Bauer, Ines; Luger, Sabina; Ott, Judith – Schatten über Byzantium (Demonwright)

Die Dämonen des |Demonwright| sind erwacht und greifen erneut nach Byzantium. Fast das ganze Land ist schon von ihren orkischen Dienern unter Kontrolle gebracht, nur die Stadt Palvecia und die zugehörigen Landstriche erfreuen sich noch einer zweifelhaften Freiheit und Unabhängigkeit. Die Kaufleute murren, denn die Straßen sind unsicher im Land, und der Herzog Mortak von Palvecia ist nicht in der Lage, sie zu schützen. Das Volk darbt und hungert, und erstmals seit ewigen Jahren vereist der Hafen in der Winterkälte.

Herzog Mortak befragt das Orakel des Eldir, des weisen Gottes mit seherischer Kraft. Durch den Mund des Oberpriesters Egil erfährt Mortak von der einzigen Hoffnung für Byzantium: Die drei Artefakte, die schon vor undenklichen Zeiten aus der Schale in der Hand der Eldirstatue im Tempel verschwanden, müssen gefunden und wiederbeschafft werden, dann würde die dunkle Macht zurückgedrängt. Aber nicht irgendjemand soll die Suche antreten, auch nicht Mortak selbst, sondern seine Kinder!

Der faule Sohn, Arifes, der schon immer alle Verantwortung auf seine Schwester Sefira abgewälzt hat, will sich auch jetzt hinter ihr verstecken und schiebt ihre Schutzlosigkeit als Frau vor, um dem Auftrag zu entgehen. Da ereilt den herzoglichen Sitz die Kunde, dass Sefiras Verlobter von Orks brutal getötet wurde, und Sefira sieht keinen Grund mehr, den Auftrag abzulehnen, ganz zu schweigen von ihrem Verantwortungsgefühl für Land und Volk. Also brechen sie auf, geschützt von drei Kristallen, die ihnen in höchster Not auf der Suche Rettung verheißen sollen.

Unglücklicherweise werden sie getrennt, und Afires flieht in die Stadt zurück, wo er im Suff von der Diebin Nantalin überrumpelt und von seinem Kristall befreit wird. Nantalin wurde von einem unbekannten Mann beauftragt, den Geschwistern zu folgen und sie um die Kristalle zu erleichtern, bevor sie die Artefakte würden bergen können. Nun verfolgt sie Sefira, die unterdessen auf Plünderer gestoßen ist und sich in ihrer Unterkunft erholt. Auch Arifes hat von ihrem Aufenthaltsort erfahren. Als er mit seiner Schwester die weiteren Pläne erörtert (unter anderem wollen sie den Zwerg Oolith suchen, der durch sein Alter etwas von den Artefakten gehört haben könnte), werden sie von Nantalin belauscht, die sich alsbald auf den Weg zu Oolith macht.

Die orkische Schamanin Chahfkrish und der Orkführer Kherr stehen mit den dämonischen Xul in Verbindung und trachten ebenfalls nach den Kristallen, die die Schlüssel zu den Artefakten darstellen. Unter Chahfkrishs Führung nähert sich das Heer Palvecia, Kherr verfolgt die Geschwister und kommt ihnen immer näher. Es scheint, als könnte die Rückkehr der Artefakte in die Schale bis zum Vollmond verhindert werden, was den Untergang Byzantiums bedeuten würde …

Obwohl das Buch nicht besonders dick ist, lässt sich die Geschichte nicht in wenigen Worten umreißen, so komplex und vielschichtig ist sie erzählt. Die Entwicklung des feigen und faulen Arifes, dem sogar das Schicksal seiner Schwester im Moment der Gefahr egal ist, zum Orkschlächter und führsorglichen Beschützer dauert über die gesamte Handlungszeit und geht fast unmerklich vonstatten. Zwar erahnt man Einzelheiten wie das Schicksal Nantalins und den Hintergrund des höfischen Verrats, das tut aber weder der Spannung noch dem Lesefluss Abbruch, weil die hinweisenden Sätze zur richtigen Zeit kommen.

Einzig die schnelle Zuneigung Sefiras zu diesem Schönling Sid kurz nach dem Tod ihres Verlobten erscheint etwas unnatürlich und führt zu Widerwillen. Glücklicherweise wird dazu ein passender Ausweg gefunden, denn die Eisschmelze setzt pünktlich ein.

Byzantium selbst erscheint nicht sonderlich groß, wenn die Helden etwa ein Drittel der Insel in knapp einem Monat bewandern können. Darum erstaunt auch nicht die gute Ortskenntnis des alten Zwergs Oolith, der noch andere Einblicke in die Geschehnisse zu haben scheint, da er aufopfernd sowohl Arifes als auch seiner Konkurrentin Nantalin hilft und sie vor dem schnellen Zugriff des Orks Kherr bewahrt. Schade, dass wir nicht mehr über ihn erfahren konnten.

Trotz des dichten Handlungverlaufs gelingt es den Autorinnen vorzüglich, auf den Hintergrund der Götterwelt und der Landesgeschichte einzugehen; dadurch gewinnt die Geschichte an Substanz und Glaubwürdigkeit. Man leidet mit Arifes, als er seinem Pferd die Qualen erspart, gleichzeitig muss man sich das Lachen verkneifen, denn die in hohem Bogen über die Deckung fliegenden Bröckchen des Unwohlseins wirken in Anbetracht der ernsten Situation erfrischend. Überhaupt bildet sich um Arifes und Nantalin ein ungreifbares Feld der Komik. Außer Frage steht, dass zwischen ihnen ein gewisses Knistern besteht, und umso erheiternder kommen Augenblicke wie das nackte Im-Schnee-wälzen oder die pragmatische Sicht der Dinge, als ihr verhinderter Führer, der weiße Rabe, seinen Weg erst in den und dann wieder aus dem Magen von Arifes findet – und damit seinen Zweck doch noch erfüllt.

Natürlich ist das Anagramm des Namens der Geschwister augenfällig. Dass dies ein wichtiges Element der Geschichte ist, glaube ich nicht, eher handelt es sich wohl um eine kleine Neckerei der Autorinnen. Insgesamt gefällt mir der Roman ausgesprochen gut, er ist spannend, tiefgründig und so unterhaltsam, dass ich ihn erst um zwei Uhr morgens zur Seite legen konnte – als er ausgelesen war. Dabei lässt sich nicht feststellen, ob wirklich drei Autorinnen mitwirkten oder doch nur eine Person (aber nach direkter Bekräftigung von Ines Bauer ist es tatsächlich Teamarbeit), das lässt auf ein hervorragendes Zusammenspiel schließen. Es ist ein Buch geworden, das Beachtung verdient. Apropos verdient: Beruhigend, dass auch Nargol sein Fett wegkriegt!

Verlagsseite: http://www.wurdackverlag.de