Barry, Max – Logoland

Eine neue Welt, ganz vertraut.

Endlich! Die Steuern sind abgeschafft, die Regierung nicht mehr so wichtig. Sie muss sich für all ihre Aktivitäten jeweils gezielt von den Bürgern bezahlen lassen. Die Polizei ist auch nur eine Sicherheitsfirma, genau wie die |National Rifle Association|, NRA (derzeit noch amerikanischer Lobbyverein für Waffennarren). Rechtsprechung – eine Sache des Preises.
Dazu tragen die Leute praktischerweise gleich mal den Namen ihrer Hauptgeldquelle (i.d.R. der Arbeitgeber) als Nachnamen – oder gar keinen, wenn sie selbständig sind. Überraschend aber schon, dass bei all der vermeintlichen Freiheit von Staat und Verwaltung doch nur einige wenige amerikanische Konzerne die Welt dominieren – jedenfalls außerhalb Europas.
Australien, Japan, Südostasien und Russland haben sich mit den USA zu einem amerikanisch bestimmten Superstaat zusammengeschlossen – und überall sieht es gleich aus (identische Produkte, Malls, Wolkenkratzer).
Eine munter pseudoliberale Parallelwelt, in die Max Barry da führt. Und sie als „nahe Zukunft“ bezeichnet. Wie glaubwürdig der Weltentwurf auch sein mag, immerhin zieht er einige der beliebtesten Argumentationslinien der Globalisierungsgegner durchaus sorgfältig und mit viel Spaß am Detail nur ein ganz klein wenig weiter – und baut einen rasanten Krimi hinein.

|Max Barry|

… ist Australier, im März 1973 geboren, hat mal für |Hewlett Packard| Computer verkauft – und legt mit „Jennifer Government“, so der Original-Titel, nach „Syrup“ bereits seinen zweiten Roman vor. Gerne gibt sich der junge Bestseller-Autor aus Melbourne clever, heutig, frisch – und unverschämt. In diesem Jahr wird sein dritter Roman „Company“ erscheinen.

Autorenhomepage: http://www.maxbarry.com

|Logoland|

In der deutschen Übersetzung von Anja Schünemann ist „Jennifer Government“ als „Logoland“ noch im Jahre 2003 bei |Heyne| erschienen. Das Buch scheint sich in Deutschland steter Beliebtheit zu erfreuen. Womöglich liegt das auch an der gelungenen Übersetzung, die Geschwindigkeit und Frische zuverlässig übertragen soll (habe bislang nur das Original gelesen). Barry schreibt temporeich, wendig, einfach lesbar, und immer mit ironischem Nebenton.

_Der Plot_

Hank Nike, ein rechter Tropf und armer Tor in Diensten des niedrig beleumundeten Nike-„Merchandising“ wird von gleich zwei wichtigen John Nikes aus dem megawichtigen „Marketing“ für einen besonderen Job rekrutiert. Er soll ein mutiges Stück Guerilla-Marketing verantworten. Um zu sichern, dass der seit Monaten heftig beworbene, bisher aber nur in Minimalst-Auflagen an Prominente verteilte „Mercury“-Schuh sich richtig schnell zu einem maximalen Preis (2500 $) abverkauft, gilt es ihn bei der Primärzielgruppe unglaublich begehrt zu machen: Teenager. Dazu sollen beim großen Rollout am nächsten Wochenende zehn frischgebackene Käufer gleich beim Verlassen eines beliebigen Nike-Stores erschossen werden – So begehrt sollen die Schuhe erscheinen, dass dafür auch mal ein Mord begangen werden kann. Oder auch zehn davon.

Hank wird, tropfig wie er nun mal ist, erst nach Unterschrift unter den umfangreichen Vertrag zu dieser ehrenvollen Aufgabe klar, auf was er sich da wirklich eingelassen hat. Nach Rücksprache mit seiner energischen Freundin Violet (ohne Nachnamen) entschließt er sich, zur Polizei zu gehen.

Gerne hilft die Polizei – und präsentiert gleich mal die bestmögliche Lösungsalternative für Hanks Dilemma: Wir machen das für Sie! Natürlich nur gegen einen kleinen Obulus von 150.000 $. Verstört und recht aufgelöst willigt Hank ein. Die Polizei ihrerseits allerdings hat gerade ein Ressourcenproblem und beauftragt ein weiteres Subunternehmen, die National Rifle Association. Die kann nach Auflösung der meisten Regierungseinheiten immerhin die größte Armee der neuen großen Vereinigten Staaten aufbieten. Die Jungs von der NRA erledigen den Job, sogar besser als geplant: Gleich 14 Teens mit frisch gekauften Turnschuhen finden den schnellen Tod.

An einem der Schlachtpätze treten dann auch erstmalig zwei wichtige weitere Figuren auf:
Buy Mitsui, Flüchtling aus dem überregulierten Frankreich und Börsenmakler. Er wird einem Teenmädel, Opfer, kurz vorher das nötige Geld für den Erwerb der Mercurys schenken. Einfach so, hat er doch kurz zuvor mit einem hochriskanten Deal (nicht legal) seinen Job, seinen Bonus und sein Auskommen gerettet. Das Mädel wird in seinen Armen sterben, während er für den Callcenter-Menschen von der Ambulanz nach seiner Kreditkartennummer sucht.

Auftritt Jennifer Government, Titelheldin des Romans. Sie ist zufällig dienstlich in der Nähe und erwischt einen der NRA-Attentäter fast, bevor sie mit einem Schuss auf ihre selbst gekaufte Sicherheitsweste in die Windschutzscheibe eines zwei Stockwerke tiefer zu gewinnenden Mercedes katapultiert wird (natürlich muss die Regierung den Schaden am Auto ersetzen).
Jennifer, alleinerziehende Mutter, früher mal wichtig in der Werbebranche, wird die Verfolgung der Täter aufnehmen.

Die tödlichen und abstrusen Vorfälle häufen sich. Während der eine der bösen Marketing-Johns von Hanks Freundin mittels Toaster ins Koma befördert wird, steigt der andere in der Nike-Hierarchie weiter auf. Nike ist mit anderen Firmen in einem gemeinsamen Bonusprogramm („US Alliance“) verbunden. Und eigentlich gibt es nur noch ein einziges ernsthaft zur Rivalität fähiges Bonusprogramm: „Team Advantage“. John will Krieg – und den Gegner vernichten. Doch bevor es den Firmen-Gegnern an den Kragen geht, muss noch ein anderes lästiges Hindernis beseitigt werden: Die Reste der Regierung!
Schnell gedacht, konsequent gehandelt, ein Flugzeug mit den wichtigsten Ministern und dem Präsidenten wird (für gutes Geld) von der befreundeten NRA abgeschossen. Dann geht der Krieg der Bonusprogramme auf der Straße erst richtig los. Mitten drin Buy, Hank, Violet und Jennifer, die es nach etlichen Verwirrungen tatsächlich schafft, den ultrabösen John (nebenbei auch noch Vater ihrer Tochter) hinter Gitter zu bringen. Nach den zahlreichen Todesfällen wird es den anderen Chefs der Bonusprogramme nämlich doch etwas unsicher – und vor allem zu wenig profitabel.

Moral von der Geschicht: Ohne Regierung geht es nicht, aussteigende Börsenmakler geben gute Väter ab – und geschwängert verlassene Frauen sind auf Dauer unbezwingbar!

_Was es bringt_

Wenn auch die konzernkritische Grundstimmung manchmal arg platt vorgetragen wird – dieses Buch ist sehr unterhaltsam. Immer wieder erfreuen kleine Vignetten und Seitenhiebe auf den Konsum-Absolutismus amerikanisch-japanischer Prägung. Marketing-aktive Menschen mögen so manche Situation wiedererkennen – und konstatieren, dass die Überzeichnung oft nur gering scheint.
Zudem ist das Buch bis in die Nebenfiguren hinein (tumbe Scharfschützen, blöde Teenkälber, überambitionierte Softwareentwickler) farbig und erfrischend besetzt. Sicher sind einige Charaktere eher Schablonen denn wahrhaftige Menschen – aber in einem lustigen Actionkracher darf das auch mal sein. Zumal er gelegentlich auch ein wenig zum Weiterdenken anregt.

|In der Summe:| Spannende Unterhaltung mit anregender Wirkung, gut beobachtet, humorvoll und schnell lesbar: |JUST DO IT!|