Alle Beiträge von Michaela Dittrich

Stoker, Bram – Draculas Gast

Bei |LPL records| kennt man sich mit gepflegtem Grusel ja aus. In schöner Regelmäßigkeit werden dort ansprechende Hörbücher mit hochkarätigen Sprechern produziert und der Slogan von LPL, „Gänsehaut für die Ohren“, ist keineswegs ein leeres Versprechen. Bei LPL hat man schon Lovecraft oder Lumley auf CD gebannt, den Zuhörer mit Gruselmärchen unterhalten und HR Giger für eine Zusammenarbeit gewonnen. Bei so viel Gruselpotenzial darf natürlich auch ein Altmeister des gotischen Grauens nicht fehlen: Bram Stoker, wohl am besten (und fast ausschließlich) für seinen [„Dracula“ 210 bekannt, hat eine durchaus stolze Anzahl Romane und Kurzgeschichten geschrieben. Es gibt also keinen Grund, dem Hörer noch eine Interpretation des „Dracula“ zu bieten (die gibt es schon zur Genüge), stattdessen hat man sich bei LPL für drei Kurzgeschichten entschieden.

In „Draculas Gast“, der titelgebenden Geschichte, treffen wir auf Jonathan Harker, der auf seiner Reise nach Transsilvanien gerade einen Stopp in München einlegt. Von der Abenteuerlust gepackt, begibt er sich auf eine Ausfahrt, um die Gegend zu erkunden – die Warnungen seines Kutschers nicht beachtend. Dieser nämlich stirbt fast vor Angst, ist doch grad Walpurgisnacht. Dem Engländer allerdings bedeutet der kontinentale Volksglauben im katholischen Bayern überhaupt nichts, und so treibt er seine Erkundungstour nötigenfalls auch ohne den schlotternden Kutscher voran. Allerdings nicht, bevor dieser ihm eine unheimliche Geschichte von einem verlassenen Dorf ganz in der Nähe erzählt hat, dessen Bewohner offensichtlich Vampiren zum Opfer fielen. Jonathan lacht dem Kutscher – und der Gefahr – ins Gesicht, schickt die Kutsche zurück zum Hotel und geht zu Fuß weiter. Bald trifft er auf einen Friedhof, auf ein seltsames Grab, auf einen starken Schneesturm und und einen viel zu zutraulichen Wolf … Selbst dem überhaupt nicht abergläubischen Jonathan wird es da mulmig.

„Draculas Gast“ ist eigentlich das verworfene erste Kapitel von Stokers großem Roman über den Grafen der Vampyre und damit merkt man der Geschichte den Expositionscharakter auch an. Eigentlich wirft die Geschichte nämlich mehr Fragen auf als sie klärt, besonders nach dem ominösen Schluss (der hier natürlich nicht verraten wird). Stoker nimmt sich viel Zeit, seinen Handlungsort zu schildern und den Leser auf die kommenden unheimlichen Ereignisse einzustimmen. Und auch hier, stärker noch als später im Roman, wird dem Protagonisten seine überhebliche Haltung gegenüber dem Glauben und den Gebräuchen seines Reiselandes zum Verhängnis – offensichtlich ein beliebtes Thema für Stoker, wie die beiden anderen Kurzgeschichten zeigen werden. Zu Hochform läuft Stoker auf, wenn er die aufgewühlte Natur während des Schneesturms beschreibt. Wald und Wetter werden zum personifizierten Gegner, zu einem Charakter innerhalb der Geschichte, der zu großen Teilen für das Unwohlsein seines Zuhörers verantwortlich ist. Harker dagegen ist nur ein Spielball größerer Mächten – sein aufgeklärter Rationalismus hilft ihm angesichts solcher Ereignisse nicht weiter.

In „Das Haus des Richters“ geht es traditioneller und geordneter zu. Der Student Malcolm Malcolmson zieht sich aufs Land, genauer ins Städtchen Benchurch, zurück, um dort ungestört für sein Mathematikexamen lernen zu können. Er mietet sich in einem leer stehenden Haus ein, das im Ort nur als „das Haus des Richters“ bekannt ist, was bei der Gastwirtin hysterische Anfälle auslöst, ohne dass sie erklären könnte, was es mit dem Haus genau auf sich hat. Doch Malcolm, genauso rational veranlagt wie Jonathan Harker, lässt sich von einem neurotischen Frauenzimmer nicht schrecken und macht es sich in dem Haus bequem. Zunächst kommt er mit dem Lernen auch gut zurecht und lässt sich selbst von den zahlreich vorhandenen Ratten nicht stören (er ist eben sehr stoisch). Zwar befindet sich unter den Ratten auch ein besonders großes Exemplar, das sich ganz selbstverständlich auf einem Sessel niederlässt, doch kann er das Tier vertreiben, indem er es mit Büchern bewirft (was für eine Taktik). Nun sollte ihm zu denken geben, dass seine Mathematikbücher keine Wirkung zeigten und die Ratte sich nur durch die geworfene Familienbibel vertreiben ließ – doch Malcolm ist wie gesagt Rationalist und fröhnt keinesfalls dem Aberglauben.

Natürlich wird ihm letztendlich genau diese Einstellung zum Verhängnis und das Haus des Richters macht seinem Namen alle Ehre. Und so hat der arme Malcolmson ganz umsonst für sein Examen gelernt, stellt sich doch letztendlich heraus, dass die riesige Ratte gar keine Ratte ist.

„Das Haus des Richters“ ist eine klassische Gruselgeschichte über ein Spukhaus, das dennoch (oder gerade deswegen) seine Wirkung nicht verfehlt. Zwar bleiben einige Fragen offen, doch überzeugt Stoker gerade in der Beschreibung der Abgeschiedenheit seines Handlungsortes. Und natürlich läuft sein Protagonist Malcolmson sehenden Auges in sein Unglück, sodass man nur begrenztes Mitleid für ihn entwickeln mag.

Die dritte Geschichte, „Die Sqaw“, ist gleichzeitig der makabre Höhepunkt des Hörbuchs. Ein Ehepaar in den Flitterwochen (doch ihre romantischen Neigungen halten sich in Grenzen) befinden sich auf Sightseeingtour in Nürnberg. Ihnen schließt sich der Amerikaner Hutcheson an, der das Ehepaar durch seine Anwesenheit fortan nicht nur vom Streiten abhält, sondern es auch mit Abenteuergeschichten unterhält. Die beiden fressen, aus irgendeinem unverständlichen Grund, sofort einen Narren am laustarken und überheblichen Hutcheson, der beweist, dass das Stereotyp des unverdient selbstbewussten Amerikaners nicht erst eine Erfindung des 20. Jahrhunderts ist. Und so stellt sich Hutcheson selbst zwar als liebenswürdig und empfindsam dar, beschreibt die Indianer seiner Heimat aber als brutale Barbaren und ist sich nicht zu schade, eine Geldbörse aus Menschenhaut bei sich zu tragen. Kurzum: Dem Leser stößt Hutcheson mehr und mehr auf. Und das geht auch einer Katze so, auf die das Trio auf der Nürnberger Burg stößt. Hutcheson erschlägt – ganz aus Versehen natürlich – deren Junges mit einem Stein und spätestens seit Poe wissen wir, dass mit Katzen nicht zu scherzen ist. Hutcheson wird sein Ende finden, und es wird besonders blutig und besonders unangenehm sein.

Wieder ereilt den Protagonisten, der unfähig ist, andere Kulturen zu verstehen und zu akzeptieren, ein tödliches Schicksal. Doch wo Harker und Malcolmson noch Sympathien beim Leser hervorrufen konnten, da sieht man sich in „Die Sqaw“ unversehens auf der Seite der Katze wieder, die geschickt Rache an Hutcheson nimmt und so den Tod ihres Nachwuchses rächt. Das Ende, das Hutcheson ereilt, wird von Stoker lange und genüsslich vorbereitet und der Leser weiß längst, welchen Ausgang die Geschichte nehmen wird, als Hutcheson sich noch lautstark amüsiert.

Es ist wirklich eine Bereicherung, mal etwas anderes von Stoker genießen zu können als immer nur „Dracula“, wenn natürlich, der Gerechtigkeit halber, hinzugefügt werden muss, dass „Dracula“ sein bestes und suggestivstes Werk bleiben wird. Doch Stokers gotische Kurzgeschichtenschrecken vermögen auch heute wohlige Schauer hervorzurufen, gerade wenn sie von einem so patenten Sprecher wie Lutz Riedel vorgetragen werden. Mit Freude arbeitet er jeweils auf den Höhepunkt der Geschichte hin, um diesen dann ausgiebigst auszukosten. Billige Effekte braucht es da nicht. Stimme und Wortgewalt reichen vollkommen aus. Abgerundet wird das Hörbuch wie immer durch die Musik von Andy Matern, dessen dräuende Melodien dem Hörer wohlige Schauer über den Rücken laufen lassen werden. Mal wieder ist |LPL| damit ein Treffer ins Schwarze gelungen!

Tolkien, J. R. R. – Lord of the Rings, The (Lesung in Englisch)

Wo soll man beginnen, wenn man mit der schier unlösbaren Aufgabe betraut wurde, ein Hörspiel von 713 Minuten zu besprechen, das dazu noch die komprimierte Fassung eines Romans von 1300 Seiten ist? Mit der Handlung? Wohl kaum, schließlich gibt es nach der Verfilmung von Peter Jackson fast niemanden mehr, der nicht zumindest eine grundlegende Ahnung davon hat, worum es in J. R. R. Tolkiens „The Lord of the Rings“ geht: Ein Hobbit, nämlich Frodo Baggins, wird – recht unfreiwillig – mit der Aufgabe betraut, den Ring Saurons zu zerstören; ein Symbol für das ultimativ Böse. Parallel dazu gibt es Schlachten, Männer auf Wanderschaft, seltsame Rassen, viele Lieder und Gedichte und so etwas wie eine Liebesgeschichte. Die Handlung braucht hier also nicht rekapituliert werden, ist sie doch auch viel zu komplex, um sie in drei Absätzen wiederzugeben.

Womit also sonst beginnen? Den technischen Daten? Die 713 Minuten Spielzeit verteilen sich auf beeindruckende 10 CDs, die in einem stilsicheren Pappschuber nach Hause kommen. Dazu gibt es ein kleines Booklet mit einer Einleitung von Brian Sibley, der zusammen mit Michael Blakewell das Drehbuch für das Hörspiel schrieb. Eine ganze Reihe bekannter Namen wurden verpflichtet, allen voran natürlich Ian Holm als Frodo und Peter Woodthorpe als Gollum, der die Rolle bereits in Ralph Bakshis Trickfilmversion des Stoffes verkörperte („The Lord of the Rings“, 1978). Nach zwei Monaten im Studio wurde die erste der 26 Episoden von „The Lord of the Rings“ am 8.3.1981 auf Radio 4 im UK ausgestrahlt.

Vielleicht sollte man also einfach von vorn beginnen: Nämlich im Shire, diesem idyllischen Flecken (Mittel-)Erde, in dem die Geschichte vom Ringkrieg seinen Anfang nimmt. Das Hörspiel lässt sich für die Exposition viel Zeit, und bis die Hobbits Rivendell erreichen, vergehen zwei CDs. Zwar fehlt auch in der Hörspielversion Tom Bombadil, doch lässt sich die Erzählung zunächst viel Zeit, um die Hobbits vorzustellen und zu charakterisieren und Hintergrundwissen unterzubringen (so wird beispielsweise das Kapitel „Riddles in the Dark“ aus dem [„Hobbit“ 481 mit eingeflochten, um zu erklären, wie Bilbo an den Ring gekommen ist). Es gibt viel Interaktion zwischen Frodo und Bilbo und gerade Ian Holm als Frodo klingt viel erwachsener und ernster als sein Gegenpart Elijah Wood im Film. Auch William Nighy (wohl besser bekannt als Bill Nighy, zu sehen in Filmen wie „Underworld“ oder „Love, Actually“) als Sam spricht sich sofort in die Herzen der Zuhörer. Und die Tatsache, dass er eine wunderbare und ausdrucksstarke Singstimme hat, verstärkt diesen Effekt noch. Im Gegensatz zum Film arbeitet das Hörspiel nämlich oft und gern mit den Liedern und Gedichten, die Tolkien in sein Werk hat einfließen lassen. So dürfen mehrere Charaktere von Zeit zu Zeit singen oder rezitieren und man hört beispielsweise „The Fall of Gil-Galad“, „The Lay of Luthien“ oder „Elbereth Githoniel“ in Auszügen. In vielen Fällen werden die Lieder auch von Musik begleitet (komponiert von Stephen Oliver). Gerade diese Lieder und Gedichte, die die meisten im Roman überlesen, entfalten im Hörspiel ihre volle Wirkung und tragen damit nicht nur stark zur Stimmung bei, sondern treiben von Zeit zu Zeit auch die Handlung voran.

Die Hobbits sind noch nicht einmal in Rivendell, da erwarten Tolkien-Puristen schon die ersten positiven Überraschungen. Arwen wurde, wie von Tolkien vorgesehen, wieder an ihre Stickarbeiten zurückbeordert (sie hat im Hörspiel ohnehin nur einen kurzen Dialog am Ende der Geschichte) und so darf der verletzte Frodo ganz traditionell von Glorfindel gerettet und nach Rivendell befördert werden. Und er ist nicht der einzige Charakter, der es – im Gegensatz zum Film – ins Hörspiel geschafft hat. Dazu gehört auch Halbarad, der zusammen mit den Rangern Aragorn in der finalen Schlacht unterstützt. Auch viele Szenen, die der Film vermissen ließ, sind ausführlicher ausgearbeitet. So ist die finale Konfrontation zwischen Gandalf und Saruman („The Voice of Saruman“) als Schlüsselszene angelegt und damit ein viel überzeugenderer Schlusspunkt als die Version von Peter Jackson. Es gibt mehr aus den Kapiteln „The Houses of Healing“, „The Scourging of the Shire“ und auch auf den Schluss der Geschichte wird mehr Zeit verwendet. So wie schon der Beginn von „The Lord of the Rings“ bedächtig im Shire anfing, so klingt die Geschichte dort auch langsam aus. Mit der Rückkehr ins Shire wird die Stimmung immer melancholischer und wehmütiger und entspricht damit sehr gut Tolkiens Ende des Ringkriegs. Das Hörspiel klingt also sehr leise aus und emotionale Gemüter werden wohl die ein oder andere Träne wegwischen müssen.

Wie sieht es nun mit den Sprechern aus?; mit ihnen steht und fällt schließlich die Glaubwürdigkeit der Geschichte. Auf alle kann hier natürlich nicht eingegangen werden, dafür ist das Ensemble einfach zu umfangreich, daher sollen hier einige Sprecher herausgepickt werden, die auf die ein oder andere Art aufgefallen sind:

|Menschen:|
Da muss natürlich Aragorn (Robert Stephens) erwähnt werden. Und welch einen Schock verursacht er zunächst, gerade im Gegensatz zu seinem filmischen Alter Ego (Viggo Mortensen). Wo Mortensens Aragorn ein nachdenklicher, von Selbstzweifeln geplagter König im Exil ist, so stellt Stephens ihn als selbstbewussten und zielgerichteten Mann dar, der durchaus weiß, was er will (nämlich König werden) und dieses Ziel auch hingebungsvoll verfolgt. Und dazu lacht er auch noch aus vollem Halse! Und das gleich in seiner ersten Szene! Robert Stephens ist gewöhnungsbedürftig, wohl auch, weil er stimmlich älter klingt, als man sich Aragorn vorstellen würde. Doch seine Interpretation wächst dem Hörer mehr und mehr ans Herz.

Theodén (Jack May) dagegen hat Tolkiens Pathos wohl etwas zu ernst genommen. Er klingt so theatralisch und überzogen, dass man sich wünscht, die Regie hätte hier eingegriffen und May etwas gedämpft.

Denethor (Peter Vaughan) dagegen ist ein echter Gewinn. Der Hörspiel-Denethor ist viel weniger verrückt als der Film-Denethor. Vaughan stellt ihn als einen überforderten Herrscher dar, der sich mit schier unüberwindlichen Problemen konfrontiert sieht – und bleibt damit viel dichter an Tolkiens Vorlage.

|Elben:|
Bei den Elben sticht kaum jemand heraus, anzumerken ist vielleicht nur, dass Galadriel (Marian Diamond) die erste Frauenstimme ist, die man im Hörspiel zu Ohren bekommt. Galadriel ist hier ein durchaus sympathischer und hilfsbereiter Charakter und keineswegs mysteriös oder zwiespältig.

|Hobbits und andere Kurze:|
Ian Holms Frodo macht im Verlauf des Hörspiels eine faszinierende Metamorphose durch. Zwar klingt er schon zu Beginn sehr seriös und erwachsen, doch nähert er sich später immer mehr Gollums Sprache und Modulation, was sehr gut den Einfluss illustriert, den der Ring auf ihn hat. Von einem durchaus ernsthaften und zielgerichteten Hobbit wird er so immer mehr zu einer unvernünftigen Kreatur, die nicht mehr für sich selbst entscheiden kann und geradezu krankhaft auf den Einen Ring fixiert ist.

Ein wahres Fest ist Peter Woodthorpe als Gollum. Er ist herrlich hysterisch und verrückt und Woodthorpe schafft es zielsicher, Gollums gesamten trickreichen Charakter mit seiner Stimme zu füllen. Da bleiben keine Wünsche offen. Ohne Frage ist Woodthorpe eines der großen Highlights des Hörspiels.

|Zauberer:|
Michael Hordern als Gandalf verleiht dem Charakter die nötige Würde und eine ordentliche Prise Mysterium und Witz: so, wie man Gandalf gewöhnt ist. Die wirkliche Überraschung ist jedoch Peter Howell als Saruman, der es tatsächlich schafft, den Zuhörer mit seiner Stimme zu bezaubern und für sich einzunehmen (ganz so, wie man es von Saruman behauptet). Wenn er will, klingt er so gutmütig, hilfsbereit und altruistisch, dass man ihm auf keinen Fall zutrauen mag, mit Sauron unter einer Decke zu stecken.

Im Hörspiel wirkt, trotz des großen Ensembles, niemand fehlbesetzt, auch wenn man natürlich zugeben muss, dass es unter Umständen schwierig werden kann, alle Charaktere auseinanderzuhalten. Schließlich werden alle zehn CDs, wenn man von den weiblichen Nebenrollen (Galadriel, Eowyn, Arwen) einmal absieht, von Männern bestritten. Doch wenn man ein grundlegendes Wissen darüber hat, was wann in der Geschichte passiert, so wird man auch keine Probleme haben, dem Hörspiel zu folgen. Ein Tipp sei jedoch erlaubt: Tolkiens „The Lord of the Rings“ in Buchform enthält in der Regel eine Karte von Mittelerde. Eine solche zur Hand zu nehmen, empfiehlt sich auch für das Hörspiel, um nachvollziehen zu können, wo sich die Gefährten gerade befinden. Wie das Leben nämlich so spielt, wird häufig darüber diskutiert, welcher Weg einzuschlagen ist (Männer können eben nicht nach dem Weg fragen …) und diese Diskussionen sind einfacher zu verfolgen, wenn man eine Karte zur Hand hat.

Abschließend ist zu sagen, dass das Hörspiel der BBC neben der Trickfilmversion von Ralph Bakshi und der Filmtrilogie von Peter Jackson eine wirklich faszinierende Interpretation des Stoffes von Tolkien ist. Das Hörspiel teilt sich mit dem Roman einige Längen (so beispielsweise der lange Expositionsteil im Shire), doch dafür kann es auch besonders gut die Stimmungen einfangen, die Tolkien zu evozieren versuchte. Überraschend ist auch, dass es gelungen ist, die Schlachten durchaus überzeugend darzustellen – und zwar nur mit Musik und kurzen Sprachfetzen. Und so wird zwar, naturgemäß, im Hörspiel wenig Elbisch gesprochen (was zwar schade, aber verständlich ist), doch macht man sich die vielen Lieder und Gedichte zunutze – für mich einer der großen Pluspunkte des Hörspiels. Weder der Trickfilm noch die Realfilme haben darauf viel Zeit verwendet und im Roman führt all diese Poesie eher ein Schattendasein. Im Hörspiel allerdings haben sie eine zentrale Rolle inne und können ihre ganze Suggestionskraft entfalten.

Dramatisierung: Brian Sibley und Michael Blakewell
Musik: Stephen Oliver
Sprecher: Ian Holm, Michael Hordern, Robert Stephens, Peter Woodthorpe, William Nighy, Richard O’Callaghan, John McAndrew, David Collings, Michael Graham Cox u. v. a.
Spielzeit: ca. 713 min

Den „Herr der Ringe“ als Hörspiel zu genießen, ist natürlich nicht ganz billig – die zehn CDs kosten knapp 50 €uro. Allerdings bekommt man dafür auch Hörgenuss vom Feinsten und Tolkien im englischen Original geboten.

http://www.hoerverlag.de

|J. R. R. Tolkien bei Buchwurm.info:|
[The Hobbit 481
[Der Hobbit 22
[Der Hobbit 130 (Hörspiel)
[Das Silmarillion 408
[Nachrichten aus Mittelerde 1407
[Der Elbenstern 805 (Hörbuch)

Rice, Anne – Blackwood Farm

Band neun der nun schon Jahrzehnte umspannenden „Chronik der Vampire“ von Anne Rice halte ich in den Händen. Bereits 2002 in Amerika erschienen und nun auch endlich auf Deutsch erhältlich, wird „Blackwood Farm“ im Klappentext als „einer der besten Romane von Anne Rice“ gepriesen. Anne Rices florierende Buchproduktion ließ in den letzten Jahren qualitativ stark zu wünschen übrig – ewig das Gleiche, war man als Leser versucht zu denken. Da lassen die Vorschusslorbeeren für „Blackwood Farm“ zumindest aufhorchen. Frisch und faszinierend sei das Buch, was den langjährigen Fan ihrer Romane hoffen lässt, da die letzten Teile ihrer Reihe, [„Merrick“ 59 und „Blut und Gold“, an Spannung und Handlung kaum etwas vorzuweisen hatten.

Wer jetzt aber davon ausgeht, dass Anne Rice in ihrem neuesten Werk auf alte Tugenden zurückgreift, der liegt falsch. Weder wird ergründet, wie sich die Ereignisse aus „Merrick“ auf Louis ausgewirkt haben, noch ist unser aller liebster Vampir Lestat der Protagonist der Geschichte. Er kommt marginal in der Rahmenhandlung vor, darf sich väterlich geben und scheint auf seine alten Jahre gutmütig und leutselig geworden zu sein.

Denn eigentlich hatte er New Orleans zu seinem Gebiet erklärt und angedroht, Vampire, die sich dorthin trauen, gnadenlos zu vernichten. Quinn Blackwood, seines Zeichens frischgebackener Untoter, wagt es trotzdem. Für ihn ist Lestat nämlich so etwas wie der Guru der Vampire, was dazu führt, dass er bei ihrer ersten Begegnung ein ziemlich nervtötendes Fanverhalten an den Tag legt. Er hat alle Bücher Lestats gelesen und weiß über die Geschichte der Entstehung der Vampire bestens Bescheid. Der erste Vampir soll nämlich entstanden sein, als ein blutdurstiger Geist in die tödlichen Wunden eines ägyptischen Herrscherpaares eingedrungen war. Das stellt Quinn vor ein gefährliches Problem: Seit frühester Jugend nämlich begleitet ihn ein Doppelgänger in Form des Geistes Goblin. Seit Quinn zum Vampir geworden ist, hat sich auch Goblin verändert. Nachdem Quinn seinen Durst gestillt hat, wird er mit schöner Regelmäßigkeit von Goblin attackiert, der sich seinen Anteil der Blutmahlzeit abholt. Von Mal zu Mal erscheint Goblin stärker und Quinn plagen nun Ängste, ob sich durch Goblin eine neue Rasse von Vampiren entwickeln könnte.

Also wendet er sich an jemanden, der sich damit auskennt: Lestat soll ihm helfen, Goblin zu vernichten, um so eine Gefahr für Mensch und Vampir zu vermeiden. Doch anstatt Quinn zu vernichten, wie Lestat angekündigt hatte, nimmt er ihn unter seine Fittiche, führt mit ihm bedeutungsschwangere Gespräche, freundet sich mit dessen hochbetagter Tante Queen an und gesteht Quinn schlussendlich ziemlich abrupt seine Liebe.

Um Lestat nun genau zu erklären, was es mit diesem Geist auf sich hat, holt Quinn reichlich weit aus, klärt Lestat (und den Leser) zunächst über die komplette Familiengeschichte der Blackwoods auf und ergeht sich dann über mehrere hundert Seiten darin, sein junges Leben Revue passieren zu lassen.

Aufgewachsen ist Klein-Quinn als Einzelkind zwischen lauter Erwachsenen. Diese machten sich also zunächst keine Gedanken über den dazugehörigen Geist Goblin, da sie annahmen, es handle sich um einen eingebildeten Freund. Als steinreicher Erbe von Blackwood Farm entwickelt sich Quinn bald zu einem exzentrischen, egomanischen und geradezu unerträglich naiven jungen Mann. Mehrere Lehrer werden verschlissen, um ihm eine humanistische Bildung angedeihen zu lassen, die obligatorische Grand Tour durch Europa folgt, als er 18 Jahre alt ist und ebenfalls in diesem Alter entbrennt seine Liebe zur kleinen Mona Mayfair, obwohl er einen Tag zuvor noch davon überzeugt war, schwul zu sein. Ganz in der Tradition verklärter Romanzen, packt Quinn seine Liebeserklärungen in schwülstige Worte, versichert immer wieder, Mona heiraten zu wollen und verschwendet nun keine Gedanken mehr an Homosexualität (denn vorher hat er auch schon mal mit Geist Goblin unter der Dusche heiße Sexspielchen getrieben).

Eine gewisse Dynamik kommt in die Geschichte, als Quinn anfängt, das Familiengeheimnis um Sugar Devil Island aufzudecken, auf dem ein altes Haus steht, das offenbar immer noch bewohnt ist. Bei all seinen Besuchen findet er gelesene Taschenbücher vor, Asche im Ofen und – O Wunder! – eine goldgefasste Gruft. Der erfahrene Anne-Rice-Leser weiß nun, was Quinn erst noch schmerzlich erfahren muss; denn natürlich handelt es sich bei dem geheimnisvollen Bewohner des Eilands um einen Vampir.

Die Bewohnerin der Einsiedelei, Petronia – eine Figur ganz nach dem Riceschen Ideal eines Vampirs -, findet Gefallen am jungen Blackwood und fängt an, ihn zu bedrohen und mit ihm zu spielen. Der Ausgang der Geschichte ist klar – Quinn endet als Vampir.

Nach Quinns ausführlicher Biographie werden die letzten fünfzig Seiten noch darauf verwendet, das Geheimnis um seinen Geist zu lösen, diesen unschädlich zu machen und Mona von ihrer geheimnisvollen Krankheit zu heilen. Wo Anne Rice in Quinns Biographie weit ausgeholt und jedes Detail geradezu obsessiv beschrieben hat, wird die eigentlich viel spannendere Rahmenhandlung um Lestat, Quinn und den Geist wie eine unliebsame Aufgabe auf einer Mindestanzahl von Seiten abgehandelt.

„Blood refreshed for Rice“ (Denver Post) oder „a completely fresh story“ (Booklist) tönte die Fachpresse vor der Veröffentlichung in den USA. Und tatsächlich liest sich „Blackwood Farm“ aus verschiedenen Gründen unterhaltsamer als die zwei Vorgänger. Wenn Rice in „Merrick“ noch unerreichbare Dschungellandschaften beschrieb und in „Blut und Gold“ ins alte Rom eintauchte, so sieht sie in ihrem neuesten Roman ein, dass sie nur über ihr Bekanntes auch überzeugend schreiben kann. Die Darstellungen von New Orleans und vor allem dem magischen Blackwood Farm, das nicht nur ein Hort für Geister, sondern auch ein Symbol für Dinge wie Heimat, Geborgenheit und Familie ist, sind so bildlich, dass man sich als Leser förmlich in die Landschaft der Sümpfe um New Orleans versetzt fühlt. Dieses Talent lässt sichtbar nach, wenn sie sich aus dem Umkreis von New Orleans entfernt. Schon Reisen nach New York oder gar nach Italien wirken ungefähr so lebendig wie die Beschreibungen aus einem Reiseführer.

Ein weiterer Vorteil ist ihre Entscheidung, die Geschichte komplett in der Gegenwart anzusiedeln. So werden die Geschehnisse um Quinn Blackwood für den Leser erfahrbarer und es ergibt sich die Möglichkeit, Charaktere aus ihren beiden großen Serien, nämlich der „Chronik der Vampire“ und den „Mayfair“-Romanen miteinander zu verknüpfen. Wirkte dieser Versuch eines Crossovers in „Merrick“ bemüht und wenig durch die Geschichte determiniert, so erscheint es hier nur logisch, beide Familien zusammenzuführen und in einem Roman zu verweben.

Allerdings erreicht „Blackwood Farm“ lange nicht die Qualität ihrer ersten Bücher, vor allem [„Interview mit einem Vampir“ 68 und „Der Fürst der Finsternis“. In den letzten Jahren darauf verfallen, nur noch Vampir-Biographien zu verfassen, verfährt sie auch hier wie gehabt nach Schema F: Man nehme eine kurze Rahmenhandlung, setze zwei Vampire an einen Tisch und bringe einen von ihnen dazu, seine gesamte Lebensgeschichte zu rekurrieren. Vampir Nummer zwei ist zum Schweigen verurteilt, bis auf den höchstens letzten fünfzig Seiten die Rahmenhandlung wieder aufgegriffen und fix zu einem Ende gebracht wird. Noch zu beachten ist dabei, dass aufeinander folgende Bücher in keinem Fall aneinander anknüpfen dürfen. In dem Sinne bietet auch „Blackwood Farm“ nichts Neues und besonders beim erfahrenen Rice-Leser setzen daher bald Ermüdungserscheinungen ein.

Auch Quinn Blackwood wird dem Durchschnittsleser kaum nahe zu bringen sein. Seine anerzogene Exzentrik, seine Annahme, mit Geld alles lösen zu können und sein schwülstig-naiver Versuch, das Leben zu meistern, stoßen bestenfalls auf Unverständnis. Zwar möchte man ihm von Zeit zu Zeit über den Kopf streichen und ihm einen guten Rat geben, jedoch wird man den Gedanken nicht los, dass ein beherzter Tritt in den Allerwertesten ihm vielleicht einen besseren Dienst erweisen würde. Er passt damit genau in das Muster eines Charakters nach Riceschem Vorbild, da sie es offensichtlich mag, mit plakativen Stereotypen zu arbeiten. So sind ihre Helden reich und schön, und zwar so reich und schön, dass es außerhalb jeder Realität liegt. Quinn wirft mit dem Geld nur so um sich und hat mal ganz nebenbei mehrere Tausend Dollar in der sprichwörtlichen Zuckerdose liegen. Zwar mag Quinns sorgloser Umgang mit Geld beim Leser ein kurzes „hach, wenn ich nur so viel Geld hätte“, hervorrufen, doch auf lange Sicht ist sein dekadenter Lebensstil ein echtes Manko des Romans.

Somit krankt Anne Rice letztes Buch weiterhin an ihrem festgefahrenen Schreibschema und an der Tatsache, dass in früheren Büchern begonnene Handlungsstränge einfach nicht weitergeführt werden. Fans der Mayfair-Chroniken dagegen werden sich freuen, Rowan und Mona Mayfair sowie Michael Curry wiederzutreffen. Sogar Juliens Geist hat einen Auftritt und trinkt mit Quinn Kakao.

Doch „Blackwood Farm“ ist dennoch ein unterhaltsames Lesevergnügen – oder zumindest eines der besseren Rice-Bücher der letzten Jahre, vor allem durch die große Anzahl neuer, unverbrauchter Charaktere, die der eingefahrenen Riceschen Buchproduktion neuen Pepp verleihen. Und obwohl außerdem Charaktere aus ihren beiden großen Romanreihen fast unkommentiert eingeführt werden, sollte die Lektüre auch für Neueinsteiger gut zu bewältigen sein. Das plötzliche Auftauchen einiger Mayfairs macht höchstens neugierig auf die dazugehörigen Romane, einem Verständnis der Gesamthandlung wirken sie aber nicht entgegen. Nicht zuletzt ist „Blackwood Farm“ ein groß angelegter Schmöker – die fast 700 Seiten dürften selbst schnelle Leser für eine Weile beschäftigen.

Der neue große Coup ist Anne Rice nicht gelungen. Weiterhin sind ihre ersten Romane auch ihre stärksten und es scheint, sie werde ihrer Vampire langsam müde. Und so wurde 2004 auch das momentan letzte Buch aus der Reihe veröffentlicht, nämlich „Blood Canticle“ (in Deutschland noch nicht erschienen). Die Vampirchroniken werden also geschlossen und man darf gespannt sein, welchem Thema sich Anne Rice als nächstes zuwenden wird.

http://www.annerice.com/

Harris, Charlaine – Club Dead

„Club Dead“ ist mittlerweile schon der dritte auf Deutsch erschienene Roman von Charlaine Harris um die Kellnerin Sookie Stackhouse (in den USA sind bereits fünf Bände der Serie zu haben). Sookie ist eigentlich ein Durchschnittstyp. Okay, sie ist offensichtlich recht attraktiv und weiß ihre langen blonden Haare und ihre gute Figur zu ihrem Vorteil einzusetzen, doch ansonsten gibt es eher wenig, was sie für den Leser auf Anhieb interessant macht: Sie hat nur eine minimale Schulbildung, lernt neue Vokabeln aus einem Abreißkalender und verdient ihr Geld als Kellnerin in einer Bar in dem Pronvinzkaff Bon Temps. Doch Sookie hat auch ihre faszinierende Seite: Sie kann nämlich Gedanken lesen und ihr Freund ist ein Vampir. In den beiden vorangegangenen Bänden, [„Vorübergehend tot“ 788 und „Untot in Dallas“, durfte die geneigte Leserin erfahren, wie Bill – nämlicher Vampir – und Sookie sich kennen lernten, sich näher und schließlich zusammenkamen, wie Sookies Gedankenleserei funktioniert und dass Vampire ganz normale Bürger in den USA sind. Hier im dritten Band hat sich also Harris‘ mit Vampiren und anderem übernatürlichem Getier bevölkerte Welt schon etabliert und so kann sich die Autorin voll und ganz auf ihre Charaktere und die Handlung konzentrieren.

In [„Untot in Dallas“ 939 verließen wir Sookie und Bill in trauter Zweisamkeit. Doch in „Club Dead“ ziehen die ersten Regenwolken am Horizont auf. Der biedere Bill, der Sookie bisher mit Liebesbeweisen überschüttet hat und eigentlich schon viel zu aufmerksam für einen heterosexuellen Mann in einer festen Beziehung ist, entwickelt sich nun schlagartig zum typischen Boyfriend: Er sitzt nur noch zu Hause, starrt auf seinen Computer und würdigt Sookie kaum noch eines Blickes. Die ist ziemlich angenervt und auch seine Erklärung, dass er von der Vampirkönigin mit einem Spezialauftrag bedacht wurde, kann sie nicht vertrösten. Dann muss Bill auch noch die Stadt verlassen und hinterlässt Sookie seltsame Anordnungen für den Fall seines Ablebens.

Es kommt, wie es kommen muss. Ein paar Wochen später taucht Eric bei Sookie auf – in der Vampirhierarchie Bills direkter Vorgesetzter – um ihr zu erklären, dass Bill vermisst wird. Sookie, die sich nicht ganz sicher ist, ob sie auf Bill sauer oder um ihn besorgt sein soll, beschließt, ihn ausfindig zu machen und dazu ihre Gedankenleserei einzusetzen. So schickt Eric sie nach Jackson in den Club Dead, damit sie sich dort in den Gedanken der Besucher umhören und vielleicht einen Hinweis auf Bills Verbleib erhaschen kann. Natürlich geht dieser Plan schon bei der erstbesten Gelegenheit schief und Sookie muss sich, wie immer, mit Untoten, Irren, Leichen und Werwölfen rumschlagen. Und als sie Bill dann endlich gegenübersteht, muss sie erst einmal herausfinden, ob sie ihn überhaupt noch will …

Wer am Ende von „Untot in Dallas“ dachte, Sookies und Bills Beziehung würde nun immer so idyllisch weitergehen, der hat aufs falsche Pferd gesetzt. Und mal ehrlich, so zuckersüß, wie es bei den beiden zuging, hätte der Durchschnittsleser nach vier Bänden Diabetis entwickelt. Dass sie jetzt wie jedes andere Paar auch mit dem Fluch des Alltags kämpfen müssen, bringt Schwung in ihre überirdische Beziehung und macht gleichzeitig Platz für andere Charaktere, die um Sookie buhlen dürfen. Da wäre zunächst der Vampir Eric, der schon in den letzten beiden Romanen auftauchte und mit seinen selbstbewussten Flirtversuchen und großem Sexappeal jedes Leserinnenherz höher schlagen lassen dürfte. Eric darf in „Club Dead“ viel mehr Zeit mit Sookie verbringen, und auch wenn diese seine Avancen immer wieder unterbinden will, spürt man in diesen Szenen ganz besonders das erotische Knistern zwischen den beiden. Und zum anderen wäre da noch der Werwolf Alcide, der sie in Jacksons Szene einführen soll. Nun erinnert Alcide zwar mit seiner grundsoliden, überaus netten Art sehr an einen ganz ähnlich angelegten Werwolf aus der Romanserie von Laurell K. Hamilton, doch bleibt Sookie ihrem Bill treu, selbst wenn sie stinkwütend auf ihn ist. So hält sich der erotische Overkill in Grenzen, auch wenn Alcide und Sookie in Jackson als Pärchen auftreten, um möglichst unverdächtig zu wirken.

Nun, es ist ziemlich klar, dass Sookie Bill am Ende der Geschichte finden und retten muss. Viel interessanter ist also, wie sie ihren Lover tatsächlich ausfindig macht und ihn aus den Fängen seiner Ex-Geliebten rettet. Wie immer gibt es viele Einblicke in die sozialen Vampirstrukturen und als Bonus kommt natürlich auch Bubba wieder vor (Leser der Serie werden wissen, wer hier gemeint ist – schließlich reagiert er auf seinen wahren Namen recht allergisch). „Club Dead“ erreicht zwar nicht den Grad an Action, den Harris noch in „Untot in Dallas“ aufgefahren hat, doch bietet der Roman eine ausgewogene Mischung aus Action, Mystery, Krimi, Horror und Erotik.

Die Übersetzung verbessert sich mit jedem neuen Roman aus der Serie merklich, was das Lesevergnügen ungemein steigert. Überhaupt, das Lesevergnügen: „Club Dead“ ist ein unterhaltsamer Schmöker, ein wunderbares Buch zum Abschalten mit genau dem Genremix, der besonders weibliche Leser ansprechen wird. Leider sieht man diesmal recht wenig von Bill, doch kann Eric den Verlust mit seiner lässigen Art mehr als wettmachen. Besonders Fans seines Charakters werden diesmal also auf ihre Kosten kommen.

Kurzum: „Club Dead“ wird Fans der Serie nicht enttäuschen!

|Originaltitel: Club Dead
Aus dem Englischen übertragen von: Dorothee Danzmann|

Bram Stoker / Marc Gruppe – Das Amulett der Mumie (Gruselkabinett 2)

Abel Trelawny ist Mumienforscher. Sein gesamter Haushalt ist mit Fundstücken aus dem alten Ägypten vollgestellt und das ganze Haus durchweht der (recht stickige) Dunst der Geschichte. Doch eines Nachts, als er wie immer an seinen Forschungen arbeitet, findet ihn seine Tochter Margaret aus tiefen Schnittwunden an den Handgelenken blutend in seinem Arbeitszimmer vor. Der hinzugezogene Arzt versorgt zwar die Wunden, doch Trelawny will einfach nicht aus seinem unnatürlichen Schlaf erwachen.

Bram Stoker / Marc Gruppe – Das Amulett der Mumie (Gruselkabinett 2) weiterlesen

Laymon, Richard – Vampirjäger

Sam scheint als Lehrer ein bisher ziemlich gewöhnliches und langweiliges Leben geführt zu haben. Bis zu dem Abend, an dem seine Jugendliebe Cat plötzlich, nur mit einem blauen Bademantel bekleidet, vor seiner Tür steht. Dazu muss man wissen, dass Sam natürlich immer noch unsterblich in Cat verliebt ist, auch wenn er sie zehn Jahre nicht gesehen hat. Und so bedarf es auch fast keiner Überredungskünste ihrerseits, ihn zu einem Mord anzustiften.

Cat hat es nämlich faustdick hinter den Ohren. Ihren Ehemann hat sie schon vor ein paar Jahren beseitigen lassen, doch nun macht ihr der damals angeheuerte Killer zu schaffen. Der ist nämlich ein Vampir und besucht sie alle paar Nächte, um ihr das Blut auszusaugen. Drum will Cat den Kerl, Elliot ist sein Name, loswerden und braucht dazu Sams Hilfe.

Sam schlägt sich auch ganz gut als gedungener Mörder, doch stehen er und Cat nun vor einem Problem: Denn obwohl Vampire in Filmen immer sehr praktisch und zeitsparend zu Staub zerfallen, passiert mit Elliot gar nichts. Er blutet den Teppich voll und ist ansonsten eine ziemlich durchschnittliche Leiche. So machen sich Cat und Sam also mitten in der Nacht auf, um die Leiche in einem tiefen Loch weit weg von L.A. zu verscharren …

So einfach, wie die beiden sich diese Aktion vorstellen, ist sie aber lange nicht. Denn „Elliots Fluch“, wie sie ihr schlechtes Karma schon bald nennen werden, macht sich bald bemerkbar. Die beiden sind einfach vom Pech verfolgt. Zuerst kommen sie durch einen geplatzten Reifen von der Straße ab, dann geraten sie in die Fänge eines ziemlich zwielichtigen Bikers und von da an geht es rapide abwärts für Cat und Sam …

Man sollte es gleich zu Anfang sagen: Ein Vampirroman ist Richard Laymons „Vampirjäger“ wohl kaum. Elliot der Vampir ist eine wenig eindrucksvolle Gestalt mit seinen Fängen aus Stahl und seinem lächerlichen Cape. Und so wird er dankbarerweise auch relativ schnell ins Jenseits befördert. Seine reichlich seltsame Erscheinung und die Tatsache, dass er weder zu Staub zerfällt noch übermäßig auf Sonnenlicht reagiert, lässt beim Leser darüberhinaus die Vermutung aufkommen, dass Elliot nur ein Spinner ist; ein Außenseiter, der hinter der Maske des Vampirs seine brutale Sexualität auslebt. Auch Cat und Sam sind sich nie so ganz sicher, ob sie mit Elliot nun einen wahren Blutsauger um die Ecke gebracht haben. Doch sicherheitshalber befolgen sie die ungeschriebenen Regeln für Vampirjäger genau – man kann ja nie wissen!

Aber wie gesagt, Elliot ist für den Hauptteil des Romans tot und im Kofferraum von Cats Wagen verstaut. Statt eines Vampirromans bekommt der Leser also eine Art Horror-Road-Movie (als Buch, versteht sich) mit einer starken Prise Erotik und Sex. Denn natürlich bleiben Sams Gefühle für Cat nicht lange unerwidert. Nach einigen zaghaften Annäherungsversuchen fallen die beiden, im Angesicht der Todesgefahr, förmlich übereinander her – was macht es schon, dass sie gerade einen Autounfall hinter sich haben und beide ziemlich lädiert sind?

Laymon beschreibt auf stolzen 440 Seiten gerade mal einen Tag im Leben von Cat und Sam. Zugegeben, an diesem Tag passiert außergewöhnlich viel und außergewöhnlich Seltsames. Trotzdem erklärt Laymon mit akribischer Genauigkeit, was seinen Protagonisten gerade widerfährt. Dies kann zu Ermüdungseerscheinungen beim Leser führen. Wenn man nachts um zwei ins Bad geht, ist es relativ logisch, dass man das Licht anmacht. Solche Dinge müssen nicht extra erzählt werden. Sie hemmen das Vorankommen der Handlung und verlängern das
Buch unnötig.

Laymon schreibt eindeutig für ein männliches Publikum, das garantiert den meisten Spaß an seiner erotisch aufgeladenen Atmosphäre haben wird. Sams Fixierung auf Cats Busen und das allgemeine Fehlen jeglicher Unterwäsche im Roman wird Frauen schnell langweilen. Laymon kann ganze Seiten damit zubringen zu beschreiben, wie Cats Bluse über ihre Haut rutscht und ein Stück Brust freilegt. Hochrutschende Kleider, freigelegte Schenkel und schweißnasse Haut sind ein wichtiger Bestandteil von Laymons Romanwelt.

Die andere wichtige Zutat ist Gewalt. Nachdem Cat und Sam ihre (ohnehin nur minimal vorhandene) Moral abgeschüttelt haben, haben sie kein Problem mit Mord, Gewalt, Brechstangen, Waffen und einem guten Schuss Folter. Mit zunehmendem Genuss lassen sie sich in die Halbwelt von Kleinkriminellen und Verbrechern hinab und teilen so gut aus, wie sie einstecken müssen.

Für zarte Gemüter ist Richard Laymon also nichts. Auch klassische Horrorelemente findet man nur spärlich, stattdessen setzt er auf Brutalität und Gewalt und lässt das Blut genüsslich spritzen. Cat und Sam unternehmen eine wilde Reise hinab in den Sumpf menschlicher Abgründe – wem „Kalifornia“ gefallen hat, der wird auch „Vampirjäger“ lieben!

Wer härtere Gangarten mag, der greift mit „Vampirjäger“ zum richtigen Buch. Zusammen mit Cat und Sam darf man sich als Leser genussvoll dem Blutrausch aus zweiter Hand ergeben und den Bösen ordentlich eins auf die Mütze geben. Und auch wenn es klischeehaft und kaum überraschend ist, so freut man sich doch, dass der Held wider Willen am Ende die wunderschöne und tapfere Frau gewinnt und sie beide bis ans Ende ihrer Tage glücklich leben … Oder zumindest so lange, bis der nächste Unruhestifter vorbeikommt.

Kilpatrick, Nancy – Todessehnsucht

Kathy wird von allen nur Zero genannt, denn sie ist nichts und sie hat nichts. Drogensüchtig und pleite, verkauft sie ihren Körper, wenn sich die Gelegenheit ergibt. Für einen Schuss H würde sie alles tun – auch töten, wie sich herausstellen soll. So wird sie von einem anonymen Auftraggeber von New York nach Manchester geschickt, um dort einen vermeintlichen Vampir zu vernichten. Doch high wie sie ist, muss ihr kläglicher Versuch scheitern und sie gelangt in die Fänge des Blut saugenden Untoten.

Aber halt, würde der Blut saugende Untote das einzig Logische tun und Zero aussaugen oder ihr das Genick brechen oder ihr auf andere meisterliche Art das Lebenslicht auspusten, so hätte er sich und dem Leser viele Unannehmlichkeiten erspart. Doch David, so heißt der Vampir, ist ein Gentleman alter Schule: ein Dichter und Romantiker, der es nicht übers Herz bringt, seine Opfer zu töten und sich stattdessen in die Abgeschiedenheit seines englischen Landsitzes zurückgezogen hat – woher kommt einem das nur bekannt vor?

David also schnappt sich Zero, fesselt sie ans Bett und wartet erst einmal ihren kalten Entzug ab. Sodann machen sich die beiden auf nach Amerika, um herauszufinden, wer eigentlich hinter dem Attentat auf David steckt. Als sie New York erreichen, passiert, was der Leser schon seit Seite zehn befürchtet: David und Zero verlieben sich unsterblich ineinander; natürlich ohne wirklich etwas voneinander zu wissen oder je ein tiefgründiges Gespräch geführt zu haben. Das steht heißen Sexszenen selbstverständlich nicht im Wege und so springen die beiden bevorzugt miteinander ins Bett, während David hochdramatisch Byron deklamiert.

200 Seiten später sind David und Zero immer noch dem ursprünglichen Attentäter auf der Spur, haben sowohl Amerika als auch Kanada durchquert, den ersten Streit ihrer Beziehung hinter sich und es fertig gebracht, David per Sonnenlicht schwer anzukokeln. Des Rätsels Lösung kann nach etlichen abstrusen Wendungen der Handlung auch nur überraschen, wenn man noch nie einen Kriminalroman gelesen hat. Und so mag es kaum überraschen, dass sich das Ende des Romans in Friede, Freude, Eierkuchen auflöst und David und Zero gemeinsam in den sprichwörtlichen Sonnenuntergang reiten – rhetorisch gesehen, versteht sich.

Nancy Kilpatricks „Todessehnsucht“ erschien in Amerika erstmals 1994 und ist Teil einer mehrbändigen Reihe von lose verbundenen Geschichten um eine Gruppe von Vampiren (engl. Titel „The Power of the Blood Series“). Kilpatrick versucht, leider erfolglos, eine Milieustudie (die drogenabhängige Zero, das abgerissene Hotel, in dem sie in New York wohnen) mit ein paar Vampiren und einem guten Schuss Sex zu kombinieren. Eine solche Mischung könnte durchaus funktionieren, wäre sie rein stilistisch und erzählerisch mit einiger Meisterschaft zu Papier gebracht. Doch Kilpatrick bedient so ungefähr jedes Klischee, das ihr in den Weg kommt und hält ihre Geschichte damit in so vorhersehbaren Bahnen, dass beim Leser kaum Spannung aufkommen mag.

Da wäre zunächst ihr Vampir David, offensichtlich die zentrale Figur für die angestrebte weibliche Leserschaft. Natürlich war er mal Aristokrat, sieht vermutlich gut aus (doch hält sich Kilpatrick in der Regel nicht lange mit Äußerlichkeiten auf) und ist von so romantischem Gemüt, dass dem durchschnittlichen postmodernen Leser ganz schwarz vor Augen wird. Als ultimativen Beweis für seine sentimentale Grundhaltung und seine literarische Bildung lässt Kilpatrick ihn zu den unmöglichsten Momenten Lord Byron zitieren. Dies führt zwangsläufig zu Abnutzungserscheinungen, ganz abgesehen davon, dass Byron nicht der einzige romantische Dichter ist, der das Zitieren lohnt. Doch David besitzt scheinbar nur diesen einen Band Poesie …

Besser als gar nichts, denn Zero dagegen ist eine drogenvernebelte Schlampe ohne jegliche Bildung (bei ihr also nicht mal Byron), die sogar erfragen muss, was oder wo Montréal ist. Für einen Großteil der Handlung drehen sich ihre Gedanken um Heroin, danach obsessiert sie bevorzugt über David. Auf welcher Grundlage die beiden nun eigentlich zusammenfinden, lässt Kilpatrick stillschweigend offen und so bleibt ihre Liebesbeziehung oberflächlich und wenig überzeugend.

Überhaupt die Liebe. Gerade in diesen Szenen läuft Kilpatrick zu pathetischer Hochform auf und der Schwulstfaktor steigt in unerträgliche Höhen. Doch spätestens wenn David seiner Zero per Brief mitteilen lässt, „Kathy, süße Kathy, unschuldiges Kind, leidenschaftliche Frau, Wesen von azurnem Feuer, blauer Diamant mit unzähligen Facetten“, dann ist die Geduld des Lesers einfach erschöpft. Da ist es doch gut, dass David nur Gedichte von Byron zitiert anstatt eigener Poesie. Man wagt gar nicht daran zu denken, was in dem Fall rausgekommen wäre.

Abgesehen von den stilistischen Schwächen, kann aber auch der Plot selbst kaum überzeugen. Er ist abwechselnd zu durchsichtig oder zu abwegig. Natürlich, wenn man einem Kind eben noch sagt, dass ihm nichts passieren wird, dann ist es nur logisch, dass es auf der nächsten Seite prompt entführt wird. Solche erzählerischen Zaunpfähle sorgen nicht gerade dafür, dass man von der Handlung positiv überrascht wird. Viel zu unmotiviert erscheint auch das Ende. Zwar ist der Roman Teil einer Serie, doch ist es nicht nötig, für den Showdown ein ganzes Dutzend neuer Vampire einzuführen, die keine andere Funktion haben, als die Vampirarmee des Bösewichts mathematisch aufzuwiegen. All diese Charaktere bleiben schablonenhaft und austauschbar und Kilpatrick hätte sie am besten ganz weggelassen.

Die Rückseite des Romans bewirbt „Todessehnsucht“ als „gewagten Erotik-Horror“. Gewagt ist höchstens die unterdurchschnittlich schlechte Prosa. Horror wird der Liebhaber kaum finden und die Erotik ist wohl nur was für die wirklich seicht Veranlagten. Wer gern gefühlsduselig im Schwulst schwimmt, der mag bei Nancy Kilpatrick fündig werden. Für alle anderen gilt: Lieber ein anderes Buch zur Hand nehmen!

Tolstoi, Alexej K. / Gruppe, Marc – Familie des Vampirs, Die (Gruselkabinett 3)

1815 in Wien: Eine bunte Gesellschaft hat sich in der Weltstadt versammelt. Das politische Tauziehen des Wiener Kongresses ist beendet und nun trifft man sich in gemütlicher Runde, um Gruselgeschichten auszutauschen. Mit von der Partie ist Serge d’Urfé, der seinen Zuhörern eine Erzählung größter Unheimlichkeit verspricht, die dazu noch wahr ist – sie ist ihm selbst passiert.

In jungen Jahren unsterblich in die Fürstin Isabelle Grammont verliebt, beschließt er, in den Diplomatendienst zu gehen, da Isabelle seine Avancen offensichtlich nicht erwidert. Zum Abschied, erschüttert darüber, dass sich Serge ins gefährliche Osteuropa begeben wird, schenkt sie ihm ein Kreuz und warnt ihn eindringlich vor den Gefahren der bevorstehenden Reise.

Es verschlägt Serge in das kleine serbische Dorf Kisolova, wo er bei der Familie des Gortscha Unterkunft findet. Die Stimmung ist gedrückt, denn der alte Gortscha hatte sich aufgemacht, einem Räuber (und Schlimmerem) den Garaus zu machen. Kehre er innerhalb von zehn Tagen nicht zurück, solle man ihn für tot halten. Kehre er aber nach Ablauf der zehn Tage nach Hause zurück, so solle man ihn für einen Vampir halten und ihm eine Pflock durchs Herz treiben. Der Tag, an dem Serge bei der Familie eintrifft, markiert genau den Ablauf des gesetzten Frist. Und tatsächlich, mit dem Stundenschlag kehrt Gortscha heim. Doch niemand weiß, ob die zehn Tage nun abgelaufen sind oder nicht …

Der alte Gortscha ist plötzlich stark verändert, er fährt seine Familie an und ist ungewöhnlich aufbrausend. Zwar hat er den Räuber getötet, so wie er es sich vorgenommen hatte, doch scheinbar sind in den zehn Tagen noch andere Dinge von Bedeutung passiert: Gortscha hat sich in einen Wurdalak, einen Wiedergänger verwandelt, der Nachts um das Haus seiner Angehörigen schleicht und einen nach dem anderen zu sich holt.

Während sich Gortscha zunächst an seinen Enkel ranmacht, wirft Serge – selbst kein Kostverächter – ein Auge auf Zdenka, eine bezaubernde Landschönheit, in die er sich sofort Hals über Kopf verliebt. Er schwört ihr ewige Liebe, doch bevor er Zeuge der Eskalation der Vampirsituation in Kisolova werden kann, muss er die Weiterreise antreten.

Als er ein halbes Jahr später auf der Rückreise wieder durch Kisolova kommt, findet er das Dorf ausgestorben vor. Der Priester des nahe gelegenen Klosters warnt Serge, dass alle dem Wurdalak Gortscha zum Opfer gefallen wären … und Zdenka habe den Verstand verloren. Natürlich begibt sich Serge bei der Erwähnung dieses Namens in die Höhle des Löwen. Doch welche Schrecknisse werden ihn wohl erwarten, wenn er in Kisolova übernachtet?

Alexej K. Tolstois Erzählung „Die Familie des Vampirs“ (manchmal auch „Die Familie des Wurdalak“) von 1847 setzt dem osteuropäischen Volksglauben um den Wiedergänger ein literarisches Denkmal. Tatsächlich fand nämlich in dem durchaus realen Kisolova im 18. Jahrhundert eine Vampirplage statt, der ein Großteil der Dorfbevölkerung zum Opfer fiel. Die behördlichen Dokumente zu den Toden und den darauffolgenden Exhumierungen vermeintlicher Vampire unter der Aufsicht von Staatsbeamten sind noch heute klassische Texte der Vampirliteratur und erregten seinerzeit großes Interesse bei Wissenschaftlern und Theologen. Wie im Volksglauben ist auch Tolstois Wurdalak ein Vampir, der von den Toten wiederkehrt, um jedoch ausschließlich seine nahen Familienangehörigen mit in den Tod zu reißen. In manchen ländlichen Gebieten Südosteuropas hat sich der Glauben an Wiedergänger bis heute gehalten.

Tolstoi fügt solche Versatzstücke des serbokroatischen Volksglaubens immer wieder in die Erzählung ein und Marc Gruppe verstärkt diese Elemente noch in seiner Hörspielbearbeitung. Gruppe macht aus der Erzählung eine klassische Gruseltour, indem er den Originaltext an einigen Stellen durchaus auffällig verändert. So lässt er Serges Frauengeschichten, die sich bei Tolstoi ironisch durch den Text ziehen, zugunsten einer romantischen Liebe fallen und schreibt den Schluss von „Die Familie des Vampirs“ komplett um, um das Hörspiel mit einem Knalleffekt enden lassen zu können.

Mit seiner furiosen Schlussklimax kann das Hörspiel das etwas behäbige Ende von Tolstois Erzählung spannender gestalten. Gruppes Idee, den zentralen Konflikt zwischen Zdenka und Serge in die Rahmenhandlung hinüberzutragen und mit einem Cliffhanger enden zu lassen, trägt durchaus zum gesteigerten Unterhaltungswert bei. Um Serges Charakter als Frauenheld ist es allerdings irgendwie schade – diese Einschübe Tolstois geben der Erzählung Leichtigkeit und Verschnaufpausen zwischen den unheimlichen Elementen. Im Hörspiel wurden sie leider eliminiert, um nicht von der eigentlichen Handlung abzukommen.

|Titania Medien| konnte für seine Reihe „Gruselkabinett“ bekannte Namen verpflichten. So wird Serge d’Urfé von David Nathan gesprochen, den viele als die deutsche Stimme von Johnny Depp kennen werden. Er mimt die Hauptrolle in gewohnter Qualität, stimmliches Highlight des Hörspiels ist allerdings Jürg Löw als Gortscha, der so maskulin, furchteinfößend und ruppig durch die Laustsprecher kommt, dass es eine wahre Freude ist. Ebenfalls erwähnenswert ist die Musik von Manuel Rösler, dessen Untermalung wie eine Hommage an alte Horrorfilmklassiker klingt und damit an den Schlüsselstellen die gewohnten Gruselschauer beim Publikum hervorruft.

|Titania| arbeitet sich mit seinen Gruselhörspielen langsam aber sicher durch die klassischen Texte der Horrorliteratur. Man kann nur hoffen, dass die Macher auch weiterhin ein so glückliches Händchen bei Text- und Sprecherauswahl haben werden. Bisher zumindest ist es ein ungeteiltes Vergnügen, sich bei den Hörspielen von Marc Gruppe wohlige Schauer über den Rücken jagen zu lassen.

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Le Fanu, Joseph Thomas Sheridan – Carmilla, der Vampir (Gruselkabinett 1)

Laura ist jung und schön, doch leider nützt ihr das wenig, da sie einsam, nur mit ihrem Vater und zwei Gouvernanten, im Familienschloss in der Steiermark des 19. Jahrhunderts lebt. Sie leidet unter der Abgeschiedenheit ihres Wohnsitzes und freut sich daher besonders auf die ebenfalls junge Bertha, die sich als Sommergast angesagt hat. Doch ihr Vater muss ihre Hoffnungen zerstören: Bertha ist plötzlich verstorben. Laura hat jedoch Glück im Unglück, wie es zunächst scheint, denn kurz darauf verunfallt eine Kutsche genau vor dem Schloss und die geheimnisvolle Insassin lässt ihre bewusstlose Tochter in der Obhut Lauras und ihres Vaters, da sie sofort weiterreisen muss.

Carmilla, so heißt der überraschende Gast, erobert schnell die Herzen ihrer Retter. Laura, immer noch auf der Suche nach einer vertrauten Freundin, ergreift die Chance und lässt sich von Carmillas reizendem Charme einwickeln. Nach kurzer Zeit schwören sich die beiden ewige Freundschaft und gestehen sich ihre gegenseitige Hingabe. Doch Carmilla hat auch ihre dunkle Seite. Nie verlässt sie vor dem Mittag ihr Zimmer, nie nimmt sie mit der Familie ihre Mahlzeiten ein und nie lässt sie etwas über ihre Herkunft oder Familie verlauten. Laura ist zwar frustriert über Carmillas Verschwiegenheit, aber sie dringt nicht weiter in sie, um die neu gewonnene Freundschaft nicht zu gefährden.

Bald nach Carmillas Ankunft fängt Laura an, seltsame Dinge an sich zu beobachten. Sie träumt schlecht und meint des Nachts eine große schwarze Katze in ihrem Zimmer zu sehen. Sie verspürt einen Schmerz wie von zwei Nadelstichen am Halse und fühlt sich tagsüber zunehmend matter und müder. Der hinzugezogene Arzt vermutet den Angriff eines Vampirs, denn seit kurzem scheint in der Gegend ein Untoter sein Unwesen zu treiben.

Der irische Autor Sheridan Le Fanu veröffentlichte seine Novelle „Carmilla“ erstmals 1872 in seinem Erzählband „In a Glass Darkly“. Die darin geschilderte lesbische Vampirin Carmilla dominierte die Erzählung mit ihrem Charisma dermaßen, dass sie auch noch heute literarischen Einfluss auf Autoren von Vampirgeschichten ausübt. Selbst Bram Stoker, gemeinhin als der Urvater des Vampirgenres bekannt, verneigte sich vor Le Fanus Vampirin, indem er seinen „Dracula“ ursprünglich in der Steiermark spielen lassen wollte – dem Ort, an dem auch „Carmilla“ spielt.

Der Originaltext ist geprägt von einer für den heutigen Leser kaum zu übersehenden sexuellen Spannung zwischen Laura und Carmilla. Die Vampirin, die es ausschließlich auf Frauen abgesehen hat (in Liebes- und Ernährungsfragen gleichermaßen) überschüttet Laura mit den bekannten Formen der Liebeswerbung und das geht so weit, dass sich Laura an einer Stelle gar fragt, ob es sich bei Carmilla vielleicht um einen Mann in Frauenkleidern handelt. So gibt es Tête-á-têtes im Garten, leidenschaftliche Blicke und zarte Küsse. Laura schwankt ob dieser Aufmerksamkeit zwischen Erregung und Entsetzen, macht aber nie den entscheidenen Schritt, Carmillas Verhalten als sexuelles Interesse zu werten. Begehren wird immer nur männlich gedacht, die Unmöglichkeit von Carmillas Annäherungen kann Laura daher nur verwirren.

Das Hörspiel aus der Feder von Marc Gruppe schwächt die homoerotischen Elemente etwas ab, eliminiert sie jedoch nicht ganz. So wandert zwar der ursprüngliche Vampirbiss vom Busen hoch zum keuschen Hals, doch gibt es auch im Hörspiel eine Liebeserklärung zwischen den beiden. Gruppe setzt hier also den Schwerpunkt nicht auf das sexuelle Innuendo zwischen den Hauptfiguren, sondern konzentriert die Handlung auf die Ambivalenz in Carmillas Charakter, die zwischen echter Freundin und kaltblütiger Vampirin schwankt. Dass man Carmilla die Infiltration von Lauras Leben ohne Zögern abnimmt, liegt auch an der Sprecherin Daniela Hoffmann, die viele als deutsche Stimme von „Ally McBeal“ kennen. Sie klingt über weite Strecken so süß, unschuldig und ungefährlich, dass die raren Momente, in denen die Maske fällt und sie stimmlich zur Furie mutiert, besonders schockierend anmuten.

Doch auch sonst ist das Hörspiel hochkarätig besetzt: Manja Doering als Laura ist wunderbar naiv und jugendlich und Regina Lemnitz und Arianne Borbach als Lauras Gouvernanten herrlich abergläubisch und schwärmerisch. In den männlichen Rollen sind besonders der sehr fürsorgliche Heinz Ostermann als Lauras Vater und ein wunderbar maskulin klingender Christian Rode als General Spielsdorf zu nennen.

Marc Gruppes Hörspiel hält sich auffallend dicht an den Text von Sheridan Le Fanu. Natürlich, es gibt einige Änderungen, besonders die Träume und die schließliche Vernichtung Carmillas betreffend. Doch davon abgesehen kann man alles wiederfinden, was auch Le Fanu in seiner Novelle beschreibt. Selbst Laura als Erzählerin wurde beibehalten und so folgt der Hörer ihrer (naiven) Sicht der Dinge. Was man allerdings im Hörspiel nicht erfährt (im Gegensatz zum Text), ist die Tatsache, dass Laura einige Jahre nach den Begebenheiten um Carmilla verstirbt. Die Vampirin triumphiert am Ende also doch!

Man sollte sich daher nicht vom recht trashigen Cover der CD (in der ersten Fassung, die Cover wurden mittlerweile neu gestaltet) abschrecken lassen, denn wie heißt es so treffend: „Don’t judge a book by its cover.“ Im Innern findet sich nämlich ein wirklich hochwertiges Hörspiel, das unterhält und gleichzeitig einen klassischen Text der Vampirliteratur einem Publikum zugänglich macht, das eine so alte Novelle freiwillig vielleicht nicht in die Hand genommen hätte. Die 78 Minuten Spieldauer der CD sind in keinem Fall verschenkte Zeit!

_Das |Gruselkabinett| auf |Buchwurm.info|:_

[„Carmilla, der Vampir“ 993 (Gruselkabinett 1)
[„Das Amulett der Mumie“ 1148 (Gruselkabinett 2)
[„Die Familie des Vampirs“ 1026 (Gruselkabinett 3)
[„Das Phantom der Oper“ 1798 (Gruselkabinett 4)
[„Die Unschuldsengel“ 1383 (Gruselkabinett 5)
[„Das verfluchte Haus“ 1810 (Gruselkabinett 6)
[„Die Totenbraut“ 1854 (Gruselkabinett 7)
[„Spuk in Hill House“ 1866 (Gruselkabinett 8 & 9)
[„Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ 2349 (Gruselkabinett 10)
[„Untergang des Hauses Usher“ 2347 (Gruselkabinett 11)
[„Frankenstein. Teil 1 von 2“ 2960 (Gruselkabinett 12)
[„Frankenstein. Teil 2 von 2“ 2965 (Gruselkabinett 13)
[„Frankenstein. Teil 1 und 2“ 3132 (Gruselkabinett 12 & 13)
[„Die Blutbaronin“ 3032 (Gruselkabinett 14)
[„Der Freischütz“ 3038 (Gruselkabinett 15)
[„Dracula“ 3489 (Gruselkabinett 16-19)
[„Der Werwolf“ 4316 (Gruselkabinett 20)
[„Der Hexenfluch“ 4332 (Gruselkabinett 21)
[„Der fliegende Holländer“ 4358 (Gruselkabinett 22)
[„Die Bilder der Ahnen“ 4366 (Gruselkabinett 23)
[„Der Fall Charles Dexter Ward“ 4851 (Gruselkabinett 24/25)
[„Die liebende Tote“ 5021 (Gruselkabinett 26)
[„Der Leichendieb“ 5166 (Gruselkabinett 27)

Harris, Charlaine – Untot in Dallas

„Untot in Dallas“ ist bereits das zweite Abenteuer um die telepathisch begabte Kellnerin Sookie Stackhouse aus der Feder von Charlaine Harris. Im Erstling [„Vorübergehend tot“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=788 stellte sich die Mittzwanzigerin Sookie aus dem provinziellen Bon Temps als schüchterne, naive Romantikerin vor, die explosionsartig aufblüht, als der Vampir Bill ins Städtchen zieht. Dazu muss man wissen, dass Vampire im Amerika von Charlaine Harris normal und legal sind, also auch ein bürgerliches Leben führen können. Das führt zu Touristenattraktionen wie der Vampirbar im nahe gelegenen Shreveport oder einer so praktischen Erfindung wie synthetischem Blut. Sookie schätzt an ihrem ungewöhnlichen Liebhaber vor allem dessen geistige Funkstille – die Gedanken von Vampiren kann sie nämlich nicht lesen, wie sie erfreut feststellt – und seine sexuelle Unermüdlichkeit. Frau hat schließlich einiges nachzuholen, wenn sie 25 Jahre ohne Sex auskommen musste. Doch mussten Bill und Sookie neben der trauten Zweisamkeit und den wilden Liebesspielen im Whirlpool auch noch einen Kriminalfall lösen, der Sookie fast das Leben gekostet hätte. Doch was einen nicht umbringt …

„Untot in Dallas“ verläuft entlang derselben Linien, die Charlaine Harris im ersten Band gezogen hat. Bill ist immer noch bevorzugt mit Sookies Haarpflege beschäftigt und berät sie mit Leichtigkeit in allen täglichen Fragen des Stils (und das, obwohl er noch nie einen Tanga in seinem natürlichen Lebensraum gesehen hat). Die beiden können nicht voneinander lassen, auch wenn Sookies Bezeichnung, dass sie „fest miteinander gehen“ eher nach Highschool-Romantik klingt denn nach einer heißen Affäre mit einem Untoten. Die hübsche Idylle wird allerdings jäh gestört, als der schwule Koch der Bar ermordet aufgefunden wird, in der Sookie arbeitet. Ziemlich schnell ergibt sich der Verdacht, dass Bon Temps seinen eigenen geheimen Sexclub besitzt, den Lafayette wohl gegen sich aufgebracht hat. Allerdings wird es bis zum Ende des Romans dauern, bis Sookie das Geheimnis um Lafayette und den Sexclub lösen kann, denn Sookie hat seit ihrer Bekanntschaft mit Bill einen neuen Nebenjob.

Bill ist in der internen Hierarchie der Vampire dem Barbesitzer Eric unterstellt. Eric betreibt die Vampirbar in Shreveport und weiß auch um Sookies besonderes Talent. Da Vampire als legale Bürger nur noch schwerlich Verdächtige einfach foltern können, bis sie mit der Wahrheit rausrücken, sind Sookies Fähigkeiten ziemlich gefragt. Und so leiht Eric Sookie nach Dallas aus, wo ein Vampir verschwunden ist. Die restlichen Vampire wollen nun herausfinden, was genau passiert ist und wo sich selbiger Vampir befindet.

Zunächst geht auch alles glatt und die texanischen Vampire scheinen gar nicht so furchteinflößend zu sein, wie Sookie zunächst vermutet hatte. Doch dann deuten alle Hinweise zum Verschwinden des Vampirs auf eine fundamentalistische Gemeinde, die den Vampiren feindlich gesonnen ist, und von da an geht es steil bergab für Sookie und ihre Gesundheit.

„Vorübergehend tot“ wäre an einigen Stellen verbesserungswürdig gewesen. So wirkte die Liebesgeschichte zwischen Sookie und Bill von Zeit zu Zeit einfach zu schwülstig und drohte, die Kriminalgeschichte zu erdrücken. „Untot in Dallas“ wiederholt diese Fehler keineswegs. Bill und Sookie haben es sich offensichtlich in ihrer Beziehung gemütlich gemacht, weswegen sie nicht ständig in den Vordergrund gerückt werden muss. Und gerade der Plot um die Vampire in Dallas nimmt einen Großteil der Handlung ein und schafft es dabei, ein ziemliches Tempo zu generieren. Charlaine Harris hat also in „Untot in Dallas“ ihren Vorgänger noch übertroffen und hier scheinbar ihren Stil gefunden. Die Handlung ist frisch, spannend und temporeich erzählt und kann daher noch besser unterhalten als „Vorübergehend tot“.

Allerdings werden auch die Ähnlichkeiten gerade zu den Romanen von Laurell K. Hamilton immer deutlicher. Die vampirfeindliche Gemeinde in Dallas erinnert stark an eine Einrichtung, die auch bei Hamilton geschildert wird, jedoch nimmt sich Harris mehr Zeit, ihre Kritik an jeglicher Art von religiösem Fundamentalismus zu verdeutlichen. Die Vampire werden hier zu Opfern von Kleingeistigkeit und der Weigerung, andersartige Lebensentwürfe zumindest zu tolerieren. Die Untoten mutieren zum Universalbeispiel; sie könnten für religiös Andersdenkende stehen, für Homosexuelle, für jede Art von Minderheit.

Eine Figur, die unbedingt Erwähnung finden sollte, ist der Vampir Eric. Er erscheint wie eine illustre Mischung aus Anne Rices Lestat und Laurell K. Hamiltons Jean-Claude. Von beeindruckender Statur, mit einer wilden blonden Mähne, weiß er um seine Wirkung und hat sich darum scheinbar angewöhnt, nie ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Wo Bill zumeist zurückhaltend und bürgerlich wirkt, bringt Eric garantiert frischen Wind in die Handlung. Es ist unbedingt zu begrüßen, dass sein Part gegenüber dem Erstling noch vergrößert wurde. Zwischen ihm und Sookie sprühen nur so die Funken und man möchte sich fast wünschen, sie würde den biederen Bill für den aufregenden Eric verlassen.

Auch die Übersetzung hat sich, gegenüber dem Erstling, merklich verbessert. Sie liest sich generell runder und auch wenn es den einen oder anderen Ausreißer im Sprachfluss gibt, so sind diese viel seltener als in „Vorübergehend tot“. Dass man sich jedoch bis zum Schluss des Buches nicht entscheiden konnte, ob der verschwundene Vampir nun „Farrell“ oder „Farrel“ heißt, ist wohl nicht nur für Rechtschreibfanatiker ärgerlich. Beide Schreibweisen wechseln sich nämlich mit schöner Regelmäßigkeit ab.

„Untot in Dallas“ macht, ganz ehrlich, mehr Spaß als „Vorübergehend tot“. Der Plot ist flotter und es geht generell tougher zu als im ersten Band. Hier spritzt auch schonmal das Blut und es gibt ein hübsch inszeniertes Massaker im Hauptquartier der Vampire. Dagegen war „Vorübergehend tot“ viel zahmer und mehr auf das reine Frauenpublikum ausgelegt. Weniger Schwulst und dafür mehr Fights und Verfolgungsjagden darf der Leser jedoch von diesem Buch erwarten. Und die ausgewogenere Mischung tut der Lektüre wirklich gut!

|Originaltitel: Living dead in Dallas
Aus dem Englischen übertragen von Dorothee Danzmann|

Byron, Lord / Polidori, John William – Vampyr, Der – Die Erzählungen

2004 beschenkte |Ripper Records| die Hörspielfans mit [„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“]http://www.buchwurm.info/book/anzeigen.php?id_book=525 – einer sowohl unterhaltsamen als auch klugen Bearbeitung der berühmten Anekdote um die Entstehung zweier vampirischer Urtexte: Byrons „Ein Fragment“ und Polidoris „Der Vampyr. Eine Erzählung“. Der exzentrische Byron nämlich war zusammen mit seinem Leibarzt Polidori in die Schweiz geflohen (wohl vor Geldeintreibern und empörten Müttern junger respektabler Mädchen) und verbrachte dort den Sommer zusammen mit Percy und Mary Shelley sowie deren Cousine Claire Clairmont. Man vertrieb sich die Zeit mit dem Lesen von Gespenstergeschichten, die Percy Shelley so schockierten, dass er einen Nervenzusammenbruch erlitt. Die Dichter beschlossen, sich jeweils selbst an einer Gespenstergeschichte zu versuchen. Mary Shelleys Beitrag zum Wettstreit ist wohl der heute berühmteste: Ihr gab der „Gespenstersommer am Genfer See“ die Idee zu ihrem „Frankenstein“ ein. Byron verlor offensichtlich schnell das Interesse an der ganzen Sache, und so blieb sein Beitrag nur Fragment. Polidori jedoch, mittelmäßiger Arzt und verkappter Schriftsteller, beteiligte sich mit seiner schauerlichen Erzählung „Der Vampyr“.

Seine Erzählung war offensichtlich ein kaum verhüllter Exorzismus der unerträglichen Beziehung zu seinem Brotgeber Byron, den er in „Der Vampyr“ als ruchlosen Blutsauger darstellt, der Jagd auf unschuldige Mädchenhälse macht und den Erzähler Aubrey damit zunächst ins Unglück und schließlich in den Tod stürzt. Der junge und naive Aubrey nämlich fühlt sich in der englischen Gesellschaft sofort von dem exotischen und weltgewandten Lord Ruthven angezogen und lädt ihn dazu ein, die Grand Tour durch Europa mit ihm zu absolvieren. Auf dem Kontinent angekommen, häufen sich jedoch bald die Verdachtsmomente, dass es sich bei Ruthven um einen Mann von fragwürdigem Lebenswandel handelt, und Aubrey versucht, sich von ihm zu trennen. Er setzt die Reise allein fort, doch offensichtlich folgt ihm Ruthven, tötet ein griechisches Mädchen und setzt, wieder in England, Aubreys Schwester nach.

Polidoris Erzählung mag literarisch kein großer Wurf sein, doch stellt sie erstmals ausführlich die Urform des romantischen Vampirs vor, wie er uns auch noch heute geläufig ist. Ruthven ist blass und von einem gewissen Weltschmerz geplagt. Er ist weltgewandt, exzentrisch, verführerisch und dabei ohne jede Moral. Auch heute noch bedienen sich Autoren von Vampirromanen gern bei diesen Charakteristika und das macht den „Vampyr“ auch heute noch so gut lesbar, auch wenn nirgends von Kreuzen, Knoblauch oder Holzpflöcken die Rede ist.

Byrons „Fragment“ dagegen umfasst nur ein paar Seiten und bricht, leider, genau an der spannendsten Stelle ab. Und so ist die Betitelung mit „Der Vampyr. Ein Fragment“ für dieses Hörbuch ein wenig irreführend, da durchaus nicht klar wird, um was für ein Wesen es sich bei Darvell handeln soll. Dieser zeigt zwar auch die mittlerweile bekannten Charakteristika des Vampirs (reich, exzentrisch, gebildet, melancholisch), doch kann man ihn ansonsten nur schwer mit dem gemeinen Blutsauger in Verbindung bringen. Auch er wird vom Ich-Erzähler zur Grand Tour eingeladen. Doch als die beiden auf einem türkischen Friedhof ankommen, erleidet Darvell einen unvorhergesehenen Schwächeanfall, dem er einige Tage später erliegt. Jedoch nicht, ohne dem Ich-Erzähler das Versprechen abzuringen, nichts von seinem Tod verlauten zu lassen und ihm genaue Instruktionen zum Umgang mit seiner Leiche zu hinterlassen. Nun wäre es natürlich interessant zu wissen, welche Art Wiederauferstehung Darvell geplant hatte, doch – wie bereits erwähnt – hält uns Byron dieses Wissen vor und bricht die Erzählung überraschend ab.

„Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“ behandelte die Ereignisse rund um die Entstehung der beiden Texte und flocht auch einige Ausschnitte aus den Erzählungen mit ein. Dies scheint die Hörer neugierig gemacht zu haben, denn mit „Der Vampyr. Die Erzählungen“ hat Ripper Records die beiden zugrunde liegenden Texte nun auch als Hörbuch zugänglich gemacht. Die Sprecher wurden beibehalten: Joachim Tennstedt, der im Hörspiel den Byron sprach, liest nun dessen Erzählung. Und Andreas Fröhlich, der Polidori mimte, gibt dessen „Vampyr“ zum besten. Beide lesen in gewohnter Qualität und versuchen, die Atmosphäre einer abendlichen Geschichtenlesens zu evozieren, wie sie wohl am Genfer See stattgefunden haben muss. Im Hintergrund knackt ein Feuer, es rollt der Donner (der Sommer 1816 war von heftigen Gewittern durchzogen) und man kann sich der Vorstellung nicht erwehren, Polidori und Byron säßen uns im Ohrensessel gegenüber und läsen ihr neuestes Manuskript.

So kommt das Hörbuch ganz ohne große Knalleffekte oder Überraschungsmomente aus. Die Erzählungen wirken ausschließlich aus sich selbst heraus, zum Leben erweckt von zwei großartigen Sprechern. „Der Vampyr. Die Erzählungen“ vervollständigt das Hörspiel „Der Vampyr oder Gespenstersommer am Genfer See“. Die Appettithäppchen, die im Hörspiel aus den beiden Erzählungen geliefert wurden, werden hier in einem intimen Mahl aufgetragen. Wen das Hörspiel also neugierig gemacht hatte, dem wird hier geholfen. Wer die beiden Erzählungen ohnehin aus Anthologien kannte, wird ihnen in der Hörbuchfassung durchaus noch neue Seiten abgewinnen können. Ein Gewinn ist das Hörbuch also in jedem Fall!

Die CD ist im Handel oder direkt unter http://www.ripperrecords.de erhältlich.

Wolfgang Hohlbein – Am Abgrund (Die Chronik der Unsterblichen 1)

Transsilvanien im 15. Jahrhundert: Andrej Delãny reitet, scheinbar ziellos, durchs Land. Nach dem Tod seiner Frau gibt es für ihn keinen Platz mehr auf dieser Erde. Allerdings trägt ihn sein Pferd geradewegs in sein Heimatdorf Borsã, wo ihn eine böse Überraschung erwartet. Das ganze Dorf ist ausgestorben, eine große Anzahl der Bewohner liegt hingemetzelt im Wehrturm und der einzige Überlebende, ein kleiner Junge namens Frederic, erzählt ihm von einem furchteinflößenden Inquisitor. Das Dorf sei mit dem Teufel im Bunde, behauptete der, und so schlachtete man einen Teil der Dörfler hin und nahm den Rest gefangen.

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Elrod, P. N. – endlose Tod, Der (Jonathan Barrett 2)

Autorin P. N. Elrod hat sich auf Vampire spezialisiert. In ihrer umfangreichen Serie um [Jack Fleming 432 begleitet sie den vampirischen Detektiv bei der Aufklärung seiner Fälle. In den Romanen um den amerikanischen Vampir Jonathan Barrett dagegen zeichnet sie ein faszinierendes Sittenbild frühester US-amerikanischer Geschichte, in das sie die Abenteuer ihres Protagonisten einbettet.

[„Der rote Tod“, 821 der erste Roman der mehrteiligen Serie, war ein furioser Auftakt. Jonathan Barrett, den naiven jungen Helden, verschlägt es zum Studium nach England und geradewegs in die Arme der unwiderstehlichen Nora Jones. Deren Affäre findet zwar ein Ende, als Jonathan nach seinen Studien nach Long Island zurückkehren muss, doch hinterlässt Nora bei ihm einen bleibenden Eindruck: Als er nämlich bei einem Scharmützel (die Handlung spielt während des amerikanischen Unabhängigkeitskriegs) tödlich verwundet wird, erhebt er sich eine Nacht später wieder aus seinem Grab, um zu seiner Familie zurückzukehren. Sein Vater und seine Schwester sind außer sich vor Freude und akzeptieren ohne Murren Jonathans neue Lebensgewohnheiten. So hat er keinen Herzschlag mehr, verschläft den Tag in seinem Zimmer bei zugezogenen Gardinen und erleichtert in der Nacht die familieneigenen Pferde um ihr Blut.

„Der endlose Tod“ knüpft nahtlos an die Ereignisse aus „Der rote Tod“ an und verfolgt zunächst weiter, wie sich Jonathan mit seinem neuen vampirischen Zustand arrangiert. Zusammen mit Vater und Schwester stellt er einige Versuche an, um herauszufinden, welche Kräfte er besitzt (so kann er beispielsweise andere per Hypnose beeinflussen oder sich in Luft auflösen). Doch außer der Tatsache, dass Jonathan am Tagesgeschehen offensichtlich keinen Anteil mehr nimmt und erst nach Sonnenuntergang aus seinem Zimmer kommt, stört nichts das gepflegte Zusammenleben im Haushalt Barrett. Zwar tobt draußen immer noch der Unabhängigskeitskrieg, allerdings scheint dieser eher unangenehm störend als wirklich gefährlich zu sein. Denn auf wundersame Weise schafft es immer nur Jonathan, vor die Flinte (Stichwaffe, stumpfen Gegenstand – man füge eine Waffe seiner Wahl ein) eines Soldaten oder Söldners zu laufen. So wird er niedergeschossen, niedergestochen, niedergeschlagen und entführt.

Außer auf Jonathans anhaltendes Unwohlsein aufgrund von lebensbedrohlichen Verletzungen, konzentriert sich die Handlung auf seine Schwester Elisabeth. Zwei neue Gäste haben sich nämlich im Hause niedergelassen und zwischen Elisabeth und Lord James Norwood entwickeln sich ziemlich schnell zarte Bande, die in einer Hochzeit enden. So besteht „Der endlose Tod“ über weite Strecken aus Teegesellschaften, zivilisierten Unterhaltungen und dem Nähen von Hochzeitskleidern. Doch wäre es glücklicherweise zu einfach, die eheliche Idylle unberührt zu lassen, und so muss Jonathan auf den letzten Seiten des Romans die Ehre seiner Schwester retten.

„Der endlose Tod“ kann mit seinem Vorgänger nicht mithalten. Die meisten Figuren sind bekannt (tatsächlich werden nur Norwood und seine Schwester neu eingeführt) und das Gleiche gilt für das Setting in Long Island. Jonathan bewegt sich ständig von seinem Haus zu einer Kneipe oder durch finstre Wälder zum Haus der Geliebten seines Vaters. Viel Neues wird der Leser also nicht erfahren. Auch zu Jonathans vampirischem Zustand wird kaum etwas hinzugefügt. Mittlerweile hat Jonathan zwar seine Kräfte und Möglichkeiten ausgiebig getestet, doch nutzt er sie kaum.

Und genau hier liegt der erzählerische Knackpunkt des Romans. Elrod benutzt in ihrem Roman nicht einmal das Wort „Vampir“. Jonathan weiß also nicht, was er ist (was durchaus seine Spannungsmomente hat). Doch auch er sollte festgestellt haben, dass er nicht so leicht zu töten ist. Dass er bereits tot und begraben war, weder einen Herzschlag noch eine nennenswerte Atmung hat, sollte Jonathan eigentlich ausreichend Indizien liefern. Elrod wirft ihren Protagonisten ständig in Situationen, die für einen normalen Menschen gefährlich, wenn nicht gar tödlich wären. Für einen Vampir jedoch sind sie bloße Unterhaltung. Und so mag beim Leser nicht wirkliche Empathie aufkommen, wenn Jonathan mal wieder angeschossen wurde. Weiß er doch (im Gegensatz zu Jonathan selbst), dass eine Schusswunde ihm nichts anhaben kann. Und so freuen sich Jonathan und sein Vater jedes Mal über die wundersame Genesung, der Leser aber rollt nur die Augen.

„Der endlose Tod“ bietet also gegenüber seinem Vorgänger kaum etwas Neues. Die Handlung wird weitergeführt, doch plätschert sie diesmal etwas zu bedächtig dahin, um so zu fesseln wie der erste Band. Stattdessen liefert Elrod Charakterstudien ihrer handelnden Figuren und lädt den Leser ein, an der Familiengeschichte der Barretts teilzuhaben. Leider scheint die Tatsache, dass es sich beim Sohn der Familie um einen Vampir handelt, hier nur eine Nebenrolle zu spielen.

Wenn Vampirfans also gegenüber „Der rote Tod“ nichts Neues erfahren werden, so ist „Der endlose Tod“ doch ein überzeugender historischer Roman. Gerade durch ihre durchdachten und überzeugenden Charaktere schafft es P. N. Elrod, dem Amerika des ausgehenden 18. Jahrhunderts Leben einzuhauchen. Ihr Unabhängigkeitskrieg ist eine ziemlich unehrenhafte Sache, die von Schurken und Söldnern ausgetragen wird, wobei die Bewohner der Gegend in jedem Fall die Verlierer sind, weil sie ständig zwischen die Fronten geraten. Jede Seite versucht, die Einwohner mit unlauteren Mitteln um Nahrung und Vieh zu erleichtern – eine Tatsache, die Jonathan im ersten Band das Leben kostete.

„Der endlose Tod“ schafft es also leider nicht, den Grad der Spannung zu erzeugen, der noch dem „roten Tod“ eigen war. Doch ist das Buch trotzdem unterhaltsam, wenn man es als Historienroman liest. Dann überzeugen vor allem die sympathischen und glaubhaften Charaktere und deren Interaktion miteinander. Dass P. N. Elrod in diesem Band so vorsichtig mit ihrem vampirischen Protagonisten umgeht, heißt zum Glück aber bei weitem nicht, dass sie dessen Potenzial schon erschöpft hätte. Jonathan ist immer noch auf der Suche nach Nora Jones, von der er hofft, dass sie ihn offiziell in seinen vampirischen Zustand einweihen kann. Er weiß mittlerweile, dass sie sich vermutlich in Italien aufhält, doch ist die internationale Post im 18. Jahrhundert noch nicht wirklich flott, und so erhält er in „Der endlose Tod“ noch kein erhellendes Lebenszeichen von ihr. Doch vielleicht im dritten Teil?

Lumley, Brian – Necroscope 2 – Vampirblut

„Vampirblut“, das ist der zweite Teil von Brian Lumleys Mammut-Vampirsaga „Necroscope“. Während im ersten Teil, [„Das Erwachen“, 779 hauptsächlich Figuren und Settings eingeführt wurden, geht in „Vampirblut“ nun endlich die Handlung los. Zunächst werden die Erzählungen der beiden Gegenspieler wieder aufgegriffen. Da wäre auf der einen Seite der Engländer Harry Keogh. Er selbst bezeichnet sich als Necroscope – als jemand, der mit den Toten reden kann. Da er weltweit offensichtlich der einzige Lebende mit dieser Gabe ist, sind die Toten geradezu wild darauf, mit ihm zu reden. Sie bezeichnen ihn als Freund und versuchen, ihm in schwierigen Situationen zu helfen. Demgegenüber steht der für den russischen Geheimdienst arbeitende Nekromant Boris Dragosani. Seit seiner Kindheit hat er einen außergewöhnlichen Mentor, nämlich den in seinem rumänischen Grab gefangenen Vampir Thibor Ferenczy. Dessen Weltübernahmepläne fangen langsam an auf seinen Schützling abzufärben, sodass Dragosani beschließt, seinen Vorgesetzten Borowitz aus dem Weg zu räumen, um das sowjetische E-Dezernat (eine geheime Einrichtung zur Spionage mittels übersinnlicher Fähigkeiten) selbst zu übernehmen.

Während im ersten Band die Geschichten um Keogh und Dragosani noch nebeneinander herliefen und keine Berührungspunkte aufwiesen, so wird dieser Makel in „Vampirblut“ mehr als behoben. Lumley flicht nämlich ein kompliziertes Netz von Beziehungen und Abhängigkeiten zwischen den englischen und sowjetischen Geheimdiensten und gibt der gerade startenden Handlung damit Pepp und Potenzial. Keogh beschließt, seinen Stiefvater Viktor Shukshin zu töten, der für den Tod von Harrys Mutter verantwortlich ist. Um diesen Mord nach seinen Wünschen ausführen zu können, trainiert er hart und wird während seiner Vorbereitung vom englischen E-Dezernat kontaktiert. Dessen Chef, Keenan Gormley, möchte Harry anwerben, da dessen Fähigkeiten einzigartig und herausragend sind.

Doch nun fängt der sowjetische Geheimdienst an dazwischenzufunken. Dragosani und sein neuer Partner Max Batu werden nach England geschickt. Sie sollen ebenfalls Shukshin elegant um die Ecke bringen, da es sich bei ihm um einen getürmten sowjetischen Spion handelt. Bei dieser Aktion stoßen sie allerdings unfreiwillig mit Harry Keogh zusammen, der somit die Aufmerksamkeit des sowjetischen E-Dezernats auf sich zieht. Als Dragosani dann auch noch Gormley beseitigen lässt, fühlt sich Harry persönlich beleidigt und beschließt, etwas gegen die sowjetischen Angriffe zu unternehmen …

„Vampirblut“ bietet für jeden etwas. Liebhaber von Spionage-Romanen werden hier geeignetes Lesefutter finden. Lumley verwebt englischen und sowjetischen Geheimdienst auf interessante Weise und die Beziehungen und Animositäten zwischen beiden werden in den zukünftigen Bänden sicher noch anwachsen. Mit der Idee des E-Dezernats gibt er den Geheimdiensten einen übersinnlichen Touch, um seine Figuren exotischer und abwechslungsreicher gestalten zu können.

Auch Fans des klassischen Horrors kommen auf ihre Kosten. In „Das Erwachen“ war von Vampiren ja noch nicht viel zu sehen, doch das ändert sich hier schlagartig. Thibor Ferenczy wird als Charakter weiter ausgebaut und Dragosani trifft auf einen rumänischen Vampirexperten, der Licht auf die Unklarheiten wirft, die der erste Band aufgeworfen hat. Lumley gelingt es, einen völlig entromantisierten Vampir zu präsentieren, indem er Vampirismus zu einer medizinischen Pathologie macht. Der Vampir selbst ist ein Parasit, ein ekliges Ding, das in seinem Wirt Eier legt und daraufhin im menschlichen Körper komplett neue innere Organe ausbildet. Diese Vorstellung ist gewöhnungsbedürftig, aber gleichzeitig originell. Vor allem führt sie auch dazu, dass man Thibor als Charakter kaum einschätzen kann. Lügt er Dragosani ständig an? Oder hat er vor, seine Versprechen zu halten?

Der dritte große Themenkomplex, der in „Das Erwachen“ ebenfalls nur angedeutet wurde, sind Mathematik und Physik. Harry scheint ein besonderes Interesse für Formeln und Zahlen zu besitzen und so macht er sich auf zum Grab des Mathematikers Möbius, um von ihm das Teleportieren zu lernen. Wie man dies mit Zahlen und Schleifen erreichen kann, wird zwar irgendwie erklärt, der Sinn hinter diesen Ausführungen wird den meisten Lesern aber sicherlich verborgen bleiben. Für Mathe-Analphabethen sind diese Passagen von „Vampirblut“ unverständlich und damit langatmig. Sie bringen die ansonsten spannende und zügige Handlung zu einem Stillstand und führen zu einigen Hängern in der Story.

Doch trotzdem kann man sich von „Vampirblut“ gut unterhalten lassen. Lumleys Erzählung gewinnt im zweiten Teil auffallend an Fahrt und Komplexität, was Hör-Spannung garantiert und für zukünftige Bände hoffen lässt. Natürlich verdankt das Hörbuch auch dem Sprecher Helmut Krauss, dass es beim Hörer den beabsichtigten Grusel erzeugt. Krauss ist unter anderem als deutsche Stimme von Marlon Brando bekannt und seine maskuline und selbstbewusste Stimme gibt dem Text andere Akzente als es sein Vorgänger in „Das Erwachen“ tat (dort sprach Joachim Kerzel). Gerade Thibor Ferenczy ist hier eher ein zweideutiger Charakter denn ein geradliniger Bösewicht. Auf die markanten und beunruhigenden Ausrufe Thibors („Ahhhhhh, Dragosaaaaani!“), die Joachim Kerzel im ersten Teil mit Spaß auf den Silberling brachte, hofft man hier allerdings vergebens. Ebenfalls trägt die Musik von Andy Matern zur Atmosphäre bei, der ein Thema auf immer wieder neue Weise variiert. Gut gelungen!

„Vampirblut“ ist der eigentliche Anfang der Serie um Harry Keogh, denn erst hier setzt die Handlung richtig ein. Die Story ist flott erzählt (der Roman wurde für die Hörbuchfassung leicht gekürzt) und endet mit einem echten Paukenschlag, der sofort Lust macht, sich den dritten Band vorzunehmen.

Elrod, P. N. – rote Tod, Der (Jonathan Barrett 1)

P. N. Elrod gehört zu jener Spezies vielschreibender Autoren, mit deren Büchern man problemlos ganze Regale füllen könnte. Zwar veröffentlichte sie ihr erstes Buch erst 1990, doch mittlerweile kann man unglaubliche 20 Romane von ihr kaufen – ganz zu schweigen von den Kurzgeschichten, die in verschiedenen Anthologien veröffentlicht wurden. Dabei hat sie sich auf das Vampirgenre spezialisiert, in das sie mit erfrischender Leichtigkeit neuen Wind zu bringen vermag. Ihre umfangreichste Serie, „The Vampire Files“ (erscheint ebenfalls beim |Festa|-Verlag), begleitet den [Vampirdetektiv Jack Fleming 432 und verbindet damit den klassischen Vampir-Roman mit dem Detektiv-Genre. Die Romane um Jonathan Barrett – „Der rote Tod“ ist der erste Band von bisher zwei auf deutsch erschienenen aus der Reihe – stellen einen neuen Protagonisten vor, später in der Serie wird es aber Überschneidungen zwischen beiden Reihen geben.

Jonathan Barrett ist 17 und hat bisher ziemlich unbescholten mit seinem Vater und seiner Schwester (die drei verbindet eine geradezu übelkeitserregende familiäre Idylle) auf dem Anwesen der Familie in Long Island gelebt. Seine hysterische und absolut unausstehliche Mutter war in seiner frühen Jugend nach Philadelphia abgeschwirrt, kehrt nun jedoch heim, da die Stadt während des Unabhängigkeitskriegs (die Handlung setzt 1773 ein) ein zu heißes Pflaster ist. Jonathans friedliches Dasein wird also jäh gestört, als diese Furie ins Leben der kleinen Familie tritt und die bisherige Routine durcheinander würfelt. Als sie Jonathan nach Cambridge auf die Universität schicken will, kommt es zum Eklat. Jonathan will nicht ins ferne England, um zu studieren, doch muss er herausfinden, dass das Geld der Familie vom Erbe seiner Mutter herrüht, die damit auch seine Ausbildung finanziert. So hat er keine Chance sie umzustimmen und findet sich bald darauf auf einem Schiff nach London wieder.

Sein anfänglicher Unwillen gegenüber Cambridge löst sich in Luft auf, als er sich, in England angekommen, sofort mit seinem Cousin Oliver und dessen Kumpel Tony anfreundet. Bei seiner ersten Nacht in London beschließt er, seinen lang gehegten Plan – nämlich seine Unschuld zu verlieren – endlich in die Tat umzusetzen. Und tatsächlich gelingt ihm das auf Anhieb. Tony will Jonathan und Oliver seine neue Flamme vorstellen, doch diese weist dessen Antrag prompt ab und wählt stattdessen Jonathan. Dieser ist von der schönen und weltgewandten Nora Jones vollkommen hingerissen. Zwar überrascht es ihn, dass sie ihn einfach mit nach Hause nimmt, um mit ihm zu schlafen (Skandal!), doch verbannt er diese Gedanken schnell, als er erst mit ihr im Bett liegt.

Nora hat offensichtlich einen Narren an Jonathan gefressen und folgt ihm nach Cambridge nach. Dort führen sie ihre Affäre fort, allerdings muss Jonathan frustriert feststellen, dass sie noch zahlreiche andere Bettgeschichten unterhält. So kann sie jedem der jungen Männer beim Akt kleine Mengen Blut abnehmen, um selbst zu überleben. Der Leser ahnt es längst: Nora ist ein Vampir. Jonathan dagegen tappt völlig im Dunkeln und errät ihre Identität auch nicht, als er sie tagsüber ohne Puls vorfindet oder sie ihm während des Liebesspiels ihr eigenes Blut zu trinken gibt.

Doch wer vermutet, Jonathan stehe nun sofort als Vampir wieder auf und mache mit seiner Flamme Nora die britischen Inseln unsicher, der irrt. Die Blutspielchen der beiden bleiben zunächst, zur Verwunderung des Lesers, vollkommen ohne Konsequenzen und es müssen noch einige Seiten im Roman vergehen, bis Jonathan eine Ahnung davon erhält, welch außergewöhnliches Geschenk Nora ihm eigentlich gemacht hat.

„Der rote Tod“ braucht keine zehn Seiten, um den Leser völlig zu begeistern. Ich-Erzähler Jonathan Barrett schlägt einen kurzweiligen und von ironischen Seitenhieben geprägten Ton an. Auch wenn die Exposition ungefähr ein Drittel des Romans einnimmt und die Vampirin Nora dadurch relativ spät ins Spiel kommt, kommt keine Langweile auf. Jonathan ist ein genauer Beobachter und selbst die Beschreibungen seiner Lebenssituation in Long Island – obwohl eigentlich unspektakulär – werden dadurch farbenprächtig und interessant.

P. N. Elrods Vampirwelt lebt von den Charakteren. Jonathan Barrett ist zwar jung und – vor allem in Liebesdingen – auch bis zu einem gewissen Grade naiv, doch er ist uneingeschränkt sympathisch, ohne als Charakter kitschig oder flach zu erscheinen. Jonathan ist durch und durch gut und Elrod schafft es trotzdem, ihn nicht zu einer Schablone verkommen zu lassen. Ähnlich steht es mit allen anderen Charakteren des Romans. Nora Jones ist die perfekte Vampirin: Schön, unwiderstehlich, verführerisch, geheimnisvoll und selbstbewusst. Und doch wird sie weder zum Archetyp des depressiven Vampirs noch zum seelenlosen Mörder. Stattdessen ist sie eine wahre Liebende, die jedoch mit einigen besonderen Bedürnissen zu kämpfen hat. Und genau das macht den Reiz aus; Elrod verurteilt weder die Existenz des Vampirs (das böse Höllenwesen), noch romantisiert sie ihn endlos (der untote Träumer), sondern verwurzelt ihre bluttrinkenden Charaktere fest in einer realen Umwelt, an der sie teilhaben anstatt sie zu verneinen. Und so ist es auch möglich, dass Jonathan als Vampir eine Familie hat – ein absolutes Novum in der Vampirliteratur, in der Blutsauger in der Regel Einzelgänger sind. Hier jedoch suchen Vampire die Nähe zu Menschen, ohne sie in jedem Fall als Futter wahrzunehmen. Mehr noch, das Motto des Romans scheint zu lauten: „Vampire sind auch nur Menschen“, und so gibt Jonathan Barrett als junger Student und später als untoter Protagonist eine hervorragende Identifikationsfigur ab.

„Der rote Tod“ ist ein unterhaltsames, spannendes und stellenweise auch komisches Buch, das man nicht aus der Hand legen möchte. Jonathan Barrett wächst dem Leser so schnell ans Herz, dass man unbedingt an seinen Abenteuern teilhaben möchte. Und der Schluss des Buches lässt vermuten, dass die wahren Abenteuer erst jetzt beginnen, da Jonathan nun zu den Untoten gehört. Es empfiehlt sich also, fix im zweiten Band weiterzulesen!

Verlagsseite: http://www.festa-verlag.de
Webseite der Autorin: http://www.vampwriter.com

Lumley, Brian – Necroscope 1 – Das Erwachen

Brian Lumleys „Necroscope“ ist eine Mammut-Romanreihe, deren Umfang kaum noch zu überblicken ist. In Deutschland hat sich der |Festa|-Verlag der Bücher angenommen und ist immerhin schon beim 15. Band angelangt. Allen, denen ob solcher Massen bedruckten Papiers schwach in den Knien wird, kann geholfen werden. |LPL records| nämlich veröffentlicht nach und nach die einzelnden Romane als Hörbücher. Und bei den Spezialisten für gepflegten Hörror ist Lumleys Necroscope-Saga wirklich gut aufgehoben.

LPL hat das erste Hörbuch der Reihe, „Das Erwachen“, mit dem Eyecatcher „Die ultimative Vampirsaga“ versehen. Doch zunächst muss man sich eine Weile gedulden, bis ein Blutsauger in der Geschichte auftaucht. Lumley beginnt nämlich erst einmal mit der Prämisse der PSI-Geheimdienste. Sowohl die USA als auch die Sowjetunion haben in ihren Geheimdiensten Unterabteilungen, die versuchen sollen, mit Hilfe von außergewöhnlich begabten Menschen (Hellsehern beispielsweise) Spionage zu betreiben und sich somit einen Vorteil gegenüber der anderen Großmacht zu verschaffen. Diese Vorstellung ist nicht so abwegig, wie sie vielleicht klingen mag, da die Großmächte tatsächlich PSI-Forschung auf militärischem Sektor betrieben haben. Allerdings waren die Ergebnisse dort weniger spektakulär als bei Lumleys Protagonisten.

Da wäre auf der einen Seite Harry Keogh, den wir anfangs durch seine Jugend begleiten und später als Teenager wiedertreffen. Harry ist an seiner Schule in einer englischen Kleinstadt ziemlich unbeliebt. Er ist schlecht in sämtlichen Fächern und seine Klassenkameraden machen sich über ihn lustig. Doch dann verändert sich Harry schlagartig. Er entwickelt ein unglaubliches mathematisches Talent, löst Aufgaben intuitiv und stellt gar eigene Formeln auf. Und auch nach der Schule verhält sich Harry anders. Wo er sich früher von Mitschülern herumschubsen lassen musste, wehrt er sich nun mit gut platzierten Kinnhaken. Was das mit dem verstorbenen Sportlehrer und dem ebenfalls toten Vater des Mathelehrers zu tun hat, wird erst einmal nur angedeutet. Doch als wir Harry wiedertreffen und er zwar erst 18, aber trotzdem ein erfolgreicher Autor von Kurzgeschichten ist, lüftet sich das Gehemnis vollends. Harry ist es möglich, mit den Toten zu kommunizieren. Deren Körper verwesen zwar, doch ihr Geist existiert irgendwie weiter. Und da sie sich langweilen, führen sie fort, was sie auch zu Lebzeiten getan haben: Musik komponieren, Bücher schreiben, philosophieren ect. Und nur Harry kann mit ihnen reden: Er selbst nennt sich der „Necroscope“.

Parallell dazu wird die Geschichte von Boris Dragosani, einem Mitarbeiter des sowjetischen PSI-Geheimdienstes, erzählt. Er wiederum ist ein Nekromant. Zwar kann er offensichtlich weder Leichen animieren, noch ihnen seinen Willen aufzwingen. Dafür kann er einer Leiche mittels eines Rituals deren Wissen entziehen. Dieses Talent verdankt er einem außergwöhnlichen Mentor, über den er in seiner Kindheit förmlich gestolpert ist. Seine Heimat ist nämlich Rumänien, genauer gesagt die Walachei. Der informierte Leser horcht hier natürlich schon auf. Doch nein, Dracula wird nicht schon wieder bemüht, vielmehr ein Zeitgenosse Draculas, der für diesen dessen Siege auf dem Schlachtfeld errungen hat. Scheinbar überwarf er sich jedoch mit seinen Vorgesetzten und so wurde er in einem Grab mitten im Wald beigesetzt, das er nicht verlassen kann. Denn natürlich ist er untot und darauf erpicht, seinem Gefängnis unter der Erde zu entfliehen. Vor 400 Jahren, so meint er, habe es noch ausgereicht, über die Walachei zu herrschen. Aber heute, wo die Welt viel kleiner geworden ist, müsse es schon der ganze Erdball sein! Und genau dazu braucht er Dragosani. Er weiht ihn häppchenweise in das Geheimnis seiner Existenz ein, hält aber immer genügend Informationen zurück, um Dragosani und den Zuhörer bei der Stange zu halten und hofft dabei merklich auf den Moment, in dem er Dragosanis Hilfe nicht mehr nötig haben wird.

Lumley hat „Das Erwachen“ offensichtlich als Exposition geplant. Es bleibt offen, wie die Geschichten von Dragosani und Harry zusammenhängen und was es mit den Geheimdiensten auf sich hat. Zwischen den Handlungsebenen gibt es bis jetzt keine Berührungspunkte. Trotzdem, oder gerade deshalb, macht das Hörbuch Lust auf mehr. Lumley schreibt zügig voran und scheut sich auch nicht vor deftigen Szenen. Ob Dragosani da nun in den Eingeweiden eines Toten herumwühlt oder seine Unschuld mit einem rumänischen Mädchen verliert – Lumley schaut fasziniert hin und schildert dem Leser bzw. Hörer aufs Genaueste, was er sieht. Gerade auf dem Gebiet der Vampirliteratur, das im Moment romantisch relativ verseucht ist, ist sein Stil sehr erfrischend. Denn er bringt den Vampir dahin zurück, wo er seit Anne Rice nicht mehr war. Er ist weder blass und gutaussehend noch langhaarig und grünäugig. Von Dragosanis Vampir sieht man ohnehin bisher nichts als einen widerlichen Fangarm, der kurz aus der Erde ragt. Doch dieses Wesen ist keineswegs ein Melancholiker und verkappter Romantiker. Er ist ein brutaler, egoistischer Feldherr aus dem Mittelalter, der sich aller nötigen Mittel bedient, um seine Ziele zu erreichen. Er ist skrupellos und das ist von Anfang an zu merken.

Dass dies auch in der Hörbuchfassung so überzeugend klingt, liegt zu großen Teilen am Sprecher Joachim Kerzel, der unter anderem Jack Nicholson, Dustin Hoffmann, Jean Reno oder Sir Anthony Hopkins die Stimme leiht. Er liest sehr konzentriert und durchdacht und kann mit seiner prägnanten und maskulinen Stimme besonders punkten, wenn es um die Darstellung des in der Erde gefangenen Vampirs geht. Diese Szenen klingen fast wie ihm auf den Leib geschneidert und man hat an der sadistischen Ader des Vampirs seine helle Freude.

LPL hat „Das Erwachen“ auf sieben CDs als ungekürztes Hörbuch von 465 Minuten Spielzeit herausgegeben. So muss man nicht das Gefühl haben, gegenüber der Lektüre etwas zu verpassen. Ohnehin ist die Handlung relativ straff durchkomponiert und es kommt weder zu Hängern noch Längen. Wer also auf toughen und spannenden Horror steht, der ist bei „Necroscope“ genau an der richtigen Adresse.

Bret Easton Ellis – American Psycho

Bret Easton Ellis’ Kultroman „American Psycho“ hält den amerikanischen Yuppies der 80er Jahre ein hässliches Spiegelbild vor und vermittelt als Nebenprodukt dem mittelständischen Leser mit drei Hypotheken die beruhigende Botschaft, dass ein Job an der Wall Street und ungezählte Kreditkarten kein Garant für ein glückliches und erfülltes Leben sind. Nun ist diese Erkenntnis heutzutage weder überraschend noch neu, doch wie Ellis seine Abrechnung mit dem amerikanischen Traum an den Leser bringt, war seinem Verlag |Simon & Schuster| bei der Erstveröffentlichung des Romans im Jahre 1991 einen Skandal wert. Er hatte dort bereits zwei Romane veröffentlicht und für „American Psycho“ einen Vorschuss erhalten. Als das Buch jedoch auf den Markt kam und der Chef von |Paramount| (zu dessen Konzern |Simon & Schuster| gehört) in einer Zeitung Auszüge aus dem Roman las, ließ er „American Psycho“ vom Markt nehmen und die bereits gedruckten Exemplare einstampfen. Dies löste natürlich eine noch größere Kontroverse über den Inhalt des Buches und eine eventuelle Zensur von Seiten des Verlags aus, bis sich der Vintage-Verlag|Ellis’ Buch annahm und den Roman neu herausbrachte.

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Dean R. Koontz – Nackte Angst / Phantom

Das Programm des area-Verlags bietet Klassiker, aber auch neuere Publikationen des Horrorgenres zu verführerischen Preisen an. Da darf natürlich ein illustrer Name wie Dean R. Koontz in der langen Liste der Autoren nicht fehlen. Abgesehen von der Tatsache, dass er einer der bekanntesten modernen Autoren des Genres ist und viele seiner Romane für TV und Kino adaptiert worden sind, war er auch der erste Präsident der |Horror Writers Association|, die den jährlichen |Bram Stoker Award| ausschreibt, der bereits an so bekannte Namen wie Stephen King, Peter Straub oder Nancy A. Collins ging. Der |area|-Verlag hat nun zwei Koontz-Romane im Doppelpack herausgegeben: den eher traditionellen Serienmörder-Thriller „Nackte Angst“ und den Gruselschmöker „Phantom“.

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Grin, Alexander / Gilbert, Stephen / Howart, Harald / Alpers, Hans Joachim – Tod durch Ratten

Ratten haben ein schlechtes Image. Sie sind weder possierlich noch niedlich, sondern gelten als gerissen und hinterhältig. Sie leben zu Tausenden in den Großstädten und führen dennoch ein schattenhaftes Dasein. Ihr Äußeres wirkt abstoßend, und gerade ihr langer, nackter Schwanz sorgt beim menschlichen Betrachter für Ekelgefühl. Ihre Existenz, ihre schiere Zahl sorgt beim Menschen für instinktive Angst, nicht zuletzt, weil Ratten als Krankheitsüberträger gelten und im Mittelalter die Pest verbreiteten. Als kuscheliges Haustier ist die gemeine Ratte also kaum geeignet, doch als Protagonist in einem Horrorroman macht sie sich ausgesprochen gut. Gilt die Ratte doch als überaus intelligent – vielleicht intelligent genug, um es mit dem Menschen aufzunehmen?

Vier Romane hat der |area|-Verlag in „Tod durch Ratten“ vereint (wobei es sich nur bei zwei Texten tatsächlich um Romane handelt), um auf nicht weniger als 800 Seiten beim Leser unbehaglichen Grusel vor dem Nager auszulösen. Dabei können nicht alle Geschichten vollkommen überzeugen, auch wenn die Anthologie mit einem echten Knaller beginnt. Alexander Grins atmosphärische Novelle „Der Rattenfänger“ kommt zunächst einmal ganz ohne das unleidliche Getier aus. Ein verarmter Russe kommt, nachdem er seine Wohnung verloren hat, für kurze Zeit im verlassenen Gebäude der Zentralbank unter. Vollkommen allein in dem einsamen, labyrinthischen Geflecht von Räumen, bleiben die ersten Gruselschauer beim Protagonisten nicht lange aus. Zwar findet er durch Zufall einen Schrank, der prall gefüllt ist mit köstlichsten Lebensmitteln, doch aus ihm springt eine ganze Anzahl (naturgemäß gut genährter) Ratten. Bald vernimmt er Geräusche und undeutliches Gemurmel, wird von einer körperlosen Stimme durch die Räume gelockt und wirft schlussendlich einen Blick auf ein unheiliges Fest im Saal des Gebäudes. Grins Novelle ist der Höhepunkt von „Tod durch Ratten“. Sie gleich an den Anfang zu setzen, muss zwangsläufig dazu führen, dass die restlichen Geschichten abfallen und weit hinter der Meisterschaft des Russen zurückbleiben. Grins Darstellung der Zentralbank mit ihren endlosen Korridoren und Zimmern etabliert beim Leser einen subtilen Schauer und lässt ihn bar jeden sicheren Wissens nach der Lektüre zurück.

Weiter geht es mit Stephen Gilberts Roman „Aufstand der Ratten“, einer etwas behäbigen Geschichte über den Rachefeldzug (oder auch „Rattenfeldzug“) eines Verlierertypen, die auch unter dem Titel „Willard“ (USA, 1971 und Neuverfilmung des Stoffes 2003) verfilmt worden ist. Der Ich-Erzähler beginnt, Ratten zu zähmen und zu dressieren, natürlich, ohne jemandem davon zu erzählen, da er die Ratten ursprünglich als Ungeziefer vernichten sollte. Da ihm jegliches soziales Leben fehlt, werden die Ratten bald zu seinen einzigen Bezugspunkten. Er setzt seine Rattenarmee zunächst für einige Überfälle ein, um an Geld zu kommen. Doch dann werden seine Angriffe zunehmend persönlicher und er beginnt, die Ratten einzusetzen, um für ihm widerfahrene Ungerechtigkeiten tödliche Rache zu üben. Gilberts Ich-Erzähler ist naturgemäß kein sympathischer Typ. Eigenbrötlerisch, geheimniskrämerisch und hinterhältig, vergräbt er sich in seinem verunkrauteten Garten und plant seine Rache an der Gesellschaft. Zwar gelingt es Gilbert, die Ratte Ben als wirklich teuflisches und vernunftbegabtes Tier darzustellen, das im Geheimen seinen Ausbruch aus menschlicher Führerschaft plant, doch über weite Strecken tritt die Geschichte auf der Stelle und kann erst zum Ende hin etwas an Fahrt gewinnen. Auf jeden Fall bleibt „Aufstand der Ratten“ nach der Lektüre von Grins „Rattenfänger“ seltsam eindimensional.

Die dritte Geschichte, Harald Howarts „Tod durch Ratten“, variiert Gilberts Thema vom Menschen, der sich der intelligenten Ratte für die persönliche Rache bedient. Sein Protagonist Kreutzkamm ist ein kleines Licht an der Universität. Seit Jahren wird ihm (unberechtigerweise, wie er findet) der Professorentitel versagt. Doch nun ist ihm der Durchbruch gelungen, denn er kann mittels eines Apparates die Gehirnsströme von Ratten beeinflussen und sie so „fremdsteuern“. Sein Chef hält die Vorführung des Vorgangs für eine ausgefeilte Dressur und feuert Kreutzkamm kurzerhand, nachdem dessen cholerisches Temperament hervorgebrochen ist. Mit seinen Laborratten in der eigenen Wohnung festsitzend, plant dieser nun seine Rache an den Köpfen der Universität. Howarts Kreutzkamm ist fast schon zu böse, um noch glaubwürdig zu sein. Sein Charakter ist so auf Größenwahn und Egozentrismus ausgerichtet, dass für andere Eigenschaften kein Platz mehr bleibt. So bleibt der Autor auch Überraschungen in der Storyline schuldig. Kreutzkamms Rachefeldzug geht seinen geplanten Gang, bis der moralische Zeigefinger Howarts einschreitet, der den Schluss des Romans eher lustlos und überhastet zu Papier bringt. „Tod durch Ratten“ ist dynamischer als der Vorgänger „Aufstand der Ratten“, doch auch Howarts Roman kann nicht auf ganzem Wege überzeugen.

Die letzte Erzählung, Hans Joachim Alpers’ „Zwei schwarze Männer graben ein Haus für dich“, schreitet flotter voran. Der nach mysteriöser Krankheit im Rollstuhl sitzende Christoph lebt mit seiner Freundin Miriam zurückgezogen in einem kleinen Dorf. Eines Tages erhält er die Nachricht vom Tod seines alten Freundes Patrick, zusammen mit einem Packen Briefe, die ihm dieser kurz vor seinem Tod geschrieben, jedoch nie abgesendet hat. Die Staatsanwaltschaft vermutet, Patrick habe den Verstand verloren und so sein Ende herbeigeführt, denn in den Briefen wird Unglaubliches berichtet. Ratten seien auf einmal in seinem Haus gewesen, die nur er sehen konnte. Seine Freundin habe Ungeziefer in sein Essen gemischt und schließlich seinen Mord geplant. Christoph ist bei der Lektüre der Briefe hin- und hergerissen. Ebenso wie der Leser mag er mal an Wahnsinn, mal an eine übernatürliche Erklärung glauben. Alpers arbeitet sein Sujet überzeugend aus, lässt einige Informationen fallen und versucht den Leser auf falsche Fährten zu führen. Die Auflösung rundet die straff durcherzählte Handlung konsequent ab und weist Alpers als routinierten Erzähler aus.

Ein ganzes Buch nur mit dem Thema Ratten zu füllen, ist eine originelle Idee, doch schwankt die Qualität der Geschichten zu stark, um an dem Buch durchweg Spaß zu haben. Alexander Grins Novelle „Der Rattenfänger“ ist ohne Frage die beste Geschichte in der Sammlung und lohnt die Lektüre in jedem Fall. Stephen Gilberts „Aufstand der Ratten“ dagegen bildet qualitativ das Schlusslicht und erscheint zu bieder, um durchgehend unterhalten zu können.

Stoker, Bram – Dracula (Hörspiel)

Bram Stokers „Dracula“ als Hörspiel auf zwei CDs – eigentlich müsste das Liebhaber des viktorianischen Briefromans von 1897 ärgern, da es mit Sicherheit dazu führen wird, dass noch mehr Interessierte ihr Wissen über den untoten Grafen aus allem, nur nicht dem originären [Buch 210 beziehen werden. Doch auch wenn das Coverartwork der CDs der Verfilmung von Francis Ford Coppola entnommen ist, vermeidet das Hörspiel den Kardinalfehler des Films (nämlich die Liebesgeschichte zwischen Dracula und Mina) und hält sich erfreulich dicht an die Romanvorlage. Das wird schon in der Form deutlich, denn die Tagebucheintragungen und Briefe, die den Roman ausmachen, werden auch in der Hörspielbearbeitung von Sven Stricker übernommen.

Wir folgen also zunächst Jonathan Harker (gesprochen von Konstantin Graudus) nach Transilvanien, um dem exzentrischen Grafen Dracula (Felix von Manteuffel) ein Grundstück in London zu verkaufen. Gleichzeitig (ein Handlungsstrang, der für das Hörspiel vorverlegt wurde) lernen wir den Irrenarzt John Seward (Andreas Fröhlich) kennen, dem sein Patient Renfield Rätsel aufgibt. Harker wird es derweil auf Draculas Schloss immer mulmiger, bis der Graf sich auf die Reise nach London begibt und Harker in den Fängen von drei Vampirbräuten zurücklässt, die ihm sinnlich, aber trotzdem endgültig den Garaus machen sollen.

In London angekommen, verbeißt sich Dracula nun zunächst in die frisch verlobte Lucy (Anna Carlsson). Seward wird herangezogen, da Lucy immer blasser und schwächer wird. Doch da Seward keinen Rat weiß, benachrichtigt er seinen alten Mentor van Helsing (Gerd Baltus), der extra aus Amsterdam anreist, um sich das junge hübsche Ding anzuschauen. Gerade als der Kampf um Lucys Leben in die Endphase gerät, erhält ihre Freundin Mina (Céline Fontanges) Nachricht von ihrem Verlobten (Harker nämlich) und reist zu ihm nach Budapest, da er aus Draculas Schloss entkommen konnte und nun an einem starken Nervenfieber erkrankt ist. Als sie als frisch verheiratete Mina Harker wieder nach London kommt, ist Lucy bereits vollkommen vampirisiert und greift als „Blutige Lady“ kleine Kinder auf Spielplätzen an, um ihnen die Eckzähne in den Hals zu schlagen.

Den Männern um van Helsing bleibt nur die rituelle Pfählung, doch kaum ist das geschafft, macht sich Dracula an Mina ran. Auch sie wird gebissen, auch sie wird immer schwächer. Doch mittlerweile wissen die Jäger, mit was für einem Wesen sie es zu tun haben. Um die holde Mina zu retten, müssen sie nun Geld, Kombinationsgabe, Wissen und Glauben einsetzen, um den Grafen endgültig ins Jenseits zu schicken.

Die Hörspielfassung von Sven Stricker schafft es, die starken sexuellen Konnotationen des Romans von Bram Stoker fast vollständig zu eliminieren. Die heftig flirtende Lucy, die eigentlich am liebsten drei Männer heiraten würde, ist im Hörspiel überzeugend in Arthur Holmwood verliebt. Der Vampirismus, bei Stoker sowohl ein unbewusstes Symbol für weibliche Lust (außer Dracula selbst trifft es nur Frauen) als auch homoerotische Neigungen der männlichen Personage des Romans (Dracula beendet die Verführung Harkers durch die Vampirbräute mit einem kraftvollen „Dieser Mann gehört mir!“), ist im Hörspiel nur das: Vampirismus. Die Gewichtung liegt demnach auf der Darstellung der Grausamkeit des Vampirs und seiner Verfolgung und schließlichen Vernichtung. Dabei kann das Hörspiel einige Längen des Romans, vor allem gegen Ende, verhindern. Die ausführlichen Beschreibungen der Informationsgewinnung, die bei Stoker Seite um Seite füllen, werden hier effektiv zusammengekürzt, was dazu führt, dass die Handlung flotter voranschreitet. Allerdings führt es auch dazu, dass eine der wichtigsten Personen des Romans, Mina Harker nämlich, zur Damsel in Distress reduziert wird, wohingegen sie bei Stoker die männlich dominierte Romanwelt erfolgreich unterwandert, indem sie es ist, die die durchschlagenden Ideen liefert, die zum Sieg über den Vampir führen. Im Hörspiel ist dies nur noch durch ihr Dasein als Medium präsent, als sie durch ihre telepathische Verbindung mit Dracula die Verfolger auf die richtige Spur führen kann.

Unterschiede zwischen Roman und Hörspiel sind natürlich nicht zu vermeiden. Der auffallendste für den Romankenner ist wohl die Tatsache, dass Quincey Morris, amerikanischer Lebemann mit immensen finanziellen Mitteln, hier nicht vorkommt. Diese „Einsparung“ wird dem unbedarften Hörer jedoch nicht auffallen und es überrascht zu sehen, dass die Geschichte auch ohne Morris perfekt funktioniert. Der Hörer muss weniger Stimmen auseinanderhalten und die Handlung leidet darunter nicht.

Insgesamt ist Strickers Bearbeitung des Romanstoffes daher durchaus gelungen. Demjenigen, der sich nicht näher mit „Dracula“ beschäftigt hat, werden die beiden CDs einen solideren Einstieg vermitteln als jeder auf dem Markt befindliche Film, der behauptet, auf Stokers Roman zu fußen. Sowohl im Ton als auch in der Handlung bleibt das Hörspiel sehr dicht an der Vorlage und kann dabei noch mit gruseltauglichen Effekten überzeugen. Überblendungen, unheilschwangere Musik von Jan-Peter Pflug, heulende Wölfe und kreischende Vampirladies: Das alles macht das Hörspiel zu einem Ohrenschmaus. Und wem die Effekte gut gefallen, der kann sie sich über die Enhanced-Funktion der CD auch als „Realtone“ fürs Handy runterladen. In jedem Fall schicker als tanzende Nashörner!

Auch die Sprecher schaffen es ohne Ausnahme, ihren Charakteren Leben einzuhauchen. Besonders zu nennen sind hier Jörg Pleva, der Renfields zunehmenden Wahnsinn überzeugend darzustellen vermag, und Andreas Fröhlich, der als John Seward den Hörer über weite Strecken durch die Handlung führt. Auch Gerd Baltus, der seinen van Helsing als väterlich besorgten Freund anlegt, sollte hier Erwähnung getan werden.

„Dracula“ als Hörspiel lohnt sich, so einfach lässt sich das zusammenfassen. Die Bearbeitung ist rund und schafft es sogar, einige Längen des Romans auszubügeln. Wem die freudianische Interpretation des Romans egal ist (und das werden die meisten sein …), der wird an Sven Strickers Gewichtung der Themen nichts auszusetzen wissen. Er hat es geschafft, die besondere Stimmung, die den Roman ausmacht, in das Hörspiel zu transportieren und so bleibt die Faszination des Dracula-Stoffes auch in diesem Medium erhalten.