Krimi- und natürlich jedem McDermid-Fan wärmstens empfehlen.

|Taschenbuch: 540 Seiten
Originaltitel: Killing the Shadows (2000)
Aus dem US-Englischen von Doris Styron
ISBN-13: 978-3426622476|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de

McDermid, Val – Schlussblende

_Die Methode Hill: vorhersehbar, aber spannend & beklemmend_

Es gibt nichts Schrecklicheres, als die Wahrheit zu kennen, und niemand hört zu. Die junge Polizistin Shaz Bowman ist Mitglied eines Elite-Polizeiteams, das das Verschwinden von 30 Mädchen aufklären soll. Als sie einen berühmten TV-Star verdächtigt, wird sie ausgelacht – und wenig später ermordet. Für den Profiler Tony Hill beginnt ein persönlicher Rachefeldzug, bei dem nicht klar ist, wer Jäger und wer Gejagter ist.

_Die Autorin_

Die 1955 geborene Val McDermid wuchs in Kirkcaldy, einem schottischen Bergbaugebiet nahe St. Andrews, auf und studierte dann Englisch in Oxford. Nach Jahren als Literaturdozentin und als Journalistin bei namhaften englischen Zeitungen lebt sie heute als freie Schriftstellerin in Manchester und an der Nordseeküste. Sie gilt als eine der interessantesten neuen britischen Autorinnen im Spannungsgenre – und ist außerdem Krimikritikerin. Ihre Bücher erscheinen weltweit in 20 Sprachen. Für „Das Lied der Sirenen“ erhielt sie 1995 den Gold Dagger Award der britischen Crime Writers‘ Association.

„Tony Hill & Carol Jordan“-Reihe:
1) [„Das Lied der Sirenen“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=1498
2) _“Schlussblende“_
3) „Ein kalter Strom“
4) „Tödliche Worte“

Weitere Romane:

5) [„Echo einer Winternacht“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=703
6) [„Die Erfinder des Todes“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=2602
7) [„Das Moor des Vergessens“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6607
8) „Ein Ort für die Ewigkeit“
9) [„Nacht unter Tag“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=6201

_Handlung_

Die Polizistin Carol Jordan und ihr Exfreund, der Profiler Tony Hill, gehen wieder getrennte Wege. Carol leitet eine Polizeidienststelle im ländlichen Seaford, West Yorkshire, als dort eine Serie von Brandstiftungen erfolgt und „die Neue“ ganz schlecht dastehen lässt. Sie wird sowieso von ihren Kollegen kritisch beäugt. Ihr Förderer und Mentor, Polizeichef John Brandon, empfiehlt ihr, einen Profiler hinzuzuziehen, doch beim Gedanken an eine Wiederbegegnung mit Tony sträubt sich alles in ihr. Sie setzt vorerst auf Überwachung und Beschattung, doch als dabei eine Polizistin vom Brandstifter getötet wird, regt sich ihr Gewissen, und sie gibt sich selbst die Schuld.

|Der Profiler|

Unterdessen kommt Tony Hill mit seinem Lehrkurs „Profiling von Serientätern“ ganz gut voran. Er ist jetzt einer Sondereinheit zugeteilt. Die Polizisten in seinem Kurs sind jung und ehrgeizig, jedenfalls die meisten. Er ahnt nicht, dass Sharon „Shaz“ Bowman in ihn verliebt ist und herausgefunden hat, dass er in Bradfield selbst zum Opfer eines Sexualmörders geworden ist (siehe „Das Lied der Sirenen“). Er gibt den Kursteilnehmern eine knifflige Aufgabe aus dem echten Leben.

Carols Besuch überrascht ihn positiv, doch er lädt sie gleich dazu ein, als kompetente Frau vom Fach an dem Kurs teilzunehmen und die Leistungen zu beurteilen. Leon Jackson, einer der Teilnehmer, liefert keine besonders überzeugende Analyse ab, doch Shaz Bowman tritt mit einer überzeugenden Analyse auf: Sieben Teenagermädchen wurden in den letzten sechs Jahren ermordet, die alle Ähnlichkeiten aufweisen, so etwa in ihrem sozialen Umfeld und in ihrem Aussehen. Hinzukommt ein bemerkenswerter externer Faktor: Sie alle besuchten kurz zuvor eine der Wohltätigkeitsveranstaltungen des ehemaligen Spitzensportlers Jacko Vance.

Leon und Co. finden diesen Verdacht absurd. Seine Frau hätte doch was merken müssen oder? Na, also. Vergessen wir’s. Aber Shaz vergisst nicht. Vielmehr ruft sie Chris Devine an, eine Freundin, die schon mal mit Jacko Vance zu tun hatte und dessen Sekretärin Betsy kennt: Chris und Betsy sind lesbisch. Als Shaz die Telefonnummer von Vance erbittet, warnt Chris sie vor möglichen Folgen.

Am Montag darauf will Simon McNeal, Shaz‘ Freund, Tony Hill sprechen: Er sorgt sich um Shaz. Sie ist nicht zu vereinbarten Dates gekommen. Sie fahren zusammen zu Shaz‘ Wohnung und entdecken eine grausam zugerichtete Leiche. Der toten Shaz fehlen die Augen und die Ohren. Auf ihrem Bauch liegt ein Computerausdruck: Er zeigt die drei weisen Affen, die nicht sehen, nichts hören und nichts sagen. Eine deutliche Warnung!

|Die Gefangene|

Unterdessen hockt Donna Doyle, eine junge Schülerin aus Northumberland, wimmernd vor Angst in einer finsteren Zelle. Sie tadelt sich selbst, dass sie ins Auto dieses Mannes gestiegen ist, angetan mit ihrem besten Kleid. Aber was er dann in seiner Werkstatt mit ihr getan hat … Ihr zerquetschter Unterarm beginnt sich zu entzünden. Sie hat Hunger und Durst. Wird sie jemand rechtzeitig finden?

_Mein Eindruck_

Der Fall führt Tony Hill und seine Schüler auf die Spur eines Serienmörders, der sich hinter seiner Fassade eines prominenten TV-Stars und Exspitzensportlers verschanzt. Kein Wunder, dass sich unterbelichtete Superintendents wie der Schotte McCormack – wunderbar borniert dargestellt von Detelf Bierstedt – nicht an den Promi rantraut, und wenn überhaupt, lässt er sich gleich einwickeln. Er hat vielmehr die Klasse von Tony Hill auf dem Kieker, und nur weil er Hill nichts anhaben kann – Hill ist kein Cop – lässt er ihn (vorerst) laufen. Stattdessen gibt er eine Fahndung nach Shaz Bowmans Freund Simon raus. McCormick ist ein typischer Aktionist: Solange es so aussieht, als täte er was, ist alles in Ordnung, auch wenn es das Falsche ist.

Der Fall führt aber auch Tony Hill und Carol Jordan erneut zusammen, und das auf eine unerwartet romantische Weise. Sie stellen erstaunt fest, dass sie nicht nur einiges füreinander übrighaben, sondern dass sie sich gegenseitig in der Bewältigung der Arbeit helfen können. Schließlich führt dann die letzte heiße Spur zum Versteck des Mörders, und dieses liegt, wie es der Zufall und die Autorin wollen, beinahe im Zuständigkeitsbereich von Carol Jordan.

Die Spannung steigt bis zum Finale, denn nicht nur fragt sich der Leser, ob die Hilfe für Donna Doyle noch rechtzeitig eintrifft, sondern auch, ob die drei Jungprofiler Simon, Leon und Kaye vom Mörder überrascht werden, als sie dessen Versteck betreten, um Donna zu suchen!

_Unterm Strich_

Diese Story, die vor 13 Jahren veröffentlicht wurde, ist sicher eine prima Vorlage für eine Folge in der „Tony Hill“-TV-Serie und funktioniert hinsichtlich aller Abläufe ziemlich glaubwürdig und glatt. Das Problem ist nur, dass der Ausgang schon lange vorher feststeht: Der Mörder, dem wir seine Lügen nicht abnehmen, wird gefasst, soviel ist klar.

Natürlich müssen alle Beteiligten erhebliche Widerstände, mitunter auch aus den eigenen Reihen (McCormack), überwinden, um zum Ziel zu gelangen. Doch dieses Ziel steht von vornherein fest und wird meiner Ansicht nach auch allzu rasch erreicht. Doch wer spannende Unterhaltung sucht und denkt: „In der Kürze liegt die Würze“, der wird mit „Schlussblende“ ausgezeichnet bedient.

|Taschenbuch: 480 Seiten
Originaltitel: The Wire in the Blood (1997)
Aus dem Englischen von Klaus Fröba
ISBN-13: 978-3426502488|
[www.droemer-knaur.de]http://www.droemer-knaur.de