Alle Beiträge von Michaela Dittrich

Bernard Cornwell – Sharpes Rivalen (Sharpe 13)

Der vorliegende Band, der dreizehnte in der Reihe um den britischen Scharfschützen Richard Sharpe, heißt im Original „Sharpe’s Company“ und der Titel benennt im Gegensatz zur deutschen Übertragung recht deutlich den zentralen Konflikt des Geschehens: Denn Richard Sharpe, zu Beginn des Romans noch Captain, muss recht bald fürchten, den Befehl über seine Mannen zu verlieren. Nun hat Sharpe zwar viele Talente, aber ein guter Verlierer war er noch nie …

Doch von vorn: Der Roman beginnt im Jahr 1812 mit der Belagerung von Ciudad Rodrigo. Diese Festung – und ihre große Schwester Badajoz – müssen genommen werden, damit die Briten in Spanien einmarschieren können. Die erfolgreiche Eroberung von Ciudad Rodrigo am Anfang des Buches wirkt als Blaupause für das Finale des Romans, denn diesen Erfolg gilt es zu wiederholen. Das Problem an der Sache ist nur, dass Badajoz viel größer und wehrhafter ist als Ciudad Rodrigo – und demzufolge auch viel schwerer zu erobern.

In dem Sturm auf Ciudad Rodrigo wird Sharpes Freund und Gönner Lawford so schwer verwundet, dass ein Nachfolger für ihn gefunden werden muss, der, als er schließlich eintrifft, Sharpe prompt mitteilt, dass man in London seine Beförderung zum Captain abgelehnt hat. Sharpe findet sich nun also plötzlich als Lieutenant wieder und sitzt zwischen allen Stühlen – kein Platz für einen Kriegshelden wie ihn. Er möchte seinen alten Rang unbedingt wiederhaben und er möchte diesmal sichergehen, dass er ihm nicht wieder genommen werden kann. Also meldet er sich freiwillig zum Himmelsfahrtskommando, das Badajoz erstürmen soll. Denn im unwahrscheinlichen Fall, dass man so ein Himmelfahrtskommando überlebt, wird man sofort befördert.

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Isabel Allende – Amandas Suche

Isabel Allende ist Spezialistin für groß angelegte Familienporträts und starke Frauenfiguren. Bei ihr bekommt auch das Banale einen magischen Anstrich und das Profane wird in den Stand des Lesenswerten erhoben. Dafür lieben sie ihre Leser, doch vermutlich haben nur wenige ihrer Fans damit gerechnet, dass Isabel Allende, die Königin des Magischen Realismus, beschließen würde, einen Krimi zu schreiben. Wer dennoch neugierig ist, wie Allende ein solches Vorhaben angeht, der sollte „Amandas Suche“ zur Hand nehmen und sich selbst ein Bild machen.

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Charlaine Harris – Vampirmelodie (Sookie Stackhouse 13)

Da ist er nun also: Der dreizehnte und letzte Band der Sookie-Stackhouse-Reihe. Vor dreizehn Jahren erschien das erste Buch um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse, die im kleinen Städtchen Bon Temps in einer Kneipe arbeitet und plötzlich an einen Vampir gerät. Damit nahm ihr bisher beschauliches Leben eine drastische Wende. Hatte sie sich bisher durch ihre Begabung (sie nennt es Behinderung) in zwischenmenschlichen Dingen geradezu gehandicappt gefühlt, lernt sie nun endlich zu leben – und zu lieben. Natürlich wird es auch zunehmend gefährlich, denn wie sich bald herausstellt, wird die Welt nicht nur von Vampiren bevölkert. Je mehr Bücher der Reihe erscheinen, desto mehr übernatürliche Wesen lernt der Leser kennen: Vampire, Werwölfe, Gestaltwandler, Dämonen, Hexen und Elfen.
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Bernard Cornwell – Sharpes Gefecht (Sharpe 12)

Als treuer Fan von Bernard Cornwells Romanserie um den britischen Scharfschützen Richard Sharpe weiß man natürlich mittlerweile, dass dieser Sharpe ein paar Talente hat: Zum einen ist er ein ziemlich guter Soldat, zum anderen ist ihm auch das Glück hold – eine ziemlich vorteilhafte Kombination. Er hat Schlag bei den Frauen, aber leider auch das nicht gerade beneidenswerte Talent, sich mit geradezu schlafwandlerischer Leichtigkeit Feinde zu machen. Genau so ergeht es ihm gleich zu Beginn seines neuesten Abenteuers, „Sharpes Gefecht“. Seine Scharfschützen treffen in den Bergen, irgendwo zwischen Spanien und Portugal, auf den französischen Brigadier Loup und seine Kavallerie. Dieser Loup ist ein ganz harter Knochen, der die Bergbewohner in Angst und Schrecken versetzt und gerade ein ganzes Dorf dahingemetzelt hat. Passend zu seinem Namen scheint er mehr Biest als Mensch zu sein. Sharpe und Loup geraten unweigerlich aneinander, als Sharpe zwei von Loups Männern hinrichten lässt, die er bei einer Vergewaltigung erwischt hat. Nun darf Sharpe natürlich nicht einfach so feindliche Soldaten an die Wand stellen – schließlich gibt es im Krieg Regeln -, doch geht ihm die ganze Situation so gegen den Strich, dass er gegen besseres Wissen handelt und die Erschießung durchzieht. Loup, der die ganze Sache hilflos mitansehen muss, schwört blutige Rache. Doch bis Loup die Chance dazu erhält, wird es noch dauern.
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Lena Klassen – Wild

Wäre es nicht toll, wenn man immer nur noch glücklich wäre? Wenn man keinen Liebeskummer hätte, wenn man geliebte Menschen nicht vermissen würde und nie Selbstzweifel hätte? Man würde sich nie wieder über rote Ampeln oder eine viel zu lange Schlange an der Supermarktkasse ärgern und man wäre über Niederlagen nicht enttäuscht. Eigentlich eine wunderbare Vorstellung – allerdings nur oberflächlich. Denkt man länger darüber nach, wird man bald zu der Erkenntnis gelangen, dass wirkliches Glück nur empfinden kann, wer auch Leid kennt. Denn woran sollte man die Skala seiner Gefühle sonst messen?

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Robert Rescue – Der Intimitätendieb

Robert Rescue ist Lesebühnenautor. Sein angestammtes Metier sind die kurzen, knackigen, pointierten Texte über Berlin (seine Wahlheimat), seinen Kiez (Wedding), das Leben und was es im Allgemeinen so für Fallstricke für einen bereithält. Diese Texte trägt er dann auch regelmäßig auf den Lesebühnen der Stadt vor, unter anderem als Mitglied der Brauseboys. Dass so einer irgendwann den Wunsch verspürt, sich auch an der längeren Form des Romans zu versuchen, ist vielleicht nicht ungewöhnlich. Ungewöhnlich ist eher, dass sich der Autor mit „Der Intimitätendieb“ in ein ziemlich artfremdes Genre vorgewagt hat – das der Fantasy nämlich.

Es geht um Hexen. Genauer gesagt, es geht um Hexen in Berlin. Und zwar nicht in erster Linie um die, die lange Röcke tragen und Heilsteine in Esoterikgeschäften kaufen (die kommen im Roman allerdings auch vor). Nein, es geht um waschechte Hexen, die teilweise schon ein paar Jahrhunderte auf dem Buckel haben. Sie können Menschen verhexen und ihren Erzfeinden eine fiese Migräne verpassen. Allerdings reiten sie nicht auf Besen und leben in ganz normalen Mietwohnungen. Das Gesetz der Anonymität gebietet jedoch, keinen Namen auf dem Klingelschild zu haben und keinen Kontakt zu Nicht-Hexen zu pflegen. Dieses Gesetz wird zwar von den meisten Hexen zumindest teilweise missachtet, doch die Berliner Oberhexe Mathilda warnt immer wieder vor den Gefahren einer neuen Inquisition – schließlich hat sie die im Mittelalter mitgemacht. Und sie soll recht behalten, denn plötzlich werden Hexen ermordet und es gilt herauszufinden, wer dahinter steckt.

Diese Aufgabe fällt der jungen Hexe in Ausbildung Tasha Me quasi unverhofft in den Schoß. Plötzlich wird sie von Mathilda darauf angesetzt, dem Mörder auf die Spur zu kommen. Allerdings lässt ihr kriminalistischer Spürsinn etwas zu wünschen übrig und überhaupt ist sie eher an der Fehde mit ihrer Ausbilderin interessiert … und so braucht Tasha Me die Unterstützung einer ganzen Reihe skurriler Charaktere, bis sie dem Mörder endlich auf den Fersen ist.

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Charlaine Harris – Cocktail für einen Vampir (Sookie Stackhouse 12)

Nach über zehn Jahren befindet sich Charlaine Harris nun auf der Zielgeraden: „Cocktail für einen Vampir“ ist das zwölfte und damit vorletzte Buch ihrer Reihe um die gedankenlesende Kellnerin Sookie Stackhouse. Die „Southern Vampire Mysteries“, wie die Romanreihe ursprünglich einmal hieß, wurde vor ein paar Jahren von HBO fürs Fernsehen adaptiert und geistert nun als „True Blood“ auch über die deutschen Bildschirme. Wer als Fan der TV-Serie allerdings erwartet, mehr vom Gleichen in Buchform präsentiert zu bekommen, wird enttäuscht werden. TV- und Romanreihe haben außer den Charakteren relativ wenig miteinander zu tun. Beide sind mehr oder weniger eigenständige Universen.

Was passiert also in „Cocktail für einen Vampir“? Felipe hat sich mit seiner Entourage bei Eric eingeladen, um dem Mord an Victor auf den Grund zu gehen. Entsprechend nervös sind die Vampire aus Shreveport, schließlich haben sie Victor vorsätzlich um die Ecke gebracht. Eric spannt seine Vampirehefrau Sookie ein, zu der Party in seinem Haus als hübsches Anhängsel zu erscheinen. Doch als sie endlich eintrifft, findet sie Eric im Schlafzimmer vor, wie er gerade am Hals einer unbekannten Werwölfin nuckelt. Sookie ist wenig begeistert, Eric ist wortkarg, und die unbekannte Blutspenderin liegt Minuten später tot in Erics Vorgarten.

Da ein Unbekannter die Polizei informiert hat, muss sich der gesamte Northman’sche Haushalt einer Befragung durch Detective Ambroselli stellen, einer sehr ambitionierten Polizistin, die im Roman dennoch nichts anderes tut, als den gleichen Charakteren erfolglos die immer gleichen Fragen zu stellen. Da die Tote aber in Erics Vorgarten gefunden wurde, ist er irgendwie verdächtig, sie getötet zu haben, und so hat auch Sookie ein Interesse daran, seinen Namen reinzuwaschen.

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Laurell K. Hamilton – Blinder Hunger (Anita Blake 15)

Wer es auf die ersten Seiten von „Blinder Hunger“ von Laurell K. Hamilton geschafft hat, dem ist zu gratulieren. Denn vermutlich hat er sich durch die fast 600 beliebigen Seiten von „Schwarze Träume“ gekämpft und danach trotzdem noch den Folgeband zur Hand genommen. Das ist echtes Durchhaltevermögen und es wird zumindest in manchen Abschnitten von „Blinder Hunger“ belohnt.

Los geht es mit einer weiteren toten Stripperin, dieser Handlungsstrang aus dem Vorgängerband wird nun also endlich wieder aufgegriffen. Anita untersucht die Leiche und den Tatort und beim Leser keimt als zartes Pflänzchen die Hoffnung auf, dass Hamilton in „Blinder Hunger“ zu alter Form zurückfindet. Zwar wird dieses Setting auch bald wieder zugunsten einer Sexszene aufgegeben, doch diese ist dann tatsächlich – ausnahmsweise – mal gut geschildert. Leider driftet die Autorin danach wieder in endloses Geschwafel und endlosen Sex ab. So erklärt Anita ihrem Ex Richard tatsächlich dreißig Seiten lang, was Sadomasochismus ist und warum er beim Sex auf Schmerzen steht. Nur um es dann mit ihm und Jean-Claude für vierzig (!) Seite so richtig krachen zu lassen. Natürlich unterbrochen von noch mehr Gerede. Gäbe es einen Preis für den geschwätzigsten Sex, Laurell K. Hamilton würde ihn gewinnen. Und zwar mit Leichtigkeit.
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Laurell K. Hamilton – Schwarze Träume (Anita Blake 14)

„Schwarze Träume“, das vierzehnte Abenteuer von Laurell K. Hamiltons totenerweckender Heldin Anita Blake, ist ein klassisches Beispiel für einen missratenen Klappentext. Denn dort ist von einer von Vampiren ermordeten Stripperin die Rede. Anita wird zu dem Fall hinzugerufen, um ihre Expertenmeinung abzugeben. Laut Klappentext wird dieser Fall „Anita an ihre Grenzen bringen … und darüber hinaus…“

Aha. Vergleicht man diese Inhaltsangabe mit dem, was tatsächlich in dem Roman beschrieben ist (von dem Terminus „Handlung“ soll hier lieber nicht die Rede sein), so kommt man zu dem Schluss, dass der Autor des Klappentexts offenbar ein ganz anderes Buch gelesen haben muss. Sicher, in „Schwarze Träume“ geht es für ungefähr zwanzig Seiten um eine ermordete Stripperin. Doch Hamilton verliert daran recht schnell die Lust und so spielt das Mordopfer auf den restlichen 550 Seiten (immerhin!) überhaupt keine Rolle mehr. Erst im letzten Absatz des Romans wird dieser Handlungsstrang wieder aufgegriffen und so könnte man gar zu der Annahme gelangen, die ermordete Stripperin sei kaum mehr als eine lauwarme Rahmenhandlung.
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Bernard Cornwell – Sharpes Zorn (Sharpe 11)

„Sharpes Zorn“ ist ein Sharpe-Abenteuer neueren Datums. Erst 2006 erschien es im englischen Original und ist damit das Nesthäkchen unter den Sharpe-Romanen. In der Chronologie der Romane gehört es allerdings an elfte Stelle, zwischen „Sharpes Flucht“ und „Sharpes Gefecht“. „Sharpes Zorn“ spielt 1811 und die diesmal zentrale Schlacht ist die um Barrosa.

Bis es allerdings zu dieser Schlacht kommt, vergehen 400 Seiten, denn wie immer hebt sich Cornwell die titelgebende Schlacht für das große Finale auf. Zunächst muss sich Richard Sharpe, seines Zeichens ein Captain der Scharfschützen, mit anderen Problemen rumschlagen. Der Roman beginnt, als Sharpe und seine Männer für die Sprengung einer Ponton-Brücke sorgen sollen. Eine eigentlich einfache Aufgabe, doch wie das eben so ist, geht sie gründlich schief. Die Situation auf der Brücke eskaliert, es kommt zum Scharmützel mit den Franzosen und als die Sprengkörper doch noch explodieren, werden Sharpe und ein paar Männer auf einem der Pontons abgetrieben. Die Männer auf dem Ponton werden am Flussufer von Franzosen verfolgt und schlussendlich landet Sharpe mit einem Loch im Kopf in Cadiz, der einzigen noch spanischen Stadt. Der Rest des Landes wurde von den Franzosen eingenommen. Darum befindet sich in Cadiz auch ein englischer Botschafter, und zwar kein geringerer als Henry Wellesley, der kleine Bruder von Lord Wellington. Da dieser weiß, dass man Sharpe mit diffizilen Aufgaben betrauen kann, sichert er sich sofort dessen Dienste. Henry Wellesley hat nämlich ein delikates Problem: Er hatte sich in Cadiz mit einer Dame von zweifelhaftem Ruf eingelassen und ihr dummerweise einige Liebesbriefe geschrieben. Nun sind die Briefe bei ihrem Zuhälter gelandet, der sie wiederum an Wellesley verkaufen will. Doch es gibt noch andere Kräfte, die die Briefe gern gegen die englischen Verbündeten verwendet wissen wollen.

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Lena Klassen – Der Traum des Schattens (Magyria 3)

„Magyria – der Traum des Schattens“ ist der dritte und gleichzeitig letzte Teil von Lena Klassens Trilogie um das fantastische Land Magyria. Wie immer bei Abschlussbänden übermannt den Leser ein bisschen die Wehmut, denn er weiß: 600 Seiten hat er noch vor sich und dann findet die Geschichte um Mattim und Hanna ihr definitives Ende. Andererseits will man natürlich wissen, wie es weiter geht und das am besten jetzt und sofort. Denn Lena Klassen hat ein Talent für breit angelegte, spannende Pageturner.

Mattim und Hanna haben sich aufs Land geflüchtet, genauer gesagt in die ungarische Puszta. Dort lässt sich Mattim die Sonne auf den Pelz scheinen und Hanna steht regelmäßig Todesängste aus, wenn Mattim sich von den Angestellten des nahegelegenen Reiterhofes zeigen lässt, wie man Ungarische Post reitet. Eine flüchtige Idylle will Lena Klassen dem Leser hier vorführen: Eine schöne Landschaft unter einem endlosen Himmel, darunter zwei junge Verliebte, deren Welt nur um sich selbst kreist. Doch so einfach ist es natürlich nicht und bald bricht der alte Bruderzwist wieder über die beiden herein. Alsdann finden sie sich in Budapest wieder und müssen feststellen, dass dort etwas so richtig falsch läuft. Denn nicht nur über Akink ist es dunkel geworden. Auch Budapest liegt unter einer ewigen Dunstglocke, die sich stetig verdunkelt und es den Vampiren bald erlaubt, auch hier am Tage spazieren zu gehen.
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Isabella Falk – Die Gräfin der Wölfe

Wer sich ein bisschen mit Bram Stokers „Dracula“ – dem literarischen Urvampir schlechthin – befasst, stößt schnell auf historische Figuren, die gern als Vorbilder für den Grafen herangezogen werden: Da ist zum einen natürlich Vlad Tepes, der transsilvanische Fürst, der nachhaltige Bekanntheit dadurch erlangte, dass der seine Feinde gern in großer Zahl pfählen ließ. Und da ist die sogenannte Blutgräfin Elisabeth Báthory, die im Blut von Jungfrauen gebadet haben soll und schließlich in ein Zimmer auf ihrer Burg eingemauert wurde.

Diesen historisch verbürgten Schauergeschichten fügt Isabella Falk in ihrem Debutroman „Die Gräfin der Wölfe“ nun eine weitere hinzu. Wobei, eigentlich gebühren die Lorbeeren wohl dem österreichischen Medienwissenschaftler Rainer Köppl, der in einer 2008 veröffentlichten Dokumentation („Die Vampirprinzessin“) nachzuweisen versucht, dass die Fürstin Eleonore zu Schwarzenberg (1682-1741) zu ihren Lebzeiten für eine Vampirin gehalten wurde. Er geht davon aus, dass aus diesem Grund an ihrer Leiche eine Obduktion durchgeführt und sie nicht im Grab ihrer Familie beigesetzt wurde. In ihrer ungewöhnlichen Lebensgeschichte sieht er eine Inspiration für Stokers „Dracula“.
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Lena Klassen – Die Seele des Schattens (Magyria 2)

Wer Lena Klassens Trilogieauftakt „Magyria – Das Herz des Schattens“ mochte, der wird auch die Fortsetzung lieben. Denn in „Magyria – Die Seele des Schattens“ führt Klassen ihre Geschichte meisterhaft fort – nicht nur baut sie atemberaubende Spannung auf, auch hat sie sich für die Fortsetzung ein paar überraschende Twists ausgedacht.

Die Handlung setzt ziemlich genau da ein, wo der erste Band endete. Allerdings ist es Klassen ein wohl zu banales Ziel, die Handlung schlicht voranzutreiben und den Kampf um das fantastische Land Magyria und dessen Hauptstadt Akink einfach geradlinig fortzuführen. Stattdessen dekonstruiert sie mit Vergnügen die Fronten, die sie noch im ersten Band aufgebaut hatte: Dort waren König Farank und seine Frau Elira die Guten: die Kämpfer für das Licht, die verzweifelt versuchten zu verhindern, dass ihre Stadt von der Dunkelheit überrannt wird. Diese Dunkelheit wurde repräsentiert von Kunun, ihrem ältesten Sohn und dem Anführer der Schatten. Immer und immer wieder griff er Akink an, versuchte die Stadt einzunehmen und für sich und die Schatten zu gewinnen. Dabei heiligt der Zweck die Mittel. Ob er nun Réka in Gefahr bringt oder seinen Bruder Mattim – schlussendlich würden sich ihre Opfer gelohnt haben, wenn nur Kunun wieder nach Akink könnte. Dabei blieb seine Motivation zunächst im Dunkel, und so musste man als Leser annehmen, dass er schlicht aus Bösartigkeit handelte. Dem ist aber mitnichten so, wie Klassen uns nun vorführt.

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Lena Klassen – Herz des Schattens (Magyria 1)

All-Age-Vampir-Fantasy – das gibts wie Sand am Meer. Aber gute All-Age-Vampir-Fantasy ist dagegen gar nicht so leicht zu finden. Wer sich vom verkitschten Cover nicht irritieren lässt und trotzdem zu Lena Klassens Trilogie-Auftakt “Magyria – Das Herz des Schattens” greift, wird mit einer ausgereiften Story und einem episch angehauchten Setting belohnt. Die Liebesgeschichte ist da nur noch das Sahnehäubchen, nicht bereits der Hauptgang.

Der Charme des Buches beruht hauptsächlich darauf, dass sich Klassen für die Entwicklung ihrer Handlung und ihres Fantasysettings viel Zeit lässt. Die ersten zweihundert Seiten verbringt der Leser abwechselt in Budapest und in einem geheimnisvollen Land, das Magyria heißt. Dabei bleibt zunächst unklar, wie beide Plots zusammenhängen, doch je weiter der Roman fortschreitet, desto mehr Berührungspunkte versteckt Lena Klassen in den beiden Schauplätzen und überlässt es erst einmal dem Leser, das Puzzle zusammenzusetzen. Daraus erwächst viel Spannung, und obwohl man eine ganze Weile braucht, um das Geheimnis zu lüften (eben genau die Zeit, die Lena Klassen für ihre Exposition braucht), kommen nie Langeweile oder Frust auf. Lena Klassen – Herz des Schattens (Magyria 1) weiterlesen

Trevor O. Munson – Blutige Nacht

Es war einmal eine kurzlebige Serie namens „Moonlight“. Dass sie nach nur einer Staffel abgesetzt wurde, sagt heutzutage ja nichts mehr über ihre Qualität aus (Stichwort: „Firefly“) und so hat „Moonlight“ auch nach Jahren noch eine treue Fangemeinde, auch wenn die Hauptdarsteller zu neuen Ufern aufgebrochen sind. „Moonlight“ handelte von dem Vampir Mick St. John, der im sonnigen LA als Privatdetektiv arbeitet. Dabei trifft er auf die junge Journalistin Beth – es entspinnt sich eine Liebesgeschichte, die durch Micks Lebenswandel und dessen totgeglaubte Exfrau Coraline verkompliziert wird. Die Kombination von Krimi, Romanze und gut gezeichneten Charakteren kam bei den Fans an. Beim Fernsehsender nicht so sehr … doch wie gut, dass es Bücher gibt!

Die Serie „Moonlight“ nämlich fußt auf dem Roman „Angel of Vengeance“ (dt. „Blutige Nacht“) von Trevor O. Munson, der Co-Produzent der Serie war. Wer nun aber denkt, dass es sich bei „Blutige Nacht“ um ein schnödes Tie-In zur Serie handelt, der irrt gewaltig. In der „Anmerkung des Autors“ am Ende des Romans (der gleichlautende Text findet sich auch auf Munsons Website) erfährt der Leser nämlich, wie Buch und Serie zusammenhängen und auf welch abenteuerlichen Wegen das Buch zur Veröffentlichung gekommen ist. Denn „Blutige Nacht“ ist keine nachgeschobene Gelddruckmaschine, sondern tatsächlich die Vorlage für „Moonlight“. Besser noch: Es ist ein eigenständiger Roman und erzählt die Geschichte von Mick St. John noch einmal gänzlich neu. Damit eignet sich der Roman sowohl für Fans der Serie als auch für Leser, die von „Moonlight“ noch nie etwas gehört haben.

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Bernard Cornwell – Sharpes Flucht (Sharpe 10)

Das zehnte Sharpe-Abenteuer – „Sharpes Flucht“ – ist wieder neueren Datums, der Roman wurde 2004 in England erstveröffentlicht. Es ist mit 550 Seiten eines der umfangreicheren Abenteuer von Richard Sharpe und sein Erfinder, Bernard Cornwell, hat wie immer einiges für seinen Helden in petto.

Dabei sieht es für Sharpe im Moment gar nicht so rosig aus. Bisher hatten wir Sharpe immer als einen Hansdampf in allen Gassen erlebt, als einen Mann, der grundsätzlich jede Aufgabe für möglich hält und das Wort „scheitern“ nicht zu kennen scheint. Ein grundsoliger Optimist also, dessen Optimismus auch noch dadurch befeuert wurde, dass er ihn in der Regel vorwärtsbrachte. Rückschläge sind in Richard Sharpes Leben immer nur temporär und auch wenn er eine Schlacht verlieren mag, den Krieg gewinnt er immer!

 

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Bernard Cornwell – Sharpes Gold (Sharpe 9)

Im neunten Abenteuer der Reihe um den Scharfschützen Richard Sharpe hat Lord Wellington einmal mehr einen Spezialauftrag für den Captain. Und wie der Titel “Sharpes Gold” vermuten lässt, geht es dabei um einen waschechten Schatz! Denn was braucht man, um einen Feldzug zu gewinnen? Genau … reichlich Geld. Und eben dieses droht den Engländern im Moment auszugehen. Doch hinter den feindlichen Linien ist ein Goldschatz aufgetaucht, den sich Wellington unbedingt sichern will. Die ganze Geschichte muss natürlich streng geheim bleiben und auch, wofür genau das Gold verwendet werden soll, bleibt Wellingtons Geheimnis. Doch er bläut Sharpe ein, dass es gilt, den Schatz zu sichern – koste es, was es wolle! Und so ziehen Sharpe und seine Rifles aus, einen ganzen Haufen Gold zu bergen und durch französisch besetztes Gebiet zurück zu Wellington zu schleppen. Bernard Cornwell – Sharpes Gold (Sharpe 9) weiterlesen

Bernard Cornwell – Sharpes Trophäe (Sharpe 8)

„Sharpes Trophäe“, chronologisch Band 8 der Reihe um den Scharfschützen Richard Sharpe, ist einer der älteren Romane aus der Feder von Bernard Cornwell – erstveröffentlicht 1981. Auch für „Sharpes Trophäe“ hat der englische Autor seine üblichen Zutaten einmal kräftig umgerührt, um sie in einer appetitlichen Zusammensetzung dem geneigten Leser zu präsentieren: Es gibt einen abenteuerlustigen, vom Glück begünstigten Helden, einen wirklich verabscheuungswürdigen Gegenspieler, eine große Schlacht, eine Frauengeschichte und alles ist gewürzt mit einer ganz großen Prise leicht verständlicher Militärgeschichte.

Sharpes Regiment, das 95th, ist bereits zurück in der Heimat, während er immer noch in Portugal festsitzt und für den Pionier Captain Hogan Aufgaben erfüllt. Der aktuelle Befehl lautet, eine alte Römerbrücke in Valdelacasa zu sprengen, um die Franzosen davon abzuhalten, den Tejo zu überqueren. Eigentlich eine leichte Aufgabe, die nicht viel Zeit in Anspruch nehmen sollte. Allerdings müssen Hogan und die Rifles aus diplomatischen Gründen ein englisches und spanisches Regiment mitführen – und beide Regimenter sind nicht gerade ruhmbekleckert.

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Volkers, Mara – Vampirjagd

Für die Vampire in Mara Volkers‘ „Vampirjagd“ ist ihr Anderssein hauptsächlich ein lästiges Hindernis, dem sie mit Geld, kleinbürgerlichem Verhalten und strikter Angepasstheit zu entfliehen suchen. Sicher, es gibt da diese dumme Angewohnheit, von Zeit zu Zeit Menschenblut trinken zu müssen, aber ansonsten lassen es Daniela und ihr Mann Urban zivilisiert zugehen. Zusammen mit den sonstigen Vampiren von Wien haben sie sich in einem Club organisiert, haben sich strenge Regeln auferlegt und versüßen sich ansonsten das ewige Leben mit regelmäßigen Besuchen im Kaffeehaus und gepflegten Gesprächen mit seinesgleichen.

Die Ruhe wird jäh gestört als Daniela und Dilia mittels ihrer Fähigkeiten die geistige Spur eines unbekannten Vampirs aufnehmen, der sich kurz darauf an einem Menschen vergreift. Ein Sakrileg, finden die beiden. Schließlich verstößt es gegen die Regeln des Clubs (auch wenn der unbekannte Vampir vermutlich noch nie vom Club gehört hat) und kann nur in einem Desaster enden. Das kleine Grüppchen der Club-Vampire vermutet sofort einen großen Gegenspieler, der ihnen ans Leder will und so versuchen sie, sowohl an den unbekannten Vampir als auch an den vermuteten Hintermann zu gelangen. Ein Unterfangen, das, da es ständig durch exzessives Palatschinken-Essen unterbrochen wird, Dreiviertel des Buches einnehmen und sich dementsprechend hinziehen wird.

Was Daniela und ihre Freunde nicht wissen: Am anderen Ende der Stadt verwandelt sich gerade die junge Vanessa in einen Vampir. Und als ein paar Kleinkriminelle sie, ihre Schwester und ihren Mann in einer Holzhütte einem Feuer überlassen, das nur Vanessa überleben wird, schwört diese Rache. Ihrer Ansicht nach hat sie ihren neuen Zustand nur erlangt, um für den Tod ihrer Schwester Gerechtigkeit walten zu lassen.

Und so suchen auf der einen Seite Daniela und Urban nach einem unbekannten Vampir. Vanessa wiederum sucht nach den Mördern ihrer Schwester. Und die Kleinkriminellen um den verwöhnten Milliardärssohn Ferdinand Rubanter rauben eine Bank nach der anderen aus, ohne zu ahnen, dass sie es bald mit Vampiren zu tun bekommen.

_Mara Volkers konstruiert_ ihren Roman durchaus geschickt. Durch die Augen verschiedener Charaktere sieht der Leser die Handlung und weiß somit immer viel mehr als die Figuren selbst. Volkers gelingt es, anfangs scheinbar völlig voneinander unabhängige Handlungsstränge zu präsentieren, nur um diese später langsam immer mehr zueinanderzuführen wie einen Knoten, den man immer fester zieht. Diese Taktik garantiert Lesegenuss, denn sie macht es dem Leser leicht, bei der Stange zu bleiben. Leider unterwandert Volkers ihren guten Ansatz durch den eher dünnen Plot und vor allem durch die völlig austauschbaren Charaktere. Alle ihre handelnden Figuren sind Typen; Klischees auf Füßen, für die man sich nur schwerlich begeistern kann. Da sind Daniela und Urban, das versnobte Künstlerehepaar, das doch herzensgut ist und trotz des ganzen Geldes und der Berühmtheit so sympathisch auf dem Boden geblieben ist. Da ist Vanessa, die frustrierte Ehefrau, die ihrem Mann kaum mehr als eine Putz- und Bürohilfe ist. Da ist Ferdinand Rubanter, dessen Allüren in ihrer Maßlosigkeit bald nicht nur den Figuren, sondern auch dem Leser auf den Wecker gehen. Und da ist der Kleingangster Erwin, der zwar böse, aber auch irgendwie einfältig ist. Keiner der Charaktere erscheint wie ein echter Mensch – pardon, ein echter Vampir -, alle bleiben immer nur zweidimensionale Abziehbilder zwischen zwei Buchdeckeln.

Auch der Vampirismus kommt viel zu kurz. Daniela und ihr Vampir-Club wirken eher wie eine exklusive Clique als wie eine Gruppe Untoter. Man liest nichts, was man nicht schon irgendwoanders besser, schillernder oder zumindest gruseliger gesehen hätte. Es scheint, als wäre der Vampirismus der Figuren ein Anhängsel, aber eben nicht der Aufhänger. Und das ist sehr schade – schließlich lässt der Titel anderes vermuten.

Deshalb berührt es auch letztlich kaum, was mit diesen Charakteren im Laufe der Handlung passiert. Und da passiert durchaus Tragisches! Aber da Volkers‘ Charaktere nicht fähig sind, überraschende, interessante oder wenigstens authentische Reaktionen zu zeigen, bleibt die Tragik auch immer nur ein Element, um zum nächsten Handlungspunkt zu gelangen. Und da sich die Konflikte schließlich in Wohlgefallen auflösen werden und es auch keinen großen Gegenspieler im Hintergrund gibt (eine Tatsache, die der Leser recht bald begreift), hat man den Eindruck, die 400 Seiten des Romans plätscherten gemächlich dahin.

_Zumindest hat sich_ Mara Volkers Mühe gegeben, etwas Wiener Lokalkolorit in den Roman einfließen zu lassen: Da wird im Hawelka Kaffee getrunken und auf der Suche nach der Vampirin der Stephansdom umrundet. Es gibt ein paar typisch wienerische Ausdrücke und Redewendungen (ein Dank ans Lektorat, dass diese nicht glattgebügelt wurden) und es fehlte eigentlich nur noch, dass eine Szene auf dem Hauptfriedhof spielt. Dieser Aspekt von „Vampirjagd“ ist also wirklich gelungen, nur reicht großzügig versprühtes Wiener Flair leider nicht für ein wirklich spannendes Leseerlebnis. Damit steht der ultimative Roman über Vampire in Wien immer noch aus. Freiwillige vor!

|Taschenbuch: 464 Seiten
ISBN-13: 978-3492268141|
http://www.piper-verlag.de

_Mara Volkers bei |Buchwurm.info|:_
[„Die Reliquie“]http://buchwurm.info/book/anzeigen.php?id__book=3766

Malzieu, Mathias – Mechanik des Herzens, Die

Eigentlich ist Mathias Malzieu, Jahrgang 1974, im Hauptberuf Sänger der französischen Band Dionysos. Mit dieser Beschäftigung scheint er jedoch nicht recht ausgelastet zu sein, denn seit gut zehn Jahren versucht er sich auch als Schriftsteller. Erst jetzt ist jedoch sein in Frankreich bereits 2007 erschienener Roman „Die Mechanik des Herzens“ auch in deutscher Sprache verfügbar. Zum Glück, mag man als Leser erleichtert ausrufen, denn schon nach den ersten Seiten wird klar, dass man mit diesem Buch ein echtes Kleinod in den Händen hält. Kaum hat man den Roman ausgelesen, ereilt den Leser auch schon die Hoffnung, dass bald Übersetzungen von Malzieus anderen Werken folgen werden.

_“Die Mechanik des Herzens“_ ist ein schmaler Band, der aber vor Fantasie und bezaubernden Charakteren nur so strotzt. Es ist ein Märchen, das von der (Zerstörungs-)Kraft der Liebe und der Zerbrechlichkeit des menschlichen Herzens erzählt und dabei mit seiner bildreichen und träumerischen Sprache anrührt. Es geht um den kleinen Jack, der in einer eiskalten Nacht als Sohn einer Hure in einer Hütte auf dem Arthur’s Seat in Edinburgh geboren wird. Die Hütte gehört Doktor Madeleine, die als weise Frau und Hebamme fungiert. Die Hure macht sich aus dem Staub und lässt das Kind bei Madeleine zurück. Doch der kleine Jack hat einen Geburtsfehler: Sein Herz mag nicht schlagen und so baut Doktor Madeleine, eine leidenschaftliche Bastlerin, ihm eine Kuckucksuhr ein, die fortan den Takt des Lebens für den Kleinen schlägt. Madeleine wird eine Mutter für Jack und trotz ihres Rates, dass sein Uhrenherz sehr anfällig sei und sofort den Dienst verweigern würde, solle er sich eines Tages verlieben, geschieht natürlich genau das. Schließlich kann man das eigene Herz nicht regieren – auch wenn es eine Kuckucksuhr ist! Als er sich zum ersten Mal nach Edinburgh wagt, trifft er auf Miss Acacia, eine kurzsichtige Flamencotänzerin, die dazu neigt, gegen Türen zu laufen, weil sie nie ihre Brille aufsetzt. Fortan ist es um Jack geschehen und er soll viel Zeit und Geduld aufbringen, um seiner Angebeteten durch ganz Europa zu folgen, um sie schließlich im Extraordinarium – einer Art Rummelplatz und Kuriositätenkabinett – ausfindig zu machen. Um ihr nahe zu sein, heuert er in einer Geisterbahn als Erschrecker an. Zwar ist er in diesem Gewerbe nicht erfolgreich, doch gelingt es ihm, Miss Acacias Herz zu gewinnen. Rauschhaft ergeben sich die beiden ihrer jungen Liebe, doch ist das Glück nur von kurzer Dauer. Und da kommt Doktor Madeleines Rat wieder ins Spiel: „Wenn du dich verliebst, setzt du dein Leben aufs Spiel.“

_Malzieu ist ein_ wunderbares Buch gelungen, das effektiv mit einer eigentlich einfachen Metapher spielt. Denn natürlich ist es nicht nur das Uhrenherz des kleinen Jack, das durch die Liebe in Gefahr gerät. Jedes menschliche Herz ist in Gefahr zu brechen, sollte die Liebe uns ereilen: „Nun, dieser Schmerz ist nichts im Vergleich zu dem, den die Liebe verursacht. Jeden Augenblick der Freude und des Glücks bezahlst du früher oder später mit Schmerz, und je stärker man liebt, desto größer ist der Schmerz“, warnt Doktor Madeleine. Natürlich hat sie recht. Und doch stürzt sich Jack – stürzt sich die ganze Welt – kopfüber in dieses Abenteuer, weil er glaubt, dass die Momente der Liebe die Momente des Schmerzes aufwiegen. Uhrenherz hin oder her … Manch ein Leser mag diesen Kunstkniff gar zu simpel finden, doch gerade das Einfache, fast Kindliche dieser Idee macht die Effektivität aus. Malzieu bleibt seiner Metapher den ganzen Roman durch treu und exerziert sie aufs Genaueste durch – das, gepaart mit der wunderbaren Sprache macht „Die Mechanik des Herzens“ zu einem Buch, in dem einfach alles stimmig ist.

Malzieus feinsinnige und bildreiche Sprache macht den Roman zu einem Fest, einer Geschichte, die man genüsslich auskostet, weil jeder Satz ein Leckerbissen ist. Er platziert seine Charaktere in einer irgendwie realen und doch fantastisch angehauchten Welt. Diese Verfremdung, die eben nicht mehr realistisch, aber doch noch nicht gänzlich fantastisch ist – das macht den besonderen Reiz aus. Zwangsläufig stellt man sich „Die Mechanik des Herzens“ als Tim-Burton-Film vor. Malzieus Roman scheint stark von Burtons Ästhetik beeinflusst zu sein. Dass sich Burton des Stoffes tatsächlich filmisch annimmt, ist allerdings – zunächst – unwahrscheinlich. Die Franzosen haben den Roman selbst verfilmt – mit Malzieu als Regisseur. Man darf gespannt sein!

_“Die Mechanik des Herzens“_ ist ein rundherum wunderbares Buch. Eines, das man liest und wieder liest, das man verschenkt und das man Freunden empfiehlt. Es ist eines dieser wenigen Bücher, bei denen man das unbedingte Bedürfnis verspürt, andere an dem Zauber teilhaben zu haben. Zumindest eines ist gewiss: Die Liebe zu Büchern hat noch keinem Herzen geschadet. Deshalb lautet mein Rat: „Die Mechanik des Herzens“ lesen und träumen!

|Taschenbuch: 194 Seiten
Originaltitel: La Mécanique du Cœur
Übersetzung aus dem Französischen: Sonja Finck
ISBN: 9783570585085|
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