_Das Mondkalb und seine Abenteuer_
Simon ist Küchenjunge auf dem Hochhorst des Königs in Osten Ard. Er träumt lieber von großen Abenteuern und möchte eher im Hochhorst herumstreunen als wie alle anderen allerhand Dienste und Arbeiten zu verrichten. Weil Simon ein Tagträumer ist und ihm deshalb ständig Missgeschicke unterlaufen, wird er von allen nur Mondkalb genannt.
Durch einen glücklichen Zufall und sein gutes Verhältnis zu Doktor Morgenes wird er von diesem als Lehrling aufgenommen, und Simons größter Wunsch scheint zum Greifen nah: Nun wird er endlich in die Geheimnisse der Magie eingeweiht werden. Doch der Unterricht bei Doktor Morgenes sieht letztendlich anders aus, als Simon es sich vorgestellt hat. Statt in der Kunst der Magie unterwiesen zu werden, muss er sich mit anstrengenden Dingen wie Lesen und Schreiben herumschlagen, was ihm überhaupt keinen Spaß macht.
Währenddessen stirbt der König Johan Presbyter und ernennt zuvor Elias, seinen ältesten Sohn, als seinen Nachfolger. Josua, dessen jüngerer Bruder, versucht, auf seinen großen Bruder Elias einzureden, da dieser neuerdings seinen Rat beim Priester Pryrates einholt und Josua ihm nicht über den Weg traut. Elias, der seinen Bruder sowieso hasst, beschuldigt Josua, ihm den Thron entreißen zu wollen, und kurz darauf verschwindet Josua ohne jede Spur …
Als Simon mal wieder auf Erkundungstour ist, findet er eine offene Falltür, und so neugierig, wie er nun einmal ist, steigt er durch sie in einen unteren Lagerraum. Dort entdeckt er ein Verlies, in dem Prinz Josua von Pryrates gefangen gehalten wird, wie er erschreckt feststellen muss. Schnell rennt er zu Doktor Morgenes, um ihm von seinem Fund zu berichten, und die beiden starten eine Rettungsaktion, die zwar gelingt, aber Pryrates und seinen Anhängern nicht verborgen bleibt. Doktor Morgenes zeigt Prinz Josua einen geheimen Gang, durch den er fliehen und nach Naglimund gelangen kann. Als die Anhänger von König Elias und Pryrates dann vor Dr. Morgenes‘ Tür stehen, verhilft dieser auch Simon zur Flucht und muss dabei sein Leben lassen.
Simon beschließt verzweifelt, Prinz Josua zu folgen und ebenfalls nach Naglimund zu reisen. Auf dem Weg dorthin wird er Zeuge eines grausamen Rituals, in dem ein verzaubertes Schwert erschaffen wird. Traumatisiert von diesem Spektakel, versucht er weiter, nach Naglimund zu gelangen, und erfährt nach und nach, in welch großer Gefahr ganz Osten Ard sich befindet …
Die Geschichte beginnt sehr gemächlich. Anfangs passiert nicht besonders viel, jedenfalls nichts Bedeutsames. Man erhält einen Einblick in Simons Leben auf dem Hochhorst und es wird uns lebhaft präsentiert, welch ein Tollpatsch er ist und dass er seinem Spitznamen ‚Mondkalb‘ daher alle Ehre macht. Dennoch wird die Lektüre zunächst noch nicht langweilig. Obwohl über eine lange Zeit eigentlich kaum etwas passiert, verfolgt man die vermeintlichen ‚Abenteuer‘ von Simon gespannt und lernt den Handlungsträger nach und nach besser kennen.
Ein jäher Wechsel von Simons friedlichem Leben auf dem Hochhorst in ein gefährliches Abenteuer ereignet sich dann, als das zweite Buch beginnt. Simon flieht allein vom Hochhorst und muss auf seiner Reise mit Tränen, Hunger und anderen Unbequemlichkeiten der Wildnis kämpfen, die ihn beinahe in den Wahnsinn und in den Tod treiben.
Während des Verlaufs der Geschichte kann man beinahe dabei zusehen, wie sich Simon verändert. Anfangs, auf dem Hochhorst, ist er ein Junge, der lieber vor sich hinträumt und einfach tollpatschig ist. Er entzieht sich sämtlicher Arbeiten und ist dann froh, als er bei Dr. Morgenes als Lehrling aufgenommen wird, weil er hofft, von ihm die Gesetze der Magie gelehrt zu bekommen. Trotzig, tollpatschig, verträumt, neugierig und faul – genau das ist Simon.
Doch dann, als er auf Reisen geht, durchläuft er eine erkennbare Veränderung. Er träumt nicht mehr so viel und wird zunehmend erwachsener und verantwortungsvoller. Die Wildnis und seine anfängliche Hilflosigkeit härten seinen Körper wie seinen Charakter ab. Die Entwicklung von Simon wird also wirklich sehr gut rübergebracht und zeugt von Tiefe und Wiedererkennungswert.
Doch Simon ist nicht der einzige Charakter in „Der Drachenbeinthron“, der gründlich ausgearbeitet wurde. Alle Personen, die eine größere Rolle spielen, haben ihre Eigenarten und eigenständige, einzigartige Wesenszüge. Vor allem die Gestaltung von Binabik dem Troll oder Josua hat mir wirklich ausnehmend gut gefallen. Solche starken Charaktere, zudem in solch großer Zahl, findet man nicht in jedem Fantasybuch. Man erfährt dadurch nicht nur die Gefühle oder Beweggründe Verbündeter oder jene der Feinde, sondern bekommt auch einen guten Überblick über die Handlungsentwicklung und innere Logik.
Tad Williams Schreibstil ist sehr emotional gehalten und passt sich der jeweiligen Stimmung ausgezeichnet an. Wenn er von Simons Träumereien schreibt, ist die Schreibweise entsprechend lyrisch, wenn er von Gefahren schreibt, ist der Stil sehr gehetzt. Das führt dazu, dass man einfach richtig gut in die Geschichte eintauchen kann. Zusätzlich arbeitet Williams mit zahlreichen atmosphärischen Metaphern.
Ein Nachteil, den das Buch leider bei allem Vorteilhaften auch aufzuweisen hat, sind seine Längen. Es ist mehr als 900 Seiten stark und zudem nur der Auftakt einer mehrbändigen Serie, und da kann man sich schon denken, dass die Abenteuer sich nicht gerade atemlos aneinander reihen. Ab der Mitte des Buches, wenn Simon schon lange Zeit auf der Reise nach Naglimund ist, stellt sich immer wieder Langeweile ein, weil es irgendwann einfach keine Freude mehr bereitet, wenn man ständig belanglose Gespräche oder lange Reisebeschreibungen lesen muss. Und nicht nur auf Simons Reise ist das der Fall – leider geschieht dergleichen ab der Mitte des Wälzers immer wieder. Zwischendurch passiert natürlich immer wieder etwas Interessantes oder Abenteuerliches, dann geschieht aber lange Zeit nichts Bedeutsames und der Leser muss sich mit langweiligen, belanglosen Gesprächen und unwichtigen Handlungseinsprengseln herumschlagen, was bei noch knapp 500 Seiten ziemlich ermüdend werden kann.
Ein weiterer Punkt, der nicht gerade zum ungestörten Lesefluss beiträgt, sind die vielen ungewohnten Namen, Bezeichnungen und Sprachen. An die Namen gewöhnt man sich irgendwann, doch oft werden Wörter oder ganze Sätze in einer anderen Sprache gesprochen. Zwar gibt es ein Glossar, das aber ziemlich unübersichtlich gestaltet ist, und außerdem ist es auch noch lästig und störend, wenn man alle paar Minuten nach hinten blättern und suchen muss, weil man etwas übersetzen oder nachschlagen will. Da das irgendwann wirklich stört, neigt man dazu, das Nachschlagen einfach sein zu lassen und einfach weiterzulesen. Zum Glück kann man sich oft denken, was bestimmte Wörter oder Sätze heißen könnten.
_Fazit:_ „Der Drachenbeinthron“ hinterlässt einen ambivalenten Gesamteindruck. Charakterentwurf und Schreibstil haben mir wirklich sehr gut gefallen, andererseits weist das Buch zahlreiche langatmige und für den Leser uninteressante Passagen auf, und das nervige Umblättern, um Informationen nachzuschlagen, stört doch sehr, vor allem, weil das Glossar alles andere als übersichtlich gestaltet ist.
_Robert Paul „Tad“ Williams_ wurde am 14. März 1957 in San José, Kalifornien, geboren. Seine Eltern waren nicht sehr reich, förderten ihren Sohn aber, so gut es ging. Tad entschied sich, nicht zur Schule zu gehen, um für sich selbst zu sorgen. Er nahm unterschiedliche Gelegenheitsjobs an, wie das Eintreiben von Schulden oder Arbeit auf dem Bau. In seiner Freizeit spielte er in einer kleinen Rockband namens |Idiot|. Tad moderierte eine Talkshow und war als Schauspieler tätig. Seine bekanntesten Werke sind die Zyklen von |Osten Ard|, |Shadowmarch| und |Otherland|.
|Die Saga von Osten Ard – Das Geheimnis der großen Schwerter:|
1. Band: Der Drachenbeinthron
2. Band: Der Abschiedsstein
3. Band: Die Nornenkönigin
4. Band: Der Engelsturm
[„Der brennende Mann“ 2734
[„Der brennende Mann“ 2341 (Hörbuch)
|Originaltitel: The Dragonbone Chair
Deutsch von Verena C. Harksen
948 Seiten mit farbigen Illustrationen, Lizensausgabe|
http://www.tadwilliams.de/
|Mehr von Tad Williams auf Buchwurm.info:|
Otherland: [„Fantasy als Flucht und Fluch – Der ultimative Logout“]http://www.buchwurm.info/artikel/anzeigen.php?id=20
[„Otherland 1: Stadt der goldenen Schatten“ 603 (Hörspiel)
[„Otherland 2: Fluß aus blauem Feuer“ 1208 (Hörspiel)
[„Otherland 3: Berg aus schwarzem Glas“ 1739 (Hörspiel)
[„Otherland 4: Meer des silbernen Lichts“ 1988 (Hörspiel)
[„Otherland 5: Der glücklichste tote Junge der Welt“ 4196 (Hörbuch)
[„Shadowmarch: Die Grenze“ 2076
[„Der Blumenkrieg“ 539
[„Die Insel des Magiers“ 1541
[„Die Stimme der Finsternis“ 1400
|Anmerkung: Die gesamte Fantasy-Bibliothek mit 10 Bänden (satte 4’500 Seiten) gibt es bei [Weltbild]http://www.weltbild.de/artikel.php?PUBLICAID=2f4ad2e713cdc250fbcff5fd2a9aec39&artikelnummer=264802&mode=art für sparsame 29,50 €uro.
Bei Fischer sind die vier Bände der Saga Ende 2003 auch im [Sammelschuber]http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3596161509/powermetalde-21 erschienen.|