James Barclay – Zauberbann (Die Chroniken des Raben 1)

Der Rabe, das ist ein sechsköpfiges Söldner-Gespann, welches sich in den letzten Jahren durch den Sieg zahlreicher gemeinsam geführter Schlachten einen bedeutenden Namen hat machen können und daher auch von seinen Feinden gefürchtet wird. Doch die Soldaten dieser Vereinigung sind in die Jahren gekommen und machen sich jenseits der 30 Gedanken, den allmächtigen Raben als unbesiegte Allianz in die Geschichte eingehen zu lassen. Als dann auch noch Ras, ein Mitglied der kleinen Armee, bei einem Angriff ums Leben kommt, scheint die Entscheidung beschlossene Sache. Doch genau bei diesem Angriff eröffnet sich den übrig gebliebenen Söldnern eine vollkommen neue Situation. Bei der Verfolgung eines Zauberers gelangen sie durch ein verstecktes Tor auf eine Ebene in einer anderen Dimension, bei der einer der Mannen, Hirad, plötzlich einem gewaltigen Drachen gegenübersteht. Der quasi dem Tode Geweihte kann sein Dahinscheiden durch einen längeren Dialog mit dem fremdartigen Geschöpf noch verzögern und wird dann plötzlich von eben jenem unbekannten Zauberer gerettet.

Es stellt sich jedoch heraus, dass der Magier dies lediglich aus eigenem Nutzen tat, denn gleichzeitig hat er dem fauchenden Drachen einen wichtigen Stein enteignet. Nach und nach erfahren sie mehr über diesen Stein und dessen Bedeutung, weshalb sie sich mit dem Zauberer, Denser ist sein Name, zusammenschließen, um dem Geheimnis des Steines und des damit verwobenen Zauberspruchs „Dawnthief“ auf die Schliche zu kommen.
Dies geschieht jedoch nicht ohne Probleme, denn Denser enstammt dem düsteren Zauberkolleg Xetesk, welches unter den vier verfeindeten Kollegien als das bösartigste angesehen wird. Nicht nur deswegen hat der Raben-Zauberer Ilkar zunächst Bedenken, was die Freundschaft mit Denser betrifft, und als dann schließlich noch weitere Mitglieder des Raben im Kampf an Densers Seite sterben, steigen die Zweifel an der Bedeutung von „Dawnthief“.

Aber Denser kann die Mitglieder des Raben erneut beschwichtigen und erzählt ihnen von der bevorstehenden Invasion der Wesmen, die nun von den totgeglaubten Wytchlords angeführt werden, um ganz Balaias (die Welt, in welcher der Roman spielt) zu vernichten. Viel zu spät merken auch die übrigen Kollegien, welche Gefahr sich für das Land aufgetan hat, und der Beschluss, fortan zusammenzuarbeiten, scheint schon fast zu einem zu späten Zeitpunkt zu kommen.

„Zauberbann“ ist dem Leser von Anfang an sympathisch. Mit lediglich 380 Seiten ist das Buch sehr handlich, und da James Barclay seine Geschichte vom Raben direkt mit einem spannungsreichen Szenario beginnt, ist man sofort mitten im Geschehen drin. Doch es dauert eine ganze Weile, bis man die Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Zauber-Kollegien, die Bedeutung des allmächtigen Zauberspruchs „Dawnthief“ und die verschiedenen Intentionen des Xestesk-Zauberers und des Raben verinnerlicht hat. Grob gesehen ist sogar schon das halbe Buch an einem vorübergezogen, bis man klar sieht, und dennoch geht einem der Spaß trotz einiger inhaltlichen Probleme zu keiner Sekunde verloren, da James Barclay das Ganze nicht übertrieben poetisch beschreibt, sondern mit „Zauberbann“ eine eher zeitgemäße Fantasy-Story präsentiert. Dass die Sprache dabei sehr einfach gehalten ist, erleichtert das Lesen ungemein, und spätestens wenn man dann begriffen hat, worum es wirklich geht, lässt einen das Buch nicht mehr los und man verschlingt es in einem Zug.

Und siehe da; habe ich den geringen Umfang des ersten Teils der „Chroniken des Raben“ zuerst noch als recht angenehm empfunden, so ärgere ich mich dann nach knapp 400 Seiten dennoch, weil die Fortsetzung von „Zauberbann“ erst jetzt, drei Monate später, auf den Markt kommt. Sicherlich wäre es interessanter und vor allem auch sinnvoller gewesen, den Leser nicht so lange auf die Folter zu spannen, denn die Spannung ist zum Ende des ersten Bandes hin sehr groß und das wieder einmal für deutsches Publikum zweigeteilte Buch endet an einer sehr ungünstigen Stelle, die dringend nach einer fortsetzenden Ausschmückung verlangt. Aber das alleine reicht auf jeden Fall schon einmal aus, um „Zauberbann“ dem etatmäßigen Publikum der Fantasy-Literatur weiterzuempfehlen, wobei ich mir die üblichen Parallelen zur „Herr der Ringe“-Trilogie in Form der hier Seite an Seite agierenden Gefährten in meiner Kritik einmal sparen möchte. Aber andererseits würde Barclay’s vergleichsweise simpler und schnörkelloser Stil, der sich rein äußerlich auch im tollen Cover spiegelt, sich auch gar nicht für einen Vergleich mit Tolkien eignen.

In England hat Barclay mit seiner Reihe über den Raben schon hervorragende Kritiken erhalten; dort ist das Original auch bereits im Jahre 1999 erschienen und mittlerweile zu einem mehrteiligen Zyklus angewachsen, der nach den „Chroniken des Raben“ mit den „Legenden des Raben“ (im Original je drei Bände; deutsche Fassung jeweils auf sechs Bücher verteilt) und einer gesonderten Novelle weitergeführt wurde. Ob diese Fortsetzungen ebenfalls in Deutschland erscheinen werden, steht bisher noch nicht fest, hängt aber höchstwahrscheinlich vom Erfolg von Barclays Serie über die „Chroniken des Raben“ ab. Da der erste Teil aber wirklich ein sehr überzeugendes Dokument moderner Fantasy-Literatur geworden ist, dürfte eigentlich nichts dagegen sprechen, dass Barclay sich demnächst als renommierter Schriftsteller auch auf dem deutschen Markt etablieren wird.

Taschenbuch: 380 Seiten
www.heyne.de

Homepage des Autors: www.jamesbarclay.com
Homepage des Zyklus: www.ravengazetteer.com