Iain Banks – Die Sphären

Nach seinem letzten großartigen Roman »Der Algebraist«, der ein neues Universum mit Leben füllt, widmet sich Iain Banks mit dem vorliegenden Buch wieder seinem KULTUR-Universum. Der Heyne-Verlag preist diese Erzählung als »Opus Magnum« des Autors an und bietet mit dem Trade-Paperback eine schöne Plattform zwischen Taschenbuch und Hardcover. Die Titelbildgestaltung bedient sich eines Motivs aus dem Prolog des Romans und veranschaulicht wunderbar die Arbeit einer wichtigen Person des Geschehens.

Das war’s dann auch schon an Pluspunkten für den Verlag. Man schlägt das Buch auf und sieht große, angenehm lesbare Schrift auf dickem Papier, dem ein breiter unbedruckter Rand gelassen wird. Schon allein ohne diesen Rand bleibt die Größe eines Taschenbuchs, was sich natürlich im Preis widerspiegeln würde, denn mit 16 Euro ist er doch sehr hoch gesteckt.

Wie man bei der Lektüre feststellen wird, trifft der Klappentext in seinen wichtigen Aussagen daneben. Der Roman ist kein Trip durch die Galaxis in diesem Sinne. Wichtigste Bühne ist die Welt Sursamen. Die KULTUR, zu der auch die Menschen und ihre Modifikationen gehören, besteht keineswegs nur aus Menschen und widerlegt so die Behauptung, die Menschheit wäre bei ihrem Aufbruch ins All auf die Schalenwelten gestoßen. Und die Schalenwelten sind nach dem Tenor des Romans keinesfalls eine gigantische Falle für die menschliche Zivilisation.

Vielmehr handelt es sich um eine königliche Familiengeschichte voller Intrigen, Flucht und Suche nach Hilfe, in deren Begleitung eine äonenalte Gefahr für die ganze Welt befreit wird und bekämpft werden muss. Dabei entwickelt Banks neue interessante Facetten der Gesellschaftsform der KULTUR und der galaktischen Gemeinschaft und wirft neue Fragen auf, die nicht alle in dieser Geschichte beantwortet werden.

Trotz Banks‘ unbestreitbaren Hangs zu wortreichen Beschreibungen gibt es in Bezug auf technische Details keine unnötig pseudowissenschaftlichen Abhandlungen. Es wird nicht die Funktion beschrieben, sondern der Effekt, so dass von dieser Seite der Erzählfluss nicht verzögert wird. Anders ist es mit anderen Beschreibungen: Vor allem die Örtlichkeiten werden so detailliert und weitschweifig geschildert, dass man sich zeitweise gebremst fühlt und versucht ist, den Absatz zu überspringen. So wandern die Protagonisten mal durch einen endlosen Gang und verlieren sich in Gedanken über die Vergangenheit (teilweise wichtig zur Charakterisierung der Figur) oder komplett zusammenhangslosen Überlegungen. Hier hätte man sich einen rotstiftverliebteren Redakteur gewünscht.

An Sprache, Vokabular, Kreativität, Individualität und bewundernswerter Fantasie gibt es nichts zu kritteln. Es ist eine typisch Bankssche frische Erzählung von hohem Unterhaltungswert und mit diesem Adrenalin ausschüttenden Sog, der keine Müdigkeit zulässt.

Betrachtet man den Erzählungsverlauf, fällt Folgendes auf: Es läuft alles ganz zielgerichtet und flüssig und dreht sich auf zwei Ebenen um den Versuch der zwei Parteien, sich zu treffen. Hintergrund ist der Mord am König und Vater der beiden Personen. Der Weg dieser beiden Gruppen ist natürlich mit Problemen gepflastert. Ab dem Moment ihres Treffens strebt alles plötzlich dem Finale entgegen und wandelt sich in das kosmisch umfangreiche Thema, das nicht nur diese Familienkrise betrifft, sondern die ganze Galaxis. Es taucht ein unbemerkt eingeführter Gegner auf und fordert komplexen hochtechnischen Einsatz. Durch gnadenlose Vernichtung von Menschen löst sich der familiäre Konflikt auf und wandelt sich auf diesem letzten Abschnitt in den verzweifelten Versuch, diesen Gegner auszuschalten. Damit wird ein Großteil der erzählerischen Vorarbeit und Entwicklung des Romans in einem Schlag beiseite gewischt. Natürlich erhält das Ende durch seine kosmische Gültigkeit das wahre Flair der Science-Fiction-Erzählung gegenüber einem banalen Aufeinandertreffen von Mörder und Rächer. Aber der Weg dorthin liegt etwas zu sehr versteckt hinter dieser oberflächlichen persönlichen Geschichte.

Auf den Epilog kann man verzichten. Er dient nur als Rechtfertigung für die emotionale Entscheidung der Protagonistin im Prolog und die sich daraus ergebenden Konsequenzen. Dem Ende selbst fügt er keine spannende oder zu mehr Befriedigung führende Facette hinzu.

Insgesamt bietet der Roman ein sehr schönes, spannendes und befriedigendes Leseerlebnis in der grandiosen Welt von Iain Banks‘ KULTUR.

Originaltitel: Matter
Übersetzt von Andreas Brandhorst
Paperback, Broschur, 800 Seiten
ISBN-13: 978-3-453-52500-9

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